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Maputo, das wären mal gerade 2.200 Kilometer zurück. Wir dürfen mit unserem Auto die Stadt nicht verlassen, zudem gilt unsere Aufenthaltserlaubnis nur noch 4 Tage. Den ganzen Tag gekämpft, am Abend, kurz bevor die Grenze schließt, geben wir uns geschlagen. Wir zahlen.

„Affentheater“ im südlichen Afrika

Barbara und Jörg aus Leipzig möchten nach vielen Jahren Berufsleben Ruhe und Gelassenheit wiederfinden und begeben sich deshalb im Jahr 2015 mit ihrem Nissan Navara auf Weltreise. Zunächst wird das südliche Afrika bereist, danach geht es nach Australien und Neuseeland und weiter die Panamericana entlang von Feuerland nach Alaska und Kanada. Auf ihrer Homepage www.welterfahrung.com geben sie – zusammen mit vielen hilfreichen Tipps und Infos – Einblicke in ihr Reiseleben.

Von einigen tierischen und anderen Erlebnissen im südlichen Afrika erzählen die beiden hier:

Bestohlen, verirrt und eingebrochen – so kann man den Tag zusammenfassen. Leider ist es so, nach nur gut zwei Wochen Aufenthalt in Südafrika müssen wir den ersten Diebstahl vermelden. Es geschah heute Morgen, noch vor dem Frühstück, eine kleine Unachtsamkeit. Der Frühstückstisch ist gedeckt, und ich will Babsi die Teekanne aus dem Wohnmobil abnehmen. Am kaum drei Meter entfernten Tisch scheppert es, und ich sehe gerade noch einen Affen mit meinem Ei im Gebüsch verschwinden. Hoffentlich hat er sich die Pfoten verbrannt, denke ich, denn das Ding war noch heiß … Es dauert jedoch nicht lange und der Affe marschiert mit der leeren Eierschale grinsend an unserem Frühstückstisch vorbei. Es hat ihm offensichtlich geschmeckt, und die Pfoten – das kann nicht so schlimm gewesen sein.

Wir sind im Nature’s Valley. Der Reiseführer sagt, wer Einsamkeit und Abgeschiedenheit sucht, sei hier genau richtig. Das trifft natürlich nur für Menschen zu, Tiere gibt es hier genug. Das Nature’s Valley gehört noch zum Tsitsikamma-Nationalpark, der an seinem westlichen Ende durch die Mündung des Groot River markiert wird. Nach dem Affentheater heute Morgen möchten wir wandern. Der Kalanderkloof-Trail soll es sein: Erst Urwald und schließlich ein Aussichtspunkt, von dem man die gesamte Tsitsikamma-Küste überschauen kann. Den Urwald haben wir erlebt, indem wir uns stundenlang eine Schlucht hinaufgequält haben. Plötzlich stehen wir auf einer Straße, die wir sogleich für den Rückweg nutzen, denn die Wasservorräte sind fast aufgebraucht. Wer weiß, wo wir den Abzweig zum Aussichtspunkt übersehen haben.

Am Camp angekommen, steht unser Dachfenster offen. Das darf bei dem wunderbaren Wetter auch sein, ich bin mir jedoch sicher, das Fenster vor Beginn unserer Wanderung auf Lüftung gestellt zu haben. Ich ahne Schlimmes und schließe vorsichtig die Tür auf, jederzeit darauf gefasst, dass ein flüchtender Affe an mir vorbei huscht. Geflohen ist das Tier schon lange, jedoch nicht durch die Tür, sondern so wie er hineingekommen war, nämlich durch das von ihm ramponierte Dachfenster. Zielgerichtet hat das Tier die beiden Türen geöffnet, hinter denen Fressbares zu finden war: die des Kühlschranks und die des Brotschranks. Wurst und Käse standen dem Affen nicht so recht an, das labberige Toastbrot dafür umso mehr.

Ein erfahrener Camper belehrt uns später: Erstens sollen wir froh sein, dass nur Affen und keine Paviane ins Wohnmobil eingedrungen sind, denn Paviane hätten den Wohnraum vermutlich zerlegt und zweitens sollen wir froh sein, dass der Affe schnell etwas Fressbares gefunden hat, dadurch blieben die anderen Schränke verschont. Eines haben wir auf jeden Fall gelernt: Fenster und Türen zu in der Wildnis.

Schwer bewaffnet sitzen wir am Frühstückstisch. Neben unseren Campingstühlen liegen einige große Knüppel, faustgroße Wackersteine sind in Reichweite. Rund zehn Affen sitzen über uns in den Bäumen und lauern auf eine günstige Gelegenheit sich abzuseilen. Auf dem Tisch liegen die Objekte ihrer Begierde: Eier, Wurst, Käse und Honigbrot. Bisher konnten wir alle Angriffe abwehren, aber die Tiere sind nicht dumm. Während einer die Aufmerksamkeit auf sich zieht, versuchen zwei andere den Tisch von der Seite zu stürmen. Da helfen nur Knüppel in beiden Händen. Gemütliches Frühstück geht anders.

Die Zeit in der Kalahari vergeht wie im Flug und da unser Visum noch gültig ist, beschließen wir, noch einige Tage in Südafrika zu bleiben. Unser Weg führt nach Upington, einer geschäftigen Stadt von mittlerer Größe am Orange River. Bei der Fahrt durch den Ort haben wir das Gefühl, dass es mehr Autohäuser als Einwohner gibt. Alle bedeutenden Marken sind mit einem repräsentativen Objekt vertreten. Das ist auch gut so, denn unser Nissan ist seit der Fahrt nach Upington um eine Attraktion reicher: Am Armaturenbrett blinken munter ein paar gelbe Lämpchen, die uns das Einschalten der Differentialsperre sowie den Ausfall von ESP und ABS signalisieren, Schleudergefahr inklusive. So kommt uns die Nissan Werkstatt im Ort gerade recht. Zwei Tage lang kriechen die Mitarbeiter durch den Wagen und haben den Fehler wenigstens lokalisiert. Diesmal sind ausnahmsweise nicht die Affen schuld, wahrscheinlich hatten die Erdhörnchen in der Kalahari Appetit auf abwechslungsreiche Kost und fraßen frisches Kabel. Geschmeckt hat es offenbar nicht, denn die Tiere haben relativ schnell wieder von der Speise gelassen. Geblieben ist ein angeknabbertes Relikt, was auch in der Nissan Werkstatt niemand reparieren kann. Eingedeckt mit aufmunternden Worten, dass man ESP und ABS in Afrika sowieso nicht braucht und dass die Differentialsperre auch nicht funktioniert, ziehen wir von dannen.

Vor Khorixas in Namibia hatte man uns gewarnt. In diversen Reiseführern ist nachzulesen, dass einige Zeitgenossen in dem Örtchen ihren Lebensunterhalt mit Reifenreparaturen verdienen. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden. Wenn allerdings, wie im Ort beobachtet, bei der Arbeitsbeschaffung für die Reifenflicker nachgeholfen wird, sollte man auf der Hut sein. Wir müssen in Khorixas tanken und unsere Sinne sind geschärft. Bei der Einfahrt in die Tankstelle behält jeder die Reifen auf seiner Seite im Auge. Das ist nicht ganz einfach, da sich an der Zapfsäule unzählige Helferlein um das Auto versammeln. Und eines dieser Helferlein setzt dann auch sofort einen bedauernden Blick auf und weist auf unser Hinterrad, welches ordentlich Luft verliert. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Natürlich kennt der Helfer einen Kumpel, der den Reifen sofort flickt. In der Hoffnung auf ein paar Dollar packen beim Radwechsel natürlich alle Helferlein mit an und sei es mit mehr oder minder sinnigen Kommentaren. Zur Ehrenrettung von Khorixas sei gesagt, dass wir einmal mehr viel zu schwer unterwegs waren. In so einem Fall haben die kleinen, spitzen Steinchen auf den Schotterstraßen ein leichteres Spiel, sich in die Reifen zu bohren. Kurz vor unserer Abreise aus Swakopmund haben wir in dem Supermarkt alle die Dinge gekauft, die es bei unserer Weiterreise in den Norden nicht mehr geben wird.

Die Reifenpanne haben wir eigentlich schon am Brandbergmassiv erwartet. Die Zufahrt zum dortigen Camp ist schlecht und Nerven aufreibend. Entschädigt werden wir mit einem fantastischen Blick auf den 2573 Meter hohen Königstein, Namibias höchsten Berg. Im Restaurant des Ressorts wird jeder Gast vom Hauspapagei persönlich begrüßt und auch sofort wieder verabschiedet. Man muss lediglich der italienischen Sprache mächtig sein, um ihn zu verstehen. Von den Wüstenelefanten, mit denen die Einrichtung wirbt, sehen wir allerdings nur eine Staubwolke in der Ferne und Fußabdrücke im Sand. Beeindruckt hat uns die Ehrlichkeit der Mitarbeiter. Sehr lange nach dem Bezahlen bemerke ich, dass mir einhundert Dollar Wechselgeld zu wenig herausgegen wurde. Anstandslos haben die Leute an der Rezeption auch eine Stunde danach den Betrag noch erstattet.

Nach besagter Reifenpanne muss unser Nissan wenig später eine weitere Belastungsprobe über sich ergehen lassen. Zwei Steigungen mit ungefähr 30 % Neigung fordern alles von der Maschine. Die Kupplung quittiert die Bergfahrt mit einem unangenehmen Geruch. Nach der Aktion stehen wir auf einer Felsterrasse mit überwältigendem Ausblick auf das weite Trockenflusstal des Ugab.

Unsere Strecke nach Norden führt an mehreren Siedlungen der Hereros, einem alten afrikanischen Volksstamm vorbei. Wir halten kurzerhand an und schauen den Frauen mit den bunten Kleidern und den stolzen Hüten bei der Arbeit zu. Nebenbei erfahren wir einiges aus ihrem Leben. Ja, etwas Viehzucht könne man betreiben, die Böden sind jedoch schon sehr überweidet. Der Anbau von Nahrungsmitteln ist gar nicht möglich, in der Trockenzeit gedeihen die Pflanzen nicht. So werden Fahrgemeinschaften gebildet, die einmal wöchentlich in einem klapprigen Auto einkaufen fahren. Nicht selten werden dabei Distanzen über 100 Kilometer zurückgelegt. So lassen wir auch gern unser letztes Brot bei den Leuten, denn ein größerer Markt liegt noch auf unserem Weg.

Die Sorgen der Hereros haben die Stachelschweine bei Katrin nicht. Jeden Tag kocht die rührige Frau einen großen Pudding, der am Abend auf einer Betonplatte in ihrem Garten, zusammen mit Maiskörnern und Salat platziert wird. Nun heißt es, Geduld haben und warten. In der Dämmerung kommt das erste Stachelschwein angerannt und stürzt sich grunzend auf den Pudding. Nach und nach kommen über 20 Tiere aus allen Richtungen und fressen die Leibspeise restlos auf. Katrin hat heute einen guten Tag und serviert den Schweinen zum Nachtisch noch einen Eimer trockenes Brot. Das Schubsen und Drängen an der Futterstelle geht in die nächste Runde. Kein Schwein gönnt dem anderen auch nur einen Bissen. Ein großes Tier versucht fortwährend die Terrassentür zu öffnen. Es ist Klopfer, den Katrin mit der Flasche aufgezogen hat und nun versucht ihn auszuwildern. Heute darf Klopfer jedoch nochmals rein und bekommt eine extra Ration Brot.

 

Der Grenzübertritt von Namibia nach Sambia dauert 90 Minuten. Immer wieder werden wir quer durch eine Halle geschickt, wobei an jedem Schalter der Inhalt des Geldbeutels übersichtlicher wird. Vor dem Eingang der Grenzabfertigung warten die Nepper, Schlepper und Bauernfänger mit dicken Geldbündeln auf den Moment, dass uns das Bare ausgeht. Einen Geldautomaten haben wir jedoch schon bei der Einfahrt ins Gelände entdeckt – sucht euch andere Opfer! Nach der fünften Zahlstation sind wir in Sambia angekommen.

Wir umkurven hunderte Schlaglöcher und stehen nach einigen Stunden Fahrzeit in Livingstone. Die Campingplätze liegen alle außerhalb der Stadt und so entschließen wir uns, für ein paar Tage Fahrräder zu mieten. Die sehen zwar gut aus, fahren sich jedoch bescheiden. Beim kräftigen Antreten springt immer wieder die Kette über die Ritzel. Nachdem wir auch noch beide einen Platten haben, geben wir das Radfahren entnervt auf. Um trotzdem mobil zu sein, setzen wir unsere Wohnkabine ab und touren mit dem Nissan durch die Umgebung.

Der Sambesi River lädt zum Paddeln ein. Der Preis für die Bootsmiete ist allerdings so hoch, dass man dafür in Deutschland schon ein kleines Kanu kaufen könnte. Touristische Aktivitäten sind in Sambia sehr teuer.

Inzwischen sind uns einige Zweifel gekommen, ob das Absetzen der Wohnkabine eine gute Idee war. Die Überlegungen beginnen, als in der Morgendämmerung ganz in der Nähe unserer Behausung ein Baum umfällt. Begleitet von heftigem Rascheln im Blätterwald verdunkelt sich plötzlich die Lampe neben unserer Hütte. Ein Elefant rüsselt direkt neben unserem Küchenfenster den gerade gefällten Baum ab. Für uns ist es zum Frühstücken noch zu zeitig, jedoch beobachten wir mit Spannung, was das Tier wohl tut, wenn es mit dem Baum fertig ist. Mit unserer Wohnkabine auf ihren vier dünnen Stelzen hätte der Koloss ein leichtes Spiel …. Tut er aber nicht! Vorsichtig hievt er seinen Körper aus der Gefahrenzone und widmet sich dem nächsten Baum mit ein paar grünen Blättern. Die größte Gefahr geht nicht von den Tieren selbst aus, sondern vielmehr von dem Gehölz, was sie bei ihren Fressorgien durch die Gegend schleudern. Als sich in der darauf folgenden Nacht das Schauspiel wiederholt, ziehen unsere Nachbarn fluchtartig aus ihrem Zelt in eine Hütte. Wir haben inzwischen viel mehr Angst vor einer kleinen Fliege, die um unsere Köpfe schwirrt.

Nach über einer Woche im Tierparadies wird es Zeit weiter zu reisen. Wieder einmal versuchen die Meerkatzen an unser Frühstück zu gelangen. Als überaus hinderlich erweist sich allerdings ein Wassersprenger, der zwischen der Affenhorde und unserem reich gedeckten Frühstückstisch seine Runden dreht. Jedes Mal, wenn ein Affe versucht, das Hindernis zu überwinden, erwischt ihn eine Dusche und er schreckt zurück. Nach kurzer Überlegung macht er sich erneut auf den Weg. Inzwischen hat der Rasensprenger jedoch wieder eine Runde gedreht. So können wir amüsiert und in Ruhe unser Frühstück genießen.

Nach über eintausend Kilometer Fahrt durch absolut ebene Landschaft tun sich vor uns erste Hügel auf. Beim näheren Hinsehen erweisen sie sich als riesige Hinterlassenschaften von Termiten. Wenig später tauchen am Horizont richtige Berge auf. Bei Mazabuka passieren wir große Zuckerrohrplantagen, die selbst jetzt in der Trockenzeit erfrischend grün wirken. Vor größeren Ansiedlungen werden wir immer wieder von Polizeikontrollen gestoppt. Die Uniformierten fragen meist nur, woher und wohin, ab und zu wollen sie die Einreisepapiere sehen.

Lusaka ist ein Moloch. Eine solche Hauptstadt haben wir vorher noch nie gesehen. Die Empfehlungen von anderen Reisenden reichen von „weglassen“ bis hin zu „naja, mal zwei Stunden“. Wir nehmen uns einen ganzen Tag für Sambias Hauptstadt. Eine weitere Warnung anderer lautete: „Bloß nicht mit dem eigenen Auto“. Da wir aber in Richtung Malawi sowieso quer durch Lusaka müssen, wollen wir zunächst schauen, wie das andere machen. Dabei vermittelt uns John, der Taxifahrer wertvolle Erfahrungen. Eigentlich ruht der Verkehr in Lusaka, da in den Hauptstraßen permanent Stau herrscht. Erschwerend kommt hinzu, dass durch die tägliche Stromsperre natürlich auch die Ampeln, sofern vorhanden, ausfallen. Vieles versucht man über Kreisverkehre zu regeln, an deren Zufahrten heftige Aufrauhungen in der Fahrbahn die Autos jedoch zu Schrittgeschwindigkeit zwingen. „Das war nicht immer so“, erklärt uns John. Früher, als es die Hindernisse auf der Fahrbahn noch nicht gab, flog immer mal ein Wagen über den Kreisverkehr, da dessen Fahrer nicht rechtzeitig gebremst hat. An den Stellen, wo man gezwungen ist, langsam zu fahren, stehen dutzende von Leuten auf der Straße, die ihre Waren anbieten. Hier kann man vom Boxershirt über Toilettenpapier und Reinigungsmittel bis hin zu Telefonkarten fast alles kaufen. Ist die Route nach einem Hindernis für wenige hundert Meter frei, muss man sehr schnell und aufmerksam sein. Es beginnt das Hauen und Stechen auf Lusakas Straßen. Ständige Spurwechsel, abruptes Bremsen wegen Fußgängern und plötzliches Abbiegen lassen die Fahrt zum Abenteuer werden. Daher haben wir unsere Durchfahrt durch die Hauptstadt für einen Sonntag geplant, dann sollte sich der Verkehr in Grenzen halten.

Wir stehen am Ufer des Luangwa River. Viele Sandbänke im Fluss zeugen von einer langen Trockenperiode. Am Ufer gegenüber liegt Mosambik. Das Wasser ist so flach, dass man hinüberlaufen könnte. Es wird dunkel, in der Ferne sehen wir riesige Buschbrände lodern. Ein Einheimischer klärt uns auf: Das Feuer gehört in Afrika zum Alltag. Jetzt, gegen Ende der Trockenzeit sollen die Brände bestimmte Bäum zum frühzeitigen Ausschlagen bringen. Die Gehölze sind schwer entflammbar, so dass nur trockenes Laub und die gelben Gräser niederbrennen. Buschbrände werden nur dann gelöscht, wenn sie den Siedlungen zu nahe kommen. In den meisten Fällen ersticken die Feuer von selbst.

Am Morgen sehen wir etliche Affen mit dicker Lippe durch das Camp rennen. Beim genaueren Hinsehen erweist sich die dicke Lippe als Avocado, die die Tiere im Maul haben. Schnell sind die Bäume gefunden, auf denen die Früchte reifen. Babsi möchte noch ein oder zwei Früchte für den nächsten Salat mitnehmen. Fehlanzeige: Es findet sich nicht eine einzige Frucht, die von den Affen nicht bearbeitet wurde. Wir gönnen es ihnen, wenn sie schon nicht an unseren gedeckten Tisch herankommen ….

Lesotho, karges Königreich auf dem Dach Afrikas

Mit ihrem LKW-Expeditionsfahrzeug „Manni“ haben sich Conny und Tommy aus der Nähe von München auf Lebensreise begeben. Ihr Traum von einer immerwährenden Weltreise begann am 27. April 2014. Über Italien, Frankreich, Spanien und Portugal führt sie ihr Weg zunächst nach und durch Afrika. Die Abenteuer, die sie dabei erlebten, jede Menge professioneller Fotos, die Vorstellung ihres ersten Buches und vieles mehr findet man auf ihrer ansprechend gestalteten Homepage unter: www.mantoco.com.

Begleiten Sie Conny und Tommy auf ihrer Fahrt durch das karge Königreich Lesotho:

Nach zwei Monaten in Südafrika fahren wir für einige Tage ins lange Zeit abgeschiedene Königreich von Lesotho. Hier tauchen wir sofort wieder ein ins ursprüngliche Afrika. Doch zuvor erleben wir noch tolle Begegnungen mit hunderten Elefanten im Addo Elephant National Park.

Als 1931 dieses Gebiet als Park ausgewiesen wurde, streiften gerade mal noch elf Elefanten durch das dichte Buschwerk. Hunderte mussten den Farmen weichen, wurden gnadenlos abgeschossen und so wären diese Kap-Elefanten fast ausgestorben. Doch dank des rigorosen Einsatzes vieler engagierter Tierschützer konnte die Population inzwischen wieder auf rund 600 Tiere anwachsen. Mehr verträgt die Region nicht.

Wir stehen an einem der sechs angelegten Wasserlöcher, beobachten gespannt die gesamte Umgebung. Und es dauert nicht lange, bis sich die ersten großen Ohren durch das Dickicht schieben. Die erste der großen Herden läuft zielstrebig dem erfrischenden Nass entgegen, die Kleinen rennen schon fast vor Vorfreude. Ausgelassen toben sie im schlammigen Wasser, spritzen sich die kühlende Feuchte über die erhitzte Haut. Und schon stoßen die nächsten dazu, rangeln sich mit den anderen um die besten Plätze. Die Kleinsten müssen dabei aufpassen, dass sie nicht buchstäblich untergehen, doch eine auffällige Rücksichtnahme im Herdenverbund lässt keine wirkliche Gefahr aufkommen.

Zwischen den schwerfälligen Giganten der Steppe wuseln ganze Warzenschweinfamilien nervös umher, immer versucht, auch an das kostbare Wasser herangelassen zu werden. In sicherer Entfernung, geduldig abwartend, Zebras und Kuhantilopen; auch ein einsamer Büffel umkreist das Ganze. Doch die Elefanten sind ganz klar die Platzhirsche, da ist es nicht leicht für die anderen.

Stundenlang erfreuen wir uns am ununterbrochenen Kommen und Gehen der verschiedenen Herden, erkenne die klaren Hierarchien der einzelnen sozialen Verbände. Ganz nahe schreiten sie gemächlich, fast auf Armlänge an uns vorbei, beobachten uns genau. Nach zwei Tagen erkennen wir sogar vereinzelte Tiere wieder, fast so wie alte Bekannte. Und genauso ungern verlassen wir sie auch wieder …

Völlig vom Staatsgebiet Südafrikas umgeben, leben in zum Teil großer Abgeschiedenheit rund zwei Millionen Menschen ihr überaus karges Leben inmitten schroffer Berge, die vielfach die Dreitausendergrenze deutlich überschreiten. Gleich nach der Grenzstation tauchen wir ein in diese lebensfeindliche Welt aus Stein und trockener Erde. Erst auf den zweiten Blick eröffnen sich für uns die spärlichen Lebensbedingungen, mühsamer Ackerbau auf steilen Terrassenfeldern, magere Kühe und kleine Schafe auf der Suche nach den letzten Halmen. Erste Dörfer kommen in unser Blickfeld, sie bestehen aus kleinen, meist strohgedeckten Rundhütten aus groben Steinen und mit Lehm verputzt. Die Menschen grüßen uns freundlich, winken uns zu, es wirkt fast ein wenig idyllisch. Doch der Schein trügt. Die Armut ist fast greifbar, der Hunger steht vielen ins Gesicht geschrieben. Wir sehen überwiegend Kinder und alte Menschen. Die Geisel Aids hat ganze Generationen nahezu ausgelöscht, die Überlebenden arbeiten meist in Südafrika, da sie hier keine Chancen haben.

Wir rumpeln langsam über die steinige Piste, rund um uns nur Berge. Aus zehn Kilometer Luftlinie werden schnell vierzig Straßenkilometer, so sehr windet sich der Weg durch die Hänge. In Sehlabathede, einem elenden Nest irgendwo in dieser unwirtlichen Welt, biegen wir ein auf die Auffahrt zu einem namenlosen Pass auf fast 3.000 Metern Höhe. Die grobe Piste wir schnell schlechter, tiefe Rinnen zerfurchen die Oberfläche, zwingen „Manni“ immer wieder in den ersten Gang. Kurz vor der Passhöhe ist der Fels nahezu senkrecht. Wie soll hier die Piste rauf führen? Doch es geht, steil zwar, jedoch nie bedrohlich. Der Blick ist atemberaubend, er reicht weit hinein in Lesothos Bergwelt. Die Abfahrt auf der anderen Seite ist noch steiler. Nur noch im Kriechgang, müht sich unser Großer um die Haarnadelkehren, angestrengt erreichen wir ein Tal und das erste Dorf.

Es liegt eingebettet zwischen meterhohen, gelben Agavenblüten und bietet ein herrlich ursprüngliches Bild. Dann wird es doch noch einmal richtig spannend: In einer engen Kurve ist die Piste samt Brücke über den jetzt ausgetrockneten Bach völlig weggerissen, der Weg über die blanken Felsen für „Manni“ zu schräg, der Kurvenradius zu eng. Ein Pick-up mit drei Männern hält hinter uns; sie helfen uns, mit Schaufel und Pickel Rampen zu bauen. Es klappt, „Manni“ flutscht nur so durch die sandige Furt. Die Jungs bereiten uns gleich auf eine weitere weggespülte Passage vor, helfen uns dort wieder beim Abtragen der Schräge und mit vereinten Kräften schaffen wir auch diese schwierige Stelle.

Unser Übernachtungsplatz ist gut gewählt. Ein grünes Wiesenstück für „Manni“, der erfrischende Bergbach dahinter für uns. Am Morgen schleichen zwei Hirtenjungen schüchtern um uns herum, ihre Schafe und Ziegen laben sich am nahen Wasser. Sie haben die Nacht hier draußen mit den Tieren verbracht, wir schenken ihnen Kekse zum Frühstück, ein Spielzeugauto für jeden sorgt für glänzende Augen. Die Auffahrt aus dem Tal ist adrenalinfördernd steil und schmal, „Manni“ passt soeben auf die Spur, der Abgrund gähnt furchterregend zu uns herauf. Doch der Lohn ist grandios, die Canyonwelt um uns herum wunderschön. Auf schneller Fahrt dank nun guter Piste erreichen wir entspannt den Katse Staudamm.

Eine riesige Staumauer inmitten archaischer Umgebung bringt die Außenwelt eindrucksvoll hierher. Ein ganzer Canyon wurde auf viele Kilometer geflutet, gibt dem armen Land Elektrizität und Wasser. Wir richten uns direkt am Fluss ein, stellen die Stühle unter die weit ausladenden Äste der grünen Weiden. Im Nu sind wir umringt von einem Dutzend lachender Kinder. Die Burschen treiben ihre Kühe, Esel, Schafe, Ziegen und Pferde zu uns unter die Bäume, um uns nahe zu sein; die Neugier ist natürlich groß. Die Mädchen nähern sich erst schüchtern kichernd, schnell aber fröhlich lachend und im kalten Wasser für die Kameras posierend. Hier eröffnet sich ein weiteres großes Problem Lesothos: der Schulbesucht ist sehr schwierig für die meisten Kinder. Oft sind die Schulen meilenweit entfernt von den einsam gelegenen Dörfern, vor allem im Winter bei eisiger Kälte ein großes Hindernis. Die Jungen müssen meist die Tiere hüten, für Schule bleibt da keine Zeit; sie sind dadurch ihrer Zukunftschancen schnell beraubt. Bei den Mädchen ist es etwas besser, sie gehen eigentlich alle zumindest die ersten sieben Jahre zur Schule, lernen gut und sprechen auch leidlich Englisch. Doch das generelle Niveau in der Primary School ist kläglich, viel bleibt nicht hängen. Und ab der Secondary School kostet es Geld, für die Familien in den Dörfern unmöglich zu bezahlen. So bleibt es in der Regel bei sehr rudimentärer Ausbildung.

 

Erste Diamantenfunde vor einigen Jahren eröffneten dem Staat neue Möglichkeiten. Viele Minen entstehen, zerstören die bislang intakte Natur, die Ausbeute ist eher überschaubar. Wir passieren riesige Abraumhalden, bisher bewirtschaftete Terrassen werden verschüttet. Die Zufahrtsstraßen werden nach und nach geteert, die moderne Welt hält Einzug in die einsamen Regionen. Immer mehr Kinder stehen am Straßenrand und betteln, werfen mit Steinen auf vorbeifahrende Autos, wenn diese nicht anhalten und niemand gebietet dem Einhalt. Eine ganz schlechte Entwicklung für den zaghaft sprießenden Tourismus. Chinesische Firmen betreiben groben Raubbau mit den spärlichen Ressourcen, bauen dafür sinnlose Straßenprojekte für eine Handvoll Fahrzeuge, die nun an ärmlichen Hütten vorbeibrausen. Die traditionell gekleideten Hirten auf ihren mageren Pferden wirken darauf wie aus einer längst vergangenen Zeit …

Über den steilen Sani Pass sind wir wieder zurück in Südafrika. Was bleibt von Lesotho? Schmerzhafte Armut und Perspektivlosigkeit, traumhafte und unberührte Bergeinsamkeit, traditionelle Riten und Lebensformen, mehr zerstörende als helfende Moderne, die Menschen dahinraffende Krankheiten und nagender Hunger, fröhlich winkende Dorfbewohner und lachende Kinderaugen. Die Kontraste könnten nicht größer sein.