Steuerstrafrecht

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Graf/Jäger/Wittig-Heine § 369 AO Rn. 86.

Achter Teil Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren › Erster Abschnitt Strafvorschriften › § 369 Steuerstraftaten

§ 369 Steuerstraftaten

(1) Steuerstraftaten (Zollstraftaten) sind:


1. Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind,
2.
3.
4.

(2) Für Steuerstraftaten gelten die allgemeinen Gesetze über das Strafrecht, soweit die Strafvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen.

Kommentierung

I.Normstruktur1 – 5

II.Regelungsgehalt6 – 120

1.Abs. 1: Legaldefinition der Steuerstraftaten und Zollstraftaten6 – 21

a)Straftaten nach den Steuergesetzen (Nr. 1)6 – 17

aa)Einführung7 – 11

bb)Einzelheiten12 – 17

b)Bannbruch (Nr. 2)18, 19

c)Wertzeichenfälschung von Steuerzeichen (Nr. 3)20

d)Begünstigung einer Steuerstraftat gem. Nr. 1–3 (Nr. 4)21

2.Abs. 2: Anwendung der allgemeinen Gesetze über das Strafrecht22 – 120

a)Steuerstrafrecht und allgemeines Strafrecht (Abs. 2 Hs. 1)23 – 113

aa)Geltungsvoraussetzungen27 – 37

(1)Zeitliche Geltung, § 2 StGB27 – 33

(2)Räumliche Geltung, §§ 3 ff. StGB34 – 37

bb)Tatbestandsvoraussetzungen38 – 98

(1)Täterschaft und Teilnahme38 – 48

(2)Versuch und Rücktritt49 – 56

(3)Vollendung und Beendigung der Tat57 – 66

(4)Vorsatz und Irrtum67 – 77

(5)Rechtswidrigkeit; Schuld78 – 94

(6)Konkurrenzen95

(7)Verjährung96 – 98

cc)Rechtsfolgenseite99 – 113

(1)Haupt- und Nebenstrafen99 – 110

(2)Strafrechtliche Nebenfolgen111

(3)Strafrechtliche Vermögensabschöpfung112, 113

b)Besonderheiten des Steuerstrafrechts (Abs. 2 Hs. 2)114 – 120

aa)Anwendbarkeit auf reine Auslandstaten, § 370 Abs. 7115

bb)Strafbefreiende Selbstanzeige, § 371116

cc)Absehen von Strafverfolgung gegen Steuernachzahlung, § 398a117

dd)Strafrechtliche Verjährung, §§ 367, 396 Abs. 3118 – 120

Literatur:

S. Vor § 369.

I. Normstruktur

1

Abs. 1 enthält eine Legaldefinition von Steuerstraftaten (Rn. 6 ff.) und Zollstraftaten (Rn. 5). Die Regelung ist Ausdruck vereinfachender Gesetzestechnik[1] und entfaltet Definitionswirkung in zwei Richtungen: zum einen in materieller Hinsicht, indem sie die Anwendung der Regeln des allgemeinen Strafrechts regelt (§ 369 Abs. 2, Rn. 23 ff.), zum anderen in prozessualer Hinsicht, indem sie die Zuständigkeit der FinB für die Verfolgung von Steuer- und Zollstraftaten eröffnet (§§ 385 ff.),[2] sie in Einzelfällen auch ausschließt (§ 32 ZollVG)[3] sowie Gerichten und anderen Behörden eine Meldepflicht auferlegt (§ 116[4]) (verfahrensrechtliche Bedeutung[5]).

2

Umgekehrt folgt hieraus die Zuständigkeit der StA für die Verfolgung von Straftaten, die trotz steuerrechtlichen Bezugs keine Steuerstraftaten im Sinne der Norm sind; hierzu gehören etwa die Verletzung des Steuergeheimnisses nach § 355 StGB,[6] die Abgabenüberhebung nach § 353 StGB[7] und die durch ggf. einen Steuerstraftäter begünstigende Strafvereitelung nach §§ 258, 258a StGB.[8]

3

Abs. 2 enthält einen Anwendungsverweis für das allg. Strafrecht, ähnlich § 385 Abs. 1 für das Strafverfahrensrecht (s. § 385 Rn. 2). Das allgemeine Strafrecht ist danach kraft gesetzlicher Anweisung subsidiär und kommt nur zur Anwendung, „soweit die Strafvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen“ (Abs. 2 Hs. 2, Sperrwirkung des Steuerstrafrechts). Solche gegenüber dem allgemeinen Strafrecht vorrangigen steuerstrafrechtsspezifischen Regelungen des Steuerstrafrechts sind allerdings selten (Rn. 114 ff.) und der Verweis im Grunde nur noch zu erklären als das Relikt eines aus dem Steuerrecht hervorgegangenen Steuerstrafrechts.[9]

4

Anders als in früheren Fassungen (§ 356 RAO 1919 a.F.) bezieht sich der Verweis dabei nicht nur auf das StGB als strafrechtlicher Kernkodifikation, sondern nimmt auch Regelungen des allg. Strafrechts aus anderen Gesetzen in Bezug[10] (etwa für jugendliche und heranwachsende Täter das JGG, Rn. 23).

5

Dass auch Zollstraftaten erfasst sind, hat lediglich deklaratorische Bedeutung[11], da Zölle – am häufigsten in Gestalt von Einfuhrabgaben – auch zu den Steuern zählen (§ 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Nrn. 20, 21 Unionszollkodex [früher Zollkodex][12]). Zollstraftaten sind entsprechend Steuerstraften, die es mit Zöllen zu tun haben.[13]

 
II. Regelungsgehalt
1. Abs. 1: Legaldefinition der Steuerstraftaten und Zollstraftaten

a) Straftaten nach den Steuergesetzen (Nr. 1)

6

Nach Nr. 1 gehören zu den Steuerstraftaten nur solche Taten, die nach einem Steuergesetz strafbar sind.[14] Die Regelung bietet zuallererst eine formale Abgrenzungsleistung, und zwar in dreifacher Hinsicht (Rn. 7 ff.).

aa) Einführung

7

Grundlegende Voraussetzung ist zunächst, dass überhaupt der Anwendungsbereich der AO eröffnet ist. Dieser wird bestimmt durch § 1 Abs. 1 und 2[15] und erfasst einerseits Steuern des Bundes oder der EU (§ 1 Abs. 1[16]) sowie gem. § 1 Abs. 2 Nr. 7 die von den Gemeinden verwalteten Realsteuern (Grundsteuer, Gewerbesteuer, vgl. § 3 Abs. 2).

8

Nicht unmittelbar erfasst sind grundsätzlich Landessteuern,[17] zu denen etwa die Kirchensteuer gehört (zur Strafbarkeit ihrer Hinterziehung s. Rn. 9). Die Landessteuergesetze können die AO aber durch Verweis für anwendbar erklären.[18]

9

Ob und wie Kirchensteuerhinterziehungen strafrechtlich zu ahnden sind, ist umstritten.[19] Einigkeit herrscht zunächst im Ausgangspunkt darüber, dass die Kirchensteuer als Landessteuer nicht direkt in den Anwendungsbereich der AO und damit der Steuerhinterziehung gem. § 370 fällt.[20] Eine etwaige Anwendung kann sich damit nur kraft Verweises auf die materiellstrafrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung ergeben, was durch Auslegung des jeweiligen Kirchensteuergesetzes zu ermitteln ist.[21] Die Mehrzahl der Kirchensteuergesetze der Länder schließt eine Anwendung des materiellen Steuerstrafrechts aus, womit auch § 370 ausgeschlossen ist.[22] Damit stellt sich die Frage, ob dies auch zur Folge hat, dass ein Rückgriff auf die allgemeine Norm des § 263 StGB ausgeschlossen sein soll. Dies ist zu verneinen mit Blick auf die Regelung in Art. 4 Abs. 3 EGStGB, die unter anderem anordnet, dass die Verfolgung wegen Betrugs die Landesvorschriften „unberührt“ lasse. Die Kirchensteuerhinterziehung kann daher gem. § 263 StGB als Betrug strafbar sein.[23]

10

Weitere Voraussetzung für eine Steuerstraftat im Sinne von Abs. 1 Nr. 1 ist, dass die strafbare Tat (Rn. 12) sich schließlich aus einem Steuergesetz ergibt, wozu nur solche Gesetze gehören, die es zumindest auch mit Steuern im Sinne von §§ 1, 3 Abs. 1 zu tun haben.[24] Hierzu gehört vor allem die Abgabenordnung selbst (v.a. § 370, s. Rn. 13), aber auch Einzelsteuergesetze wie etwa das UStG oder das RennwettLottG (s. Rn. 13) sind erfasst.[25]

11

Es muss sich zudem um eine strafbare Tat eines Steuergesetzes handeln. Dies hat zur Folge, dass aus dem Kreis der Steuerstraftaten im Sinne der AO solche Taten auszuscheiden sind, die nicht mit Freiheits- oder Geldstrafe (§§ 38 ff. StGB) geahndet werden wie bspw. Steuerordnungswidrigkeiten gem. § 377 Abs. 1 (Details s. § 377 Rn. 1 ff.).

bb) Einzelheiten

12

Zu den Steuerstraftaten aus der Abgabenordnung gehören etwa:[26]


die Steuerhinterziehung gem. § 370 inklusive Versuch (§ 370 Abs. 2) und der Qualifikation des Schmuggels (§ 373) sowie bezugnehmenden Vorschriften aus anderen Steuergesetzen (Rn. 14 f.);
der Bannbruch gem. § 372 (s. auch § 369 Abs. 1 Nr. 2 [Rn. 18 f.]; s. auch § 372 Rn. 1 ff.);
die Steuerhehlerei gem. § 374 (Details s. § 374 Rn. 1 ff.).

13

Zu den Steuerstraftaten aus anderen Steuergesetzen gehören z.B.



14

Weitere Steuerstraftaten können sich kraft gesetzlicher Verweisung ergeben, deren genauer Umfang im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln ist.[29] Als Steuerstraftaten kraft gesetzlicher Verweisung werden etwa anerkannt:



15

Keine Steuerstraftaten kraft gesetzlicher Verweisung sind:



16

Trotz sachlicher Nähe zum Steuerrecht keine Steuerstraftaten (mit der prozessualen Folge der Zuständigkeit der StA) sind:


die Abgabenüberhebung gem. § 353 StGB;

17

Auch keine Steuerstraftaten sind Zuwiderhandlungen, die nach den Steuergesetzen mit Geldbuße geahndet werden (Steuerordnungswidrigkeiten, §§ 377 ff.; Details s. dort).[42]

b) Bannbruch (Nr. 2)

18

Nr. 2 verweist auf den Bannbruch (§ 372), der als Blankettvorschrift Verstöße gegen Einfuhr-, Durchfuhr- oder Ausfuhrverbote sanktioniert[43] und damit eigentlich nicht im engeren Sinne mit dem Schutz des Steueraufkommens zu tun hat. So hat sich nach dem Wegfall der Monopolgesetze[44] (Branntwein, Zündhölzer) der Kreis der in Bezug genommenen Verbringungsverbote aus steuerlichen Normen verringert. Größere Bedeutung als Quelle für Verbringungsverbote haben außersteuerliche Normen: zum einen Gesetze wie z.B. AMG, BtMG, WaffenG, zum anderen auch Verordnungen i.S.v. Art. 80 GG oder Art. 288 Abs. 2 AEUV (Einzelheiten s. § 372 Rn. 14 ff.).[45]

19

Der Bannbruch ist allerdings dann keine Steuerstraftat, wenn er nur mit Geldbuße bedroht ist, also eine Ordnungswidrigkeit darstellt[46] und keine Sonderzuständigkeit der FinB in Frage kommt.[47]

c) Wertzeichenfälschung von Steuerzeichen (Nr. 3)

20

Nr. 3 verweist auf die früher in der AO (§ 399 RAO 1969 a.F.)[48] und heute im StGB geregelte Fälschung von Steuerzeichen und deren Vorbereitung als Teil der Wertzeichenfälschung gem. §§ 148, 149 StGB. Praktische Bedeutung erhält die Steuerzeichenfälschung insb. für die Einfuhr von Billigzigaretten mit gefälschten Tabaksteuerbanderolen (§ 17 TabStG, § 3 TabStV).[49]

d) Begünstigung einer Steuerstraftat gem. Nr. 1–3 (Nr. 4)

21

Nr. 4 erfasst die Begünstigung nach § 257 StGB, soweit die Vortat eine Steuerstraftat i.S.v. Abs. 1 Nr. 1–3 ist.[50] Der Begriff der Begünstigung ist heute auf die sachliche Begünstigung nach § 257 StGB beschränkt[51]; die von früheren Gesetzesfassungen zusätzlich erfasste persönliche Begünstigung ist seit 1975 als Strafvereitelung tatbestandlich verselbstständigt (§ 258 StGB) und daher nicht mehr umfasst.[52] Ebenfalls nicht erfasst sind sonstige tatbestandlich verselbstständigte Begünstigungshandlungen wie etwa die Geldwäsche § 261 StGB. Sie ist auch dann keine Steuerstraftat, wenn sie Anschlusstat einer gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung ist (§ 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Bst. b StGB).[53]

 

2. Abs. 2: Anwendung der allgemeinen Gesetze über das Strafrecht

22

Nach Abs. 2 gelten auch im Steuerstrafrecht die allg. Gesetze über das Strafrecht (Hs. 1, Rn. 24 ff.), solange die Strafvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen (Hs. 2, zu den Besonderheiten des Steuerstrafrechts s. Rn. 114 ff.).[54] Die Entscheidung hierüber ist eine Frage der Auslegung durch das Strafgericht (zur materiellen Entscheidungsverantwortung des Strafgerichts s. Vor § 369 Rn. 35 ff.).[55] Zu den aus dem Gesetzlichkeitsprinzip nach § 1 StGB und Art. 103 GG folgenden Prinzipien s. Vor § 369 Rn. 10 ff.

a) Steuerstrafrecht und allgemeines Strafrecht (Abs. 2 Hs. 1)

23

Zu den allgemeinen Strafgesetzen gehört nicht nur das Strafgesetzbuch als Kernkodifikation, sondern auch strafrechtliche Nebengesetze wie etwa das JGG (für jugendliche oder heranwachsende Täter[56]) oder das Wehrstrafgesetz (für militärangehörige Täter).[57]

24

Erfasst sind dabei die Strafgesetze in ihrer Anwendungspraxis (Rechtsprechung, s. auch Rn. 26), ihrer wissenschaftlichen Doktrin (Wissenschaft, s. auch Rn. 25) und ihrer Methodenlehre (zur Rechtsanwendung im Steuerstrafrecht s. Vor 369 Rn. 36 ff.).[58]

25

Da Steuerstrafrecht Strafrecht ist, folgt die steuerstrafrechtliche Dogmatik in Begriffs- und Systembildung den Lehren und Postulaten der allg. Strafrechtsdogmatik. Dies hat etwa zur Folge, dass die Zentralnorm des materiellen Steuerstrafrechts, die Steuerhinterziehung gem. § 370, nach dem traditionellen dreistufigen Deliktsaufbau zu prüfen ist und entsprechend für eine Strafbarkeit eine tatbestandsgemäße, rechtswidrige und schuldhaft begangene Handlung voraussetzt.[59] Das System der allg. Strafrechtsdogmatik ist freilich nicht statisch, sondern ein bewegliches System, dessen Regeln stetig auf Sachgerechtigkeit überprüft werden müssen und ggf. fortgeschrieben werden müssen.[60] Umgekehrt können auch Entwicklungen im Steuerrecht Auswirkungen auf das Strafrecht haben, wie die Debatte über die Beilhilfestrafbarkeit neutraler Handlungen zeigt (Rn. 47).

26

Da Steuerstrafrecht Annex zum Steuerrecht ist, kommt der Praxis der Steuerrechtsordnung besondere Bedeutung zu. Die methodengerechte Rechtsanwendung im Steuerstrafrecht verlangt deshalb vom Rechtsanwender, auch die Judikate der fachgerichtlichen Rspr. der Finanzgerichtsbarkeit argumentativ zu berücksichtigen[61] (wenn auch nicht notwendig zu befolgen; zur fehlenden Bindungswirkung von Entscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit s. Vor § 369 Rn. 25 ff.). Aus der höchstrichterlichen Rspr. im Steuerstrafrecht ist zudem die Judikatur des 1. Strafsenats des BGH zu beachten, der eine Sonderzuständigkeit für Revisionen in Steuer- und Zollstrafsachen hat.[62]

aa) Geltungsvoraussetzungen

(1) Zeitliche Geltung, § 2 StGB

27

Die zeitliche Geltung der Steuerstrafgesetze folgt den allg. Regeln des § 2 StGB,[63] bemisst sich also nach dem zur Tatzeit geltenden Gesetz (§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 StGB, Rn. 28 f.). Es gilt der in § 1 StGB und Art. 103 Abs. 3 GG niedergelegte Satz, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde (Rückwirkungsverbot, Details s. Vor § 369 Rn. 57 ff.).

28

Tatzeit ist der Zeitpunkt der Vornahme der Handlung (Tun) oder des Handelnmüssens (Unterlassen) (§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 8 S. 1 StGB).[64] Gesetz ist das Steuerstrafgesetz samt ausfüllendem Steuergesetz.

29

Für Änderungen gelten folgende Grundsätze: Ändert sich das Steuerstrafgesetz (Ausnahme: Zeitgesetz[65]) in der Phase zwischen Tatbegehung und gerichtlicher Entscheidung (auch im Revisionsverfahren[66]), ist das mildeste Gesetz anzuwenden (§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB; Prinzip der Meistbegünstigung).[67] Warum die Veränderung erfolgte, ob wegen veränderter Rechtsauffassung[68] oder wegen Wandels der Verhältnisse, ist unerheblich.[69]

30

Das mildeste Gesetz ist auf Grundlage aller einschlägigen Sanktionsnachteile für den konkreten Einzelfall und mit dem Ziel der für den Täter mildesten Beurteilung zu bestimmen.[70] Es gelten folgende Leitlinien: Straflosigkeit ist milder als Verurteilung, Ordnungswidrigkeitenhaftung ist milder als Strafhaftung, die Möglichkeit einer Geldstrafe ist milder als die Androhung einer Freiheitsstrafe; regelmäßig milder ist auch der Wegfall eines besonders schweren Falls oder die Einführung einer Strafmilderungsmöglichkeit.

31

Ergibt der Vergleich der Strafarten kein eindeutiges Ergebnis, ist eine Prognose der Straferwartung unter Einbeziehung aller gesetzlichen Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe anzustellen, ggf. auch einschließlich von Nebenstrafen und Nebenfolgen.[71]

32

Bei Änderungen der Steuergesetze, die durch das Steuerstrafgesetz in Bezug genommen werden und diese inhaltlich ausfüllen, gilt nach herrschender Meinung Entsprechendes.[72] In der die frühere Rspr. von RG und BGH nicht weiterführenden Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1965[73] heißt es, dass die Unterscheidung zwischen Änderungen der Steuerstrafgesetze einerseits und Steuergesetzen andererseits „formal und willkürlich vom Zufall der Gesetzestechnik“ abhängig sei und damit „notwendig zu unbilligen Ergebnissen“ führe. Mit dem Wechsel der Ausfüllungsnorm ändere sich auch „ein wesentliches Element des Strafgesetzes selbst“.[74]

33

Besondere Fragen stellen sich, wenn Gesetze aus dem Bereich des Steuerwesens, Steuerstrafgesetze wie Steuergesetze, einer verfassungsgerichtlichen Prüfung unterzogen werden und dieser mitunter nicht standhalten (zu den Folgen der Nichtigerklärung bzw. [befristeten] Weitergeltungsanordnung von materiell verfassungswidrigen Gesetzen durch das BVerfG s. Vor § 369 Rn. 18 ff.).