Internal Investigations

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1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 7. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherungen – Personenbefragungen › II. Vernehmungslehre

II. Vernehmungslehre

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Eine Vernehmungslehre für die Befragung bei einer unternehmensinternen Untersuchung gibt es bislang nicht. Sie könnte auch nicht bloß ein kurzes Teilkapitel eines solchen Handbuchs bleiben und sie wäre in ihrem Kern auch keine juristische Abhandlung, sondern eine psychologische. Neben den spezifischen Eckpunkten einer Personenbefragung bei internen Ermittlungen (Vorbereitung, Belehrung, Dokumentation) soll in dem Abschnitt „Durchführung“ wenigstens ein Minimum an Kenntnissen einer Vernehmungslehre in der Form einfach zu befolgender Grundregeln vermittelt werden.

1. Vorbereitung der Befragung

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Das Ziel des Interviews ist es, wahrheitsgemäße Informationen zu erhalten. Da dieses Ziel selbst bei idealen Bedingungen nicht immer erreicht werden kann, wäre zu präzisieren: Der Interviewer muss Angaben anstreben, die optimal auf ihren Wahrheitsgehalt und Irrtumsfreiheit geprüft werden können.[1] Nur so kann der Untersuchungsführer am Ende feststellen und würdigen, was wirklich geschehen ist.

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Die gewonnenen Auskünfte müssen so dokumentiert werden, dass sie für Unternehmenszwecke weiter verwendet werden können. Das bedeutet in der Regel, dass die Informationen in einer Form verarbeitet werden, die es ermöglicht, sie später bei Bedarf forensisch nutzen zu können. Denn die Ergebnisse einer Untersuchung werden in der Regel nicht nur für unternehmensinterne Prozesse genutzt, sondern auch in anschließenden zivil-, straf- oder arbeitsgerichtlichen Verfahren benötigt.

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Auch wenn vorrangig wahrheitsgemäße Antworten erstrebt werden, wird dies nicht immer gelingen. Die Interessen des Informationsträgers können anders gelagert sein. Der Interviewer würde seine Aufgabe missverstehen, wenn er nun das Interview dazu nutzen würde, eigene vermeintlich bessere Erkenntnisse als Interviewergebnis durchzusetzen. Das Interviewprotokoll soll die Aussage des Informationsträgers wiedergeben. Alles andere ist eine Aufgabe späterer Beweiswürdigung des Untersuchungsführers. Beweisgewinnung und -bewertung müssen streng unterschieden werden. Das Interview dient der Beweisgewinnung, die Dokumentation bereitet die nachfolgende Bewertung vor. Diese kann Dritte nur überzeugen, wenn nachvollziehbar bleibt, was Ermittlungsergebnis und was Würdigung ist. Außerdem erfüllt das Interview z.T. weitere Funktionen. So kann es z.B. zugleich die rechtlich notwendige Anhörung für eine sog. Verdachtskündigung sein.[2] Das Interview trägt also den Aspekt des rechtlichen Gehörs in sich bzw. ist gerade bei Befragung eines Verdächtigen ein Ausfluss des Grundsatzes audiatur et altera pars. Das Interview dient nicht der Selbstdarstellung des Untersuchenden, sondern ist eine fokussierte Arbeitstechnik zur weiteren Informationsgewinnung. Kritische Nachfragen im Interview sind selbstverständlich erlaubt und notwendig. Nur: Die Antworten bestimmt der Befragte selbst.

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„Der Abgeordnete Horst Eylmann, Vorsitzender des 1. Untersuchungsausschusses im 12. Deutschen Bundestag, ist sichtlich irritiert, als der Zeuge Alexander Schalck Golodkowski den Parlamentariern zuruft: ‚Sie bestimmen die Fragen, und ich bestimme die Antworten‘. Mit dieser selbstverständlichen Feststellung zieht der Zeuge Schalck nicht zum ersten Mal die Lacher — die Zuhörer im großen Sitzungssaal der CDU/CSU-Fraktion — auf seine Seite. Die nämlich haben die Ironie der Schalckschen Bemerkung sofort erkannt. Die Mehrzahl der Abgeordneten ist schlecht vorbereitet.“[3]

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Diese Episode kennzeichnet den Schlüssel für erfolgreiche Befragungen. Bei unternehmensinternen Untersuchungen stehen die Interviews meist am Ende der Ermittlungsmaßnahmen. Zuerst sind sorgfältig alle anderen zur Verfügung stehenden Informationsquellen auszuwerten. Dies umfasst eine gründliche Dokumentenauswertung und eine Kenntnis der wesentlichen Begleitumstände der in Rede stehenden Vorgänge. Diese Vorarbeit ermöglicht es meist überhaupt erst, das Interview effizient durchführen zu können. Der Interviewer legt für sich vorher fest, auf welche Fragen er eine Antwort am Ende bekommen möchte. Die Erstellung eines Fragenkatalogs ist nahezu unentbehrlich. Er ist themenbezogen und vorwurfsfrei zu gestalten, bleibt aber kein Dogma. Der Fragesteller muss offen sein für alle Wendungen, die ein Interview mit sich bringt. Das wird umso besser gelingen, je detaillierter er vorbereitet ist. Der Vernehmer muss die Dokumentenlage beherrschen und abrufbar halten. Teil der Befragung kann es sein, den Mitarbeiter mit Dokumenten zu konfrontieren, die sich aus der vorhergehenden Auswertung von Unternehmensunterlagen ergeben. All dies will vorbereitet sein. Alle wichtigen Daten müssen greifbar und in das Fragekonzept integriert sein. Aussagepsychologen würden die Vorbereitung wahrscheinlich in folgende drei Abschnitte unterteilen: (1) Aktenanalyse, (2) Hypothesenbildung, (3) Entwicklung eines einzelfallspezifischen Untersuchungsdesigns.[4]

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Soweit zutreffend eine besondere Herausforderung in der Überführung des Verdächtigen im Interview gesehen wird,[5] kann nur vor Übermut gewarnt und zur Zurückhaltung geraten werden. Es wird in den seltensten Fällen gelingen, allein durch geschickte Befragung einen Lügner zu überführen oder zu einem Geständnis zu treiben. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der akribischen Vorbereitung. Erst die Detailkenntnis ermöglicht es dem Interviewer, Schwachstellen eines Antwortkonstrukts zu erkennen und zu widerlegen. Insofern bedarf es auch keiner Differenzierung danach, ob das Interview „lediglich“ der weiteren Sachverhaltsaufklärung dient oder ob der (vermeintlich) Verdächtige vernommen wird. Zwar wird die Vorbereitung erste Hypothesen des Untersuchungsführers gebären, aber jedes Interview wird ergebnisoffen und wertneutral geführt; ursprüngliche Hypothesen müssen überprüft und hinterfragt werden. Sie dienen in erster Linie dazu, das Interview zu strukturieren.

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Ein aggressiver Vernehmungsstil verbietet sich, weil er die Erinnerungsleistung der Auskunftsperson schmälern kann. Bei vermeintlich falsch aussagenden Mitarbeitern gilt nichts anderes. Auch lügende Menschen müssen Details und Aussagematerial liefern, um falsifiziert werden zu können.[6] Die Aussagebereitschaft wird durch einen freundlichen Grundton verbessert und verschließt nicht den dann möglicherweise auch effektvolleren Übergang zu plötzlicher Schärfe.[7]

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Die Vorbereitung des Interviews dient also zum einen dazu einzugrenzen, welche Informationen relevant sind. Das schont nicht nur die Ressourcen aller Beteiligter, sondern steigert auch die Qualität der Befragung. Dazu werden die vorhandenen Daten gesichtet und thematisch gegliedert. Alle Unterlagen, die für das Interview benötigt werden, werden im Vorfeld gesammelt und geordnet, damit sie bei Bedarf griffbereit zur Verfügung stehen. Die für das Interview genutzten Unterlagen sind für den Untersuchungsführer getrennt von den Interviewergebnissen zu dokumentieren, damit die unterschiedlichen Erkenntnisquellen in der späteren Bewertung unterschieden werden können.

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Dazu wird ein erster Fragenkatalog entworfen. An ihm wird man sich nicht zwanghaft festhalten. Er dient aber der weiteren Strukturierung und schützt davor, dass einzelne Details im Eifer vergessen werden. Zum anderen erlangt der Interviewer erst durch die Sichtung eine vergleichbare Wissensbasis wie der Informationsträger. Ein zu großes Wissensgefälle kann zu suboptimalen Ergebnissen führen. In dieser Vorgehensweise spiegelt sich das eingangs dargestellte Auditierungsschema wieder,[8] in dem auf das self assessment (1) ein document review (2) dem interview (3) vorausgeht. Im Einzelfall müssen einzelne informatorische Interviews zu Beginn einer Untersuchung durchgeführt werden, wenn sonst eine Orientierung nicht möglich erscheint. Dies wird aber die Ausnahme sein.

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Schließlich muss entschieden werden, inwieweit der Mitarbeiter im Vorfeld über die Befragung in Kenntnis gesetzt wird. Wie bei all den Themen rund um das Interview gibt es keine allgemeingültigen Regeln. Es gibt aber Erfahrungswerte. Richtet man sich nach ihnen, wird man meist nichts falsch machen. Selbstverständlich muss im begründeten Einzelfall davon abgewichen werden. Rechtliche Vorgaben gibt es nur, soweit die Befragung gleichzeitig als Anhörung im Vorfeld einer Verdachtskündigung dient.[9] Dann ist der Mitarbeiter zwingend vorher über das Thema der Befragung zu informieren, damit die Anhörung wirksam ist. Aber auch sonst empfiehlt sich eine Ankündigung. Das ist ein Gebot der Fairness und erhöht damit die innere Bereitschaft zur Mitwirkung und verbessert dadurch das Ergebnis der Befragung. Liegt von vornherein keine Mitwirkungsbereitschaft vor, ändert die Ankündigung daran wenig. Nur wenn es geboten erscheint, den Betroffenen zu überraschen, sollte jede Vorbereitungszeit entfallen. Eine Täuschung über den Zweck des Gesprächs ist in allen Fällen inakzeptabel.

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Manchmal empfiehlt es sich, die einschlägigen Dokumente oder den erarbeiteten Fragekatalog dem Mitarbeiter vorbereitend an die Hand zu geben. Der Regelfall wird das nicht sein.

 

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Insgesamt ist es unentbehrlich mit dem Abschluss der Vorbereitung und vor Beginn des Interviews eine möglichst valide Einschätzung der Interessenlage des Informationsträgers vorzunehmen. Viele Abwägungsfragen über die konkrete praktische Vorgehensweise werden von dieser Teilanalyse abhängen.

2. Belehrung

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Bevor die Befragung beginnt, stellt sich die Frage, über welche Rechte der Mitarbeiter zu belehren ist. Da keine rechtlich zwingenden Vorgaben bestehen[10] und insbesondere die Strafprozessordnung keine Anwendung findet,[11] bleibt vieles Geschmacksfrage. Rechtlich folgen die Kompetenzen des Fragestellers dem Rechtskreis des Auftraggebers.[12] Allerdings sollte eine Untersuchung nicht nach Geschmack geführt werden, sondern nach vorher aufgestellten konkreten Grundsätzen. Einer davon ist Effizienz. Prinzipiell sollte in einer Investigation nichts Überflüssiges getan werden. Und so könnte man der Idee verfallen, die Befragung ganz ohne Belehrungen zu beginnen. Dabei sollte man zweierlei bedenken. Erstens: Eine Belehrung über Rechte kann das Vertrauen des Informationsträgers in den Fragesteller stärken und damit zu einem besseren Ergebnis beitragen. Zweitens: Eine gute Untersuchung folgt neben der Effizienz auch den Grundsätzen der Legalität, Objektivität und Neutralität.[13] Dies kann Belehrungen im Einzelfall erfordern. Die folgenden Inhalte einer möglichen Belehrung bedürfen näherer Betrachtung:

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Soweit vertreten wird, der verdächtige Arbeitnehmer habe zur Befragung zu erscheinen, dürfe aber schweigen, soweit er sich selbst belasten müsste,[14] besteht keine korrespondierende Belehrungspflicht.

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Der Mitarbeiter hat jedenfalls bei Befragungen, die zugleich Anhörungen im Vorfeld einer Verdachtskündigung sind, das Recht, einen eigenen Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens zu konsultieren.[15] Der Mitarbeiter ist nach Empfehlung der BRAK hierüber zu belehren.[16]

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Die BRAK empfiehlt auch, den Mitarbeiter darüber zu belehren, dass Aufzeichnungen der Befragung gegebenenfalls an Behörden weitergegeben werden und dort zu seinem Nachteil verwertet werden können.[17] Bei Anhörungen im Rahmen sog. Amnestieprogramme soll der Mitarbeiter zusätzlich darüber belehrt werden, dass das Unternehmen keine strafrechtliche Amnestie gewähren kann.[18]

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Soweit die Befragung dokumentiert wird, soll – ebenfalls nach Empfehlung der BRAK – in Abschriften Einsicht gewährt werden. Die Auskunftsperson soll die Abschrift genehmigen. Darüber sei die Auskunftsperson zu belehren.[19] Diese Belehrungsobliegenheit erscheint schon deshalb zweifelhaft, da es keinen (arbeits- oder zivilrechtlichen) Anspruch auf Einsicht in ein von dem Befragenden verfasstes Protokoll gibt.[20] Selbstverständlich kann der Arbeitnehmer dementsprechend auch nicht gezwungen werden, ein Protokoll zu genehmigen. Im Übrigen steht es ihm oder seinem Rechtsbeistand frei, ein eigenes anzufertigen.[21] Allerdings sollte der Interviewende bedenken, dass ein genehmigtes Protokoll die Beweiskraft erhöht.

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Unterbleibt eine Belehrung ist dies für die spätere strafprozessuale Verwertung ohne Belang[22] – jedenfalls solange die Grenzen des § 136a StPO nicht überschritten werden. So stellt sich die Rechtslage de lege lata dar.

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Jenseits einer förmlichen Belehrung, bietet es sich für eine zielführende Gestaltung des Interviews häufig an, zu Beginn des Interviews den Verfahrens- und ggf. auch Kenntnisstand einführend zusammenzufassen.

3. Durchführung der Befragung

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Für die Durchführung gelten nur die allgemeinen Gesetze und keine spezifische Kodifikation, insbesondere gilt nicht die StPO. Der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) formuliert in seinen „Thesen zum Unternehmensanwalt im Strafrecht“ lediglich: „Bei internen Erhebungen, insbesondere bei der Befragung von Mitarbeitern des Unternehmens, wahrt der Unternehmensanwalt die allgemeinen Gesetze und die sich aus den rechtsstaatlichen Grundsätzen ergebenden Standards.“[23] Diese Thesen begründen einen hohen und zweckmäßigen Standard für unternehmensinterne Ermittlungen. Der Untersuchungsführer hat kein Interesse an unlauteren Einwirkungen und unzulässigen Methoden, wie sie § 136a StPO für das Strafverfahren kennzeichnet. Zu Recht betont die BRAK, dass eine Auskunftsperson nicht eingeschüchtert, nicht getäuscht, nicht bedroht und erst recht keinem unzulässigen Zwang ausgesetzt werden darf.[24] Die „BRAK-Thesen“ haben keinen rechtlich verbindlichen Charakter.[25] Befragt jedoch ein Rechtsanwalt die Mitarbeiter, so können die „BRAK-Thesen“ indiziellen Charakter für eine etwaige Berufsrechtswidrigkeit des Vorgehens entfalten.

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Um die gerichtliche Verwertbarkeit der Aussagen im Interview zu gewährleisten, sollten alle Gespräche von wenigstens zwei Personen geführt werden.[26]

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Die Vernehmung ist ein kommunikativer Prozess. Dies ist keine Neuigkeit und doch wird dieses Wissen oft nicht genutzt bzw. es werden zu selten die Konsequenzen daraus gezogen. Eine Kommunikation bringt immer einen Austausch mit sich. Die Menschen (re)agieren aufeinander und beeinflussen sich gegenseitig, oft ohne dies zu wollen oder zu bemerken. Diese Erkenntnis ist Grundlage einer jeden Vernehmung. Je nach Ziel einer Vernehmung sollten die Verhaltensweisen, also nicht nur die verbale Sprache, angepasst werden.

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Der Vernehmer sollte eine Grundstruktur (Bericht und Verhör) einhalten und sich der Wirkungen unterschiedlicher Fragetypen bewusst sein. Hinzu kommen einige Grundregeln, die der Vernehmer einhalten sollte.

a) Grundregeln

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Der Fragesteller hat ein Interesse daran, den Sachverhalt aufzuklären und richtige Informationen von dem Mitarbeiter zu erhalten. Die Auskunftsfreudigkeit kann durch das Verhalten des Vernehmers gefördert oder eingeschränkt werden. Immer muss man sich der Wirkungen des eigenen Auftretens und der anderen Anwesenden bewusst sein und sich ggf. der Situation anpassen.

aa) Kontaktaufnahme

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Selbst wenn die Aufklärung im Interesse der Auskunftsperson liegt, verlangt der Vernehmer etwas und fordert eine Auskunft. Daher initiiert der Vernehmer die Befragung und nimmt zum Informationsträger Kontakt auf. Damit ist (nicht nur) die Aufforderung zum Interview gemeint, sondern eine das gesamte Gespräch umfassende Haltung. Die Kontaktaufnahme in diesem Sinne wird erleichtert oder teilweise auch erst eröffnet, wenn sich der Vernehmer auf die Persönlichkeit der Auskunftsperson einlässt.[27] Der Fragesteller muss sich um seinen Gesprächspartner bemühen.[28] Er ist dafür verantwortlich, dass Bedingungen geschaffen werden, bei denen der Mitarbeiter eher bereit ist, sein Wissen zu teilen. Die Begleitumstände der Befragung beeinflussen das Ergebnis und können gestaltet werden.[29] Der Mitarbeiter soll vermittelt bekommen, dass seine Belange berücksichtigt und seine Bemühungen gewürdigt werden.

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Eine neutrale Position ist anzustreben, denn eine parteiische Haltung wirkt kontraproduktiv und ist für eine Wahrheitsfindung nicht förderlich. Jedoch muss sich der Vernehmer immer vergegenwärtigen, dass jegliche Verhaltensweise seinerseits eine Wirkung auf die Auskunftsperson entfaltet und eine Neutralität nicht durchgehend eingehalten werden kann. Die aus Neutralität oft resultierende distanzierte Haltung von Vernehmern wirkt manchmal hemmend auf die Auskunftsperson.[30] Teilweise kann eine gesunde Distanz beruhigend wirken, doch verhindert eine zu strenge Distanz die Kontaktaufnahme zur Auskunftsperson.

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Der Vernehmer sollte aktiv werden und verdeutlichen, dass er an der Auskunftsperson interessiert ist. Entscheidend wird der Ton bzw. die Art und Weise der Ansprache sein und weniger der konkrete Anknüpfungspunkt. Die Belehrung oder der Einstieg zur Sache kann zu einem persönlichen Verbindungspunkt genutzt werden. So kann etwa die Wichtigkeit der Person/Auskunft betont und nach dem aktuellen Befinden gefragt werden.

bb) Freundlichkeit und Geduld

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Die Auskunftsbereitschaft steigt, umso mehr Vertrauen die Auskunftsperson zum Vernehmer hat. Daher sollte Wert darauf gelegt werden, eine Vertrauensgrundlage zu entwickeln und sie nicht durch unnötige Bloßstellungen oder Vorwürfe zu zerstören.[31] Das bedeutet, dass der Vernehmer zunächst eine vertrauenserweckende und verstehende Haltung einnehmen sollte. Dies bringt nicht den Verlust von Kontrolle oder Ansehen mit sich, sondern schafft eine produktive Atmosphäre. Wie der Vernehmer selbst, weiß die Auskunftsperson oft nicht, welchen konkreten Ablauf sie erwartet. Eine gewisse Nervosität und Unsicherheit ist normal. Dies sollte gegebenenfalls auch vermittelt werden.

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Ein entscheidender Faktor für eine wahrheitsgemäße Aussage ist die Möglichkeit, aus freien Stücken berichten zu können, ohne die Angst zu haben, einen Fehler zu machen oder auch das Gesicht zu verlieren.[32] So sollte der Auskunftsperson bei unangenehmen Situationen, die schon bei Erinnerungslücken oder Verwechslungen entstehen können, mit Rücksicht begegnet werden. Überlegene Gesten des Vernehmers sollten aus diesem Grund vermieden werden. Dies gilt ebenfalls für Vorwürfe und Bloßstellungen, wenn etwa die Auskunftsperson eine Frage oder eine Erläuterung nicht verstanden hat.

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Neben der Vertrauensgrundlage stellt Geduld einen wichtigen Faktor bei einer Vernehmung dar. Fühlt sich die Auskunftsperson unter Druck gesetzt, kann ihre Aussagebereitschaft sinken bzw. die freie Erinnerung beeinträchtigt werden.[33] Die Auskunftsperson konzentriert sich nicht mehr allein auf ihre Erinnerungen und Angaben; vielleicht ist sie aufgrund der Umstände sogar verärgert. Soweit die Ausführungen der Auskunftsperson zu umschweifend werden, können vorsichtig Grenzen gesetzt werden. Doch sollte das Vorgehen immer der Persönlichkeit der Auskunftsperson angepasst werden.

cc) Interesse an und Bemühen um die Auskunftsperson

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Eine wichtige Grundregel eines jeden Vernehmers sollte sein, Interesse an der Auskunftsperson zu zeigen. Damit ist mehr als die anfängliche Kontaktaufnahme und ein freundlicher Umgang gemeint. Als Vernehmer will man eine Auskunft, die aller Voraussicht nach nur die Auskunftsperson geben kann. Diese wichtige Rolle sollte man vermitteln. Dazu gehört insbesondere das aktive Zuhören.[34] Soweit die Auskunftsperson Vorder- und Hintergrundinformationen mitteilt, sollte zunächst zugehört werden. Zum einen können sich überraschend wichtige Angaben ergeben, zum anderen kann ein vorschnelles Abtun oder Eingreifen den Redefluss und damit auch die freie Erinnerung beeinträchtigen. Hilfreicher ist es oft, die Auskunftsperson in dem Fortführen zu bestärken und Teilnahme zu zeigen. Dies sollte mit inhaltlich neutralen Formulierungen erfolgen. Die Auskunftsperson muss den Eindruck gewinnen, dass der Vernehmer den ernsthaften Willen besitzt, die Wahrheit zu erforschen und dazu ihre Auskunft notwendig ist. Insbesondere sollte das Mitteilungsbedürfnis des Vernehmers jedenfalls vorerst hintenan gestellt werden.[35] Umso weniger Unterbrechungen erfolgen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine eigene Aktivität entwickelt. Die Auskunftsperson gibt grundsätzlich mehr von sich und ihren Erinnerungen preis, wenn sie frei und ohne „Störungen“ berichten kann.