Fiskalstrafrecht

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6. Kapitel Europarechtliche Verfahrensvorschriften › A. Einleitung

A. Einleitung

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Zumindest bislang existiert kein europäisches Strafverfahrensrecht und auch keine umfassende Kompetenz der EU, strafprozessuale Vorschriften zu erlassen. Gleichwohl hat das Unionsrecht bereits jetzt wesentlichen Einfluss auf das Prozessrecht der Mitgliedstaaten. Hinzu kommt, dass europäische Vorgaben dabei neben Vorschriften aufgrund anderer multilateraler sowie bilateraler Übereinkommen stehen. Die nachfolgende Betrachtung lässt sich nur schwer auf rein europarechtliche Vorschriften beschränken, da zahlreiche Normen zwar auf unionsrechtlichen Vorgaben basieren, durch ihre Umsetzung aber inzwischen Teil des deutschen Rechts geworden sind.

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Ansätze einer europäischen Kooperation in Strafsachen finden sich bereits sehr früh, wobei diese zunächst ausschließlich zwischen den Mitgliedstaaten und damit außerhalb des institutionellen Rahmens der EG stattfand. Die Mitgliedstaaten bedienten sich klassischer Mittel der internationalen Zusammenarbeit (Konventionen, Resolutionen etc.). Die Entwicklung einer „Sicherheitsunion“ wurde etwa durch das Schengener Übereinkommen vom 14.6.1985 (SÜ), welches die allmähliche Beseitigung der innergemeinschaftlichen Grenzkontrollen vorsah und mit dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) implementiert wurde, wesentlich vorangetrieben. Zahlreiche ausgleichende Maßnahmen (compensatory measures) sollten sicherstellen, dass während dieses „Experiments“ ein hoher Sicherheitsstandard aufrechterhalten werden konnte. Dazu gehört eine verstärkte sowohl polizeiliche als auch justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Eben diese wurde im Vertrag von Maastricht als dritter Pfeiler festgelegt und – mit Ausnahme von „Schengen“ – unter einem einheitlichen europäischen Rahmen zusammengefasst. Die spätere Modifizierung durch die Verträge von Amsterdam und Nizza, der spätere Verzicht auf das Säulenmodell und die Vergemeinschaftung der strafrechtlichen Zusammenarbeit durch den Vertrag von Lissabon sowie mehrere Programme sollten der weiteren Ausgestaltung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Titel V AEUV) dienen.

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Eine weitere Integration auf diesem Gebiet wird dadurch erschwert, dass strafrechtliche Vorschriften aus Sicht der Mitgliedstaaten zum Kernbereich der staatlichen Souveränität gehören. Weil ein europäisches Strafrecht aber als integraler Bestandteil des angestrebten Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts angesehen werden kann, soll die künftige justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung (Art. 82 Abs. 1 AEUV) aufbauen.[1] Dieser aus dem Bereich des Binnenmarktes übernommene Grundsatz besagt, dass eine in einem Mitgliedstaat rechtmäßig ergangene justizielle Entscheidung in jedem anderen Mitgliedstaat als solche anerkannt werden muss, und soll das bisher gültige Rechtshilferecht, welches auf der Souveränität der einzelnen Staaten basiert, nach und nach ersetzen.[2] Ziel ist es, die justizielle Zusammenarbeit zu vereinfachen und zu beschleunigen, u.a. durch den Abbau von Versagungsgründen, die Einführung standardisierter Formulare sowie einheitlicher Fristen.

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Im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit ermöglichen Art. 67 Abs. 3, 82 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV zudem eine Mindestharmonisierung des nationalen Strafverfahrensrechts. Soweit es zur Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung erforderlich ist, können im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Richtlinien Mindestvorschriften festgelegt werden. Solche Rechtsangleichungen müssen unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen und -traditionen der Mitgliedstaaten stattfinden (Art. 82 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 AEUV) und sind daher nur punktuell in einzelnen Bereichen des Strafprozessrechts möglich.[3] Zum Schutz der grundlegenden Aspekte der nationalen Strafrechtsordnungen ist eine prozessuale „Notbremse“ vorgesehen. Der Katalog (Art. 82 Abs. 2 UAbs. 1 AEUV) sieht eine Harmonisierung zunächst für die Zulässigkeit von Beweismitteln, die Rechte des Einzelnen im Strafverfahren und die Rechte der Opfer von Straftaten vor. Über die abschließende Generalklausel kann die Angleichung theoretisch auf alle Normen des nationalen Strafverfahrensrechts ausgedehnt werden.

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Für den Bereich der Fiskaldelikte sind die europäischen Verfahrensvorschriften schon deshalb relevant, weil die gemeinschaftlichen Instrumente hierfür häufig Sonderregeln vorsehen. Zudem verfolgt die EU ausdrücklich das Ziel, dass kriminelle Handlungen zum Nachteil ihrer finanziellen Interessen ebenso effizient verfolgt und vergleichbar hart bestraft werden wie solche zum Nachteil der finanziellen Interessen des jeweiligen Mitgliedstaates.[4] Mit Hilfe der sog. PIF Richtlinie sollen gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtete Betrugsdelikte und ähnliche rechtswidrige Handlungen verfolgt werden können (vgl. dazu unten unter Rn. 133 f.). Die „finanziellen Interessen der Union“ lassen sich zusammenfassend umschreiben als alle Einnahmen und Ausgaben, die im Haushaltsplan der Union und in den Haushaltsplänen der nach den Verträgen geschaffenen Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen oder in den von diesen verwalteten und überwachten Haushaltsplänen erfasst werden. Zur Verfolgung derartiger Delikte soll zeitnah eine Europäische Staatsanwaltschaft zur Verfügung stehen (vgl. hierzu unten unter Rn. 137 ff.).

Anmerkungen

[1]

Bereits der Europäische Rat von Tampere bezeichnete dieses Prinzip im Oktober 1999 als „Eckpfeiler“ der justiziellen Zusammenarbeit.

[2]

Satzger § 10 Rn. 24.

[3]

Satzger § 10 Rn. 30.

[4]

Vgl. bereits EuGH Slg. 1989, 2965, 2979 – Griechischer Mais.

6. Kapitel Europarechtliche Verfahrensvorschriften › B. Europäische Institutionen zur Unterstützung der Strafverfolgung

B. Europäische Institutionen zur Unterstützung der Strafverfolgung

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Die justizielle Zusammenarbeit äußert sich auch in der zunehmenden Institutionalisierung der europäischen Strafverfolgung. In strafrechtlichen Verfahren, die entweder Bezüge zu anderen Mitgliedstaaten oder zu den finanziellen Interessen der EU aufweisen, treten neben den nationalen Ermittlungsbehörden regelmäßig noch eine oder mehrere dieser Institutionen auf. Umgekehrt können Ermittlungsverfahren in den Mitgliedstaaten teilweise durch europäische Institutionen ausgelöst werden.

6. Kapitel Europarechtliche Verfahrensvorschriften › B. Europäische Institutionen zur Unterstützung der Strafverfolgung › I. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF)

I. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF)

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Die strafrechtliche Bekämpfung von rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der EU-Finanzinteressen ist den Mitgliedstaaten und der Union als arbeitsteilig wahrzunehmende Aufgabe zugewiesen (Art. 325 Abs. 1 AEUV). Zu diesem Zweck hatte die Kommission bereits im Jahr 1988 die Unité de Coordination de la Lutte AntiFraude (UCLAF) eingesetzt, eine Task Force zur Koordinierung der Betrugsbekämpfung. Die verschiedenen Schwächen der UCLAF und diverse Defizite bei Ermittlungen machten die Schaffung einer Nachfolgeorganisation erforderlich, so dass im Jahr 1999 ersatzweise das Office de la Lutte Anti-Fraude (OLAF) als von der Kommission unabhängiges Ermittlungsamt gegründet wurde.[1] Einzelheiten über Aufbau und Arbeitsweise von OLAF ergeben sich aus einer gesonderten Verordnung.[2]

1. Struktur

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Obwohl OLAF organisationsrechtlich der Kommission zugeordnet und dem für den Haushalt zuständigen Kommissar unterstellt ist, kann das Amt im operativen Ermittlungsbereich vollkommen autonom agieren („duale Funktionalität“).[3] Dies kommt insb. darin zum Ausdruck, dass das Amt von einem weisungsfreien Direktor geführt wird und die Unabhängigkeit des Amtes gegenüber der Kommission durch eine Klagemöglichkeit zum EuGH abgesichert ist (Art. 17 Abs. 3 OLAF-VO).

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Die Tätigkeit des OLAF wird durch einen fünfköpfigen Überwachungsausschuss kontrolliert (Art. 15 OLAF-VO). Dessen Mitglieder erfüllen in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat die Voraussetzungen, um hochrangige Aufgaben in Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbereich des Amtes wahrzunehmen. Sie werden vom Parlament, dem Rat und der Kommission im gegenseitigen Einvernehmen für einen Zeitraum von fünf Jahren ernannt.

2. Zuständigkeiten

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Hauptaufgabe des OLAF als Verwaltungs- und Ermittlungsdienst ist die Durchführung von Kontrollen zur Untersuchung von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union (Art. 2 Abs. 1 OLAF-Beschluss). Hierzu übt es die gem. Art. 3 und 4 OLAF-VO die der Kommission durch Art. 2 und 5 der VO Nr. 2185/96[4] sowie Art. 9 der Verordnung Nr. 2988/95[5] übertragenen Befugnisse zu Kontrollen und Überprüfungen aus. Einerseits fungieren diese Kontrollen als Ergänzung zur Verantwortung der Kommission für die Ausführung des Haushaltsplans, darüber hinaus dienen sie aber auch der Beweisgewinnung. Dies betrifft u.a.[6]

 

Zollbetrug,
missbräuchliche Subventionsverwendung,
Steuerverkürzungen, die für den Gemeinschaftshaushalt bedeutsam werden und
Verfehlungen von EU-Bediensteten bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeiten.

Dabei handelt das Amt in Form eines sog. „unionsunmittelbaren Vollzugs“, also ohne an Weisungen der Kommission gebunden zu sein.[7] Für solche Sektoren, in denen Betrug zulasten der EU besonders lukrativ ist (Zigaretten, Alkohol, Olivenöl etc.) hat OLAF Task Groups für die jeweils betroffenen Produkte eingerichtet.[8]

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In Ergänzung zu dieser repressiven Aufgabe erarbeitet das OLAF präventive Strategien und Gesetzgebungsinitiativen zur Betrugsbekämpfung.[9] Allerdings soll nach Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA, vgl. unten Rn. 138 ff.) wegen der überlappenden Zuständigkeiten das OLAF nur noch dann verwaltungsrechtliche Untersuchungen durchführen, wenn die EUStA nicht selbst ermittelt oder ihre Ermittlungen eingestellt hat (Art. 101 EUStA-VO).

3. Befugnisse

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OLAF-Untersuchungen sind – in Abgrenzung zu strafrechtlichen Ermittlungen oder Rechtshilfe – als Verwaltungsuntersuchungen ausgestaltet und in vorbereitender Weise auf Tatsachenfeststellung, Beweiserhebung und -ermittlung bezogen. Sie finden anlassbezogen statt und erfordern den objektiven Verdacht des Vorliegens von Unregelmäßigkeiten.[10] Die entsprechenden Befugnisse entstammen im Wesentlichen der OLAF-VO. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen können im Austausch auch solchen Behörden zur Verfügung gestellt werden, deren Aufgabe es ist, Rückforderungen vorzunehmen oder Verwaltungs- und Disziplinarsanktionen zu verhängen.

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Im Gegensatz zu Eurojust und früher zu Europol hat OLAF eigene Ermittlungsbefugnisse erhalten:

a) Interne Ermittlungen

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Im Jahr 1998 war eine Rechtsgrundlage zugunsten der UCLAF für die Vornahme kommissionsinterner Ermittlungen geschaffen worden.[11] In der Durchführung solcher administrativer Untersuchungen innerhalb der Organe, Einrichtungen sowie Ämtern und Agenturen der EU besteht auch nach der Ablösung des UCLAF durch das OLAF noch die Hauptaufgabe des Amtes. Ziel ist es nach wie vor, schwerwiegendes Fehlverhalten der EU-Bediensteten bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit aufzudecken.

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Allerdings hat OLAF im Vergleich zu der Vorgängerorganisation eine wesentlich stärkere Position. So besteht u.a. die Befugnis, auch gegen den Willen eines EU-Organs in dessen Sphäre zu ermitteln (Art. 4 Abs. 2 OLAF-VO). Zu diesem Zweck erhalten OLAF-Kontrolleure ohne Voranmeldung unverzüglich Zugang zu sämtlichen Informationen und Räumlichkeiten der Unionsorgane, Einrichtungen, Ämter und Agenturen, um deren Rechnungsführung überprüfen zu können. Von allen dort befindlichen Dokumenten sowie vom Inhalt aller Datenträger dürfen sie Kopien anfertigen, Auszüge davon erhalten und die Dokumente und Daten sicherstellen (Art. 4 Abs. 2 lit. a) OLAF-VO). Durchsuchungen zu Kontrollzwecken dürfen sogar bei den gewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments durchgeführt werden, soweit hierdurch deren Immunität nicht beeinträchtigt wird.[12] Die eingeleiteten Verfahren müssen ggf. durch OLAF an nationale Justizstellen abgegeben werden, wo sie als strafrechtliche Ermittlungsverfahren weiterbetrieben werden (Art. 12 Abs. 2 OLAF-VO). Umstritten ist hingegen, ob sich aus der Kompetenz zur Ermittlung gegen den Willen eines Organs auch das Recht auf Beschlagnahme von Akten und auf förmliche Vernehmung von Zeugen ableiten lässt. Letzteres dürfte sich jedoch aus Art. 9 Abs. 2 OLAF-VO ableiten lassen.[13]

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Gem. Art. 4 OLAF-VO führt das Amt administrative Untersuchungen innerhalb der Organe, Einrichtungen sowie Ämtern und sonstigen Stellen durch. Dabei hat OLAF die Vorschriften der Verträge, insb. des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen, sowie des Statuts unter den Bedingungen und nach den Modalitäten, die in dieser Verordnung und in den von den einzelnen Organen, Einrichtungen sowie Ämtern und Agenturen zu erlassenden einschlägigen Beschlüssen vorgesehen sind, zu beachten.

b) Externe Ermittlungen

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Daneben führt OLAF – in Anknüpfung an die Arbeit der UCLAF – administrative Kontrollen bei Wirtschaftsteilnehmern durch, die entweder an Unregelmäßigkeiten beteiligt bzw. davon betroffen sind (Art. 3 Abs. 2 OLAF-VO) oder aus anderen Gründen über Informationen verfügen könnten, die für den Untersuchungsgegenstand relevant sind.[14] Über die Einleitung solcher Untersuchungen entscheidet der Generaldirektor (Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 OLAF-VO). Auch hier besteht die Möglichkeit, dass die Untersuchungsergebnisse in späteren Ermittlungen, auch durch die Behörden der Mitgliedstaaten, verwendet werden.[15] Theoretisch besteht auch ein unmittelbares Recht zur Ausübung von Exekutivbefugnissen gegenüber Einzelpersonen in den Mitgliedstaaten, die allerdings „in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats“ vorbereitet werden müssen. Faktisch ist OLAF also auf die zuständigen nationalen Ermittlungsbehörden angewiesen. Im Falle von „Vor-Ort-Kontrollen“ bei einem Wirtschaftsteilnehmer, müssen sich die OLAF-Kontrolleure an die Verfahrensvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats halten und dürfen keine Zwangsmaßnahmen ergreifen.[16]

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Gem. Art. 3 OLAF-VO übt das Amt die der Kommission durch die Verordnung Nr. 2185/96 übertragenen Befugnisse zur Durchführung von Kontrollen und Überprüfungen vor Ort in den Mitgliedstaaten und gem. den geltenden Kooperationsabkommen in den Drittstaaten aus. Im Rahmen seiner Untersuchungsbefugnisse führt OLAF Kontrollen und Überprüfungen gem. Art. 9 Abs. 1 der VO Nr. 2988/95 und gem. den sektorbezogenen Regelungen nach Art. 9 Abs. 2 der genannten Verordnung in den Mitgliedstaaten und gem. den geltenden Kooperationsabkommen in den Drittstaaten durch.

4. Verfahren

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OLAF verfügt weder über eigene Strafverfolgungszuständigkeiten noch über eigene Beitreibungs-, Einziehungs- oder Sanktionsbefugnisse.[17] Maßnahmen auf Grundlage seiner Ermittlungsergebnisse können von OLAF lediglich empfohlen werden (Art. 11 OLAF-VO). Daher werden die an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten weitergegebenen Ermittlungsergebnisse und Beweismaterialien zwar von diesen geprüft und führen ggf. zur Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen auf nationaler Ebene, eine entsprechende Verpflichtung besteht für die Mitgliedstaaten jedoch nicht. Diesen steht mithin ein Ermessen hinsichtlich geeigneter Maßnahmen (appropriate measures) zu. Allerdings haben die nationalen Behörden OLAF über etwaige auf die ausgesprochenen Empfehlungen hin ergriffenen Maßnahmen zu berichten (Art. 11 Abs. 6, Art. 12 Abs. 3 OLAF-VO).

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Umgekehrt sind sämtliche Mitgliedstaaten zu einer kontinuierlichen Berichterstattung an die EU über finanzielle Unregelmäßigkeiten und Betrügereien verpflichtet, sofern wegen solcher Vorfälle bereits erste amtliche oder gerichtliche Feststellungen getroffen worden sind. Zu den mitzuteilenden Informationen gehört u.a. die Angabe der Vorschrift, gegen die verstoßen wurde, das Schadensvolumen, die beim Begehen der Unregelmäßigkeit angewandten Praktiken sowie Informationen über hieran beteiligte natürliche oder juristische Personen.

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Grundsätzlich sollen die von den OLAF-Kontrolleuren erstellten Ermittlungsberichte in nationalen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ohne Einschränkung verwertbar sein (Art. 11 Abs. 2 OLAF-VO). Wie die praktische Erfahrung zeigt, können die von OLAF gelieferten Beweismittel jedoch unter dem nationalen Verfahrensrecht problematisch sein und werden deshalb in nachfolgenden Verfahren teilweise als rechtswidrig (illegal evidence) abgelehnt.

5. Rechtsschutz

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Das frühere weitgehende Fehlen ausformulierter Rechte der Personen, die von den unionsrechtlichen Vorermittlungsverfahren betroffen sind, hat in der Vergangenheit für Kritik gesorgt.[18] Dass diese aber selbstverständlich zu beachten sind, zeigt bereits die Verpflichtung des Generaldirektors, ein internes Beratungs- und Kontrollverfahren einzurichten, mit dem insb. die Achtung der Verfahrensgarantien und der Grundrechte der betroffenen Personen sowie der Einhaltung der nationalen Rechtsvorschriften der betroffenen Mitgliedstaaten sichergestellt werden soll (Art. 17 Abs. 7 OLAF-VO). Somit gelten auch für Kontrollen durch OLAF neben den allgemeinen Grundrechten die von den europäischen Gerichten für alle unionsrechtlichen Maßnahmen etablierten Verfahrensgarantien.[19] Eine – wenn auch wohl nicht vollständige – Auflistung findet sich in Art. 9 OLAF-VO:


Selbstbelastungsfreiheit,
Mindestfristen für Ladungen,
Recht auf Belehrung und einen Beistand,
Recht auf Aushändigung von Protokollen,
Recht auf rechtliches Gehör und
Recht, sich in jeder Amtssprache der Union zu äußern.

Hat eine OLAF-Untersuchung ein Disziplinarverfahren gegen den Betroffenen zur Folge (Art. 11 Abs. 4 OLAF-VO), können Maßnahmen des Amtes im Rahmen dieses Verfahrens überprüft werden; ggf. muss der Betroffene dazu Rechtsmittel gegen eine verhängte Disziplinarmaßnahme einlegen. Weil OLAF aber organisationsrechtlich der Kommission zugeordnet ist (vgl. bereits oben unter Rn. 8 ff.), stehen den Betroffenen grundsätzlich auch unmittelbar die allgemeinen gerichtlichen Kontrollmechanismen durch die europäischen Gerichte zur Verfügung.

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Für interne Untersuchungen ist der Rechtsschutz ausdrücklich geregelt. So können Betroffene, v.a. Mitarbeiter europäischer Institutionen, eine Beschwerde beim OLAF-Direktor erheben, wenn gegen sie im Zusammenhang mit einer Untersuchung des Amtes eine sie beschwerende Maßnahme ergangen ist (Art. 90a Beamtenstatut).[20] Wird diese Beschwerde per Bescheid oder stillschweigend abgelehnt, steht dem Betroffenen der Rechtsweg zum Gericht erster Instanz (EuG) bzw. zum Gericht für den Öffentlichen Dienst der EU offen (Art. 91 Beamtenstatut). An die Voraussetzung einer „Beschwer“ stellt die Rechtsprechung indes sehr hohe Anforderungen. Eine unmittelbare gerichtliche Überprüfung von Untersuchungsmaßnahmen des Amtes dürfte deshalb nur in Ausnahmefällen möglich sein.[21] Des Weiteren hat der Betroffene bei Rechtsverletzungen im Wege außervertraglicher Haftung auf Schadensersatz zu klagen (Art. 268 i.V.m. Art. 340 AEUV).

 

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Obwohl der Rechtsschutz im Fall externer Untersuchungen nicht ausdrücklich geregelt ist, richtet sich die gerichtliche Kontrolle hier ebenfalls nach den allgemeinen Rechtsgrundlagen des Unionsrechts. Ist der Wirtschaftsteilnehmer konkret und unmittelbar durch die Untersuchungshandlungen des Amtes in seinen Rechten betroffen, kann er hiergegen – v.a. im Wege der Nichtigkeitsklage gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV – den EuGH anrufen.[22] Wie schon bei den internen Untersuchungen, sind die Hürden für das Vorliegen eines unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen sehr hoch. So stellen weder OLAF-Untersuchungsberichte selbst noch deren Übermittlung an die zuständigen nationalen Behörden anfechtbare Rechtsakte dar.[23] Dem Betroffenen stehen aber zwei weitere Optionen offen: Einerseits kann er auch hier eine Schadensersatzklage wegen außervertraglicher Haftung (Art. 268 AEUV) anstrengen. Führt andererseits der OLAF-Untersuchungsbericht zu einem nationalen Gerichtsverfahren, können die Untersuchungsmaßnahmen des Amtes im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens überprüft werden.[24]