Tax Compliance

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bb) Bedeutung des Tax Risk Management für ausländische Finanzbehörden

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Als Ausfluss der öffentlichen Debatte sowie einzelner Unternehmensskandale um risikoreiche Geschäfte und aggressive Steuergestaltungsmodelle insbesondere US-amerikanischer Konzerne sind ausländische Finanzbehörden insbesondere im englischsprachigen Raum Vorreiter bei der Legislative zur Thematik der Tax Compliance. Folge daraus ist teilweise ein Ansatz weitreichender Offenlegungs- und Dokumentationspflichten wie z.B. in den USA der Sarbanes-Oxley-Act und die Beteiligung am sog. „co-operative compliance program“ (Compliance Assurance Program). In Großbritannien, Australien oder den Niederlanden (Horizontal Monitoring) haben die Finanzbehörden mit einem stark risiko- und systemorientierten Prüfungsansatz die Thematik der Tax Compliance für sich interpretiert. Danach ist insbesondere eine Konzeptionskontrolle, weniger eine Einzelsachverhaltskontrolle möglich.

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Abb. 1: Umsetzung von Tax Compliance-Ansätzen ausgewählter Finanzverwaltungen


Niederlande: Co-operative compliance program („Horizontal Monitoring“).
UK: Veröffentlichung der Steuerstrategie. Corporate Criminal Offense.
Frankreich: Co-Operative Compliance program (Pilotprojekt „Relation de Confiance“); FEC standard audit file auf Anfrage zu erstellen.
Spanien: „Code of Best Tax Practices“.
Deutschland: Strafrechtliche Konsequenzen bei Steuerhinterziehung, sofern kein IKS nachweislich implementiert ist.
Russland: Einführung eines tax administration regimes für große Steuerzahlen („Tax Monitoring“).
China: Risk rating baiserend auf Nachweis des Risiko Management Systems; Co-operative compliance program („Tax Compliance Agreement“).
Italien: EInführung eines co-operative compliance programs („Regime Diadempimento collaborative“).
USA: Co-operative compliance program („Compliance Assurance Program“).
Südafrika: Risikobasierter Ansatz der Kooperation zwischen der Finanzverwaltung und den Unternehmen („Taxpayers Engagement Strategy“).

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Eine breite Abhandlung über die neu entstandenen Tax Compliance-Konzepte weltweit dürfte an dieser Stelle zu weit führen. Im Folgenden soll daher anhand des ausgewählten Beispiels in Großbritannien einmal ein Ausblick auf die Verwendung der Tax Compliance durch die Finanzbehörde sowie auf die gleichzeitige Verschärfung der steuerstrafrechtlichen Regelungen gegeben werden, um dadurch aufzuzeigen, welche Überwachungs- und Steuerungsmaßnahmen ein international tätiger Konzern ergreifen muss, um diese neuen Regelungen frühzeitig aktiv zu analysieren und in die vorhandene Tax Compliance-Organisation einzubetten.

cc) Tax CMS am Beispiel UK

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Die englische Finanzbehörde Her Majesty Revenue & Customs (HMRC) beurteilt anhand festgelegter Risikofaktoren und eines Fragenkatalogs den Reifegrad des Tax Compliance-Systems und des steuerlichen Risikomanagements von Unternehmen. Die Kriterien sind im Einzelnen:


Die Komplexität des Umfelds der zu prüfenden Unternehmen (z.B. Branche, rechtliche und finanzielle Strukturen, Größe der Unternehmensgruppe);
grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen;
Reorganisationen und Umstrukturierungen;
Vorhandensein eines effektiven Tax Compliance-Systems inklusive der verantwortlichen Personen, eingeführten Prozesse und Kontrollen;
Vorhandensein einer Tax Compliance-Kultur im Hinblick auf die Offenheit gegenüber der HMRC;
Übereinstimmung der Steuerstrategie des zu prüfenden Unternehmens mit den Vorstellungen der HMRC.

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Anhand dieser Kriterien erfolgt eine Risikobeurteilung der zu prüfenden Unternehmen. In Abhängigkeit der Risiko-Rating-Ergebnisse wird Unternehmen mit einem niedrigen Risikoprofil und einer nachweislich stark ausgeprägten Tax Compliance-Struktur eine schnellere Rechtssicherheit durch die HMRC gewährt. Unternehmen mit einem höheren Risikoprofil und einer weniger ausgeprägten Tax Governance werden im Rahmen der steuerlichen Veranlagung und von Betriebsprüfungen intensiver geprüft.

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Wesentlicher Baustein des Prüfungsansatzes der HMRC ist die Steuerstrategie der Unternehmen, aus der die Haltung des Unternehmens zur Tax Compliance und der Umgang mit Steuerplanungsmaßnahmen und Steuerrisiken hervorgeht. Die HMRC hat im Zuge des „Finance Act 2016“[16] die Vorgabe veröffentlicht, wonach große Unternehmen zukünftig jährlich ihre Steuerstrategie im Internet verfügbar machen müssen. Die Regelung betrifft neben britischen Konzernen und Teilkonzernen mit einen Gesamtumsatz von mehr als GBP 200 Mio. oder einer aggregierten Bilanzsumme von mehr als GBP 2 Mrd. im letzten Wirtschaftsjahr u.a. auch britische Unternehmen ausländischer Konzerne, welche die genannten Größenkriterien überschreiten. Die erstmalige Umsetzung ist im ersten Wirtschaftsjahr vorgesehen, das auf den 15.9.2016 folgt. Die Steuerstrategie ist erstmalig vor Ablauf des jeweils betroffenen Wirtschaftsjahres online zu veröffentlichen.[17] Die von der HMRC geforderten Mindestbestanteile der Steuerstrategie, die zukünftig im Internet veröffentlicht werden sollen, sind:


Haltung des Unternehmens in Bezug auf steuerliches Risikomanagement und Governance-Strukturen im Hinblick bzw. mit Auswirkung auf die Besteuerung in Großbritannien.
Haltung des Unternehmens in Bezug auf Steuerplanungen (soweit die Besteuerung in Großbritannien betroffen ist).
Ausmaß der Risiken, die das Unternehmen in Bezug auf die Besteuerung in Großbritannien bereit ist zu akzeptieren.
Strategie und Haltung im Hinblick auf Verständigungen mit der HMRC.

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Mit der neuen Gesetzesinitiative der britischen Regierung zur Veröffentlichung der geltenden Steuerstrategie auf der Internetseite ist für britische Tochterunternehmen großer internationaler Konzerne nunmehr die Anforderung einer maximalen Transparenz hinsichtlich des steuerlichen Risikomanagements gesetzlich verankert worden. Gleichzeitig dürfte durch diese öffentliche Transparenz das Reputationsrisiko für die unter diese Regelung fallenden Unternehmen deutlich steigen.

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In Ergänzung zu der prozessualen und Compliance-orientierten Herangehensweise der englischen Finanzbehörde im Umgang mit den steuerpflichtigen Unternehmen ist in Großbritannien mit dem „Criminal Finances Bill“ derzeit das Steuerstrafrecht verschärft worden. Die neuen Gesetzesvorhaben sehen verschiedene Strafen im Falle von verhaltens- und organisationsgeschuldeten Fehlern und Steuerverkürzungen vor.

dd) Tax Compliance im internationalen Vergleich: quo-vadis?

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Das Beispiel der Finanzverwaltung in Großbritannien, die nunmehr systematisch eine Verknüpfung zwischen dem risikoorientierten Prüfungsvorgehen einerseits, den höheren Transparenzanforderungen an die Steuerstrategie und das steuerliche Risikomanagement der steuerpflichtigen Unternehmen anderseits sowie gleichzeitig eine Verschärfung der steuerstrafrechtlichen Regelungen verfolgt, macht deutlich, in welche Richtung sich die ausländischen Finanzbehörden zukünftig entwickeln werden.

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Begleitet von der beschriebenen BEPS-Transparenz- und Maßnahmeninitiative der OECD im Hinblick auf vermeintlich steuerschädliche Aktivitäten internationaler Unternehmen, bedeuten diese restriktiven Interpretationen der Tax Compliance deutlich gestiegene Anforderungen an das Vorliegen entsprechender Tax Compliance-Prozesse und zentralen Überwachungs- und Steuerungsmaßnahmen. Um die monetären und Reputationsrisiken sowie die Strafandrohungen aus Fehlern letztlich in einem internationalen Konzern effektiv abzuwenden, bedarf es einer geeigneten steuerlichen Organisation. Zentraler Bestandteil einer solchen effektiven steuerlichen Organisation ist eine systematische und in Richtlinien oder Organisationsanweisungen verankerte Einbindung der Konzernsteuerabteilung und der Konzernsteuerfunktion im weiteren Sinne in steuerrelevante Sachverhalte und in das Konzern-Risiko-Management-System sowie das Konzern-Compliance Management System. Ziel ist es, dass interne und externe Informationen entscheidungsorientiert aufbereitet an die zentrale Konzernsteuerabteilung gelangen und von ihr verarbeitet werden können, so dass eine angemessene Reaktion in kurzer Zeit erfolgen kann.[18] Die Aufbau- und die Ablauforganisation sind dabei die zentralen Elemente eines Tax Compliance-Rahmenwerks für internationale Konzerne.

 

Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 5. Kapitel Umsetzung der Tax Compliance in einem internationalen Konzern › II. Ausgestaltung der Tax Compliance am Beispiel der Konzernsteuerabteilung der Bertelsmann SE & Co. KGaA

II. Ausgestaltung der Tax Compliance am Beispiel der Konzernsteuerabteilung der Bertelsmann SE & Co. KGaA

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Bertelsmann ist ein dezentral organisierter Konzern mit einer Konzernholding, welche die zentralen Konzernfunktionen wahrnimmt. Die Divisionen und Konzerngesellschaften sind grundsätzlich selbst für ihre Geschäfte verantwortlich. Es ist das Verständnis von Bertelsmann, dass die Geschäftsführer der Konzerngesellschaften als Unternehmer handeln: sie genießen weitreichende Unabhängigkeit und tragen umfassende Verantwortung für die Leistung ihrer Firmen. Dagegen steht die Aufgabe und zugleich Verpflichtung des Zentralvorstandes, zum einen die strategischen Leitlinien vorzugeben, aber auch alle organisatorischen Maßnahmen zu treffen, dass der Konzern und damit jede Konzerngesellschaft die zentralen Compliance-Anforderungen erfüllt (und damit auch weltweit uneingeschränkt alle steuerlichen Vorschriften erfüllt). Dieses Spannungsverhältnis zwischen Dezentralität auf der einen Seite, und notwendigen zentralen Vorgaben und Anforderungen an die Divisionen auf der anderen Seite sowie mögliche Lösungsansätze für eine Tax Compliance Organisation unter diesen Rahmenbedingungen sollen Gegenstand der nachfolgenden Darstellung sein.

1. Strategische Analyse der Aufbauorganisation

a) Tax Compliance-Kultur

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Verstand man in der Vergangenheit unter “Compliance“ mehr die Bekämpfung von Vorteilsnahme, Bestechung und Bestechlichkeit sowie die Verhinderung von „Schmiergeldzahlungen“, so steht eigentlich der Begriff ganz allgemein für die Einhaltung von Gesetzen und Vorgaben und damit auch der steuerlichen Vorschriften.[19]

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Tax Compliance im engen Sinne ist somit erst einmal die Verpflichtung eines jeden Steuerpflichtigen und damit auch der Unternehmen und Konzerne, alle steuergesetzlichen Pflichten zu erfüllen und die rechtzeitigen Abgabe von vollständigen und richtigen Steuererklärungen sicher zu stellen.

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Wie strikt und unter welchen organisatorischen Rahmenbedingungen diese gesetzliche Verpflichtung umgesetzt wird, ist eine unternehmerische Werte-Entscheidung (Tax Compliance-Kultur). Die Tax Compliance-Kultur eines Unternehmens sollte dabei immer Teil der allgemeinen Compliance-Kultur des Unternehmens sein. Für die Frage, wie diese Verpflichtung von einem Konzern umgesetzt und insbesondere von deren Mitarbeitern erfüllt wird, bedarf es einer klar formulierte Zielsetzung der Unternehmensführung, wie mit Compliance im Unternehmen allgemein umgegangen wird.

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Die Tax Compliance-Kultur als Teil der allg. Compliance-Kultur im Unternehmen bildet die Grundlage für ein angemessenes und wirksames steuerliches innerbetriebliches Kontrollsystem und wird insbesondere geprägt durch die Grundeinstellungen und Verhaltensweisen der geschäftsführenden Organe und des Managements sowie die Rolle der Aufsichtsorgane. Ausprägungen der Tax Compliance-Kultur eines Unternehmens lassen sich z.B. an einer regelmäßigen Kommunikation von Tax Compliance-Themen auf Ebene der Unternehmensleitung (tone at the top) und durch die Unternehmensleitung in das Unternehmen hinein (tone from the top) erkennen.[20]

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Bei Bertelsmann ist die Compliance-Kultur in der Konzernsteuerrichtlinie verankert. Danach ist der Bertelsmann-Konzern ist eine an Nachhaltigkeit und Compliance orientierte Unternehmensgruppe. Nach dem für alle Mitarbeiter von Bertelsmann geltenden Code of Conduct sind wirtschaftlicher Erfolg auf der einen Seite und gesellschaftliche Verantwortung auf der anderen Seite erklärte Ziele, die sich aus Sicht von Bertelsmann und der Gesellschafter nicht voneinander trennen lassen. Die Einhaltung von Recht und Gesetz ist dabei für Bertelsmann selbstverständlich und unerlässlich. Verstöße gegen Recht und Gesetz schaden nicht nur der Reputation von Bertelsmann, sondern können auch rechtliche Konsequenzen für Bertelsmann sowie dessen Mitarbeiter und Führungskräfte bedeuten. Dies gilt insbesondere auch für die Steuergesetze.

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Die Einhaltung aller steuergesetzlichen Pflichten ist bei Bertelsmann Teil der allg. Compliance-Kultur. Daher hat der Vorstand von Bertelsmann in Ergänzung zum Code of Conduct und der Richtlinie Antikorruption & Integrität, die auch bereits auf Tax Compliance verweist, eine ergänzende Konzernsteuerrichtlinie verabschiedet, die über die allgemeinen Grundsätze hinaus für alle Konzernmitarbeiter verbindlich ist. Die Konzerngesellschaften des Bertelsmann-Konzerns haben so zu agieren, dass steuerliche Vorschriften unbedingt und zu jeder Zeit eingehalten und steuerliche Pflichten erfüllt werden.

b) Tax Governance Konzept

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Die Rechtsprechung zur Organhaftung im Konzern hat sich in den letzten Jahren deutlich verschärft. Der Vorstand haftet u.U. persönlich für steuerliche Verfehlungen, die unter seiner Führung begangen wurden (vgl. Abschnitt 1.2.). Dabei spielt es keine Rolle, ob er das Handeln angeordnet hat. Ggfs. muss er noch nicht einmal davon in Kenntnis gewesen sein. Ihn kann schon ein Organisationsverschulden treffen, wenn er die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Einhaltung steuerlicher Vorschriften nicht angemessen kontrolliert hat. Dabei erstreckt sich der Verantwortungsbereich nicht nur auf die Konzernholding, sondern gilt konzernweit für alle Konzerngesellschaften.

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Bei Bertelsmann ist die Ausgangslage zur Vermeidung von Haftungsrisiken gegenüber einen zentral über eine geschäftsleitende Holding geführten Konzern insoweit herausfordernd, dass wie bereits dargestellt, Bertelsmann ein dezentral organisierter Konzern mit acht Divisionen und mehr als weltweit 1 500 Gesellschaften ist. Die Divisionen mit ihren Konzerngesellschaften sind grundsätzlich operativ für ihre Geschäfte eigenverantwortlich. Auch wenn formal in erster Linie die lokalen Vertreter der Konzerngesellschaften und die Vertreter der verschiedenen Divisionen verpflichtet sind, die steuerlichen und zollrechtlichen Belange der Konzerngesellschaften zu erfüllen, ist jedoch darüber hinaus auch bei einem dezentralen Konzern der Zentralvorstand für die Erfüllung aller steuerlichen Pflichten und Vorschriften letztlich verantwortlich. Er hat – wie oben dargestellt – sicherzustellen, dass zum einen die Konzerngesellschaften sich an die zentralen Grundwerte und Vorgaben bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten halten und zum anderen hat er Prozesse und Kontrollen zu schaffen, so dass alle relevanten und notwendigen Informationen dort ankommen, wo sie für die zutreffende steuerliche Deklaration benötigt werden.

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Zur Erfüllung dieser Verantwortung hat der Zentralvorstand die Konzernsteuerabteilung mit der Aufgabe betraut, die steuerlichen und zollrechtlichen Belange des Konzerns wahrzunehmen, ein geeignetes Tax CMS aufzubauen und sicherzustellen, dass alle steuerlichen Pflichten des Konzerns uneingeschränkt erfüllt werden. Dafür ist es erforderlich, dass die Verantwortlichkeiten und Aufgaben im Zusammenhang mit sämtlichen steuerlichen Angelegenheiten innerhalb des Konzerns einheitlich geregelt werden.

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Über die weltweit für alle Konzerngesellschaften gültige Konzernsteuerrichtlinie wird die Steuerabteilung ermächtigt, konzernweit Vorgaben zur steuerlichen Handhabung von Geschäftsvorfällen bzw. zum grundsätzlichen Vorgehen in steuerlichen und zollrechtlichen Angelegenheiten zu machen und die dafür notwendigen Informationen einzufordern.

c) Steuerstrategie und wesentliche Zielprinzipien für die Steuerarbeit

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Die Steuerstrategie in einem Konzern sollte nach allgemeinem Verständnis grundsätzlich die Minimierung der steuerlichen Gesamtbelastung eines Konzerns im Verhältnis zum Ergebnis vor Steuern sein.

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Risse definiert unter Verweis auf Kessler als Ziel einer Tax Compliance aus Sicht eines steuerpflichtigen Unternehmens die relative Barwertminimierung an Steuern:

„Mit der relativen Steuerbarwertminimierung wird ausgedrückt, dass sich die Steuerbelastung eines Unternehmens nur mit Blick auf ein Ergebnis vor Steuern optimieren lassen muss. Dies geschieht entweder durch die relative Minimierung des Barwertes der Steuerbelastung oder durch geeignete Maßnahmen zur Erreichung einer relativen Maximierung des Barwertes der Steuerentlastungen innerhalb eines Unternehmens.

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Die einzelnen Elemente der Steuerplanung sind nach Kessler:


(1) Vermeidung spezifischer Steuermehrbelastungen durch – sofortige Verlustverrechnung, – Begrenzung von Erfassungsdifferenzen, – Sicherstellung der Abzugsfähigkeit von Aufwand, – Vermeidung von Mehrfacherfassungen bei Gewinnausschüttungen bzw. bei der Veräußerung von Tochtergesellschaften innerhalb einer Unternehmensgruppe; Vermeidung von nochmaliger Besteuerung von bereits steuerlich erfassten, d.h. versteuerten Gewinnen.
(2) Nutzung spezifischer Steuerminderbelastungen – Nutzung von Erfassungsdifferenzen (Imparitätsprinzip), – Nutzung von Steuergutschriften von Quellensteuern und ähnlichen Steuervorauszahlungen, – Allokation von Erträgen in steuergünstigen nationalen wie internationalen Steuerregimen.

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Tax Compliance bedeutet nach diesem Verständnis einer betriebswirtschaftlichen orientierten Auslegung die Ausnutzung von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Legalität.“[21]

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Allerdings muss man feststellen, dass sich diese an sich klare Steuerstrategie als Aufgabenstellung an eine Konzernsteuerabteilung in den letzten Jahren deutlich verändert hat und sich die Schwerpunkte der Aufgaben einer Konzernsteuerabteilung verschieben. Nach einer Studie der KPMG ergibt sich aus einer Umfrage unter 110 Unternehmen, dass heute die Vermeidung der steuerlichen Risiken das Handeln einer Steuerabteilung bestimmt.[22] So stehen heute die Erfüllung der steuerlichen Pflichten und die zutreffende Ermittlung der Steuerpositionen im Tax Accounting an oberster Stelle. Konzernsteuerquote und die Minimierung der Steuerzahlungen stehen heute bei den Zielvorgaben der Steuerabteilungen international tätiger Konzerne hinten an und werden häufig nur dann berücksichtigt, wenn negative Folgen für den Konzern ausgeschlossen werden können.

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Grund für diesen Wandel bei der Zielsetzung an der Arbeit einer Konzernsteuerabteilung ist die Veränderung der steuerlichen Rahmenbedingungen weltweit. An erster Stelle ist hier das BEPS-Projekt zu nennen. Im Zuge der Umsetzung der BEPS-Initiative in nationales Recht haben nicht nur der deutsche Gesetzgeber, sondern auch die Finanzverwaltungen zahlreicher anderer Staaten massive Verschärfungen an den gesetzlichen Grundlagen zur Verfolgung von Fehlverhalten bei der Einhaltung steuerrechtlicher Vorgaben vorgenommen und Maßnahmen zur Vermeidung aggressiver Steuerplanungen eingeführt. Das führt zu einer deutlichen Veränderung in den Beziehungen zwischen den steuerpflichtigen Konzernen und den Finanzverwaltungen weltweit. Dabei gehen die Staaten konzeptionell durchaus unterschiedliche Wege. Während einige Staaten die Lösung darin sehen, in formalen Prozessen in enger Zusammenarbeit mit den Konzernen mehr Steuertransparenz insbesondere bei grenzüberschreitenden Transaktionen zu schaffen (vgl. Abschnitt 1.3.2), setzen andere Staaten auf strenge strafrechtliche Sanktionen. In Deutschland z.B. werden bei fehlerhaften Steuererklärungen immer schneller strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet und auch die Rechtsprechung des BGH zeigt eine deutliche Verschärfung im Steuerstrafrecht.[23]

 

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Neben der Frage des Umgangs zwischen dem steuerpflichtigen Konzern und den verschiedenen Finanzverwaltungen rückt in den letzten Jahren verstärkt noch eine weitere Problematik mehr und mehr in den Vordergrund. War in der Vergangenheit die Steuerstrategie bzw. Steuerplanung der Konzerne weitestgehend eine Sache zwischen den lokalen Finanzverwaltungen und den Konzernen, so kommt heute der Wahrnehmung der Öffentlichkeit eine große Rolle zu. Die Öffentlichkeit, informiert über entsprechende Presseartikel (z.B. „Panama-Papers“[24], „Lux Leaks“[25]), hat hier eine noch ganz eigene Sicht der Dinge, die weniger der formalen steuerliche Betrachtung folgt, sondern vielmehr den „Gerechtigkeitssinn“ in den Vordergrund stellt. Gewinnverschiebungen zu Gunsten einer niedrigen Besteuerung werden dabei als „Drücken“ vor der sozialen Verantwortung gesehen. Für die Unternehmen ergibt sich daraus aus der Verantwortung gegenüber den Aktionären/Gesellschaftern einerseits und der sozialen Verantwortung anderseits die Schwierigkeit auszuloten, was nach der gültigen steuerlichen Rechtslage erlaubt bzw. möglich ist und dann auch umgesetzt werden kann, ohne dabei Gefahr zu laufen, einen Reputationsschaden zu erleiden.

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Abgeleitet von diesen deutlich veränderten weltweiten Rahmenbedingungen und dem Willen, alle steuerlichen Verpflichtungen des Bertelsmann-Konzerns weltweit einzuhalten (Grundsatz der Tax Compliance), basiert die strategische Zielsetzung der Konzernsteuerpolitik bei Bertelsmann auf zwei Kernelementen:


Vermeidung steuerlicher/zoll- und strafrechtlicher Risiken für den Vorstand der Bertelsmann SE & Co. KGaA und die Organe der jeweiligen in- und ausländischen Konzerngesellschaften sowie die Vermeidung von Reputationsschäden für den Konzern;
Optimierung der Steuern unter unbedingter Einhaltung der geltenden Gesetze und Verlautbarungen der jeweiligen Finanzbehörden.

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Abb. 2:

Strategische Zielsetzung der Konzernsteuerpolitik des Bertelsmann-Konzerns


[Bild vergrößern]

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Eine weitere Zielsetzung bei Bertelsmann ist die weltweite Transparenz über alle Steuerthemen. Der Konzern hat dabei den klaren Willen, in allen Bereichen und über alle Länder alle gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Das bedeutet jedoch nicht, dass jegliche Steuerplanungsaktivitäten zu vermeiden sind. Diese werden im Rahmen der normalen operativen Tätigkeit der Divisionen durchaus berücksichtigt, müssen sich allerdings uneingeschränkt im rechtlich zulässigen Rahmen bewegen und dürfen nur so gestaltet sein, dass sie keine sonstigen Risiken für den Konzern wie Reputationsrisiken auslösen. Komplexe, rein steuergetriebene Strukturen sind grundsätzlich nicht gewünscht und werden nicht als Zielaufgabe für die Steuerabteilung gesehen.