Internal Investigations

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Anmerkungen

[1]

Einzige Ausnahme dazu bildet die bereits erwähnte offene Observation.

[2]

Vgl. Glitza S. 28.

[3]

Bundesnetzagentur Vfg 40/2012.

1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 8. Kapitel Personenüberwachung durch Observationen › V. Nacharbeitung

V. Nacharbeitung

155

Jede Observation ist nachzubereiten. Hierdurch werden sowohl operative Defizite identifiziert und zukünftig abgestellt, als auch eine mitunter anstehende gerichtliche Auseinandersetzung vorbereitet.

1. Mitwirkungs- und Benachrichtigungspflicht

156

Das Datenschutzrecht kennt den Grundsatz der Direkterhebung gem. § 4 Abs. 2 BDSG. Gerade die Observation ist die klassische Ermittlungsmaßnahme, die auf Heimlichkeit setzt und gegen eine aktive Mitwirkung des Betroffenen bei der Datenerhebung setzt. Vom Grundsatz der Direkterhebung kann abgewichen werden, wenn der verfolgte Zweck einer unmittelbaren Erhebung entgegensteht und die Rechte des Betroffenen angemessen berücksichtigt werden.

157

Aus § 4 Abs. 3 BDSG ergibt sich die sog. Benachrichtigungspflicht. Erlaubnistatbestände von dieser abzuweichen ergeben sich u.a. aus § 33 BDSG. Gem. § 33 Abs. 2 Nr. 7 lit. b BDSG kann von der Benachrichtigungspflicht abgewichen werden, wenn der (Geschäfts-)Zweck, den die verantwortliche Stelle mit einer Erhebung erreichen möchte, durch eine Bekanntgabe erheblich gefährdet werden würde.

158

Die Voraussetzungen für ein Abweichen vom Grundsatz der Direkterhebung und von der Benachrichtigungspflicht werden bei der Observation regelmäßig gegeben sein. Die Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Observation indiziert dies regelmäßig, werden doch v.a. bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Erforderlichkeit eines heimlichen Vorgehens ebenso geprüft wie die Angemessenheit eines heimlichen Eingriffs in die Rechte des Betroffenen.

2. Beweisverwertungsverbot

159

Zulässig erlangte Beweismittel können jederzeit ins Gerichtsverfahren eingebracht werden. Problematischer kann die Einbringung unzulässiger, da rechtswidrig erlangter Observationsergebnisse sein.

160

Seit der Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2007[1] wurde v.a. diskutiert, ob ein sog. Vortragsverwertungsverbot und ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot den Grundsatz audiatur et altera pars[2] durch Umgehung der Dispositions- und Beibringungsmaxime außer Kraft setzt und damit in deutlichem Widerspruch zu den Grundprinzipien des deutschen Zivil- und Arbeitsgerichtsverfahrens stehen.[3]

161

Auch weiterhin gilt überwiegend, dass es kein grundsätzliches Beweisverwertungsverbot rechtswidrig erlangter Informationen gibt.[4] Bei rechtswidrig erlangten Observationsergebnissen aus dem intimen Lebensumfeld des Betroffenen wird aufgrund der Erheblichkeit des Eingriffs von einem Verwertungsverbot auszugehen sein.

162

Die aufgestellten Grundsätze gelten sowohl für personenbezogene Maßnahmen gegen Beschäftigte, als auch für solche gegen Dritte.[5]

163

Auffällig ist, dass sich die Gerichte in den bereits zitierten Entscheidungen mit der Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Observation auseinandergesetzt haben, gleichwohl an keiner Stelle von einem generellen Verwertungsverbot aufgrund rechtwidrigen oder unverhältnismäßigem Vorgehens entschieden haben. Bisher findet die Diskussion über Verwertungsverbote eher theoretisch statt, wobei hier die überwiegende Meinung von einer grundsätzlichen Zulässigkeit mit Einschränkungen jeglicher in „Extremfällen erheblicher Grundrechtseingriffe“[6] ausgeht.

3. Vorbereitung auf eine Verhandlung vor Gericht

164

Die Nachbereitung einer Observation sollte immer auch der Vorbereitung auf eine gerichtliche Auseinandersetzung dienen. Unabhängig von der oben beschriebenen Frage der Zulässigkeit der Verwertung, gilt es prozessuale Überlegungen anzustellen.

165

Die Ergebnisse der Observation können in Form des Sachbeweises (Berichte, Aufzeichnungen, Foto- und Videoaufnahmen) oder des Personalbeweises (Zeugenaussagen der Observanten) im Prozess Eingang finden.

166

Da im Prozess nur streitige Tatsachenvorträge durch Beweisvortrag verhandelt werden, ist darauf zu achten, Ergebnisse aus der Observation durch Personal- oder Sachbeweis nur dann zu führen, wenn explizit widersprochen wird.

167

In jedem Fall ist eine gerichtliche Verhandlung sorgsam vorzubereiten. Es empfiehlt sich für die Observanten, eine Handakte[7] mit sämtlichen Unterlagen vorzubereiten, die der Vorbereitung auf eine Verhandlung dienen. Bei der Auswahl geeigneter Observanten – v.a. externer Ermittler – ist möglichst von Beginn an darauf zu achten, ob diese auch Erfahrung als Zeuge vor Gericht haben.

Anmerkungen

[1]

BAG NJW 2008, 2732 ff.

[2]

Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 GG.

[3]

Umfassend hierzu Lunk m.w.N.

[4]

Vgl. auch Notzon in Bezug auf die Auswertung sozialer Medien, S. 182 f.

[5]

Thüsing § 21, Rn. 30 ff.

[6]

Sauer Rn. 69.

[7]

Vgl. Stober/Olschok/Peilert F I, Rn. 6.

1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 8. Kapitel Personenüberwachung durch Observationen › VI. Schlussbetrachtung

VI. Schlussbetrachtung

168

Die Anforderungen an eine Observation sind tatsächlich und rechtlich erheblich. Auch wenn sie zum vermeintlichen Standardrepertoire sämtlicher Fernsehermittler zu gehören scheint, sind an ihre Durchführung erhebliche Vorüberlegungen gebunden.

169

Dies hat nicht zur Folge, dass eine Observation per se ausscheidet. Eine allzu enge Auslegung der datenschutzrechtlichen Vorgaben, würde den Ermittlungsanspruch des Arbeitgebers unverhältnismäßig einschränken. Jede Ermittlungsplanung, die sich der Zulässigkeit einer Observation über eine differenzierte Zielbildung ebenso nähert wie über eine fundierte Prüfung der Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit, sollte die Maßnahme trotz aller Hürden vorsehen. Wenn es auch zukünftig darum gehen wird, das Verbringen einer gestohlenen Firmenarmatur, die Übergabe eines Dokuments mit Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder die Bestechung eines leitenden Angestellten „live“ zu beobachten, wird man an dieser eingriffsintensiven Maßnahme nicht vorbeikommen.

170

Die Zukunft des individuellen Daseins wird auch die Observation in einem neuen Licht erscheinen lassen. Durch die digitale Existenz und Präsenz werden sich mitunter neue Observationsformen ergeben. Vielleicht sprechen wir in einigen Jahren über eine digitale Observation, bei der die Zielpersonen ausschließlich mittels digitalem Tracking und der Auswertung der hinterlassenen Spuren in sozialen Medien beobachtet werden. Zum Erstellen sog. Bewegungsbilder wäre das heute schon eine denkbare Option.

1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 9. Kapitel Hinweisgebersysteme des Unternehmens

9. Kapitel Hinweisgebersysteme des Unternehmens

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Grundlagen und Bedeutung von Hinweisgebersystemen im Rahmen interner Ermittlungen

III. Hinweisgebersysteme unterschiedlicher Art

IV. Praxisbericht: Zusammenarbeit des Ombudsmanns mit Hinweisgebern und Unternehmen

V. Hinweisgebersysteme in öffentlich-rechtlichen Institutionen und Einrichtungen

 

VI. Schutz von Hinweisgebern durch gesetzliche Regelungen

VII. Umgang mit erlangten Hinweisen in Unternehmen

VIII. Schlussbemerkung

IX. Praxistipp: Anforderungen an einen externen Ombudsmann

Literatur:

Berndt/Hoppler Whistleblowing – ein integraler Bestandteil effektiver Corporate Governance, BB 2005, 2623; Buchert Der Irrweg der EU-Kommission – Zu den Überlegungen über die Einführung einer staatlichen Whistleblower-Prämie, CCZ 2013, 144; Dahns Wegfall der Sonderverjährung im Bereich anwaltlicher Haftung, NJW-Spezial 2005, 93; Erb Inwieweit schützt § 17 UWG ein ausländisches „Bankgeheimnis“, FS Roxin, 2011, S. 1003; Greeve Privatisierung behördlicher Ermittlungen, StraFo 2013, 89; Joussen Sicher Handeln bei Korruptionsverdacht, 2010; Klengel/Buchert Zur Einstufung der Ergebnisse einer „Internal Investigation“ als Verteidigungsunterlagen im Sinne der §§ 97, 148 StPO, NStZ 2016, 383; Klenk/Hanke Corporate Transparency. Wie Unternehmen im Glashaus-Zeitalter Wettbewerbsvorteile erzielen, 2009; Kremer Kooperation des Unternehmens mit der Staatsanwaltschaft im Compliance Bereich, FS Schneider, 2011, S. 701; Mengel Der Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion zum Whisteblowing, CCZ 2012, 146; Offermann-Burckart Das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, NJW 2016, 113; Pant Der US-False Claime Act – ein El Dorado für Whistleblower, CCZ 2008, 69; Rotsch Criminal Compliance, 2015; Schuster Anmerkung zu LG Hamburg, Beschluss vom 15.10.2010 – 608 Qs 18/10, NZWiSt 2012, 28; Späth/Tybus Vom Zweck der Bestrafung von Unternehmen: Die neue Sentencing Guideline for Fraud, Bribery and Money Laundering Offences in England und Wales, CCZ 2016, 35; Wettner/Mann Informationsrechte und Informationspflichten bei Internen Untersuchungen, DStR 2014, 655; Wimmer Die Verwertung unternehmensinterner Untersuchungen – Aufgabe oder Durchsetzung des Legalitätsprinzips?, FS I. Roxin, 2012, S. 537; Wybitul/Pötters BAG definiert Beschäftigtendatenschutz neu, BB 2014, 437; Zimmer/Seebacher Whistleblowing – Wichtige Erkenntnisquelle oder gefährliches Pflaster?, CCZ 2013, 31.

1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 9. Kapitel Hinweisgebersysteme des Unternehmens › I. Einleitung

I. Einleitung

1

Hinweisgebersysteme, wie sie heute nicht nur fachlich anerkannt, sondern sogar ein „must have“ oder doch „state oft the art“ sind, waren der deutschen Unternehmenslandschaft bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts fremd. Das mag eine wesentliche Ursache darin haben, dass Deutschland im Gegensatz zu den anglo-amerikanischen Staaten keine Kultur des positiven Verpfeifens hat. Diese Vermutung wird dadurch belegt, dass es keine unmittelbare Übersetzung des Worts „Whistleblower“ gibt.[1] Die oft spontane Übertragung in „Verpfeifen“ macht deutlich, wie sehr wir dem Aspekt des Denunziatorischen verhaftet sind, um den es wohlgemerkt gerade nicht geht. Der folgende Beitrag soll aufzeigen, welche Bedeutung Hinweisgebersysteme im Rahmen der Compliance-Systeme haben und dass sie wichtige Basis und wesentlicher Erfolgsfaktor für interne Ermittlungen sind. Allein der Umstand, dass regelmäßig mehr als die Hälfte aller Hinweise auf Straftaten und schwerwiegende Unregelmäßigkeiten über professionell installierte Hinweisgebersysteme ein Unternehmen erreichen, mag dies bereits verdeutlichen.

2

Zum besseren Verständnis zunächst ein kurzer Blick auf die Entwicklung der Wirtschaftskriminalität in Deutschland und ihre Verfolgung: Die wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik nach dem zweiten Weltkrieg und ihre dynamische Veränderung – Stichwort „Wirtschaftswunder“ – stand der Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten grds. entgegen.[2] Der große wirtschaftliche Aufschwung beruhte primär auf der Exportindustrie, die auch dadurch beflügelt wurde, dass deutsche Unternehmen bei ihren Auslandsgeschäften Bestechungsgelder zahlen konnten. Dies war damals – nicht strafbar. Der BGH hat noch 1985 geurteilt, dass von einem deutschen Unternehmer nicht erwartet werden könne, dass er in Ländern, in denen staatliche Aufträge nur durch Bestechung der Staatsorgane erlangt werden können, darauf völlig verzichtet und damit das Geschäft Konkurrenten überlässt.[3] Schließlich verhinderte auch das Urteil des BGH im sog. Bundesligaskandal[4] längere Zeit eine Verfolgung von Korruption wegen Untreue. Damit korrespondiert, dass bis in die Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts Bestechungszahlungen steuerlich absetzbar waren. Ein früherer Kriminalbeamter sagte dem Mitverfasser[5] einmal, dass es in den 50er und 60er Jahren die Losung gegeben habe: „Hände weg von der Wirtschaft“. Die Schwerpunkte kriminalpolizeilicher Arbeit waren also auch andere.

3

In den 80er und 90er Jahren sind Entwicklungsschritte in die Richtung zu verzeichnen, unternehmerische (Fehl-)Entscheidungen strafrechtlich zu sanktionieren. Ein markanter, fehlgeschlagener Versuch stellte das sogenannte Contergan-Verfahren dar, das 1970 nach fast zehnjähriger Verfahrensdauer nach § 153 StPO ohne Auflagen eingestellt wurde.[6] Der Spiegel orakelte damals, dass in den Problemen, an denen der Prozess scheiterte, die Probleme des Strafprozesses von morgen stecken.[7] Das für die strafrechtliche Produkthaftung wesentliche Holzschutzmittelverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt gehört in diese Entwicklung,[8] sicher aber auch die Bündelung vieler in Nebengesetzen enthaltener Strafvorschriften zum Umweltschutz 1980 im Strafgesetzbuch.

4

Damit war nicht nur die Instrumentalisierung des Strafrechts zur Beeinflussung gesellschaftlicher Ziele markant hervorgetreten.[9] Es wurde auch deutlich, dass ein Weg zur Privatisierung des Strafrechts gegangen wird, wie sie heute im Zusammenhang mit unternehmensinternen Ermittlungen augenfälliger nicht sein könnte und plakativ auch als „Outsourcing“ bezeichnet wird.[10]

5

In diesem Zusammenhang dürfen die Beeinflussungen aus den USA nicht übersehen werden, durch die das Thema Compliance in Deutschland Ende der 90er Jahre, vor allem aber zu Beginn des 21. Jahrhunderts an Relevanz gewonnen hat. Compliance hat verschiedene Ursprünge, die in der Medizin, der US-Exportkontrolle zu Zeiten des Kalten Krieges, der amerikanischen Bankenwelt und schließlich in der Prävention von Kartellverstößen und der strafrechtlichen Haftungsvermeidung von Kapitalgesellschaften in den USA wurzeln.[11] Das heutige Verständnis von Compliance besteht in der Sicherstellung gesetzes- und regelkonformen Verhaltens im Unternehmen durch entsprechende organisatorische und personelle Maßnahmen, ist also präventiv geprägt. Umso erstaunlicher ist es, dass auch interne Ermittlungen, die einen primär repressiven Zweck haben, mit großer Selbstverständlichkeit und in umfänglicher Weise erwartet werden. Die Staatsanwaltschaften, die dieser Entwicklung hätten Grenzen aufzeigen können, haben angesichts chronischer Überforderung vor allem bei der Wirtschaftskriminalität dem nicht nur wohlwollend zugesehen, sondern befördern sie mit entsprechender Erwartungshaltung und konkreten Forderungen an Revision oder Konzernsicherheit.[12]

Anmerkungen

[1]

Zu den unterschiedlichen Wahrnehmungen des Begriffs in USA und Deutschland Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann S. 21.

[2]

Taschke NZWiSt 2012, 10.

[3]

BGHZ 94, 268 = NJW 1985, 2405.

[4]

BGH NJW 1975, 1234 ff.

[5]

Der Mitverfasser Dr. Rainer Buchert war lange Jahre leitender Beamter des Bundeskriminalamts und Polizeipräsident von Stadt und Kreis Offenbach.

[6]

§ 153a StPO, der eine Einstellung unter Auflagen ermöglicht, wurde erst 1974 in die StPO eingefügt.

[7]

Maunz Kein einmaliger Fall, Spiegel 51/1970, 87.

[8]

BGHSt 41, 206.

[9]

Diesem Zweck diente auch bereits das Reichskaligesetz von 1910.

[10]

Beukelmann NJW-Spezial 2005, 87.

[11]

Näher dazu Eufinger CCZ 2012, 21.

[12]

Rotsch/Bittmann Criminal Compliance, § 35 Rn. 10 ff.; Wimmer FS I. Roxin, S. 537; Wettner/Mann DStR 2014, 655; Kremer FS Schneider, S. 701; Greeve StraFo 2013, 89.

1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 9. Kapitel Hinweisgebersysteme des Unternehmens › II. Grundlagen und Bedeutung von Hinweisgebersystemen im Rahmen interner Ermittlungen

II. Grundlagen und Bedeutung von Hinweisgebersystemen im Rahmen interner Ermittlungen

6

Es ist heute unbestritten, dass Unternehmen eine Rechtspflicht haben, Straftaten zu ihrem Nachteil aufzuklären.[1] Ein Ermessensspielraum besteht lediglich hinsichtlich des methodischen Vorgehens bei gleichwertigen Handlungsoptionen.[2] Interne Ermittlungen unterscheiden sich in einigen Punkten von Ermittlungen der Polizei oder anderer Strafverfolgungsorgane. Zum einen stehen Zwangsmittel wie Festnahme, Beschlagnahme oder Durchsuchung nicht zur Verfügung, wenn man von den eingeschränkten operativen Maßnahmen innerhalb des Unternehmens absieht. Dies zwingt oft zu einem anderen taktischen Vorgehen. Zum anderen müssen interne Ermittlungen nicht nur strafrechtliche Aspekte, sondern primär arbeitsrechtliche und zivilrechtliche Gesichtspunkte berücksichtigen. Hier ergeben sich bisweilen widerstreitende Interessen, die nur im Einzelfall sachgerecht gelöst werden können. Schließlich muss das Unternehmen bei seiner Aufklärungsarbeit auch an einen möglichen Reputationsschaden denken, worauf Polizei oder Staatsanwaltschaft erfahrungsgemäß weniger Rücksicht nehmen. Interne Ermittlungen sind im Übrigen nicht mit dem typischen Vorgehen der Revision gleichzusetzen,[3] was leider oft verkannt wird und Ermittlungserfolge in Frage stellen kann.

7

Ermittlungsbehörden sind ebenso wie die dazu berufenen Stellen in Unternehmen oder von Verwaltungen in hohem Maße auf Hinweise angewiesen, um Unregelmäßigkeiten nachzugehen und Straftaten aufklären zu können. Dies gilt in besonderer Weise für die kriminalistisch-kriminologischen Besonderheiten bei Wirtschaftsdelikten, insbesondere bei Korruptions- und Kartelldelikten, die nicht von einer klassischen Täter-Opfer-Struktur, sondern durch zwei oder mehr Täter geprägt werden, die ein Band der Heimlichkeit verbindet. Hinweise auf ihre Machenschaften erlangt man daher ganz überwiegend nur durch Insider oder Personen mit einer gewissen „Nähebeziehung“ zu den Tätern. Das Ausschöpfen dieser Wissenspotentiale ist zugleich ein strategischer Ansatz, der dem kriminalistisch unbefriedigenden „Kommissar Zufall“ entgegengesetzt werden kann.

 

8

Während Straftaten mit einem individuellen Opfer in der Mehrzahl der Fälle angezeigt werden – Ausnahmen gibt es vor allem dort, wo eine ausgeprägte Täter-Opfer-Beziehung zu Rücksichtsnahmen führt – werden Delikte der Wirtschaftskriminalität aufgrund der genannten Strukturen regelmäßig nicht angezeigt. Dazu besteht mit wenigen Ausnahmen auch keine Verpflichtung.[4] Zu beachten sind allerdings einige speziellen Reglungen wie z.B. in § 6 SubvG, § 14 GWG und in Korruptionsgesetzen verschiedener Länder, etwa von NRW.[5]

9

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass es für Beschäftigte in einem Unternehmen interne Anzeige- und Meldepflichten gibt. So z.B. nach §§ 16, 17 ArbSchG und aufgrund arbeitsrechtlicher Nebenpflichten bei drohenden und eingetretenen Schäden im eigenen Pflichtenkreis oder bei Schadensverursachung durch Arbeitnehmer, über die eine Kontrollpflicht besteht. Drohen schwere Schäden oder Nachteile für das Unternehmen, wird man grds. von einer Mitteilungspflicht an den Arbeitgeber ausgehen müssen.[6]

10

Eine solche Verpflichtung trifft auch den Compliance-Verantwortlichen,[7] was die vertrauliche Behandlung von intern erlangten Hinweisen einschränken kann.

11

Ein Hinweisgeber (Whistleblower) ist nichts anderes als ein Zeuge, der mit der Weitergabe seiner Beobachtung und seines Wissens an Strafverfolgungsbehörden auch die Rechte und Pflichten eines Zeugen nach der Strafprozessordnung[8] erlangt und sich bei bewusst falschen oder leichtfertigen Beschuldigungen ggf. auch selbst der Strafverfolgung aussetzt.[9] Anders liegen die Dinge, wenn der Hinweisgeber seinen Hinweis anonym oder über ein ihn schützendes Hinweisgebersystem nur an das Unternehmen adressiert und – was selten vorkommt – eine Weitergabe an die Strafverfolgungsbehörden ausschließt. Auch wenn er dies nicht tut, wird seitens des betroffenen Unternehmens oftmals keine Strafanzeige erstattet.

Bei den Hinweisgebern handelt es sich um Einzelpersonen, die entweder Beschäftigte in einem Unternehmen, Dritte, z.B. Geschäftspartner, reine Privatpersonen oder Funktionsträger in privaten oder öffentlich-rechtlichen Institutionen sind. Eine nähere Definition[10] spielt für die hier abzuhandelnde Thematik eine untergeordnete Rolle, ist aber für gesetzliche Regelungen eines Hinweisgeberschutzes, wie sie weiterhin diskutiert und später unter Rn. 74 ff. noch kurz beleuchtet werden, von Bedeutung. Gleiches gilt für die Frage, worauf sich Hinweise beziehen und an wen sie sich richten dürfen. Insoweit ist zu unterscheiden, ob der Hinweis an eine interne Stelle, z.B. den Compliance-Beauftragten eines Unternehmens, an einen Rechtsanwalt als Ombudsmann oder an externe Stellen wie Polizei, Staatsanwaltschaft oder Medien gegeben wird. Derzeit riskiert ein Hinweisgeber eine fristlose Kündigung, wenn er – ohne den Versuch einer (vergeblichen) internen Abhilfe – mit Verdächtigungen an die Öffentlichkeit tritt, weil er damit regelmäßig[11] gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstößt, die als arbeitsvertragliche Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB resultiert.[12]

12

Hinweisgeber bedürfen eines besonderen Schutzes, weil die Erfahrung zeigt, dass sie regelmäßig und sehr leicht Nachteile erleiden, wenn ihre Urheberschaft bekannt wird.[13] Repressalien unterschiedlichster Art sind leider an der Tagesordnung, beginnend bei Mobbing, Versetzungen oder Umsetzungen im Unternehmen über Drohungen mit Entlassungen und Kündigungen bis hin zu Nötigungen und Erpressungen. Ihr Verhalten wird auch von Kollegen oftmals als Verletzung des Korpsgeistes und als denunziatorisch betrachtet. Geschäftspartner müssen damit rechnen, dass ihre Geschäftsverbindung endet und sie keine weiteren Aufträge erhalten. Whistleblowing kann daher leicht existenzbedrohend sein. Auch wenn die Dinge nicht vergleichbar sind, spiegelt sich hier immer noch der Satz wider, dass man den Verrat, nicht aber den Verräter liebt.

13

Hinweisgebersysteme können daher dauerhaft nur funktionieren, wenn sie Hinweisgeber schützen und diesen Schutz auch nachhaltig garantieren.

14

Schließlich erfordern Hinweisgebersysteme, dass das positive Image von Hinweisgebern gepflegt und beworben wird, sowohl in Unternehmen, als auch in der Außenwirkung. Daher ist eine entsprechende nachhaltige Öffentlichkeitsarbeit aller Verantwortlichen erforderlich. Unternehmen sollten immer wieder verdeutlichen, dass Hinweisgeber auf der Seite der ehrlichen Kollegen und Mitarbeiter stehen und sich gegenüber ihrem Arbeitgeber loyal verhalten, wenn sie auf schwarze Schafe hinweisen. Zugleich sollte verdeutlicht werden, dass solche Hinweise nur nach bestem Wissen und Gewissen gegeben werden dürfen. Dies kann nicht so weit gehen, dass der Mitarbeiter seinen Verdacht nur artikulieren darf, wenn er Sachbeweise hat. Dies wäre unrealistisch und lebensfremd. Wohl aber muss der Verdacht durch tatsächliche Anhaltspunkte oder Indizien unterlegt sein. Insofern gelten grds. die bekannten Voraussetzungen, wie sie der Anfangsverdacht i.S.v. § 152 StPO erfordert, wenn es um eine mögliche Straftat geht. Die Anforderungen dürfen jedoch nicht zu hoch geschraubt werden. Die Bewertung eines juristischen Laien und ein nicht widerlegbarer guter Glaube müssen genügen, um einen Hinweis zu rechtfertigen, wenn tatsächliche Vorgänge zutreffend geschildert und etwaige Zweifel nicht verschwiegen werden.