Die Antariksa-Saga II - Sturm über Manchin

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Einen gewöhnlichen Goblin überragte er um mindestens einen Kopf. Die Grünhaut war in ein dunkelrotes Gewand gehüllt, das offenbar einst einem Menschen gehört hatte, und trug einen langen Umhang aus Ruumphfellen. Mehrere Goldketten und Gnoggzähne hingen um seinen dürren, runzligen Hals und rundeten das Bild eines zwielichtigen Banditenkönigs aus der Steppe vollständig ab.

»Was ist?«, fragte Grashrakk.

»Mein Name ist Mung-Ho und ich komme im Auftrag des Kaisers von Manchin. Ich habe Euch ein Geschäft vorzuschlagen, mächtiger Herr der östlichen Weiten!«, antwortete Zaydans Gehilfe etwas unsicher.

»Der Menschlingskaiser schickt dich? Aha!«, brummte Grashrakk und machte den Eindruck, als ob er seinem Gast keinen allzu großen Glauben schenken würde. Aber da die Hobgoblins selbst nicht sonderlich oft die Wahrheit sagten, war das nicht ungewöhnlich.

»Also?« Der Stammesfürst grinste hämisch.

»Ihr wisst sicherlich vom neu entstandenen Reich des Grimzhag im Westen, nicht wahr?«, sagte Weng.

»Selbstverständlich!«, zischte Grashrakk.

»Dieser Orkhäuptling, der sich selbst als König aller Orks bezeichnet, herrscht nicht nur über ein großes Stück Steppenland, sondern auch über das ehemalige Reich der Khuzbaath im Norden der Dunklen Lande...«, erläuterte der Manchine.

»Das habe ich inzwischen gehört. Komm auf den Punkt, Menschlingsbote!«, drängte der Khan barsch.

Weng hob den Blick. »Dieser Grimzhag plant die Eroberung der gesamten Steppe und will alle Grünhautstämme unterwerfen. Weiterhin überfallen seine Krieger die Karawanen, die aus Manchin nach Westen reisen. Das erzürnt nicht nur die manchinischen Kaufleute, sondern auch den göttlichen Kaiser selbst.«

»Und was gehen mich eure Karawanen an, Menschling?« Grashrakk stieß ein gelangweiltes Fauchen aus.

»Nichts!«, erwiderte sein Gast kalt.

»Also?«

»Aber wenn Euch Grimzhag mit seinen Horden überfällt, dann geht Euch das schon etwas an, oder?«

»Ich kenne diesen Ork nicht – noch nicht. Aber warum sollte er das tun? Wir haben keinen Krieg mit ihm, Menschling.«

»Glaubt mir oder lasst es bleiben, wir Manchinen haben unsere Spione im Stamm der Mazauk und wissen mehr als Ihr. Grimzhag gelüstet es nach noch mehr Macht und er schielt auf die östlichen Steppen, großer Khan.«

»Manchinische Spione laufen durch das Lager eines Orkstammes. Hältst du mich für dämlich, Menschling?«

»Orkische Spione, die wir bezahlen. Was glaubt Ihr denn, Steppenfürst?«, gab Weng zurück.

»Dann schlage dein Geschäft vor und verschwende nicht weiter meine Zeit, Gelbhaut!«, knurrte der Khan und setzte sich wieder auf seinen Thron.

»Wir sind bereit, Euch viel Gold und Silber zu geben, wenn Ihr Grimzhag ausschaltet. Beseitigt ihn und erhaltet dafür eine reiche Belohnung«, sprach der Manchine.

Grashrakk kicherte leise. »Warum schickt ihr nicht die kaiserliche Armee gegen diesen Orkkönig?«

Zaydans Diener stockte für einen Augenblick und legte seine breite Stirn in Falten. Er überlegte krampfhaft, was er dem Khan jetzt antworten sollte. Dass dieser ihm nicht traute, war mehr als offensichtlich.

»Der Kaiser hat keine Zeit, sich um irgendwelche Steppenorks zu kümmern und deshalb seine Heere durch die Einöde zu schicken. Dafür gibt es Gold und Silber, großer Khan.«

Der Hobgoblinkönig stand erneut auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein stechender Blick ging auf Weng hernieder und sein feistes Grinsen zeigte eine Reihe spitzer, gelber Zähne.

»Zeig mir zuerst dein Gold, Menschling. Wenn du kein Gold mitgebracht hast, dann kannst du sofort wieder gehen und die Unterredung ist beendet. Ist das klar?«, knurrte Grashrakk.

Weng grinste zurück. »Ich habe Gold dabei. Oder glaubt Ihr vielleicht, dass der göttliche Himmelskaiser seine Gesandten mit leeren Taschen losschickt?«

Grashrakk Khan

Feuerrote Säulen trugen die prunkvolle Halle am Rande der Verbotenen Stadt, der kaiserlichen Residenz im Herzen der manchinischen Metropole Kaifeng. Die glatten, cremefarbenen Wände waren voller Malereien und vergoldeter Verzierungen. Überall standen hohe Vasen aus feinstem Porzellan auf kleinen Podesten aus weißem Marmor. Diese waren wiederum mit Bildern aus der glorreichen Geschichte und Mythologie Manchins geschmückt. Doch diese Halle war lediglich eines der weniger prunkvollen Gewölbe in der Verbotenen Stadt und gehörte nicht einmal zum eigentlichen Kaiserpalast, zu dem Nichtadelige oder niedere Beamte der manchinischen Bürokratie keinen Zutritt hatten.

Hier wurden ausschließlich Gäste von auswärts begrüßt, was nichts daran änderte, dass Zaydan heute von keinem Geringeren als dem Himmelskaiser selbst empfangen wurde. Der Berbianer hatte Yuan-Han III. noch nie zuvor mit eigenen Augen gesehen. Dass ihn der Imperator persönlich zu sprechen wünschte, zeigte seinen in letzter Zeit gewachsenen Einfluss unter den manchinischen Händlern.

Der ansonsten so selbstbewusste Kaufmann aus Kin-Weig wirkte an diesem Tag wie ein kleiner Wurm, der von göttlicher Pracht umgeben war. Zwei manchinische Palastwachen führten ihn in eine weitere Halle, in deren Zentrum ein Podest aus rotem Marmor mit einem goldenen Thron darauf stand. Einige Würdenträger in edlen Seidengewändern und mit einer Vielzahl seltsamer Kopfbedeckungen erwarteten den einflussreichen Großhändler bereits und kamen auf ihn zu, sobald die beiden Wachen das Portal geöffnet und Zaydan hineingelassen hatten.

»Der Göttliche wird jeden Augenblick erscheinen. Wagt es nicht, ihn anzusehen, und werft Euch frühzeitig vor ihm auf den Boden. Ihr dürft nur kniend mit seiner Majestät sprechen und nur antworten, wenn es der Sohn des Himmels gestattet!«, erklärte einer der kaiserlichen Beamten.

Zaydan hielt den Atem an und starrte nervös auf die breiten Eingangstüren am anderen Ende der Halle, die sich langsam öffneten und den Blick auf einen hell erleuchteten Gang freigaben. Dutzende von Männern in wallenden Roben und einige Palastwachen kamen herein – und schließlich der Kaiser selbst. Yuan-Han III. trug ein sehr langes, ockergelbes Seidengewand und eine gewaltige Krone auf dem Kopf. Seine Kopfbedeckung erinnerte an einen mit zahllosen Rubinen geschmückten Baumwipfel aus purem Gold.

Sofort warf sich Zaydan vor dem roten Marmorpodest auf den nach Rosenblüten riechenden Boden und kauerte sich demütig zusammen. Derweil schritt der Kaiser eine Treppe hinauf und ließ sich auf seinem Thron nieder. Seine Schritte wurden von einem hohen Beamten laut mitgezählt, denn mehr als hundert Schritte am Tag konnten dem Göttlichen nicht zugemutet werden. Er lag jetzt bei 71, wie Zaydan hörte.

»Er soll sprechen! Ich möchte alles über jene Orks hören, die unsere Kaufleute schikanieren«, sagte Yuan-Han III. zu einem seiner Beamten und dieser sprach Zaydan daraufhin direkt an.

Der berbische Händler signalisierte, dass er verstanden hatte, und begann mit seinem Bericht. »Ein unbekannter Orkhäuptling aus dem Norden hat vor einiger Zeit mehrere Grünhautstämme unter seiner Führung vereint und ein Reich in den westlichen Steppen gegründet. Zudem hat er das Land der Khuzbaath erobert und dieses Zwergenvolk vernichtet. Da die große Handelsstraße durch das ehemalige Khuzbaathreich verläuft, kam es daraufhin zu Zwischenfällen, denn die Orks haben unsere Karawanen nicht mehr durch ihr Gebiet reisen lassen, göttlicher Sohn des Himmels!«

»Der allmächtige Kaiser verlangt den Namen dieses frechen Orkhäuptlings!«, rief der Beamte neben dem Imperator.

»Grimzhag, Göttlicher! Dieser Ork heißt Grimzhag und ist vom Stamme der Mazauk!«, antwortete Zaydan so schnell er konnte.

Yuan-Han III. flüsterte seinem Diener etwas ins Ohr und dieser gab zurück: »Der Größte aller Imperatoren wünscht nicht, mit Details gelangweilt zu werden. Er hat lediglich den Namen des Orks wissen wollen.«

»Ich bitte untertänigst um Vergebung, Sohn des Himmels!«, stammelte Zaydan.

Dann erhielt der Kaufmann die Erlaubnis, noch einige Dinge zu erläutern. Er erklärte dem Kaiser, dass die Karawanen inzwischen durch das Gebiet des weiter südlich gelegenen Orkreiches von Morkfort reisten und man sich mit dem dortigen König geeinigt habe. Damit betrachtete der Himmlische das Problem als erledigt.

»Der allmächtige Yuan-Han III. lobt Euren Eifer bei der Beseitigung der vorausgegangenen Schwierigkeiten, Zaydan Shargut. Er möchte in Zukunft jedoch nichts mehr von diesem Orkhäuptling und seinem sogenannten »Reich« hören. Derartige Unwichtigkeiten liegen zu nahe am Boden, als dass sie vom Blick des Göttlichen, der stets auf den Himmel gerichtet ist, noch gestreift werden könnten!«, rief der Beamte zur Rechten des Imperators.

Anschließend wurde Zaydan wieder von zwei Wachen aus der Halle und schließlich aus dem Gebäude geführt. Hinter ihm wuchs der gigantische Kaiserpalast in den Himmel und es wurde Zaydan in diesem Moment bewusst, wie unbedeutend er doch war. Allerdings benötigte auch der mächtigste Herrscher immer wieder neues Gold. Wer diese Tatsache missachtete, war ein Narr.

Grimzhags »Palast« in der Steppe wäre in der Verbotenen Stadt von Kaifeng vermutlich kaum mehr als ein unwichtiges und zudem recht hässliches Nebengebäude gewesen. Dennoch war der junge Brüller immer wieder stolz, wenn er durch seinen Thronsaal ging und die bunten Gemälde und zahlreichen Trophäen an den Wänden betrachtete. Rund um sein Herrscherhaus wuchs die von ihm gegründete Stadt Karokum langsam an. Zwar hätte er auch in Chaar-Ziggrath bleiben und sich dort seinen Hauptsitz einrichten können, doch drängte ihn sein Ehrgeiz dazu, selbst eine Stadt erbauen zu lassen. Was die alten Grauaugenkönige gekonnt hatten, konnte er auch. Das betonte er wieder und wieder.

 

Die Baukünste der gewöhnlichen Orks hielten sich jedoch noch immer in Grenzen und bei den Steppenstämmen, die eigentlich in Zelten lebten, war das besonders signifikant. Aber eine paar Grünhäute aus den Dunklen Landen waren bereits als Berater vor Ort und zeigten den Mazauk, wie man Häuser errichtete. Auch wenn diese Gebäude noch klobig und nicht selten schief aussahen, so liebte Grimzhag bereits jedes einzelne von ihnen. Die Orkbaumeister waren meistens Geistesbegabte oder Grauaugen. Vor allem die in Chaar-Ziggrath befreiten Grauaugensklaven hatten ein reiches Wissen über die Kunst des Bauens. Inzwischen ärgerte es Grimzhag allerdings, dass seine Krieger sämtliche Khuzbaath erschlagen und nicht wenigstens die Handwerker unter ihnen verschont hatten, denn die Kleinwüchsigen waren den Grünhäuten in der Baukunst um Längen voraus. Aber dafür wirkten die langsam wachsenden Gebäude Karokums jetzt sehr traditionell und orkisch. Also bräuchte man die anderen Völker nicht und könne alles allein machen, meinte Grimzhag. Das Ganze war nur eine Frage des Willens und der Organisation.

Wenn der junge Brüller nicht gerade die von Soork gezeichnete Weltkarte Antariksas studierte oder sich mit der Ordnung seines Reiches befasste, schlenderte er über die Baustellen von Karokum und ließ sich bei den Arbeitern sehen. Die meisten von ihnen waren Goblins, die fast ohne Pause schufteten und ackerten. Allerdings dienten sie Grimzhag nicht als Sklaven und der Häuptling achtete darauf, dass ein jeder Snag, so unbedeutend er auch erscheinen mochte, immer mit einer ausreichenden Menge Fleisch und frischem Wasser versorgt wurde.

»Eure Werke wird man noch in Jahrhunderten bewundern«, erzählte er den verschwitzten und vor Anstrengung keuchenden Goblins, wenn er ihre Arbeit inspizierte.

Und die meisten von ihnen ließen sich trotz der mühsamen Schufterei von Grimzhags Eifer inspirieren und schienen sogar stolz zu sein, dass sie bei der Geburt einer neuen, echten Orkstadt in der Steppe mithelfen durften.

Auch dadurch unterschied sich Grimzhag von so manchem anderen Orkkönig, der die kleineren Grünhäute oft nur als Sklaven und rechtloses Gesindel betrachtete. Aber das widersprach dem Grundgedanken der Einheit des Orkvolkes, den der junge Brüller inzwischen tief in sich trug. Und zu der grünhäutigen Art gehörten nun einmal auch die Snags, die unterste und schwächste Kaste der orkischen Art, die aber dennoch Großes leisten konnten, wenn sie entsprechend angeleitet wurden.

In diesem Punkt gaben die langsam, aber stetig wachsenden Gebäude Karokums dem ehrgeizigen Häuptling Recht. Immer höher und breiter wurden die Häuser und immer zufriedener wurde Grimzhag. Schicht um Schicht klobiger, mühsam zurechtgehauener Steine türmte sich allmählich zu festen Mauern auf. Die wenigen Bäume, die man in den Steppen rund um die neue Hauptstadt hatte finden können, waren längst abgeholzt und zu klapprigen Baugerüsten oder Stützbalken verarbeitet worden. Überall wurde geschleppt, geschnauft, gezogen, gemeißelt und verputzt.

»Welch ein Projekt!«, sagte Grimzhag zu sich selbst und hoffte tief im Inneren, dass sein Reich noch lange leben mochte.

Ein schlaksiger, freundlich lächelnder Hobgoblin in einer Lederrüstung und einem schäbigen Warnoxfellumhang betrat den Thronsaal und begrüßte den Häuptling der Mazauk. Dieser musterte den Gast aus den östlichen Steppen für einen kurzen Augenblick, um schließlich freundlich die Klaue zu heben. Der Hobgoblin nahm indes seine spitz zulaufende Filzmütze vom Kopf und stellte sich vor den Thron des Orkkönigs.

»Grashrakk Khan schickt mich zu Euch, Wütender! Ich soll Euch bezüglich Eurer großen Siege beglückwünschen und Euch seine herzlichsten Grüße ausrichten!«, sagte der Bote.

»Es ist mir eine Ehre, einen Gesandten des Herrn der östlichen Steppen empfangen zu dürfen«, gab Grimzhag in aller Bescheidenheit zurück.

Sein Besucher sah zu Zugrakk und Soork herüber und lächelte sie ebenfalls an. Der Schamane verzog keine Miene und Grimzhags bester Freund wirkte ebenfalls nicht übermäßig freundlich, denn wie die meisten Orks hatte er keine allzu gute Meinung über die Hobgoblins.

»Ich freue mich, dass der große Grashrakk endlich Kontakt zu mir aufgenommen hat. Das kommt meinem Traum näher, die Grünhäute der Steppen eines Tages zu einem großen Bündnis zusammenzuführen«, sagte Grimzhag.

»Mein Herr sieht das ähnlich. Deshalb hat er mich auch zu Euch geschickt, Mächtiger. Mein Name ist übrigens Gnobrak und ich bin einer der engsten Vertrauen des Khans«, erläuterte der Bote aus dem Osten.

»Dieser Snag gefällt mir nicht!«, wisperte Zugrakk in Grimzhags Ohr und verzog mürrisch sein Gesicht.

»Halte dich aus der Sache raus!«, zischte der junge Brüller ungehalten und befahl seinem Freund zu schweigen.

»Der große Khan wünscht sich einen Pakt unserer beiden Reiche, mächtiger König. Es ist auch sein Wille, die Stämme unserer Art zu einem starken Bund zu machen. Karokum und die Stadt der tausend Zelte würden zur größten Macht der Steppe werden, wenn sie sich vereinten«, sprach der Hobgoblin feierlich.

Grimzhag brummte nachdenklich und setzte kurz drauf wieder ein freundliches Gesicht auf. Dann erhob er sich von seinem Thron und ging einige Stufen herunter, um sich vor den Gesandten des Khans zu stellen.

»Grashrakk schlägt mir also ein Bündnis vor?«

»Ja, Wütender! Es ist sein ausdrücklicher Wunsch!«

»Das ehrt mich!«, betonte der Häuptling der Mazauk.

Sein Gegenüber verbeugte sich tief und erwiderte: »Mein Herr würde Euch gerne in Karokum besuchen, damit sich die beiden größten Häuptlinge der Steppen kennenlernen können. Wäre das in Eurem Interesse?«

»Selbstverständlich!«, antwortete Grimzhag ohne zu zögern. »Ich bin über jeden Artgenossen froh, der mein Waffenbruder sein möchte.«

»Dann kann ich meinem Herrn ausrichten, dass Ihr ihn in naher Zukunft in Eurem Haus empfangen werdet, tapferer König?«

»Ja! Ich würde mich sehr freuen!«, erwiderte Grimzhag.

»Gut!«, murmelte der Hobgoblin und verbeugte sich erneut. Dann verabschiedete er sich von dem jungen Brüller und verließ kurz darauf den Saal. Grimzhag, Zugrakk, Soork und einige Wachen sahen dem hageren Steppengoblin hinterher, bis er aus der Tür hinausgegangen war.

»Grashrakk Khan will mit uns ein Bündnis schließen? Damit hätte ich nicht gerechnet«, wunderte sich Soork.

»Der will uns bloß abzocken! Hobgoblins sind betrügerische Snags. Das weiß doch jeder!«, knurrte Zugrakk.

Missmutig fuhr ihm sein Freund in die Parade. »Wir sollten den Hobgoblins eine Chance geben. Ich habe nichts gegen ein Bündnis mit Grashrakk. Immerhin ist er der mächtigste Häuptling des Ostens. Wir haben doch auch die Krummaggoblins schon seit vielen Sonnenzyklen als treue Waffenbrüder. Warum sollte es bei diesen Hobgoblins anders sein?«

»Ach!«, stieß Zugrakk aus. »Goblins sind zwar auch listige, kleine Snags, aber diese Hobgoblins sind die geborenen Verräter, Grimzhag. Niemand sollte ihnen trauen. Die planen immer irgendeine Gemeinheit. Das ist jedenfalls meine Meinung.«

»Du solltest dich wirklich langsam einmal bemühen, endlich ein weltoffener und toleranter Ork zu werden. Diese Engstirnigkeit ist doch überholt. Umso größer unser Reich wird, umso mehr kommen wir in Kontakt mit fremden Stämmen und Kulturen. Ich finde das toll.«

»Da hat man zumindest mehr Abwechslung und muss nicht immer die gleichen Gnoggfressen erschlagen. Da haste wohl Recht!«, grunzte Zugrakk hämisch.

»Wir müssen unsere kleine Welt überwinden und unsere Klauen all unseren grünen Brudervölkern reichen!«, dozierte Grimzhag.

Zugrakk schnaufte genervt und würgte lautstark. »Ich kann diese Ostsnags halt nicht leiden und dabei bleibt’s!«

Das Bündnisangebot und der bevorstehende Besuch des Khans hatten Grimzhag in höchstem Maße beflügelt. Mehrere Hundert Grünhäute, vor allem Goblins, errichteten nun im Auftrag ihres ambitionierten Herrn weitere Häuser rund um den Palast und sorgten dafür, dass Karokum wuchs. Nichtsdestotrotz war Grimzhags Hauptstadt jedoch nach wie vor eine einzige große Baustelle in der Steppe und man hatte den Eindruck, dass es noch ewig dauern würde, bis der Begriff »Hauptstadt« wirklich angemessen war.

Wenn sich der junge Brüller nicht gerade damit beschäftigte, die Bauarbeiten zu inspizieren, dann befasste er sich mit organisatorischen und militärischen Dingen. So wurden die in Chaar-Ziggrath befreiten Grauaugen weiterhin in der Kriegskunst und außerdem von einem Stab aus Geistesbegabten in orkischer Geschichte geschult. Die Besten der Grauäugigen sollten eines Tages Grimzhags Hordenführer und vor allem Provinzverwalter werden. Dazu hatte dieser extra einen Hort der Weisheit – bei den Menschen hätte man von einer Universität gesprochen – im Zentrum der alten Khuzbaathhauptstadt einrichten lassen.

Aber auch die gewöhnlichen Orks und Goblins wurden sowohl in der Ebene von Ruuth als auch in Karokum regelmäßig zu Wehrübungen herangezogen, um die Kampfkraft der Horde nicht erlahmen zu lassen.

Währenddessen verwandelten sich Chaar-Ziggrath, Khumalak und einige weitere Kleinstädte, die einst den Khuzbaath gehört hatten, langsam in blühende Orksiedlungen. Zu Tausenden zogen die Grünhäute in die leerstehenden Häuser, deren Bewohner einst ihren Schwertern zum Opfer gefallen waren. Der nördliche Teil von Chaar-Ziggrath war den Cramogg vorbehalten, die dort wohnen und die Jungorks aufziehen konnten. Sie lebten, wie überall sonst auch, streng von den Kriegern abgeschottet.

Eine derart hochentwickelte Organisation wies kaum ein anderes Orkreich auf und Grimzhag hatte noch viel weitreichendere Pläne. Die unter seiner Herrschaft zusammengeführten Grauaugen hatten von ihm den Befehl bekommen, so viele Nachkommen wie möglich zu zeugen, damit sich ihre Anzahl so schnell es ging wieder vermehrte. So wurde eine jede Paarungszeit für die Besten der Grünhäute zum »Dienst am Orkvolk«, wie es Grimzhag formulierte.

Er selbst hatte allerdings kaum Zeit, sich um seine beiden Jungorks im Cramogglager von Karokum zu kümmern. Das Gleiche galt für die beiden Brüterinnen, die seinen Nachwuchs auf die Welt gebracht hatten. Lazuku, von welcher er selbst vor nunmehr fast vierunddreißig Sonnenzyklen ausgebrütet worden war, hatte ihn allerdings mehrfach in seinem Herrscherhaus besuchen dürfen. Sie war unglaublich stolz auf ihren Sprössling, der sich zu einem richtigen König entwickelt und schon jetzt mehr erreicht hatte, als die meisten seiner Mitorks. Als besonderes Privileg wurde es Lazuku sogar gestattet, einen ganzen Tag im Palast zu bleiben. Das war für die inzwischen runzlig gewordene Brüterin ein unvergessliches Erlebnis und sie kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, als ihr Grimzhag von seinen Feldzügen und Heldentaten erzählte. Liebevoll nannte sie ihren Sohn von nun an ihren »kleinen Schlächter« und kehrte schließlich vor lauter Rührung fiepend ins Cramogglager zurück, um dort bei der Aufzucht der nächsten Orkgeneration zu helfen.

Mehrere Monate vergingen und Grimzhag organisierte und plante ohne Pause. Er erließ Gesetze, die das Leben in seinem Reich regelten, kümmerte sich um den Aufbau seiner Steppenstadt und gönnte sich keine Ruhe. Zugrakk und Soork waren in dieser Zeit häufig bei ihm, genau wie sein Freund Artux von den Agram, Skarnak von den Krummag und eine Reihe junger Grauaugenkrieger, die auf eine Karriere im Dienste ihres Königs hofften.

Schließlich kam Grashrakk nach Karokum, um mit Grimzhag persönlich zu sprechen. Der Khan reiste mit einer großen Gruppe Leibwächter sowie seinen ranghöchsten Schamanen an und ließ sich von seinem Gastgeber begeistert durch den kleinen Teil der Orkhauptstadt führen, der bereits fertiggestellt war. Der Häuptling der Mazauk selbst hatte sich sehr auf diesen Staatsbesuch gefreut, denn nun konnte er ein Bündnis mit dem einflussreichsten Stammesführer der östlichen Steppen eingehen.

Obwohl Karokum noch immer eine einzige Baustelle war, versuchte Grimzhag seinen Gast aus den östlichen Steppen so gut es ging zu beeindrucken. Hunderte von Orkkriegern hatten als lange Reihe vor dem Haupteingang des Königshauses Spalier gestanden und ihre Speere hochgehalten, als Grashrakk Khan mit seinem Gefolge angerückt war. Das hatte imposant und zugleich respekteinflössend ausgesehen, meinte Grimzhag, der den Khan nun in seiner Thronhalle willkommen hieß. An den Wänden kündeten bunte Malereien von Grimzhags glorreichem Sieg über die Khuzbaath, genau wie eine Vielzahl von Trophäen und erbeutete Banner und Standarten.

 

Inzwischen saßen Grashrakk und seine Leibwächter, alles gut bewaffnete Hobgoblins in Lederrüstungen mit matt glänzenden Eisenhelmen oder breiten Fellmützen, zu Tisch und schlangen das saftige Ruumphfleisch auf den großen Tellern hinunter. Grimzhag und seine Mazaukkrieger taten es ihnen gleich und so erfüllte ein emsiges Schmatzen und Schwatzen die von zahlreichen Fackeln erhellte Halle.

»Sehr salzig und sehr schmackhaft!«, rief Grashrakk mit halb vollem Mund in die gefräßige Runde und grinste.

»So bereiten wir Mazauk unser Ruumphfleisch seit Generationen zu. Immer schön viel Salz, dann schmeckt es besonders gut«, meinte Grimzhag und hob sein Trinkhorn.

Kurz darauf stand der Khan von seinem Platz auf und ging zu der riesigen Wandmalerei am anderen Ende der Halle herüber, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. Er schmunzelte.

»Eine wundervolle Arbeit, großer König. Ha! Diese Kleinwüchsigen haben alle die Köpfe verloren. So gehört sich das!«, stieß Grashrakk schadenfroh aus. Alle Anwesenden lachten laut durcheinander.

»Ohne Kopf sehen die hässlichen Snagschnauzen einfach besser aus«, bemerkte Zugrakk und einige Hobgoblinköpfe schwenkten blitzartig in seine Richtung.

Grimzhag versuchte, ihm unauffällig zu signalisieren, dass bei diesem Staatsempfang abfällige Bemerkungen über Goblins – einschließlich ihrer höhergewachsenen Vettern – nicht unbedingt angebracht waren. Das störte den Khan jedoch nicht, zumindest sah man es ihm nicht an, und das vergnügte Lächeln stand nach wie vor in seinem schmalen, dunkelgrünen Gesicht.

»Der Herr der westlichen Steppen und der Herr der östlichen Steppen werden heute zu untrennbaren Waffenbrüdern werden. Beide sind wir gleichen Blutes und beide haben wir nur das Wohl unserer tapferen Völker im Sinn«, rief Grashrakk feierlich durch den Thronsaal und kam wieder zu den in der Mitte der Halle aufgestellten Banketttischen zurück.

Grimzhag brummte zustimmend. Dann antwortete er: »So möge es sein. In Goffrukks Namen wollen wir heute unser Bündnis bei Pilzbier und gesalzenem Fleisch schmieden, mein Freund aus dem Osten!«

Lachend stellte sich der Khan neben den Orkkönig und die beiden Häuptlinge leerten ihre Trinkhörner mit kräftigen Zügen, während ihre Gefolgsleute mit den Fäusten auf die hölzernen Tische hämmerten und einen gewaltigen Lärm veranstalteten.

Als das Gepolter verklungen war, gab Grashrakk einen donnernden Rülpser zum Besten und seine Hobgoblins johlten begeistert. Ihr Khan hatte Stil. Das konnte niemand bezweifeln.

»Trummlukk, das Geschenk!«, rief Grashrakk.

Einer der Hobgoblins holte eine Tasche aus zusammengenähten Fellen unter dem Tisch hervor und zog einen großen Tonkrug heraus. Dann kam er grinsend zu seinem Herrn und dieser ergriff das Gefäß, um sich dann Grimzhag zuzuwenden.

»Erlaubt mir, Euch ein kleines Geschenk aus meiner Heimat zu überreichen, mächtiger Brüller«, sprach der Khan.

»Oh, vielen Dank!«, brummte Grimzhag überrascht.

»In diesem Tonkrug befindet sich der beste Steppenschnaps, den mein Volk brennen kann. Aber trinkt ihn nicht heute, sondern zu einem Anlass, der den Göttern gewidmet ist. So verlangt es die Tradition meines Volkes«, sagte Grashrakk und sah sich kurz zu seinen Kriegern um.

»Steppenschnaps! Na, das klingt gut«, lachte Grimzhag. »Ich würde ihn gerne einmal kosten.«

Die Klaue des Orkkönigs fuhr sanft über den dicken Korken, der den Tonkrug verschloss, und der Khan wirkte für einen Moment leicht nervös. Sein Gefolge machte ebenfalls den Eindruck, als ob es angespannt wäre. Dann fingen die Hobgoblins jedoch wieder laut zu schwatzen und zu lachen an.

»Trinkt diesen edlen Schnaps, wenn Ihr Goffrukks Tempel fertiggestellt habt, eiserne Faust. Man sagt bei uns Hobgoblins nämlich, dass in diesem Gebräu der Geist des Kriegsgottes selbst schwimmt. Es wäre Goffrukk daher eine große Ehre, wenn Ihr den Schnaps erst bei der Einweihung seines Tempels kostet«, bemerkte Grashrakk.

»Das wird allerdings noch eine Weile dauern, mein Freund. Soll ich bis dahin etwa nüchtern bleiben?«, rief Grimzhag aus und seine Mazauk grölten angesichts dieses derben Staatswitzes.

Der Khan schwieg und starrte seinen neuen Verbündeten an. Dieser winkte einen Orkwächter zu sich und sagte: »Mein Freund aus dem Osten hat Recht. Ich werde diesen Schnaps erst trinken, wenn Goffrukks Tempel eingeweiht wird. Bringe den Krug in den Keller und verschließe ihn gut, dass sich keiner meiner versoffenen Orks vorher einen Schluck genehmigen kann.«

Wieder lachten die Grünhäute durcheinander und auch Grashrakk fing erneut an zu schmunzeln. Er legte Grimzhag die Klaue auf die Schulter und brummte zufrieden.

»Ihr werdet einen jeden Schluck genießen, König der Orks. Da bin ich mir sicher«, sprach er mit vielsagender Miene.

Gestern war Weng wieder nach Kin-Weig zurückgekehrt und hatte großartige Neuigkeiten mitgebracht. Der gelbhäutige Manchine war noch einmal in die östlichen Steppen aufgebrochen, um sich dort mit Grashrakk Khan zu treffen und ihm einen weiteren Sack voller Goldstücke zu überreichen.

Das Treffen mit Grimzhag hatte der gerissene Hobgoblinhäuptling nun hinter sich gebracht und als er Weng davon berichtete, war dieser mehr als erfreut. Alles war problemlos über die Bühne gegangen und Grashrakk versicherte seinem Gast aus Manchin, dass Grimzhag keinen Verdacht geschöpft hatte und in ihm jetzt offenbar tatsächlich einen treuen Waffenbruder sah.

»Er braucht nur einige Schlucke von Grashrakks Steppenschnaps zu trinken und schon ist er hin«, sagte Weng und grinste seinem Herrn zu. Zaydan strich sich derweil nachdenklich über die Bartspitze.

»Wollen wir hoffen, dass alles glatt läuft, mein Bester. Wenn dieser Grimzhag das eklige Gebräu säuft, dann wird er zu seinen Göttern schweben und sein Reich hoffentlich wieder zerfallen«, brummte Zaydan und ging zum Fenster seines Arbeitszimmers, um auf die Straße vor seinem Haus hinabzublicken.

Für eine Weile stand er schweigend da und grübelte vor sich hin, während Weng seinen Rücken betrachtete.

»Ich habe übrigens noch etwas herausgefunden«, fügte der Manchine hinzu und sein Herr drehte sich wieder um.

»Aha?«

»Grashrakk Khan hat mir erzählt, dass König Grimzhag kein gewöhnlicher Ork ist.«

Zaydan schob seine buschigen Brauen nach oben. »Was meinst du denn damit?«

»Nun, er scheint zu einer besonderen und sehr seltenen Orkrasse zu gehören. Grashrakk bezeichnete diese speziellen Orks als Grauaugen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann sind diese Grauaugen eine besondere Blutlinie innerhalb des grünhäutigen Volkes, die in der Vergangenheit schon viele Orkherrscher und bedeutende Kriegsherren hervorgebracht hat. Der Hobgoblin meinte, dass die Grauaugen die geborenen Anführer der Grünhäute sind – und Grimzhag gehört zu diesem speziellen Schlag«, erklärte Weng.

Der Kaufmann aus Berbia brummte nachdenklich und legte die Stirn in Falten.

»Interessant! Das erklärt dann einiges!«

»Ja, es erklärt, warum sich dieser Kerl nicht so dämlich anstellt, wie man es normalerweise von den Grünhäuten erwartet«, meinte Weng.

»In der Tat!«, zischte Zaydan grimmig.

»Wenn ich ehrlich bin, dann hatte ich vorher noch nie etwas von einer grauäugigen Orkrasse gehört, aber ich bin auch kein Geschichtsgelehrter«, sagte der gedrungene Manchine.

»Grauäugige Orks …«, murmelte sein Herr.

»Es gibt nur noch sehr wenige von ihnen, hat mir Grashrakk erzählt. Und ohne die Grauaugen sind die Grünhäute führerlos, Zaydan.«

»Ha!«, stieß der Händler leise aus und spielte gedankenverloren an seiner wulstigen Unterlippe herum.

»Wenn es nur noch so wenige dieser intelligenten Orks gibt, dann ist es umso notwendiger, gerade jemanden wie Grimzhag auszuschalten. Ich werde mir in den nächsten Tagen ein paar alte Bücher und Schriftrollen besorgen. Vielleicht finde ich ja noch etwas mehr über diese Grauaugenorks heraus«, sagte Zaydan.