Chef, wir müssen reden. Der Traum vom Ausstieg auf Zeit

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Reise unseres Lebens





Eine Familie wagt das große Abenteuer, verkauft all ihren Besitz und segelt für fünf Jahre um die Welt, um ausgerechnet in Deutschland »Schiffbruch« zu erleiden …





Der Atlantik ist das Ende aller Ausreden. Vor uns liegen 5 000 Kilometer Wasser. Bis zu den Kanarischen Inseln hatten wir uns von Bremen an der Küste entlang gehangelt. Aus Frust über unser bequemes aber langweiliges Leben als Kleinfamilie hatten wir uns die Frage gestellt, wie wir denn »eigentlich« gerne leben würden. Der Wunsch meiner Frau Carola war ein naturverbundenes Leben auf einem Bauernhof. Ich wollte einfach mal ein paar Jahre auf einem Schiff leben und aus Deutschland raus. Die Entscheidung fällt durch meine Frau: »Lieber ein verrücktes Leben auf einem Boot, als ein verzweifelter Mann in einer schönen Wohnung an Land.« Wir wollen die Zeit bis zur Schulpflicht der Kinder nutzen (damals 3 Jahre und 18 Monate alt). Verkaufen all unseren Besitz und tauschen Job und Versicherungen gegen ein kleines Boot und eine Reisekasse von 50 000€.



»Wollt ihr das Leben eurer Kinder aufs Spiel setzen?« ist die nicht sehr ermutigende, aber typische Reaktion unserer Umgebung. Selbst mein segelbegeisterter Vater wiegt bedenklich den Kopf: »Die See ist ein großer Gleichmacher …« Das er Recht behalten wird, merken wir erst sehr viel später. Auf den Ozeanen der Welt trifft man tatsächlich nur eine bestimmte Sorte Menschen: Die, die ihre Träume zu verwirklichen versuchen. Die Bedenkenträger bleiben zuhause. Nur unser Hausarzt ist begeistert: »Was, um die Welt fahren wollt ihr? Ist ja toll.« Dabei wollten wir zu Anfang der Reise gar nicht um die Welt segeln, sondern nur zwei Jahre raus aus Deutschland. Er stattet unsere Bordapotheke für alle erdenklichen Notfälle aus. Wir sind keine Draufgänger, eher vorsichtige Menschen, und die Beschäftigung mit all den Dingen, die auf dem Meer passieren könnten, lässt uns mehr als einmal an unserem Entschluss zweifeln. Wir suchen uns ein älteres, sehr seetüchtiges und stabiles Schiff aus, kaufen neben der üblichen Sicherheitsausrüstung noch ein Satellitentelefon, um notfalls auch mitten auf dem Atlantik einen akuten Blinddarm per Fernanleitung operieren zu können. Am Ende brauchen wir auf der ganzen Reise aber nur ein paar Klammerpflaster.



Nun ist die Angst wieder da: Wir liegen startklar am Pier in La Gomera, bis unters Dach ist das Boot vollgepackt mit Lebensmitteln und Wasser für die kommenden vier Wochen auf dem Atlantik. Die Verantwortung lastet schwer auf meinen Schultern. Habe ich das Recht, meine Familie einer solchen Belastungsprobe auszusetzen? Woher nimmt meine Frau nur ihr Vertrauen in mich und das Schiff? Die Kinder bleiben gelassen: Segelt man halt mal über den Atlantik.



Sie hatten sich von uns allen am schnellsten an das Leben auf einem Schiff gewöhnt. Falls wir mal gerade nicht vor einem der vielen schönen Strände ankern, die auf der Reise als Ersatz für die heimische Sandkiste herhalten müssen, vertreiben die zwei sich die Zeit auf unserem ca. 10 Quadratmeter großen schwimmenden Zuhause mit Knetwachs, Malstiften, Papier und vielen selbsterzählten Geschichten. Wir gestehen ihnen das Recht auf Langeweile zu, und so erschaffen sie aus dem Wenigen, was an Bord Platz findet, immer neue Reiche der Fantasie. Radio, Gameboy oder Fernsehen gibt es nicht, dafür ferne Horizonte, fremde Länder und Zeit im Überfluss.



Dann bläst der Passatwind alle Gedanken ans Umkehren davon. Die Wellen türmen sich für uns Ostseesegler zu beeindruckender Größe auf, und bald rauschen wir durch eine gewaltige, schäumende Wasserwelt. Das Land ist längst hinter dem Horizont verschwunden, und unser Boot zieht stetig vom Wind getrieben nach Westen. Die Tage verschwimmen, und wir verlieren das Gefühl für die Zeit. Manchmal hängt eine schimmernde Goldmakrele an der Angel, dann unterbricht ein Festessen den geruhsamen Bordalltag.



Nachts funkeln die Sterne unwirklich klar über uns, und unter uns glüht das Meer grünlich in unserem Kielwasser. Delfine kommen regelmäßig zu Besuch, und selbst an den Schlafmangel, bedingt durch das notwendige Wachegehen auch in der Nacht, gewöhnen wir uns nach einiger Zeit. Tagsüber ist wegen der Kinder an Schlaf nicht zu denken. Nachts ist alle zwei Stunden Wachwechsel. Ich kann in meiner ersten Wache kaum die Augen aufhalten, aber sobald ich in der Koje liege, bin ich hellwach. Fühle mich ausgeliefert. Es fällt mir schwer, Vertrauen in meine Frau zu haben. Ständig habe ich Angst, dass sie vergisst, den Sicherheitsgurt zu benutzen. Wir leben ganz existenziell: Nur wer Vertrauen hat, kann wirklich schlafen, wenn der andere Wache geht! Als nach 22 Tagen auf See die Karibikinsel Martinique am Horizont auftaucht, ist für alle an Bord klar: Wir fahren weiter in den Pazifik!



Wie auf einer Perlenschnur reihen sich paradiesische Inseln aneinander: Galapagos, Marquesas, Tahiti, Huahine, Tonga, Neuseeland. Doch selbst mitten in der größten Schönheit bin ich unzufrieden. Die große Freiheit nagt an mir. Ich vermisse meinen Job, leide unter der scheinbaren Sinnlosigkeit meines Daseins, dem selbstgemachten Druck, glücklich sein zu müssen, jetzt, wo ich im Paradies angekommen bin. Nun bin ich nur noch Kapitän, Ehemann, Vater. Im Buch »Die Gabe der Seenomaden« von Milda Drüke heißt es: »Nicht das Schiff ist eng, es ist die innere Enge der Menschen, die sie nicht an Land zurücklassen, ihre Weigerung im Verhalten des Partners den Spiegel zu sehen, ihre Neigung, Schuld grundsätzlich bei den äußeren Verhältnissen zu suchen, wo es doch gar nicht um Schuld, sondern um eigene Verantwortung geht.«



Konflikte häufen sich, ich bin zu ungeduldig, verspannt, kann meine Vorstellungen nicht loslassen. Dabei ist das Meer ein guter Lehrer: ständig in Veränderung, zwingt es uns immer neu, uns seinem Rhythmus anzupassen und unsere kleinen menschlichen Pläne seinem großen Atem unterzuordnen.



Die Kinder dagegen sind zufrieden: Sie schwimmen begeistert im warmen Wasser, tauchen nach Muscheln, sammeln Kokosnüsse am Strand, rudern mit dem Beiboot zu einer neben uns ankernden amerikanischen Yacht, und können nach nur drei Wochen Englisch. Beneidenswert. Jedes Mal, wenn wir eine Inselgruppe hinter uns lassen, weinen sie bittere Tränen zum Abschied, denn fast überall haben sie rasch Freunde unter den einheimischen Kindern gefunden. Aber schon nach wenigen Tagen weicht die Trauer der Vorfreude auf ein neues Land, einen neuen Kontinent.



In Neuseeland haben wir zum ersten Mal auf der Reise Heimweh. Alles ist so europäisch, und wir realisieren: von hier aus geht es in jede Richtung zurück. Sollen wir bleiben`? Wir fühlen deutlich unsere eigenen Wurzeln, und, obwohl wir uns hier endlich einmal gut verständigen können, haben wir Sehnsucht nach unserer alten Heimat. Wir machen Kassensturz und beschließen, noch im selben Jahr zurück nach Deutschland zu segeln.



Über Australien, Indonesien, Thailand und das Rote Meer geht es in weniger als einem Jahr zurück nach Europa. Aber dann macht uns der Wind wieder einen Strich durch die Rechnung: von Ägypten kommend, wollen wir rasch nach Gibraltar segeln, als es immer mehr aufbrist. Der Wind kommt von vorne, nimmt Sturmstärke an. Wir geben auf und laufen die türkische Küste an. Dort finden wir eine winzige griechische Insel, noch 120 Kilometer östlich von Rhodos gelegen, Kastellorizo. 200 Menschen, kaum Autos, viele Fischer, Handwerker, Künstler. Und eine Schule. Nach nur drei Tagen habe ich einen Job als Tischler. Die Kinder gehen in die griechische Dorfschule. Carola lernt von den alten Fischern die Kräuter der Insel kennen. Fast werden wir heimisch. Aber die Zukunft wird in Deutschland gemacht, und nachdem wir gesehen haben, wie verheerend die Auswirkungen des westlichen Lebensstils im Pazifik und in Asien sind, wo ganze Inselreiche im Müll der sogenannten »Zivilisation« ersticken, fühlen wir uns verantwortlich und wollen uns nicht in unserem griechischen Paradies verstecken.



Carola fliegt allein nach Deutschland auf Erkundungstour. Dann ist mein Schwiegervater am Telefon: Carola liegt auf der Intensivstation. Die Ärzte wissen nicht, ob sie die Nacht überleben wird. Was als kleiner ambulanter Eingriff in einem vermeintlich sicheren Bremer Krankenhaus geplant war, wird (durch den Fehler eines Arztes?) zu einer lebensgefährlichen Verletzung der Aorta mit zweimaliger Notoperation. Nach Stunden gelingt es endlich, die Blutung zu stoppen. Sie überlebt, aber an eine Rückkehr auf unsere Insel ohne Arzt und Krankenhaus ist nicht zu denken. Worauf wir so traumwandlerisch sicher die letzten fünf Jahre verzichten konnten, das brauchen wir jetzt ausgerechnet in Deutschland: Gute medizinische Versorgung vor Ort.



Nach einem Jahr ist Carola soweit wieder hergestellt, dass ich unser Boot aus Griechenland zurücksegeln kann. Es wird die schwerste Etappe der Reise. Kurz vor Bremen kreuze ich allein unseren alten Kurs. Dankbarkeit mischt sich in meine wehmütigen Erinnerungen. Dankbarkeit für die Schönheit der Welt. Und Dankbarkeit für meine mutige Frau. Ohne sie würde ich immer noch in unserer Bremer Wohnung sitzen und von der großen Freiheit träumen.





Ben Hadamovsky





Das Buch zur Reise:

»Mit allen Wassern gewaschen”



unter

www.hadamovsky.de




Ruf des Ozeans





Interview mit dem Wiener Lehrerpaar Evi Strahser und Wolfgang Wirtl, die mit ihrem Katamaran »Sleipnir2« in drei Jahren die Welt umsegelten












© Alexander Reeh







Frau Strahser, Herr Wirtl, Sie haben das gewagt, wovon viele nur träumen: eine Weltumsegelung. Was hat Sie gemeinsam zu diesem Abenteuer bewogen? Gab es ein ausschlaggebendes Erlebnis?



 



Wir sind beide immer schon sehr reiselustig gewesen und haben bereits, bevor wir einander kennengelernt haben, weite Reisen in exotische Gebiete unternommen. Gemeinsam haben wir dann mit dem Rucksack einige exotische Länder bereist. Was uns außerdem verbindet, ist die Liebe zum Meer und zum Leben auf dem Wasser.



Eigentlich gab es kein ausschlaggebendes Erlebnis, an dem der Entschluss zu unserer Weltumsegelung gefasst wurde, es war eher ein langsamer Prozess.



Als Lehrer hat man die Möglichkeit eines Sabbatical-Jahres und diese Auszeit wollten wir uns beide einmal gönnen, um zu reisen – in welcher Form wussten wir anfangs allerdings noch nicht. Wir haben mit Freunden immer wieder Segelboote für ein bis zwei Wochen gechartert, was uns schlussendlich auf die Idee brachte, dass man mit dem eigenen Schiff eine längere Reise unternehmen könnte.



2001 haben wir unseren Katamaran »Sleipnir 2« in England gekauft und sind 2002 zu einer einjährigen Segelreise in die Karibik und wieder zurück, einer sogenannten Atlantikrunde, gestartet. Bereits vor Abschluss dieser Reise stand der Entschluss fest, wieder aufbrechen zu wollen, beim nächsten Mal allerdings für eine längere Zeit.





Wie lange hat die Zeitspanne von Ihrem definitiven Entschluss bis zum Antritt der Reise gedauert?





Im Sommer 2003 sind wir von unserer ersten Segelreise zurückgekommen. Es stand sofort fest, dass wir einen Zeitraum von vier Jahren benötigen, um entsprechend Geld zu verdienen und den Kat nach den erworbenen Erfahrungen ein wenig umzurüsten.





Sie waren ziemlich genau drei Jahre unterwegs. Wie lässt sich eine solche doch lange Auszeit mit dem Beruf vereinbaren?





Da wir beide Lehrer an einer allgemeinbildenden höheren Schule sind, war es möglich, ein Sabbatical-Jahr und danach zwei unbezahlte Freijahre – in denen wir weder krankenversichert waren, noch ein Gehalt bezogen haben – zu nehmen.



Wir haben beim Sabbatical-Jahr die Dreijahres-Variante gewählt – das heißt, wir haben zwei Jahre vor Antritt der Reise voll gearbeitet, aber nur 66% verdient, dafür haben wir im ersten Jahr unserer Weltumsegelung ebenfalls 66% Gehalt bekommen und waren auch krankenversichert.



Unsere Arbeitsplätze an den jeweiligen Schulen waren Gott sei Dank gesichert, mit unseren Direktoren gab es vor Reiseantritt ausführliche Gespräche.





Und in dieser Zeit den Kontakt aufrecht zu erhalten mit den Menschen und der Familie zu Hause, war sicher auch nicht ganz einfach? Wie haben Sie das geschafft?





Wir hatten an Bord eine Kurzwellenanlage mit Pactor, eine Art Modem, wodurch wir Emails empfangen und verschicken konnten, außerdem haben wir damit auch Wetterinformationen bekommen. Die Amateurfunklizenz hat uns diesbezüglich ein breites Spektrum an Möglichkeiten geboten. Internet hatten wir an Bord allerdings nicht.



An manchen Ankerplätzen gibt es mittlerweile Internetzugang über WLAN, was sehr praktisch ist, da man im Cockpit sitzend surfen kann, ohne sein Schiff verlassen zu müssen. An solchen Orten konnten wir unserer Familie und unseren Freunden ausgiebig mailen und manchmal – wenn der Empfang gut war – sogar skypen. Wir haben uns dafür eine sehr starke externe Antenne zugelegt. Hier war es uns auch möglich, unserem Webmaster Fotos etc. zu schicken, um unsere Website upzudaten. Durch die Website haben wir die Reise ausführlich dokumentiert und hatten zeitweise mehr als 200 Besucher täglich. Außerdem haben wir des Öfteren auch Internetcafés besucht und in manchen Ländern, in denen wir uns länger aufhielten, SIM-Karten für unsere Handys gekauft.





Gab es vor Reiseantritt Ängste, Befürchtungen, die sich als berechtigt herausgestellt haben – sei es jetzt die Reise selbst betreffend, als auch die Ereignisse zu Hause während Ihrer Abwesenheit?





Nach den Erfahrungen unserer Atlantikrunde hatten wir seine sehr realistische Einschätzung hinsichtlich dieses Abenteuers und haben unseren 3-jährigen Ausstieg akribisch vorbereitet. Leider gab es während unserer Abwesenheit unerwartete Todesfälle innerhalb der Familie und des engsten Bekanntenkreises. Vereinzelt haben uns auch Menschen, die wir als absolut verlässlich und loyal eingeschätzt hatten, völlig überraschend enttäuscht und unsere Abwesenheit genutzt, um uns zu hintergehen.





Eine Weltreise über einen solchen Zeitraum ist ja auch mit erheblichen Kosten verbunden. Wie finanziert man sich so eine Weltreise? Konnten Sie von Ihrem Vorhaben auch Sponsoren überzeugen?





Nachdem wir kinderlos und frei von Schulden sind, konnten wir die notwendigen Beträge ansparen. Wir haben viele Jahre eisern gespart, haben uns keine Urlaube gegönnt, sind nicht essen gegangen, haben keine neue Kleidung etc. gekauft. Wenn man ein solches Ziel vor Augen hat, fällt das Sparen darauf eigentlich nicht so schwer.



Um Sponsoren haben wir uns nie bemüht, weil wir nicht die notwendige Zeit und Energie dafür aufbringen konnten. Dafür bemühen wir uns seit Sommer 2011, für unsere zweiteilige Multivisionsshow »Ruf des Ozeans«, die ein paar Jahre laufen soll, Unterstützung zu finden.





Lässt sich für so ein Vorhaben eine realistische Kosteneinschätzung machen?





Eine solide Kosteneinschätzung plus 50% Aufschlag gibt in der Regel die richtige Größenordnung.





Welche Erfahrungen und Erlebnisse während dieser Weltumsegelung zählen zu Ihren schönsten und wertvollsten?





Dazu zählen grundsätzlich die Begegnungen mit so vielen unterschiedlichen, interessanten Menschen, die San Blas Inseln mit den einzigartigen Kuna-Indianern, die Unterwasserwelt der Los Roques (Venezuela) und der Tuamotos (Franz.Polynesien), die endemische Flora und Fauna der Galapagos Inseln (Equador), unsere Hochzeit barfuß am Strand von Malolo Lailai/Fiji Inseln, die »Land Divers« in Pentecost/Vanuatu, nahezu jungsteinzeitliche Kulturen in den Banks Inseln und später in Papua Neuguinea, das Kulturfestival in Mount Hagen/Highlands von PNG mit 160 verschiedenen Stämmen, die Flussfahrt durch den Regenwald von Borneo (Indonesien) mit freilebenden Orang Utans, Nasenaffen und Gibbons.





Und zu den weniger schönen?





Die Zitterfahrt mit dem nach einer Baumstammkollision leckgeschlagenen Katamaran: 1100 Seemeilen von den Galapagos auf die Marquesas Inseln (nach Fatu Hiva), Evis schwere Verletzung an der rechten Hand durch eine runterfallende Kiste zwei Tagesreisen vor den Komodo Inseln, Wolfgangs fast-über-Bord-Gehen in der Straße von Malakka, den Konvoi durch das Piraten Gebiet im Golf von Aden.





Viele gewohnte Annehmlichkeiten, aber auch die medizinische Versorgung, sind bei so einer Weltreise wohl nicht immer gegeben. Hatten Sie in dieser Hinsicht Probleme?





Wenn man eine Weltumsegelung antritt, verzichtet man bewusst auf die zur Selbstverständlichkeit gewordenen Annehmlichkeiten des Alltags. Gerade darum geht es vielleicht auch, sich zu vergegenwärtigen, in welchem Luxus wir – unter Aufgabe unserer Freiheit – leben.



Unsere medizinische Versorgung war dank der Unterstützung vieler befreundeter Ärzte, die Medikamente für uns sammelten, exzellent. Darüber hinaus hat Evi einen »Medizin an Bord«-Kurs noch in Wien besucht, und wir wurden von Freunden in die verschiedenen Techniken der Wundversorgung eingeführt.



Wir hatten während der Reise immer wieder Verletzungen und Erkrankungen, die wir zum größten Teil selbst behandeln konnten/mussten. Im schwersten Fall eine Handverletzung Evis, deren Auswirkungen leider bis heute sichtbar sind.



Glücklicherweise konnten wir in Papua und Vanuatu in einigen entlegenen Dörfern grundlegende medizinische Versorgung gewährleisten.





Welche Auswirkungen hat Ihr Abenteuer auf Ihre heutige Arbeit, auf Ihr heutiges Leben?





Zunächst sind wir ruhiger und abgeklärter geworden, haben enorm viel Selbstvertrauen in uns und unsere Fähigkeiten bekommen und müssen uns daher weniger selbst beweisen. Der Zeitfaktor wird nicht mehr zum Stressfaktor, wir gehen an die meisten Dinge des Lebens deutlich entspannter heran – dies betrifft natürlich auch unsere eigentliche Arbeit als Lehrer.





Können Sie auch Ihren Schülern davon etwas weitergeben?





Wir konzentrieren uns in unserer Unterrichtsarbeit weitgehend auf unsere jeweiligen Fächer und trennen grundsätzlich Privates von Beruflichem. Mit unseren Schülern sprechen wir daher über unsere außerschulischen Aktivitäten wenig. Dennoch wissen die meisten Schüler über die Reise Bescheid.





Die Rückkehr von einsamen oder dünn besiedelten Inseln, von der Zweisamkeit auf Ihrem Katamaran in eine größere Stadt wie Wien mit all ihren Infrastrukturen – wie war das für Sie? Eine Art »Schock« oder verbunden mit großer Freude und Zufriedenheit?





Dazu ein Zitat aus unserem Buch:



»Waschmaschine, Geschirrspüler, Mikrowellenherd, fließendes (warmes) Wasser oder Toilettenspülung auf Knopfdruck erleben wir angenehm, fast als dekadenten Luxus, aber das Leben auf dem Wasser im Einklang mit der Natur lässt die »Enge« der Stadt deutlicher spüren, und so ist die Wahrnehmung unseres Umfeldes nicht mehr die gleiche.



Versicherungen und Banken scheinen verstärkt mit subtiler Indoktrination von Furchtszenarien das Leben vieler Menschen zu steuern und weitgehend auf die Pension ausrichten zu wollen – das Hier und Jetzt gerät allzu leicht in den Hintergrund. Wir hoffen, uns davon möglichst abschirmen zu können und, dass wir mehr Träume haben, als uns die Realität nehmen kann.«





Der Wiedereinstieg ins Berufsleben stellt manche Aussteiger vor eine große Herausforderung, u.a. weil sie das straffe Zeitkorsett eines Arbeitsalltags nicht mehr gewohnt sind. Wie war für Sie der Wiedereinstieg?





Beim Wiedereinstieg in die Arbeitswelt des Schulalltages haben wir die gewohnte Routine vermisst, wir haben umständlich, ineffizient gearbeitet, und die für den Beruf so wichtige Eloquenz und Schlagfertigkeit war ein wenig eingerostet.



Wir waren aber offen gestanden sehr froh, in die Sicherheit unserer alten Berufe zurückkehren zu können. Das treffend formulierte enge Zeitkorsett und der frühmorgendliche Wecker sind für uns eine enorme Umstellung, ebenso wie das Fremd bestimmt sein nach drei Jahren auf See.





Wenn Sie mit Ihrem heutigen Wissen und Ihren Erfahrungen die Zeit nochmals vor Reiseantritt zurückdrehen könnten, was würden Sie heute anders machen – auch in Bezug auf die Reise selbst?





Um eine Weltumsegelung richtig genießen zu können, scheinen uns sechs Jahre notwendig, daher würden wir eine längere Zeitspanne für eine solche Reise einplanen.



Außerdem würden wir versuchen, die Verwaltung unserer Obliegenheiten daheim verstärkt selbst zu organisieren – keinesfalls würden wir sie noch einmal in fremde Hände legen.





Hätten Sie sich nicht kennengelernt, würden Sie auch alleine eine solche Reise über diesen Zeitraum wagen?





Diese Frage ist schwer zu beantworten, grundsätzlich war das Schiff und die damit verbundene Reise stets ein gemeinsames Projekt. Die positiven und negativen Erlebnisse mit dem Partner zu teilen, war wesentlich – wir würden dies nicht missen wollen.





Haben Sie eine nächste größere Reise geplant?





Ein nächstes großes Segelprojekt steht mit Wolfgangs endgültigem Berufsausstieg in Planung – Evi ist neun Jahre jünger. Nach Kauf eines neuen Katamarans könnten wir uns vorstellen, längere Zeit in der westlichen Karibik zu verbringen.





Wenn sich nun auch unter meinen Lesern jemand dazu entschließt, eine berufliche Auszeit zu nehmen – es muss ja nicht gleich eine Weltumsegelung sein – welche Tipps haben Sie für ihn bzw. für sie?





Ratschläge richten sich weitgehend nach den individuellen Voraussetzungen und Vorstellungen, die ja zum Glück unterschiedlicher nicht sein könnten. Daher ist es für uns fraglich, inwieweit es sinnvoll ist, generelle Tipps aufzulisten.





Interview: Burkhard Heidenberger, www.zeitblüten.com





Epilog aus dem Buch »Ruf des Ozeans«:



Wir sind wieder zu Hause in unserer Wohnung im äußersten Westen von Wien und schauen aus den Fenstern auf den nebelverhangenen Wolfersberg. Es nieselt bei 6°C – plus wohlgemerkt -, und die Blätter der Bäume sind längst in die Farben des Herbstes getaucht, sofern sie nicht bereits abgefallen sind. Unsere Gedanken schwenken zurück auf die abgelaufenen drei Jahre, auf die unbeschwerte Fröhlichkeit der Cook-Insulaner auf Aitutaki beispielsweise, mit der einzigartigen türkisgrünen Lagune – aber auch mit dem unbequemen Ankerplatz vor dem Arutunga-Pass.

 



Die ersten Monate sind vollkommen ausgelastet, unser Leben in Österreich wieder in die Gänge zu bringen. Der Pegelstand der Haushaltskasse ist noch unbefriedigend tief, und wochenlang karren wir Kisten, Taschen und Kartons in die Wohnung, der wir nach den Jahren der Vermietung wieder unseren Stempel aufzudrücken versuchen, und die wir Tag für Tag ein wenig mehr nach unseren Vorstellungen gestalten. (…)



Die vergangenen zehn Jahre waren bestimmt von der Ambivalenz zwisc