Die Antariksa-Saga IV - Blinder Hass

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»Ich bin Pejar«, sprach einer der Männer, eine hochgewachsene Gestalt mit auffällig kräftigen Wangenknochen und einem buschigen Vollbart. Er reichte zuerst Zaydan und dann Weng die Hand.

»Mein Name ist Schack«, erwiderte Zaydan, um dann auf seinen Begleiter zu deuten. »Und das ist mein Freund Ko-Ling aus dem fernen Manchin.«

»Diese Männer sind Bulhe und Drogon«, ergänzte Pejar, den Blick den beiden anderen Slajvkanern zugewandt.

Wieder herrschte kurzes Schweigen, das in dem nur von zwei Kerzen in der Ecke beleuchteten Hinterzimmer besonders bedrückend wirkte.

»Was sollen wir tun? Und wie viele Gold gibst du uns dafür?«, fragte Pejar dann.

»Ich gebe Euch 20.000 Goldstücke jetzt. Und noch einmal 20.000 Goldstücke, wenn der Auftrag erledigt ist«, antwortete Zaydan ruhig.

Die Kinnladen der drei Slajvkaner fielen beinahe synchron herunter. Vor allem Pejar starrte die beiden Fremden vollkommen überrascht an. Wer 40.000 Goldstücke besaß, hatte mehr als ausgesorgt.

»Keine Witz?«, hakte Pejars Nebenmann nach.

Zaydan blieb gelassen und verzog keine Miene. »Natürlich nicht!«

»Dann sage uns, was wir sollen tun!«, drängte Pejar.

»Es ist ein sehr schwieriger Auftrag, es dürfen keine Fehler geschehen. Ich habe allerdings gehört, dass ihr schon öfter für Geld getötet habt«, sagte der Bankier.

»Das ist kein Problem. Du musst nur sagen, wen wir sollen töten. Für 40.000 Goldstücke wir töten jeden«, stieß Pejar aus, während seine beiden Begleiter auflachten.

»Die Sache ist sehr ernst«, maßregelte sie Zaydan.

»Dann sage uns nun, was der Auftrag ist«, gab Pejar ungeduldig zurück.

»Zunächst einmal müsst ihr ein paar tote Orks und Goblins beschaffen«, merkte Zaydan mit einem Grinsen an.

»Tote Orks? Warum?«, brummte einer der Slajvkaner.

»Das erkläre ich doch gerade«, antwortete Zaydan. »Ihr werdet einige Grünhäute im Felssäulengebirge oder wo auch immer töten und ihre Leichen mitnehmen.«

»Das sich hören komisch an. Warum?«, kam von Pejar.

»Weil es gehört zu Auftrag!«, schaltete sich Weng ein.

»Dann erzähle weiter, mein Freund. Ist keine Problem, wir finden schon Orks und Goblins. Ja, keine Problem«, meinte einer der drei.

Zaydan legte seinem manchinischen Diener den Arm auf die Schulter. »Zeige unseren Freunden das Gold! Komm, hole es!«

Weng stand auf, verließ den Raum und schleppte wenig später eine große, verschlossene Truhe in das trostlose Hinterzimmer. Unter den erwartungsvoll aufgerissenen Augen der Slajvkaner öffnete Zaydan den Deckel und ließ die drei Männer einen kurzen Blick auf die funkelnden Goldmünzen darunter werfen.

Schließlich musste Zaydan lachen. Er klopfte Pejar gönnerhaft auf den Rücken und deutete auf die Truhe. Diese drei Banditen besaßen einfache Gemüter; der Bankier wusste, dass er sie längst überzeugt hatte. Angst, dass ihn die Slajvkaner berauben und einfach mit dem Gold verschwinden würden, hatte er hingegen nicht. Draußen vor der Taverne warteten zehn bewaffnete Söldner, die der Bankier als Begleitschutz mit nach Tschorleß genommen hatte.

»Ich gebe euch die 20.000 Goldstücke hier und jetzt, wenn ihr den Auftrag annehmt. Teilt sie unter euren Männern auf, wie ihr es für richtig haltet«, sagte Shargut zu Pejar.

Dieser lächelte freudig und antwortete: »Keine Problem, wir werden machen, was du von uns willst. Du wirst sehen, wir machen gute Arbeit.«

Zaydan ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder. Sein Diener Weng machte nun auch einen wesentlich entspannteren Eindruck und konnte sich ein erstes Schmunzeln abringen.

»Ihr sollt nicht bloß gute Arbeit machen, meine Freunde. Ihr sollt sehr, sehr gute Arbeit machen, aber ich denke, dass ihr das schon schaffen werdet. Der Auftrag ist zwar nicht einfach, aber ihr werdet ihn schaffen, versteht ihr?«, bemerkte Zaydan voller Zuversicht.

Hochzeitsvorbereitungen

Die bevorstehende Hochzeit seines Sohnes hatte König Albarach in eine euphorische Stimmung versetzt. Ein Zustand, der sich immer weiter steigerte, je näher der Tag des gewaltigen Volksfestes kam. Unentwegt redete der graubärtige Khuzherrscher auf seinen Nachfolger ein, gab ihm teils offene und teils unterschwellige Anweisungen und erklärte ihm die Kunst des Regierens. Prinz Hignir IV. würde einst über den mächtigsten Stadtstaat des Khuzvolkes herrschen, doch hätte er noch einiges zu lernen, wie sein Vater meinte.

»Die Minen, die wir ausbeuten, werden uns noch für dreihundert Jahre Erze liefern. Das glauben jedenfalls die Schürfmeister«, sagte der König, der wieder einmal dozierend durch die Gemächer seines Erben schritt.

»Dann brauche ich mir ja keine Sorgen zu machen«, gab Hignir zurück. Er unterdrückte ein Gähnen.

»Kazhad Mekrals Wohlstand begründet sich auf dem Reichtum, der im Gestein liegt. Wir haben die ertragreichsten Minen, mein Sohn. Selbst eine Stadt wie Kazhad Harush fördert nicht das zu Tage, was unsere Arbeiter aus dem Stein wühlen.«

»Das wird schon alles werden, Vater. Ich mache mir eher Gedanken, wie wir die vielen Gäste, die von überall zu meiner Hochzeit kommen werden, unterbringen sollen«, antwortete Hignir, der die Geschichten über die offenbar unerschöpflichen Minen seiner Heimatstadt schon unzählige Mal gehört hatte. Albarach nahm die Lederkappe von seinem fast kahlen Haupt und strich sich durch die wenigen grauen Haare, die seinen eckigen Kopf noch bedeckten. Er betrachtete seinen Sohn für einen Moment, um dann fröhlich zu lächeln.

»So ein berauschendes Fest tut auch deinem alten Vater gut. Viel zu oft verbringe ich meine Zeit mit eintönigem, langweiligem Zeug. Regieren bedeutet in erster Linie verwalten, das kann manchmal sehr ermüdend sein«, brummelte der Khuzherrscher.

Prinz Hignir ging nicht darauf ein. Das ständige Nörgeln war eine zwergische Eigenart, die nicht nur sein Vater besaß.

»Es werden auch viele Adelige aus Leevland kommen, vor allem die Ostmärker«, merkte Hignir gedankenverloren an.

»Ein Grund mehr, dass sich Kazhad Mekral von seiner besten Seite zeigt. Bis zum großen Tag muss jede Säule blitzen, mein Junge. Das wird auch die Menschen beeindrucken.«

»Aber Kaiser Carolus II. wird wohl nicht auftauchen, oder?«, fragte der Prinz.

»Das glaube ich kaum. Natürlich wird auch er eingeladen, aber ich denke nicht, dass er sich auf den Weg ins Felssäulengebirge machen wird. Die Ostmärker kommen aber mit Sicherheit«, meinte Albarach.

Hignir IV. sah seinen Vater an. Hier, in den königlichen Gemächern tief unter dem Berg, trug der graubärtige Khuz nur ein schlichtes Leinengewand. Die zwergische Königsfamilie blieb gerne unter sich. Das Auftreten in der Öffentlichkeit, auch wenn es sich nur um einen Rundgang durch die vielen Hallen und Wohnhöhlen der Stadt handelte, war für einen König oder Prinzen oft wie der Auftritt eines Schauspielers auf einer Bühne.

»Mutter hat mir eben gesagt, dass du am großen Tag ein dunkelgrünes Hemd anziehen solltest. Mir gefällt das blaue mit den weißen Stickereien aber wesentlich besser. Das werden noch lange Debatten«, brummte Albarach. Er ließ sich auf einem kleinen Hocker nieder, um dann aufzustöhnen.

Prinz Hignir jedoch lachte unbeschwert, als er das hörte. Es würde sich schon ein Hemd finden, das alle Beteiligten zufrieden stellte, sprach er gelassen. Viel wichtiger war ihm seine geliebte Lavia, deren Umarmung er schon innig herbeisehnte.

»Das irdische Leben als Stufe im ewigen Kreislauf der Seelenentwicklung«, sagte Grimzhag mit einem milden Orklächeln und hielt seinem Freund Zugrakk sein neues Buch unter die kurze Nase.

Dieser grunzte verwirrt. »Hä?«

»Das irdische Leben ist jeweils nur ein kleines Mosaiksteinchen in einem übergeordneten Gesamtgefüge, welches in seiner vollendeten Ganzheit die sich zur höchsten Geistform entwickelte Seele darstellt«, schob der König nach.

Zugrakk glotzte ihn hilfesuchend an, die lilafarbene Zunge fiel ihm aus dem Maul. Solches Gerede behagte dem muskelbepackten Krieger überhaupt nicht. Das war unschwer zu übersehen, denn Zugrakks panischer Gesichtsausdruck sprach Bände.

»Ein Buch?«, stieß er aus.

»Ja, mein Freund. Wir haben die Kunst des Buchdrucks inzwischen von den Manchinen gelernt. Natürlich hatten die Orks der alten Epochen dieses Wissen auch, aber es ist damals offenbar verloren gegangen, wie mir Soork berichtet hat. Jedenfalls drucken wir jetzt selbst. Wir benutzen zunächst Holz- oder Keramiktafeln. Jede Glyphe wird dabei spiegelverkehrt in einen Holzstock geschnitten, indem man das umgebende Holz entfernt – das ist eine Variante. Aber ich denke, dass wir eines Tages Metalltafeln verwenden sollten, also eine richtige Maschine, eine Druckerpresse. Ich habe einige der Geistesbegabten damit beauftragt, eine solche Maschine zu entwerfen, Zugrakk.«

»Ja …«, kam sehr verhalten zurück.

»Eine Vervielfältigung des niedergeschriebenen Wortes ist vor allem für die Ausbildung an den Wissenshorten eine sinnvolle Sache. Du wirst sehen, dass der Buchdruck viel besser ist, als wenn man jeden Text abschreiben lassen muss«, erläuterte Grimzhag fasziniert, seinem Freund das Buch überreichend.

Zugrakk schnaufte so nervös, als würde ihm der König eine pestverseuchte Decke in die Hand drücken.

»Buch?«, stammelte er überfordert.

»Wirf mal einen Blick hinein. Dort stehen meine tiefgedachten Abhandlungen über die Seelenentwicklung drin. Es sind über 200 Seiten. Und einen schönen Einband aus weichem Ruumphleder hat es auch. Ein Denker hat es extra für dich abgeschrieben, das war eine gewaltige Arbeit. Großartig, nicht wahr?« Zugrakk ergriff das Buch und schlug es auf, dann las er: »Betrach … tet … man … d … die … öhm … Seele … äh … ein … es … äh … jeden … Lebewesen … s … Komma … so … ge … langt … d … der … nach … Er … öh … kenntnis … such … suchende … äh … Ork …«

 

Grimzhag klopfte seinem Freund mit der Klaue auf die Schulter. Dieser klappte das seltsame Ding wieder zu, grunzte leise und stieß schließlich einen Klagelaut aus.

»Ich schenke es dir, Zugrakk. Schau mal rein, wenn du Zeit und Lust hast«, sagte der Mazaukhäuptling.

»M… mir?«, fragte der Krieger mit entsetztem Gesichtsausdruck.

»Bildung schadet keinem Ork«, meinte Grimzhag mit einem väterlichen Brummen.

»Aber?«

»Nun nimm schon, du Snagnase!«

Zugrakk versuchte gefasst zu wirken, er fummelte mit der Klaue an seinem rechten Ohr herum.

»Danke! Sehr nett, Kumpel«, murmelte er dann.

»Ich schreibe bereits ein neues Buch. Es wird den Titel »Visionen der orkischen Zivilisations- und Gesellschaftsentwicklung« tragen«, sprach der König, um sich daraufhin hinter einen Holztisch zu setzen, auf dem sich Berge von Pergamentrollen auftürmten. Grimzhag nahm ein Tintenfass in die Klaue, schnappte sich einen Federkiel und lächelte freundlich. Zugrakk knurrte, den glotzenden Blick seiner rötlichen Augen auf den König richtend.

»Ich habe noch ein Fass Pilzbier im Schuppen. Wir könnten ja auch noch mal einen saufen«, schlug er kleinlaut vor.

Grimzhag würgte verneinend. »Dazu fehlt mir im Moment einfach die Zeit. Sei nicht böse, aber da muss ich leider ablehnen.«

»Verstehe! Du willst schreiben und so, was?«

»Genau! Außerdem muss ich mit den Denkern noch über den Ausbau des Straßennetzes in den westlichen Steppen sprechen. Ich plane da so einiges.«

»Kann ich mir vorstellen.« Zugrakk grummelte enttäuscht. Kurz darauf machte der Krieger auf dem Absatz kehrt, um den Raum geräuschlos zu verlassen. Grimzhag war schon wieder in Gedanken versunken und schrieb irgendetwas nieder; als Zugrakk jedoch die Tür öffnen wollte, hob er noch einmal flüchtig den Blick.

»Vergiss dein Buch nicht, mein Freund«, sagte er.

»Ach, ja, das Buch …« Zugrakk schnappte sich den Wälzer, klemmte ihn unter den Arm und ging erneut zur Tür.

»Das blöde Ding kann man sicherlich benutzen, um darauf Bierkrüge abzustellen«, wisperte er kaum hörbar vor sich hin.

»Was hast du gesagt, Zugrakk?«, wollte Grimzhag wissen. Schon wieder lächelte er so freundlich, als wolle er der ganzen Welt Gutes tun.

»Nichts!«, antwortete der rotäugige Krieger. »Danke für das Buch. Wirklich nett von dir.«

Umso näher die Hochzeit von Prinz Hignir und Prinzessin Lavia rückte, umso emsiger bereiteten sich die Khuz von Kazhad Mekral auf den großen Tag vor. Der Sohn von König Albarach würde mit einer Gruppe ausgewählter Krieger mitten durch das Felssäulengebirge ziehen, Lavia in Kazhad Harush abholen und zugleich ihren Vater um Erlaubnis fragen, um dann wieder in die heimatliche Zwergenstadt zurückzukehren. So verlangte es die khuzische Tradition.

Das Abholen einer zukünftigen Braut bestand aus einem rituellen Aus- und Einmarsch. In Prinz Hignirs Fall würde der beliebte Königssohn Kazhad Mekral unter gewaltigen Jubelstürmen verlassen und unter noch größeren wieder betreten. Dann Hand in Hand mit Prinzessin Lavia, der Tochter von Colmir IX., des Königs von Kazhad Harush.

So bereiteten sich Tausende von Zwergen in beiden Städten auf die Hochzeitsfeierlichkeiten vor. Gewaltige Banner wurden genäht und damit steinerne Säulen und Wände geschmückt. Überall in Kazhad Mekral wurde geputzt, geschrubbt, gewaschen und gebügelt. Vor allem die großen Hallen im Inneren des Berges wurden nach und nach in riesenhafte Festsäle verwandelt.

Die Zwerge des Felssäulengebirges waren in den letzten Jahrhunderten manch harter Prüfung unterzogen worden. Von Hungersnöten und Minen, die keine Erze mehr hergaben, bis hin zu langen Kriegen mit den Grünhautstämmen der Gebirge hatten die Kleinwüchsigen unter Vielem zu leiden gehabt.

Inzwischen war jedoch nicht nur Kazhad Mekral wieder zu einem Ort blühenden Zwergenlebens geworden, sondern auch die meisten anderen Bergstädte der Khuz. Sämtliche Krisen der Vergangenheit galten als überwunden, während so mancher Zwergenherrscher schon wieder davon sprach, dass der kleinwüchsigen Art goldene Zeiten bevorstünden.

Kazhad Mekral, der bevölkerungsreichste und mächtigste Stadtstaat der Zwerge, war im Laufe der Zeit zu einem regelrechten Symbol für das erneute Erstarken des Khuzvolkes geworden. König Albarachs Reich erfreute sich eines gehörigen Wohlstandes, wobei es im Felssäulengebirge zugleich jeden Feind bezwungen hatte. Es ging den Khuz so gut wie lange nicht mehr, was bedeutete, dass sie allen Grund hatten, sich an königlichen Hochzeiten und prunkvollen Festen zu erfreuen.

Derweil ging das Leben in der Ostmark seinen gewohnten Gang. Zaydan Shargut wich kaum noch von Fürst Loghars Seite, denn der Adelige genoß die Anwesenheit des fremden Berbianers, der sich mehr und mehr bemühte, ein echter Leevländer zu werden. Loghar liebte es, wenn ihn sein neuer Finanzberater bewunderte, umgarnte, stetig lobte und mit interessanten Ideen fütterte. Vor kurzem hatte Zaydan dem Fürsten eine Vielzahl neuer Besteuerungsmöglichkeiten aufgezeigt; das Befahren öffentlicher Wege, das Fischen in öffentlichen Gewässern – es gab so viele Gelegenheiten, noch mehr Geld von seinen Untertanen zu verlangen. Man musste sie eben nur wahrnehmen, meinte Zaydan.

Der berbische Geldverleiher, der die Kaufmannstätigkeit mittlerweile völlig eingestellt hatte und sich nur noch der Vergabe von Krediten widmete, war der beste Berater, den man sich vorstellen konnte. So jedenfalls sah es Loghar; ganz im Gegensatz zu seinem Sohn Irmynar, der Shargut nach wie vor misstraute. Doch das Gerede seines Erben interessierte den Fürsten wenig. Er war Zaydans Umgarnungskünsten längst verfallen. So sehr, dass er dem Berbianer auch in politischen Fragen zunehmend Glauben schenkte. Die umfassende Schlauheit des Fremden besaß er nicht einmal im Ansatz, das musste der im Grunde recht leichtgläubige Loghar einfach zugeben. Zaydan war eben eine ganz besondere Persönlichkeit.

Somit wurde der Bankier zum engsten Vertrauen des Fürsten der Ostmark, was bedeutete, dass er bald bestens in die Geheimnisse der leevländischen Politik eingeweiht war. Zaydan wusste inzwischen, welche Fürsten miteinander im Streit lagen, welche Adelshäuser befreundet und welche verfeindet waren, wer den Kaiser in Asenburg unterstützte und wer ihn ablehnte. Loghar schwieg selten und sein scharfsinniger Freund aus Berbia hörte immer genau zu.

Schließlich stellte der ostmärkische Kurfürst seinen klugen Berater dem Imperator selbst vor und nahm ihn mit nach Asenburg an den kaiserlichen Hof. Damit erfüllte er Sharguts größten Wunsch, denn dieser brannte schon lange darauf, endlich in die Nähe des leevländischen Herrschers zu kommen. Fürst Loghar war die Eintrittskarte für den Kaiserpalast in Asenburg gewesen; so hatte es Zaydan von Anfang an geplant gehabt.

Der hochgewachsene Monarch mit dem blonden Vollbart lächelte kurz, um Fürst Loghar anschließend wieder ernst anzusehen. Carolus II. sei ein harter und unerbittlicher Charakter, erzählte man sich in Adelskreisen. Und wen der strenge Blick des Imperators traf, der konnte diesen Eindruck bestätigen.

»Wie geht es mit dem Trockenlegen der Knathsümpfe voran?«, fragte der Kaiser.

Loghar wirkte ein wenig verlegen. »Es wird immer mehr Ackerland gewonnen, aber diese Arbeiten sind sehr mühsam.«

»Verstehe!«, brummte Carolus.

Der Imperator hatte den Kurfürsten und seinen fremden Berater heute in einem der vielen Besprechungszimmer des Asenburger Kaiserpalastes empfangen. Schwerwiegende politische Fragen gab es allerdings nicht zu erörtern, weshalb sich der Monarch kurz zu fassen gedachte.

»Was macht der Ausbau Eurer Residenz? Ist der denn wenigstens abgeschlossen?«, wollte Carolus wissen.

Loghar nickte. »Ja, der ist so gut wie fertig.«

Zaydan saß schweigend auf einem Stuhl und beobachtete den Kaiser. Dieser Mann strahlte eine unglaubliche Autorität aus. Die machtvolle Stimme, das durchwegs bestimmte Auftreten, der Blick der klaren, hellen Augen; Kaiser Carolus II. benötigte nicht viele Worte, er war durch und durch eine Herrscherpersönlichkeit.

»Ihr hattet Finanzprobleme, nicht wahr?«, hakte der Imperator nach und verzog dabei keine Miene. Loghar sah sich für einen Moment verunsichert um, dann nickte er.

»Mein Freund, der ehrenwerte Herr Shargut, hat mir geholfen, einige Engpässe zu überwinden«, antwortete der Fürst, wobei er den Blick auf den Bankier richtete.

»Das habe ich gerne getan«, fügte Zaydan mit einem freundlichen Lächeln hinzu.

Carolus II. richtete seine Aufmerksamkeit nun auf ihn; genau das hatte Zaydan beabsichtigt. Die Augen des Monarchen zogen sich zu dünnen Schlitzen zusammen, der fremde Geldverleiher wurde eindringlich geprüft.

»Ihr seid Berbianer, habe ich gehört«, sprach der Kaiser nach einem kurzen Augenblick des Schweigens.

»So ist es, Eure Majestät.«

»Und Ihr habt dem lieben Loghar ausgeholfen. Durch einen Kredit, wie?«, schob Carolus nach.

»Das ist richtig!« Zaydan versuchte die aufkommende Nervosität zu unterdrücken. Die offenkundige Skepsis seines Gegenübers bekam ihm überhaupt nicht. Allerdings hatte er nichts anderes erwartet. Es dauerte immer eine Weile, bis die Leevländer einem Fremden vertrauen. War es aber endlich so weit, dann liefen sie ihm treu und gutgläubig nach wie die Schäfchen.

Der Imperator strich sich durch seine blonden Haare, die von breiten, grauen Stähnen durchzogen wurden. Noch immer war sein Gesicht wie versteinert. Mit tonloser Stimme bemerkte er: »Ich habe bereits von Euch gehört, Zaydan Shargut aus Berbia.«

»Ich hoffe nur Gutes«, gab der Bankier zurück.

»Dies und das«, brummte Carolus II. ein wenig gelangweilt. »Man erzählt sich, dass Ihr in Manchin gelebt habt.«

»Ja, das ist richtig, Eure Majestät. Ich bin zwar aus Berbia, aber ich habe viele Jahre in Kin-Weig gelebt.«

»Kin-Weig?«, wiederholte der Kaiser.

»Eine große Stadt der Händler. Leider existiert sie nicht mehr«, erklärte Zaydan.

»Existiert nicht mehr? Was soll das heißen?«, wollte der Imperator wissen.

»Orks haben diese schöne Stadt zerstört. Sie haben alle Bewohner getötet, Eure Majestät«, sagte Zaydan erschüttert.

Allmählich schien das Gespräch für den Kaiser von Leevland interessant zu werden. Er kratzte sich grübelnd am Kinn, um dann die Hand zu heben.

»Orks? Dann sind die Gerüchte tatsächlich wahr, dass die Grünhäute das sagenhafte Land Manchin verwüstet haben?«

»Wenn Ihr wollt, kann ich Euch alles erzählen, verehrter Kaiser. Meine Augen haben viel gesehen, das Leid von Manchin, versteht Ihr?«

Carolus II. schob die Mundwinkel nach unten. Dann nickte er zustimmend.

»Nur wenige Menschen haben Aurania und zugleich das Land Manchin gesehen. Ihr seid von einem Ende der Welt zum anderen gereist, nicht wahr?«

»Ja, Majestät, ich habe die Große Mauer im fernen Osten gesehen, genau wie Euren Palast in Asenburg«, sprach Shargut.

Mittlerweile schenkte der Kaiser Fürst Loghar kaum noch Beachtung. Seine ganze Aufmerksamkeit hatte der fremde Bankier aus Berbia auf sich gezogen; die Geschichten aus den fernen, sagenhaften Ländern des Ostens, die langen Reisen und die Berichte über die Orks faszinierten ihn. Selbst am kaiserlichen Hof in Asenburg hörte man derartige Dinge nur äußerst selten.

Der Imperator zeigte das erste Lächeln des Tages, welches eine gewisse Milde ausstrahlte. Dieser Fremde hatte das Potential, ihn gut zu unterhalten.

»Orks haben also das Reich Manchin erobert. Man erzählt sich in Leevland, dass Manchin größer als ganz Aurania sei. Dort gibt es Städte, wo die Häuser goldene Dächer haben. Und es leben dort mehr Menschen als sonst irgendwo auf der Welt. Und dann sollen wilde Orks ein so mächtiges Reich erobert haben?«

»König Grimzhag, der Schlächter aus den Steppen«, warf Fürst Loghar mit ernster Miene in die Runde.

Der Kaiser winkte ab. »Von diesem Ork habe ich bereits gehört. Er soll mit seiner Horde irgendwo in der Einöde hausen. Aber ich glaube kaum, dass dieser Grimzhag ein Reich wie Manchin bezwingen konnte. Das klingt eher nach einem Ammenmärchen.«

Zaydan lächelte gequält, dann erwiderte er: »Ehrwürdiger Kaiser von Leevland, Grimzhag ist kein normaler Ork.«

 

»Kein normaler Ork?«, wunderte sich der bärtige Monarch.

»Herr Shargut will sagen, dass diese Bestie kein gewöhnlicher Ork ist. Er ist ein Grauaugenork. Grauaugen sind besonders kluge und gefährliche Orks«, erläuterte Loghar.

»Grauaugenorks? Davon habe ich noch nie etwas gehört.« Ungläubig zog Carolus II. die Augenbrauen nach oben.

»Grimzhag ist eine gewaltige Gefahr, Eure Majestät. Vielleicht sogar für Aurania. Die Orks sind wieder mächtig und gefährlich, so wie es in den alten Zeiten war«, ereiferte sich Zaydan. Er stand von seinem Platz auf und warf die Arme in die Höhe.

»Kin-Weig! Manchin! All diese schrecklichen Bilder in meinem Kopf, verehrter Herr. Ich erzähle Euch gerne alles, was vorgefallen ist. Gerne tue ich das, damit Ihr gewarnt seid«, fuhr Shargut fort, während ihn der Imperator fragend anstarrte.

»Tut das, Berbianer«, antwortete der Kaiser, nachdem die Neugier die Skepsis überwunden hatte, »vielleicht sollte ich mir Euren Bericht doch anhören.«

»Und ich ducke mich weg, die Klinge geht über meinen Kopp drüber und ich haue dem Menschling das Schwert in den Unterleib! Zack!«, lallte Zugrakk. Er war schon wieder stark angetrunken und musste sich an der grob zusammengezimmerten Theke festhalten, um nicht vom Hocker zu fallen.

»Ja, nicht schlecht«, brummte der Ork neben ihm.

»Dann der nächste Menschling …«, fuhr Zugrakk fort. »Der nächste Menschling kommt an und ich donner` ihm das Schild in die Schnauze! Baff! Den mach` ich platt, dachte ich mir. Den verdammten Menschling nehme ich noch mit, wenn ich schon draufgehe, versteht ihr?«

Mehrere Grünhäute, die an der langen Theke saßen, murmelten zustimmend, während Zugrakks Stimme lauter und lauter wurde. Wieder einmal erzählte er von der Schlacht auf den Feldern von Yang-Weig, der größten und epischsten Schlacht der Weltgeschichte, wie der Krieger betonte.

»Noch ein Pilzbier! Nachfüllen!«, rief Zugrakk in Richtung des Wirtes, der ihm einen genervten Blick schenkte.

Wie so oft in letzter Zeit verbrachte Grimzhags bester Freund endlose Stunden in Karokums beliebtester Trinkhöhle, dem »Schwankenden Warnox«. Hier konnte man zechen und saufen, bis es nicht mehr ging. Genau der richtige Ort für einen überall bekannten Kriegshelden wie Zugrakk, der gegenwärtig allerdings unter der Friedenszeit zu leiden hatte.

Der Wirt, eine äußerst korpulente Grünhaut, füllte Zugrakks Krug mit kühlem Pilzbier auf. Dieser nahm einen kräftigen Schluck und grinste breit. Dann drückte er dem Ork hinter der Theke eine manchinische Goldmünze in die Klaue.

»Is` für dich, Graggax, davon habe ich noch genug. Ohne Ende, das sag` ich dir. Alles geplündert und erbeutet bei den Menschlingen. Nä, was haben wir die fertiggemacht. Damals auf den Feldern von Yang-Weig, das war eine Schlacht. Da waren Millionen Menschlinge, aber wir haben sie alle erschlagen«, rief Zugrakk, um im nächsten Augenblick mit der Faust auf die Theke zu schlagen.

»Wie oft müssen wir uns diese Geschichte eigentlich noch anhören?«, kam es plötzlich vom anderen Ende der langen Holztheke.

Zugrakk brummte verwirrt, er rieb sich die Augen und glotzte benebelt in Richtung eines noch recht jungen Orks, der einen unüberhörbaren Würgelaut ausstieß.

»Was hast du da hinten gesagt?«

»Schon gut, vergiss es!«, meinte der Ork.

»Gefällt dir meine Geschichte nicht, oder was?«, hakte der betrunkene Kriegsheld nach, wobei er mit jedem Wort ein wenig zorniger klang. Schlagartig verstummten die Gespräche an der Theke. Der Wirt warf Zugrakk einen finsteren Blick zu.

»Nein, ich meinte nur, dass …«, erwiderte der junge Krieger, wobei er beschwichtigend die Klauen hob.

»Darf ich in meiner Trinkhöhle keine Geschichten aus Manchin mehr erzählen, du vorlaute Snagschnauze? Hä? Muss ich dich erst um Erlaubnis fragen?« Zugrakk stieß sich von der Theke ab, warf dabei den Hocker um und torkelte schnurstracks auf den anderen Ork zu.

»Keine Schlägereien in der Trinkhöhle! Prügelt euch draußen auf der Straße oder im Hinterhof!«, schrie der besorgte Wirt dazwischen und deutete auf ein großes Schild neben der Theke, wo die Hausregeln für alle Gäste sichtbar nachzulesen waren.

»Ja, sicher …«, murmelte Zugrakk. Er schwankte an mehreren verdutzt dreinschauenden Orks vorbei, packte den vorlauten Jungkrieger am Kragen und riss ihn hoch.

»Du willst mir hier blöd kommen, was?«, knurrte er.

Bevor der Nachwuchsork die Frage beantworten konnte, hatte ihm Zugrakk schon eine Kopfnuss verpasst. Laut jaulend fiel er zu Boden, um dort noch einen Tritt in den Magen zu bekommen. Zugrakk brüllte auf, beugte sich zu dem jungen Krieger herab und donnerte ihm seine klobige Faust ins Gesicht.

»Du hältst in Zukunft dein Maul, wenn die Großen reden! Hast du das kapiert?«, schrie ihn Zugrakk an.

»Keine Prügeleien in meiner Trinkhöhle! Das ist gegen die Regeln! Raus mit dir! Sofort!«, fuhr der Wirt dazwischen. Dann packte er den angetrunkenen Krieger an der Schulter und riss ihn zurück.

»Pack mich nicht an!«, erhielt er als Antwort. Zugrakk reagierte trotz seiner Trunkenheit erstaunlich schnell; er rammte dem Wirt den Ellbogen ins Gesicht, drehte sich um und schickte ihn dann mit einem Fußtritt zu Boden.

»Behandelt man so einen Kriegshelden? Ich soll gehen? Nur weil ich meine Ehre verteidigt habe?«, röhrte Zugrakk durch die Trinkhöhle.

In seiner Wut hatte der Krieger nicht bemerkt, dass sich inzwischen mehr als ein Dutzend Orks um ihn herum versammelt hatten. Einige der Gäste hielten Knüppel in ihren Klauen, andere schwangen Holzstühle. Alle starrten sie Zugrakk feindselig an, während sie langgezogene Knurrlaute ausstießen.

»Raus hier! Niemand schlägt Graggax zusammen!«, sagte einer der Orks drohend.

Der verprügelte Wirt kroch indes über den Boden und zischte eine Reihe übler Orkflüche. Zugrakks Tritt hatte ihm schwer zugesetzt.

»Du hast hier Hausverbot! Scher dich raus!«, stöhnte er. Grimzhags bester Freund reagierte auf diese Aussage mit einem ohrenbetäubenden Lachen. Dieser Haufen Orks beeindruckte ihn nicht im Geringsten, immerhin hatte er die Riesenschlacht von Yang-Weig überlebt.

»Geh nach Hause und komm nie mehr wieder, Zugrakk! Und deine blöden Kriegsgeschichten kannst du demnächst den Gnoggs in der Steppe erzählen!«, schrie ein Gast aus dem Hintergrund.

»Ja, die will hier niemand mehr hören!«, fügte ein anderer hinzu. Zugrakk ballte knurrend die Fäuste. Wutschnaubend stürmte er auf die Gruppe Orks zu und wurde von einem Hagel aus Faustschlägen und niedersausenden Stühlen empfangen. Von allen Seiten prügelten die Gäste auf ihn ein, so dass er nach einem kurzen Kampf zu Boden ging und dann ordentlich Schläge kassierte.

»Das ist für dich, Snagschnauze!« Graggax hatte sich wieder aufgerappelt und riss einen dicken Holzknüppel in die Höhe. Rasend vor Wut ging er auf den schon halb benommenen Zugrakk los und drosch unbarmherzig auf ihn ein.

Mit letzter Kraft hielt sich der Krieger die Klauen vor den Kopf, hoffend, dass ihn der zornige Wirt nicht bis in den Wirbel der Seelen prügelte.

Die faltige Berbianerin wankte langsam auf ihren ältesten Sohn zu und griff mit ihrer zitternden Hand nach der seinen. Zaydan drückte seine Mutter kurz an sich. Anschließend wandte er den Blick wieder seinen vier Brüdern, den drei Schwestern und den übrigen Anwesenden zu.

»Jetzt bist du ein gemachter Mann, mein Junge. Mutter ist so stolz auf dich«, krächzte die Alte, die bis auf die Knochen abgemagert war und den Eindruck machte, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte.

Zaydan, der bemüht war, den um ihn herum stehenden Gehilfen seinen Familiensinn und Großmut zu zeigen, lächelte seiner Mutter zu.

»Bald sind alle deine Söhne reiche Männer. Wie schön wäre es, wenn dies Vater noch erleben könnte«, sagte er dann.

»Mein Junge, ich habe dich sehr vermisst«, hauchte die Alte mit letzter Kraft, hinkte auf Zaydan zu und fasste ihn am Unterarm. Sie roch nach Mamukmist, dem Gestank der berbischen Hauptstadt Hach-Hephrai. Für einen kurzen Moment rümpfte Zaydan angeekelt die Nase.

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