Tax Compliance

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Grundsätzlich sollte z.B. organisatorisch festgelegt werden, dass vor der Ausführung von Bestellaktivitäten an Kunden innerhalb der EU auch die entsprechenden Umsatzsteueridentifikationsnummern vorab abgefragt und zumindest ab gewissen Bestellvolumina über eine qualifizierte Anfrage beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) verifiziert wurden. Da in dem Beispielsfall B keine direkten Auslandslieferungen getätigt hat, dürften entsprechende Untersuchungshandlungen jedoch wenig erfolgversprechend sein.



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Zur Verschleierung der Zahlungswege könnten der Lieferant A und der Kunde C ihre Bankverbindungen in regelmäßigen Abständen wechseln. Das häufige Wechseln der Bankverbindungen kann Hinweise auf Risiken geben. Dies kann vom Risiko des Forderungsausfalls (der Kunde hat Zahlungsschwierigkeiten und braucht daher immer wieder neue Geschäftsbanken) bis hin zum möglichen versuchten Betrug (Verschleierung der Rückverfolgung der Zahlungswege) reichen. Daher haben Großhändler typischerweise Prüfroutinen implementiert, die im Falle häufig wechselnder Kontoverbindungen ihrer Kunden nähere Prüfungen durch eine unabhängige Stelle (z.B. durch die Interne Revision) vorsehen. Wenn im Beispielsfall entgegen den vorgesehenen Prüfroutinen trotz eines mehrfachen Wechsels der Bankverbindungen diese internen Untersuchungen nicht durgeführt wurden, weil z.B. das zur Einleitung zuständige Management dies verhindert hat, könnte dies ebenfalls im Rahmen einer Investigation Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten geben.



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Weiter wird erhoben, inwieweit regelmäßig Weiterbildungen der Mitarbeiter zu den Risiken stattfinden bzw. stattgefunden haben. Im Rahmen einer Investigation wird schließlich auch die Frage, ob im Unternehmen vordefinierte Verfahrensweisen für das Verhalten, im Falle des Kontakts mit der Steuerfahndung, vorhanden sind, eine wichtige Rolle spielen.



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Insgesamt wird es bedeutend sein mit Mitarbeitern des Unternehmens, die aufgrund ihrer Funktion möglicherweise Kenntnis von dem Umsatzsteuerkarussell gehabt haben könnten, Interviews zu führen, um solche Umstände in Erfahrung zu bringen. Denn es kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass nicht doch einzelne Mitarbeiter des Unternehmens B von dem Umsatzsteuerkarussell Kenntnis hatten. Sollten sich entsprechende Verdachtsmomente durch die Interviews oder auch die vorgenannten Untersuchungshandlungen erhärten, kann unter Abwägung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit eine computerforensische Auswertung der Daten verdächtiger Mitarbeiter mit der Zielsetzung erfolgen, ob kritische Informationen mit Mitarbeitern des A oder C ausgetauscht wurden. So könnte die Geschäftsführung der B in die Lage versetzt werden, Maßnahmen gegen Mitarbeiter zu ergreifen, die kollusiv gehandelt haben, und mögliche Schwachstellen im Internen Kontrollsystem, die zu kriminellen Handlungen führten, für die Zukunft zu schließen.



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Da im vorliegenden Sachverhalt die Ware nicht existent ist, müssen die entsprechenden Frachtpapiere über den Transportweg von A an C im Rahmen des Streckengeschäftes gefälscht sein. In den Fokus einer Investigation gerät neben A und C somit auch der Transportweg. Wenn sich A für den Transport eines vermeintlichen Frachtführers bedient hat, würde sich im Rahmen der Investigation ebenfalls eine Hintergrundrecherche anbieten. Zudem wären die Frachtpapiere auf ihre Authentizität hin zu überprüfen. Wenn leicht erkennbar ist, dass die Frachtpapiere gefälscht sein müssen, stellt sich grundsätzlich die Frage, warum dies bei B nicht aufgefallen ist bzw. wer ggf. veranlasst hat, dass keine weiteren Untersuchungen hinsichtlich der Echtheit der Logistikkette angestellt wurden.





II. Aufklärung von Briefkastenfirmen und Steueroasen





1. Hintergrund



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Zunächst lässt sich grundsätzlich feststellen, dass wirtschaftliche Aktivitäten in Steueroasen und/oder das Betreiben von Briefkastenfirmen für sich selbst gesehen keine steuerrechtlichen Vergehen darstellen und somit keine steuerlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Steuerliche Risiken können sich aber aus der Art der Aktivitäten ergeben, die in der Steueroase und/oder durch die Briefkastenfirma entfaltet wird. Bei der Frage, ob solche Aktivitäten steuerlich als kritisch einzustufen sind, wird nachfolgend beispielhaft auf §§ 7 ff. AStG sowie § 42 AO eingegangen, wobei sich die Rechtsfolgen in der Anwendung erheblich unterscheiden. Wegen der großen Komplexität der Regelungen im AStG sowie in § 42 AO sollen hier nur Grundzüge und sich hieraus ergebende grundlegende Probleme dargestellt werden. Hierbei ist insbesondere der Begriff der Basisgesellschaft von Bedeutung, der in der einschlägigen Rechtsprechung und Kommentierung oftmals verwendet wird. Dabei wird die Basisgesellschaft gelegentlich auch mit der Zwischengesellschaft i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG gleichgestellt. Die Rechtsprechung hat sich nicht dazu durchringen können, den Begriff der Basisgesellschaft zu definieren. Den Versuch einer Definition findet man beispielhaft bei Schaumburg, der Basisgesellschaften als eine Auslandsgesellschaft bezeichnet, durch „deren Einschaltung Einkünfte und Vermögen der inländischen Besteuerung entzogen werden sollen.“



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§ 7 Abs. 1 AStG umfasst Fälle, in denen unbeschränkt Steuerpflichtige (inländische Gesellschafter) zu mehr als der Hälfte an einer ausländischen Gesellschaft (i.S.d. KStG) beteiligt sind, wobei die ausländische Gesellschaft weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hat und damit nicht unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtig ist. Hieraus ergibt sich eine Reihe von Fragestellungen, wie z.B. die Frage, was eine Beteiligung zu mehr als der Hälfte begründet. Es darf nicht davon ausgegangen werden, dass ausländische Kapitalgesellschaften stets wie deutsche Kapitalgesellschaften funktionieren. So ist es durchaus möglich, dass Stimmrechte im deutschen gesellschaftsrechtlichen Sinne nicht bestehen. Dann wird nach § 7 Abs. 2 S. 3 AStG hilfsweise auf die Beteiligung am Vermögen der ausländischen Gesellschaft abgestellt.



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Damit die Rechtsfolgen des § 7 AStG eintreten können, muss die ausländische Gesellschaft eine Zwischengesellschaft sein. Eine ausländische Zwischengesellschaft liegt nach § 8 Abs. 1 AStG vor, wenn sie passive Einkünfte erzielt, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen. Was passive Einkünfte sind kann aus dem Umkehrschluss des § 8 Abs. 1 AStG geschlossen werden, da § 8 Abs. 1 AStG alle Einkünfte als passive Einkünfte definiert, die nicht aus den dann aufgeführten Einkunftsarten stammen. Der Katalog der aktiven Einkünfte ist umfassend, aber teilweise auch auslegungsbedürftig, da es bei der Abgrenzung zwischen aktiven und passiven Einkünften auf die jeweiligen wirtschaftlichen Sachverhalte ankommt. Die Überlassung der Nutzung von Rechten ist nach § 8 Abs. 1 Nr. 6a AStG den passiven Einkünften zuzuordnen. Jedoch wird eine Rückausnahme definiert für den Fall, dass die überlassenen Rechte das Ergebnis eigener Forschungs- oder Entwicklungstätigkeit der ausländischen Gesellschaft, ohne Mitwirkung des an dieser ausländischen Gesellschaft i.S.d. § 7 AStG beteiligten inländischen Gesellschafters oder einer diesem nahestehenden Personen, sind. Die sich hieran anschließenden Probleme der Führung der entsprechenden Nachweise liegen auf der Hand und stellen einen großen Problemkreis im Außensteuerrecht dar. Für Gesellschaften, die ihre Geschäftsleitung im EU-/EWR-Raum haben, ist zudem § 8 Abs. 2 AStG zu beachten. Die Einkünfte dieser Gesellschaften stellen dann keine Einkünfte einer Zwischengesellschaft dar, wenn der Nachweis gelingt, dass eine wirtschaftliche Betätigung in diesem Staat der EUR/EWR erfolgt.



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Eine niedrige Besteuerung liegt nach § 8 Abs. 3 AStG vor, wenn die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft – ohne Berücksichtigung ggf. berücksichtigungsfähiger Verlustverrechnungen – einer Belastung von weniger als 25 % unterliegen. Dem steht nach § 8 Abs. 3 S. 3 AStG gleich, wenn zwar Ertragsteuern von mindestens 25 % rechtlich geschuldet, jedoch nicht tatsächlich erhoben werden.



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Die Rechtsfolgen des § 7 AStG sind beträchtlich. Qualifiziert sich die ausländische Gesellschaft als Zwischengesellschaft, sind die Einkünfte dieser Gesellschaft nach § 7 Abs. 1 AStG den inländischen Gesellschaftern im Grundfall mit dem Betrag hinzuzurechnen, der dem Anteil am Nennkapital der Gesellschaft entspricht (Hinzurechnungsbetrag). Dabei gelten diese hinzuzurechnenden Einkünfte nach § 10 Abs. 2 AStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen bei natürlichen Personen bzw. bei einer dem KStG unterliegenden Gesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Faktisch wirkt der Hinzurechnungsbetrag somit als Dividende, wobei nach § 10 Abs. 2 S. 3 das Teileinkünfteverfahren bzw. die Steuerfreistellung der Dividende nach § 8b Abs. 1 KStG nicht zum Tragen kommen.



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Auch sind bei der Frage der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages die Besonderheiten des § 10 Abs. 3 und 4 AStG zu beachten. Vereinfacht ausgedrückt ist der Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 3 AStG in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln. Bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages stellt § 10 Abs. 4 AStG klar, dass Betriebsausgaben nur abgezogen werden dürfen, wenn diese in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften stehen.



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Zu beachten ist bei der Anwendung der §§ 7 ff. AStG, dass nicht nur die direkte Beteiligung des inländischen Gesellschafters an einer ausländischen Zwischengesellschaft betrachtet wird. Ist eine ausländische Gesellschaft an einer anderen ausländischen Gesellschaft beteiligt (Untergesellschaft), so ist auch für diese Untergesellschaft zu prüfen, ob ein Hinzurechnungsbetrag zu ermitteln ist. Weitere Einzelheiten für solche nachgeschalteten Zwischengesellschaften sind in § 14 AStG geregelt. Dabei ist insbesondere § 14 Abs. 3 AStG zu beachten, der klarstellt, dass auch Beteiligungen einer Untergesellschaft an weiteren ausländischen Gesellschaften zu den Konsequenzen der §§ 7 ff. AStG führen können. Als Konsequenz kann sich die Notwendigkeit ergeben, Beteiligungsketten zu untersuchen und hinsichtlich möglicher Hinzurechnungsbeträge zu beurteilen, was in der Praxis ein nicht unerhebliches Ermittlungsproblem darstellen kann.

 



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§ 42 AO stellt einen Auffangtatbestand dar, der verhindern soll, dass durch den Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten das Steueraufkommen gefährdet wird. Die Frage, wann ein steuerlich beachtlicher Missbrauch vorliegt, stellt sich nach § 42 Abs. 2 AO dann, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehen Steuervorteil führt. Als Rückausnahme wird die wirtschaftliche Betrachtungsweise verwendet. Sofern es gewichtige außersteuerliche Gründe gibt, kann eine solche steueroptimierte Gestaltung wiederum zulässig sein. Aus dieser kurzen Ausführung wird bereits deutlich, dass § 42 AO im hohen Maße auslegungsbedürftig ist und dass für die Frage, ob eine missbräuchliche Steuergestaltung vorliegt, stets der Einzelfall zu betrachten ist.



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In der Gesetzesbegründung zu § 42 AO wird für die Frage, wann kein Missbrauch vorliegt, das Konstrukt eines „verständigen Dritten“ gewählt. Dabei soll unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung des BFH untersucht werden, ob ein sachverständiger Dritter die Gestaltung in Anbetracht des wirtschaftlichen Vorteils und der angestrebten Zielsetzung auch gewählt hätte, wenn es keinen Steuervorteil gäbe.



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Zusammenfassend wird regelmäßig dann von einer missbräuchlichen Gestaltung auszugehen sein, wenn die folgenden Punkte vorliegen:








            –





            unangemessene rechtliche Gestaltung,









            –





            Steuervorteil,









            –





            keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe,









            –





            keine Entfaltung einer eigenen (beachtlichen) wirtschaftlichen Betätigung (z.B. bei ausländischen Gesellschaften).








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Eine unangemessene rechtliche Gestaltung liegt nach der ständigen Rechtsprechung insbesondere dann vor, wenn sie „eher

unwirtschaftlich, umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt, überflüssig, ineffektiv

 oder

widersinnig

 erscheint“. Während das Tatbestandsmerkmal Steuervorteil grundsätzlich einsichtig ist und daher keiner weiteren Erläuterung bedarf, stellen die (nicht) beachtlichen außersteuerlichen Gründe ein nicht unerhebliches Problem dar. Gerade wenn sich aus der „Natur der Sache“ bestimmte Konstruktionen nur durch komplizierte Transaktionen erzielen lassen (z.B. weil in den betreffenden Ländern, in denen die wirtschaftlichen Aktivitäten durchgeführt werden sollen, die rechtlichen Gegebenheiten keine einfacheren oder in Deutschland „üblichen“ Lösungen zulassen) wird auf die außersteuerlichen Gründe zu blicken sein, die wirtschaftlich betrachtet diese Konstruktion wieder sinnvoll machen und daher auch durch einen Dritten gewählt worden wären. Bezogen auf Auslandsgesellschaften hat dementsprechend auch die Rechtsprechung das Fehlen von wirtschaftlichen und sonstigen beachtlichen Gründen dann als schädlich eingestuft, wenn diese keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten. Für die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften hat der BFH konkret entschieden: „Die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland erfüllt den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, wenn für ihre Zwischenschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen.“



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Die Abgrenzung der Anwendung von §§ 7 ff. AStG und § 42 AO ist nicht unproblematisch. Zunächst kann festgestellt werden, dass aufgrund der Anwendungsvoraussetzungen der §§ 7 ff. AStG dessen Anwendungsbereich eingeschränkt wird. Wird z.B. aufgrund der tatsächlichen Umstände die (tatsächliche) Geschäftsführung i.S.d. § 10 AO einer ausländischen Gesellschaft gar nicht im Ausland sondern im Inland ausgeübt, ist die ausländische Gesellschaft nach § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, so dass § 7 ff. AStG nicht mehr anwendbar ist. Ob in der Konstruktion dann noch ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vorliegt, wäre zwar im Einzelfall zu prüfen, dürfte aber mit Hinblick auf den für § 42 AO notwendigen steuerlichen Vorteil eher zu verneinen sein. Ähnlich hat sich der BFH geäußert, der im Falle einer unbeschränkten Steuerpflicht (Primäranspruch) für die Anwendung des § 42 AO keinen Raum gesehen hat. Am ehesten denkbar wäre eine Gestaltung nach § 42 AO missbräuchlich, wenn im Rahmen einer die Anwendung der §§ 7 ff. AStG vermeidenden Konstruktion, aktive Einkünfte künstlich über eine ausländische „Briefkastenfirma“ der inländischen Besteuerung entzogen werden. Wann eine solche Briefkastenfirma vorliegt, hat der BFH nicht positiv definiert, sondern nur Fälle genannt, bei denen keine Briefkastenfirma gegeben ist, was die Abgrenzung der Frage, wann eine Briefkastengesellschaft vorliegt, nicht unbedingt erleichtert und nicht zur Rechtssicherheit bei Aktivitäten im niedrig besteuerten Ausland beiträgt.



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Unabhängig von möglichen steuerstrafrechtlichen Konsequenzen stellt das Nichterkennen des Anwendungsbereiches des § 7 ff. AStG bzw. des § 42 AO ein nicht unerhebliches Zinsrisiko dar. Werden (vermeintlich) ausländische Einkünfte im Rahmen einer Betriebsprüfung zu inländischen Einkünften klassifiziert, ergibt sich aufgrund des Zinssatzes der Abgabenordnung von 6 % nach § 238 AO ein nicht unerhebliches Zinsrisiko. Dass der Zinslauf für den Fall, dass keine Steuerhinterziehung vorliegt, nach § 233a Abs. 2 AO erst mit einer Anlaufhemmung von 15 Monaten nach der Entstehung der jeweiligen Steuer beginnt, dürfte da nur bedingt tröstlich sein, zumal dieser „Vorteil“ im Falle einer Steuerhinterziehung nach § 235 Abs. 2 AO nicht zum Tragen käme.





2. Bedeutung der internen Sachverhaltsaufklärung bei Briefkastenfirmen und Steueroasen



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Wie oben dargestellt, ist festzustellen, dass die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 42 AO einer nicht unerheblichen Auslegung bedürfen. Umso wichtiger ist es gerade in Gestaltungsfällen mit Auslandsbezug, die unter § 42 AO fallen könnten, die außersteuerlichen, d.h. wirtschaftlichen Gründe des jeweiligen Gestaltungswegs nach entsprechender steuerlicher Beratung umfassend zu dokumentieren. Dies kann insbesondere im späteren Verfahrensverlauf von Bedeutung sein, sollte z.B. im Anschluss an eine Betriebsprüfung der Vorwurf einer ggf. strafrechtlich relevanten Steuerhinterziehung (§ 370 AO) aufkommen.



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Dies bedeutet aus diesem Grund ebenfalls, Hinweisen auf potentielle Abweichungen von den intern festgelegten Gestaltungen umgehend nachzugehen und die entsprechenden Sachverhalte aufzuklären.





3. Beispiel



Sachverhalt



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Der deutsche Anlagenbaukonzern A ist unter anderem in Südamerika tätig und hat dort seit Jahrzehnten hohe Marktanteile. Durch massive Patentrechtsverletzungen asiatischer Konkurrenten sind die hochwertigen Produkte des Anlagenbauers A unter erheblichen Margendruck geraten. Die Marktanteile sind in den letzten zwei Jahren um rund 20 Prozentpunkte eingebrochen. Die argentinische Vertriebstochter B ist in die Verlustzone geraten und kann ihre Verbindlichkeiten an die konzerneigene Produktionsgesellschaft C mit Sitz in Deutschland, die gleichzeitig die Muttergesellschaft von B ist, nicht mehr vollständig bedienen. Es drohen hohe Abschreibungen auf die bei C aktivierten Forderungen im folgenden Geschäftsjahr, wenn B ihren neuen Businessplan nicht erreicht.



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In einer Krisensitzung der Geschäftsleitung von B und C wird analysiert, dass sich die Produktionsreife der neuen Produkte, die Gegenstand des Businessplans der B sind, nicht planmäßig bei C realisieren lassen. Zudem wird analysiert, dass Verkäufe in der Vergangenheit insbesondere dann realisiert werden konnten, wenn Entscheider bei den Kunden der B durch „Bonifikationen“ wie z.B. Ferienreisen, Einladungen zu Veranstaltungen oder anderen Annehmlichkeiten an das Unternehmen gebunden werden konnten. Aufgrund eines prominenten Korruptionsskandals bei einem Konkurrenten der B in Argentinien war B jedoch gezwungen, dieses Programm einzustellen, was zu weiteren Verlusten von Marktanteilen geführt hatte. Um dieses „Kundenbindungsprogramm“ wieder aufnehmen und ausweiten zu können, wird eine Finanzierungsmöglichkeit ohne direkten Bezug zu B gewählt.



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Die B vertreibt seit Jahren die Anlagen des Konzerns in Argentinien unter einem eigenen Markennahmen, der in Argentinien, jedoch nicht weltweit, markenrechtlich geschützt ist. Es wird durch C eine Gesellschaft D mit Sitz in Panama gegründet, deren einziger Zweck die Beantragung des Markenrechtes für weitere wichtige Absatzmärkte in Südamerika ist. Die B, die eigentlich dieses Markenrecht durch seine unternehmerische Aktivität geschaffen hat und gegen die Eintragung des Markenrechtes durch D rechtlich vorgehen könnte, lässt D gewähren und legt keine Rechtsmittel gegen die Eintragung des Markenrechtes ein. An D ist C als 100 %ige Gesellschafterin beteiligt. Um Mittel zu generieren, lizensiert D das Markenrecht und bietet es C zum zeitlich befristeten Erwerb (15 Jahre) an. C vertreibt über ihre in den jeweiligen Ländern ansässigen Vertriebstöchter ihre Produkte nun auch unter dem eingetragenen Markennamen. Die Lizenzaufwendungen werden als Betriebsausgaben geltend gemacht. Zur Eintragung und Pflege der Markenrechte werden in den Ländern, in denen die Markenrechte beantragt wurden, lokale Rechtsanwaltskanzleien beauftragt, die entsprechende Rechnungen an die D stellen. Hierdurch wird sichergestellt, dass in Panama keine Gewinne anfallen.



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Als Begründung für die Lizensierung durch D wird dokumentiert die C in ihren internen Besprechungen, dass es für die markenrechtliche Eintragung in Südamerika eines besonderen Know-hows rechtlicher Natur bedürfe, das die Einbindung lokaler Rechtsanwälte bedingt, die jedoch nur mit Gesellschaften zusammenarbeiten würden, die in Mittel- oder Südamerika tätig wären. Zur Begründung, warum die Markenrechte nicht direkt durch die Vertriebsgesellschaften in den jeweiligen Ländern beantragt wurden, wird ausgeführt, dass hierzu bei den Tochtergesellschaften nicht das notwendige Know-how vorhanden sei und für C durch die Nutzung des Markenrechtes ja in ganz Südamerika insgesamt ein erheblicher Wettbewerbsvorteil durch den einheitlichen Markenauftritt bestünde.



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Die Mittelzuflüsse bei den lokalen Rechtsanwaltskanzleien werden nach Abzug einer Gebühr auf Anweisung eines Mittelsmannes, der von B und C eingesetzt wurde, verwendet, um kundenbindende Maßnahmen bei Entscheidern wichtiger Kunden der B zu finanzieren.



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Der hier dargestellte Sachverhalt ist insgesamt schwierig und nicht nur in Hinblick auf den Sinn und Zweck des Konstruktes, nämlich der Erzielung von Mitteln zur Begünstigung potentieller Entscheider bei Kunden (möglicherweise Bestechung) steuerlich hoch „brisant“. Es ergeben sich zahlreiche Ansatzpunkte, die zu überprüfen wären und deren steuerliche Konsequenzen jeweils unterschiedlich sind. Zu prüfen wäre z.B. ob hier nicht ein Scheingeschäft nach § 41 Abs. 2 AO vorliegt, das für die Besteuerung grundsätzlich unerheblich ist. Wird ein Scheingeschäft verneint, wäre zu überprüfen, ob man aufgrund der obigen Konstruktion nicht zu dem Ergebnis kommt, dass der Ort der (tatsächlichen) Geschäftsleitung im Inland liegt und die Gesellschaft somit nach § 1 Abs. 1 KStG bereits unbeschränkt steuerpflichtig ist. Wird der Ort der Geschäftsleitung im Inland verneint, wäre zu überprüfen, ob hier ggf. eine reine Briefkastenfirma vorliegt und das gesamte Konstrukt nach § 42 AO als missbräuchlich einzustufen ist. Sofern hier kein Ansatzpunkt gefunden ist, wären die Vorschriften der §§ 7 ff. AStG zu untersuchen. Diese dürften hier besonders „vielversprechend“ sein, da die inländische Gesellschaft C zu 100 % an D beteiligt ist und die Verpachtung der Markenrechte nach § 8 Abs. 1 Nr. 6a AStG im Umkehrschluss passive Einkünfte darstellt. Die Rückausnahme für den Fall, dass das Markenrecht durch die D „entwickelt“ wurde, dürfte hier in keinem Fall einschlägig sein. Zudem ist D in einem „Niedrigsteuerland“ tätig, so dass auch § 8 Abs. 3 AStG greift. Die Voraussetzungen für hinzuzurechnende Einkünfte einer Zwischengesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG dürften vorliegen. Bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages nach § 10 Abs. 4 AStG sind Betriebsausgaben nur dann anzusetzen, wenn sie mit der Einkünfteerzielung in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dies dürfte bei den Rechnungen der ausländischen Rechtsanwälte mehr als zweifelhaft sein. Im Ergebnis dürften die durch D erzielten Lizenzeinnahmen weitgehend ohne Abzug von Betriebsausgaben dem Einkommen der C hinzuzurechnen sein. Aufgrund des bestehenden Konstrukts besteht neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für die handelnden Akteure ein erhebliches finanzielles Risiko, das unter bestimmten Umständen auch auf die deutsche Konzernmutter durchschlagen kann. Darüber hinaus sind weitere finanzielle Belastungen, wie z.B. Zinsen denkbar.

 





Mögliches Vorgehen im Rahmen einer Investigation aus der Perspektive des A



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Aufgeschreckt durch einen prominenten Korruptionsskandal in Brasilien (Odebrecht-Fall) hat die Konzernholding A angewiesen, sämtliche Aktivitäten in Lateinamerika auf den Prüfstand zu stellen und möglichen korruptiven Verdachtsmomenten nachzugehen. Hierbei gelangen auch die Gründung der neuen Tochtergesellschaft D durch die Produktionstochter C sowie die Zahlungen der Lizenzentgelte in den Fokus. Des Weiteren werden die aktuellen und vergangenen Vertriebsaktivitäten der B untersucht. Es werden zahlreiche Interviews geführt, um die Vertriebsgepflogenheiten der Gesellschaft B in Argentinien und die Konstruktion mit der Erlangung und Verpachtung von Markenrechten über die Gesellschaft D mit Sitz in Panama besser zu verstehen. Im Rahmen der Interviews werden die Vertriebsaktivitäten der B in der Vergangenheit kritisch betrachtet, da diese in die Nähe korruptiver Handlungen gerückt werden könnten. Die Mitarbeiter der B verweisen im Rahmen der Interviews darauf, dass dieses Risiko ja erkannt wurde und deshalb diese Vertriebsaktivitäten ja auch eingestellt wurden. Auf die kritischen Fragen, wie es ohne die neue Produktpalette der C, also mit der relativ alten Produktpalette und ohne nennenswerte Vertriebsaktivitäten gelingen konnte, den Marktanteil wieder deutlich zu steigern und sogar die Margen zu verbessern, werden keine plausiblen Erläuterungen vorgetragen. Im Rahmen dieser Interviews trägt C immer wieder vor, dass die Gesellschaft D benötigt wurde, um in ganz Südamerika den in Argentinien durch B so erfolgreich vertriebenen Markennamen zu schützen und als zusätzliches Vertriebsargument einzusetzen. Auf die Frage, warum B das Markenrecht nicht selbst für ganz Südamerika eingetragen hat, verweist das Management der C auf die internen Besprechungsprotokolle, denen zufolge die B und auch die anderen Vertriebstöchter ja gar nicht über das notwendige Know-how hierzu verfügen würden. Auf die Frage, welches Know-how denn die Tochtergesellschaft D habe, das sich von den Vertriebsgesellschaften unterscheidet, kommt keine befriedigende Antwort. Zudem wird im Rahmen der Interviews die Höhe der Rechnungen der lokalen Rechtsanwaltskanzleien an die D hinterfragt, warum keine echten Leistungsnachweise vorliegen und warum scheinbar der gesamte Ertrag der D abschöpft wird. Dies bringt auch die Ermittlung der Lizenzaufwendungen in den Fokus.





Weitere Maßnahmen zur Aufklärung



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Aus den geführten Interviews lassen sich zahlreiche Anhaltspunkte für weitere Untersuchungshandlungen gewinnen. In Erweiterung zu den ersten Interviews sollte zunächst geklärt werden, ob auch Mitarbeiter der A in die Entscheidung die Gesellschaft D zu gründen, mit einbezogen waren oder davon Kenntnis hatten. Sofern dies nicht der Fall ist, sollte untersucht werden, ob die fehlende Information der A über die Gründung einer Tochtergesellschaft ggf. gegen interne Vorgaben ver