Steuerstrafrecht

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(2) Steuerstraftat

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Die Tat muss als Straftat entdeckt sein; es genügt daher nicht, dass der die Tat Entdeckende den objektiven Verstoß gegen steuerliche Pflichten bemerkt, also eine Steuerverkürzung feststellt, denn auch das vorsätzliche Verhalten ist für das Eingreifen der Ausschlusswirkung zu entdecken.[510] Dem widerspricht jedoch der 1. Strafsenat des BGH im Selbstanzeigebeschluss; die entdeckten Tatsachen müssen danach keinen Schluss auf vorsätzliches Handeln tragen.[511] Kohler kritisiert aber zu Recht, dass diese Rspr. widersprüchlich ist, denn die AO kennt keine Steuerstraftat, die nicht vorsätzlich begangen wurde, insofern existiert nur der Ordnungswidrigkeitentatbestand. Dann überschreitet die Auslegung des BGH jedoch den Wortlaut des Abs. 2 S. 1 Nr. 2.[512]

(3) Teilentdeckung

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Ausweislich des Wortlauts genügt für den Eintritt der Sperrwirkung bereits, dass eine der Steuerstraftaten zumindest „bereits zum Teil“ entdeckt war. Daher stellte sich bislang die Frage, ob für die Teilentdeckung der Tat der strafprozessuale Tatbegriff (§ 264 StPO) oder der materiell-rechtliche (§ 52 StGB) gilt, oder sogar die in einer Steuererklärung zusammengefassten Angaben getrennt betrachtet werden können.[513] Seit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz 2011 ist dies vom Wortlaut geklärt; nunmehr wirkt die Sperre für alle unverjährten Steuerhinterziehungen einer Steuerart. Ob die Wahrnehmung von Vorstufen einer vollendeten Steuerhinterziehung auch eine Teilentdeckung sein kann, ist damit allerdings noch offen. Dies ist dann der Fall, wenn eine Steuerstraftat dem Volumen nach bislang nur zum Teil bekannt ist.[514] Nicht ausreichend ist aber eine Entdeckung einer Steuerordnungswidrigkeit, da die Tat als Straftat entdeckt sein muss; ebenso wenig genügt das reine Auffinden fehlerhafter Buchungen oder gefälschter Belege bei einer Prüfung.[515]

(4) Identifizierbarkeit des Täters

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Da das Gesetz auf die Entdeckung der Tat abstellt, erachtet die Rspr. eine Entdeckung des Täters für nicht erforderlich.[516] Wenn jedoch im Wortlaut auf die „Tat“ verwiesen wird, kann nur die Tat als Ganzes gemeint sein – erforderlich dafür ist zumindest die Identifizierbarkeit des Täters.[517] Auch nach bisherigem Maßstab der h.Lit. zur Tatentdeckung, der auf eine Verurteilungswahrscheinlichkeit abstellte, war es kaum möglich, diese Wertung vorzunehmen, ohne dass der Täter bekannt oder jedenfalls durch bestimmte Merkmale bestimmbar ist.[518] Wenn man nun als Maßstab die Abgrenzung zugrunde legt, dass aufgrund der bekannten Tatsachen das Vorliegen einer Steuerstraftat nahe liegt, jedenfalls überwiegend wahrscheinlich ist, kann dieses Urteil nicht ohne Kenntnis des Täters oder wenigsten solcher Tatsachen begründet werden, die den Täter von anderen Personen abgrenzen und seine Identifizierung erlauben. Habetha weist daher auch darauf hin, dass alle vom BGH im Selbstanzeigebeschluss genannten Beispielsfälle die Kenntnis von der Person des Steuerpflichtigen beinhalteten.[519] Konkret kann daher z.B. eine Tatentdeckung bei Aufdecken eines ausländischen Kontos erst dann vorliegen, wenn klar ist, dass Kontoinhaber eine im Inland steuerpflichtige Person ist.

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Entscheidend ist im Ergebnis die Identifizierbarkeit des Steuerpflichtigen. Deshalb ist auch Dörn im Ergebnis zuzustimmen, der hinsichtlich der Kenntnis des Täters differenziert. Nur bei persönlichen Steuern ist danach die Kenntnis vom Täter für die Tatentdeckung erforderlich; bei betrieblichen Steuern hingegen nicht[520] – dies ist zutreffend, aber mit der Notwendigkeit der Kenntnis des Steuerpflichtigen für die Prüfung einer Steuerverkürzung zu begründen – auf den Täter kommt es daher bei betrieblichen Steuern auch gar nicht an.[521]

(5) Person des Entdeckers

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Grundsätzlich kann jedermann die Steuerstraftat i.S.d. Abs. 2 S. 1 Nr. 2 entdecken, da keine Festlegung im Wortlaut des Sperrgrundes erfolgt ist.[522] Amtsträger der Finanzbehörde (§ 6), aber auch Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter (§ 116) kommen zuvorderst in Betracht. Dabei ist allgemein vorauszusetzen, dass bereits durch die Kenntnis von der Tat eine Lage geschaffen wird, nach der bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlich ist. Es ist deshalb darauf abzustellen, ob damit zu rechnen ist, dass der Dritte seine Kenntnisse an die zuständige Behörde weiterreicht. Die Entdeckungsgefahr muss sich m.a.W. schon konkretisiert haben.[523] Allgemein formuliert ist es deshalb bei Kenntnisnahme durch Angehörige inländischer Behörden entscheidend, ob diese dem Legalitätsprinzip unterliegen oder nach § 116 zur Weiterleitung verpflichtet sind.[524] Wenn diese die Kenntnisse allerdings privat erlangt haben, richtet sich die Tatentdeckung nach den für Privatpersonen geltenden Grundsätzen.[525] Angehörige ausländischer Behörden können z.B. daher die Tat i.S.d. Norm dann entdecken, wenn der betreffende Staat aufgrund bestehender Abkommen internationale Rechtshilfe leistet.[526] Auch Private können eine Steuerstraftat entdecken und den Sperrgrund auslösen; entscheidend ist auch hier, ob eine Weitergabe des erlangten Wissens an die zuständige Behörde zu erwarten ist. Daher scheiden regelmäßig sowohl Vertrauenspersonen des Selbstanzeigeerstatters und der Schweigepflicht unterliegende Bevollmächtigte (wie Anwälte und Steuerberater) als auch Tatbeteiligte aus diesem Kreis aus.[527]

bb) Einzelfälle

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Nach bislang h.M. reichte für die Tatentdeckung die Kenntniserlangung von einer Steuerquelle nicht aus, hinzukommen musste immer, dass bereits ein Abgleich mit den Angaben des Steuerpflichtigen stattgefunden hat.[528] Letzteres soll nach neuerer Rspr. des BGH nicht mehr zwingend erforderlich sein. Die Beurteilung entziehe sich einer schematischen Betrachtung, es komme nach neuem Verständnis vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an. Eine Tatentdeckung solle bspw. bereits dann anzunehmen sein, wenn nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit naheliegt.[529] Dass diese Auslegung den Sperrgrund (noch) unbestimmter und damit schrankenloser macht, wurde bereits erläutert (s. oben Rn. 150 ff.); sie kollidiert zudem mit dem Grundsatz in dubio pro reo.[530] Wie sich diese Erweiterung des Sperrgrunds in bislang besonders diskutierten Einzelfällen niederschlagen wird, lässt sich vor allem deshalb schwer prognostizieren, weil die Betonung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles einer uneinheitlichen Rechtsanwendung Vorschub leisten wird.

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Gerade das Rekurrieren auf die „kriminalistische Erfahrung“ sollte vor dem Hintergrund der Diskussion um den staatlichen Ankauf von Steuer-CDs zu sehen sein.[531] Dieser Terminus gewinnt Bedeutung für den Zeitpunkt der Entdeckung bei Steuerpflichtigen mit nicht deklarierten Kapitaleinkünften aus ausländischen Konten. Ergibt sich aus solch einer angekauften CD die Zuordnung eines vom BGH wohl als verschleiernd angesehenen ausländischen Nummernkontos, so wird nach der Auslegung des 1. Strafsenats des BGH mit der Kontozuordnung zu dem Steuerpflichtigen bereits eine Tatentdeckung zu bejahen sein, ohne dass es noch auf den Abgleich mit dessen Steuererklärung ankäme.[532] Bislang bestand nach traditionellem Verständnis an sich Einigkeit, dass eine objektive Tatentdeckung von vornherein nur dann in Betracht kommt, wenn bereits ein (i.S. eines Verkürzung positiver) Abgleich des vorliegenden Datenmaterials mit den Steuerakten des betreffenden Steuerpflichtigen stattgefunden hat.[533]

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Seit Start des Automatischen Informationsaustausches (AIA) ist die Aufdeckungswahrscheinlichkeit ausländischer „Steuersparmodelle“ nicht nur grundsätzlich stark erhöht, es stellt sich auch hier die Frage, ob bereits der zwischenstaatliche Datenaustausch als Tatentdeckung bewertet werden kann. Auch hier gilt es zu berücksichtigen, dass der BGH die Anforderungen an eine Tatentdeckung eher niedrig ansetzt.[534] 2017 erachtete der BGH es für die Annahme der Tatentdeckung für ausreichend, dass die Tatentdeckung durch griechische Behörden erfolgt war, diese zur Rechtshilfe gegenüber den deutschen Behörden verpflichtet waren und der Steuerpflichtige, auch aufgrund der Medienberichterstattung über seinen Fall, mit einer Mitteilung an den deutschen Fiskus rechnen musste. Dabei war es aufgrund der Art und Weise der Verschleierung der Zahlungen unter anderem über Schweizer Bankhäuser nach Auffassung des BGH auch für die griechischen Ermittler naheliegend, dass die Einnahmen in Deutschland nicht gegenüber den Finanzbehörden erklärt worden waren.[535] Sievert/Brandl/Hosp/Holenstein/Ježek weisen darauf hin, dass bei entsprechender Anwendung dieses Urteils der Steuerpflichtige bereits seit dem 30.9.2017 insgesamt mit der Weitergabe der Informationen zu seinen ausländischen Kapitalanlagen rechnen müsse und die bloße Weitergabe dieser Informationen daher grundsätzlich zu einer Vorverlagerung der Tatentdeckung führen könnte.[536] Dagegen spricht aber auch in diesen Fällen, dass im Einzelfall ohne weitere Informationen, insbesondere ohne Abgleich mit den tatsächlich erklärten Einkünften, sich eine Tatentdeckung nicht überzeugend begründen lässt.[537] Konkretes Beispiel für möglicherweise massenhaft auftretende Fälle derartiger „Tatentdeckung“ könnten auch Fälle von airbnb-Vermietern werden, die ausländische (oder auch inländische) Einkünfte aus Vermietungen nicht erklärt haben. Ein Auskunftsersuchen an Irland, wo das Unterkunftsvermittlungsportal seinen Europa-Sitz hat, ist bereits 2018 von der deutschen Finanzverwaltung gestellt worden.[538]

 

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Regelmäßig wurde im bloßen Erstellen und Eingehen einer Kontrollmitteilung noch keine Tatentdeckung gesehen. Die Kontrollmitteilung erstellt nämlich üblicherweise ein Finanzbeamter einer anderen Finanzbehörde, der von den steuerlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen – zu dessen Akten er seine Kontrollmitteilung versendet – keine Kenntnis haben dürfte.[539] Der Kontrollmitteilung als solcher ist regelmäßig nicht zu entnehmen, ob etwa Umsatz oder Einkünfte zutreffend erklärt und versteuert worden sind.[540] Erforderlich ist auch hier zunächst ein Aktenabgleich – zu einer Tatentdeckung kommt es deshalb erst dann, wenn der zuständige Amtsträger der Finanzbehörde durch Vergleich mit den Steuerakten oder anderweitig zu dem Schluss kommt, dass Steuern verkürzt und ein vorsätzliches Verhalten des Steuerpflichtigen anzunehmen ist.[541] Aus diesem Grund liegt eine Tatentdeckung bspw. noch nicht vor, wenn dem Sachbearbeiter mehrere, sich aber widersprechende Kontrollmitteilungen vorliegen.[542] Auch fehlt es dann ersichtlich an einer Tatentdeckung, wenn z.B. das Finanzamt auf Grund einer bei ihm eingegangenen Kontrollmitteilung bei dem Steuerpflichtigen anfragt, ob die in der Kontrollmitteilung erwähnten Beträge, z.B. Zinsen, in den entsprechenden Erklärungen erfasst sind.[543] Etwas anderes kann sich nur in Fällen ergeben, in denen ergänzende Tatsachen diese Wertung bereits ohne Aktenabgleich ergeben, etwa im Fall korruptiver Zuwendungen (Schmiergelder), branchenunüblichen Honoraren, atypischen Bargeldzahlungen oder Auslandsüberweisungen.[544]

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Die bloße Kenntnis vom fruchtlosen Ablauf einer steuerlichen Erklärungsfrist reicht ebenfalls nicht für eine Tatentdeckung. In diesem Fall steht schon objektiv das Bestehen einer Steuerverkürzung nicht fest, zudem ist möglich, dass das Versäumnis unverschuldet war oder nur auf einfacher Fahrlässigkeit beruht.[545] An dem Ergebnis ändert sich nichts, wenn die Finanzbehörde zuvor mit Maßnahmen im Besteuerungsverfahren reagiert, nämlich erinnert, gemahnt, Zwangsmittel festgesetzt oder wegen Nichtabgabe der Erklärung geschätzt hat.[546]

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Nachrichten in den Medien und selbst detaillierte Darstellungen (zu Taten und Beteiligten) im „Enthüllungsjournalismus“ bleiben private Wahrnehmungen und können nur Anlass sein, in weiterführenden amtlichen Ermittlungen Verdachtsmomenten i.S. eines hinreichenden Tatverdachts nachzugehen.[547]

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Regelmäßig wird hingegen mit dem neuen Rechtsprechungsverständnis eine Tatentdeckung zu bejahen sein, wenn Zahlungen oder Überweisungen auf Nummernkonten, die Einschaltung von sog. Offshore-Gesellschaften oder an steuerlich nicht anzuerkennende ausländische Stiftungen festgestellt werden.[548] Eine Tatentdeckung dürfte danach weiterhin vorliegen bei Geldwäschemeldungen nach § 11 GWG an Polizei und Staatsanwaltschaft sowie dann, wenn Polizei oder Staatsanwaltschaft nach § 31b S. 1 bei den Finanzbehörden steuerliche Informationen zur Bearbeitung des Geldwäscheverfahrens anfordern.[549] Bei einem Kontenabruf (§§ 93 Abs. 6, 8, 93b Abs. 1, § 24c KWG) ist danach zu differenzieren, um welche Stufe des Verfahrens es sich handelt. Beim Entschluss zu einer Kontenabfrage ist noch völlig unklar, ob der Betroffene überhaupt bisher unbekannte Bankverbindungen unterhält, die ggf. zu steuerpflichtigen Einkünften geführt haben – es liegen daher noch keine Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat vor. Teilt dann der Steuerpflichtige auf Nachfrage Konten oder Depots nicht mit und ergibt die anschließende Abfrage der Bestandsdaten bisher unbekannte Konten oder Depots, zu denen der Betroffene auf erneute Anfrage keine Angaben macht oder sind solche nicht zu erwarten, kann erst das anschließende Auskunftsersuchen an das betroffene Kreditinstitut zu einer Tatentdeckung führen.[550]

b) Subjektive Voraussetzungen

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Der Täter hat Kenntnis von der Tatentdeckung, wenn er aus den ihm nachweisbar bekannten Tatsachen den Schluss gezogen hat, dass eine Behörde oder ein anzeigewilliger Dritter von seiner Tat so viel erfahren hat, dass bei vorläufiger Bewertung eine Steuerstraftat zumindest wahrscheinlich ist.[551] Da diese Kenntnis dem Täter selten nachweisbar sein wird, hat der Gesetzgeber das „Kennenmüssen“ der Tatentdeckung der „Kenntnis“ gleichgestellt und damit eine unwiderlegbare Beweisregel zu Ungunsten des Täters geschaffen.[552] Die Vermutung bezieht sich dabei nicht auf den Stand der Kenntnisse des Täters, sondern darauf, ob er seinen Kenntnissen den Schluss gezogen hat, seine Steuerstraftat sei entdeckt.[553] Dabei sind nach Ansicht des 1. Strafsenats des BGH angesichts der verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten und der stärkeren Kooperation bei der internationalen Zusammenarbeit keine hohen Anforderungen an die Annahme des Kennenmüssens zu stellen.[554] Auswirkungen kann dies für die Bewertung der „Liechtenstein-Fälle“ haben. Die Argumentation, für den einzelnen Anleger sei völlig unklar, mit welcher Wahrscheinlichkeit er mit der Entdeckung seiner Tat rechnen musste, wird, auch aufgrund der damaligen Presseberichterstattung, angesichts dieser Entwicklung in der Rspr. nicht mehr überzeugen können.[555] Dies sah auch das AG Kiel im Jahr 2014 so. Ausschlaggebend sind dabei die Umstände des Einzelfalles; die individuelle Tatsachenkenntnis entscheidet darüber, ob der Täter im Einzelfall mit der Entdeckung rechnete. So erhöht die (im Übrigen unspezifische) Kenntnis vom Ankauf einer „Steuer-CD“ aus einem Land, in dem der Steuerpflichtige unversteuerte Kapitalerträge erwirtschaftet hat, subjektiv die Wahrscheinlichkeit der Tatentdeckung. Tritt die Erkenntnis hinzu, dass die CD von der Bank stammt, bei der die Einkünfte entstanden sind, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit subjektiv weiter. Durch zusätzliche Informationen, etwa zu Umfang und Qualität der Daten, kann sich die Wahrscheinlichkeit subjektiv weiter erhöhen oder auch verringern.[556] Das OLG Schleswig hat sich dieser Auffassung mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 angeschlossen.[557] Das OLG Hamm setzte diese Linie der Rspr. – außerhalb derartiger „Steuer-CD-Fälle“ – 2015 fort und betonte allgemein, dass es nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO genügt, wenn der Steuerhinterzieher aufgrund der ihm bekannten Tatsachen konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass seine Steuerhinterziehung entdeckt sein könnte.[558] Zweifel, ob der Täter die Tatentdeckung kannte oder hätte kennen müssen, wirken – da es sich bei der Selbstanzeige um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund handelt und in dubio pro reo daher auch für dessen Ausschlussgründe Anwendung findet – zu Gunsten des Täters.[559]

c) Sachlicher Umfang der Sperrwirkung

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Die sachliche Reichweite der Sperrwirkung wurde durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz erheblich erweitert, da nunmehr nach dem Wortlaut die Selbstanzeige gesperrt ist, wenn auch nur eine der Steuerstraftaten entdeckt ist; die Fokussierung auf die einzelne Tat ist daher weggefallen.[560] Obwohl der Wortlaut des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 geringfügig vom Wortlaut der Nr. 1 abweicht, gilt auch für Nr. 2, dass sämtliche noch nicht verjährten Steuerstraftaten der betroffenen Steuerart von der Sperrwirkung umfasst werden, wenn ihre Voraussetzungen nur bei einer der Steuerstraftaten vorliegen (Infektionswirkung).[561] Ob die sog. Sachzusammenhangsrechtsprechung Anwendung finden kann, ist umstritten,[562] aber aufgrund der abschließenden Regelung, die der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Rspr. getroffen hat, abzulehnen.[563]

d) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung

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Anders als Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Bst. a und b hat der Gesetzgeber den Wortlaut nicht in „an der Tat Beteiligte“ geändert, vielmehr verwendet er weiterhin nur den Begriff des „Täters“. Trotz Diskussion in der Literatur und eines Hinweises im Gesetzgebungsverfahren erfolgte durch das AOÄndG 2015 keine Anpassung auf sämtliche Tatbeteiligte;[564] obwohl dies nicht nachvollziehbar ist, findet aufgrund des eindeutigen Wortlauts und im Hinblick auf die Systematik der Sperrgrund der Nr. 2 ausschließlich auf Allein- und Mittäter sowie mittelbare Täter, nicht aber auf Anstifter und Gehilfen Anwendung. Ließe sich die Einbeziehung von Teilnehmern auch überzeugend teleologisch begründen, ist den bisherigen Versuchen, dies über ein untechnisches, weites Verständnis des Täterbegriffs zu erzielen,[565] durch die (negative) Entscheidung des Gesetzgebers die Grundlage entzogen.[566] Auch eine Erstreckung der Sperrwirkung auf andere Tatbeteiligte (interpersonelle Wirkung) in dem Fall, in dem die Voraussetzungen des Abs. 2 S. 1 Nr. 2 hinsichtlich eines Täters vorliegen, ist mit dem Wortlaut nicht vereinbar.[567]

e) Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit

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Die h.M. nimmt auch beim Sperrgrund der Tatentdeckung ein Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit an;[568] Uneinigkeit herrscht aber hinsichtlich des Zeitpunktes bzw. der tatsächlichen Voraussetzungen. Abzuschichten ist zunächst der Fall, dass der Entdeckung eine Prüfung oder die Aufnahme von Ermittlungen i.S.v. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Bst. b oder d zugrunde liegt bzw. sie diese Maßnahmen auslöst; dann richtet sich das Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit nach den dort geltenden Grundsätzen.[569] Wird der Tatvorwurf aber entkräftet, ohne dass ein anderer Sperrgrund eingreifen konnte, muss erst recht eine strafbefreiende Selbstanzeige wieder möglich sein. Zumindest solange die überwiegende Ansicht der Literatur unter Tatentdeckung den hinreichenden Tatverdacht verstand, wurde quasi spiegelbildlich auch dieser Zeitpunkt der Entkräftung des hinreichenden Tatverdachts als maßgeblich angesehen.[570] Dieser lässt sich allerdings dann, wenn gar nicht erst ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, nur fiktiv bestimmen. Rolletschke variiert diese Ansicht infolge des geänderten Rechtsverständnisses des BGH: Erhärten sich die Anhaltspunkte, die die Wahrscheinlichkeitsprognose für die Tatentdeckung getragen haben, nicht, wird nicht nur kein Strafverfahren eingeleitet; dann markiert auch der Zeitpunkt der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose den „Wiederauflebenszeitpunkt“.[571] Allerdings bleibt es auch dann bei einem nur fiktiv bestimmbaren Zeitpunkt. Präziser ist es daher, in Analogie zu § 171 Abs. 4 S. 3 die Möglichkeit der Selbstanzeige wiederaufleben zu lassen, wenn nicht dem Täter binnen sechs Monaten nach Kenntnis von der Tatentdeckung die Einleitung des Verfahrens bekannt gegeben worden ist.[572]

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