Coronagangster

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Zwei Tage später betraten drei Männer das Arizona. Einer war Mirko, der andere Elimar, ein noch wesentlich kräftiger wirkender Kerl, der nur eine Jeans und ein blütenweißes T-Shirt trug, dessen kurze Ärmel zwei über und über mit Tattoos übersäte Arme freilegten. Der dritte Mann war etwas kleiner, trug eine sommerliche Kombi mit Leinenhose, Jackett mit aufgekrempelten Ärmeln, einem blauen T-Shirt und einer Ray-Ban Sonnenbrille. Sein lichter werdendes Haar war schulterlang. Alles in allem wirkte er so, als würde er mit Macht Don Johnson in seinen Miami Vice-Zeiten imitieren wollen. Nur das ihm dazu so ziemlich alles fehlte, was Don Johnson in den Achtzigern ausgezeichnet hatte.

Noch immer war der Gastraum verwaist. Nur ein einziger Tisch war für Besucher vorbereitet. Er befand sich gegenüber der Bar. Ein großer Pitcher mit eiswürfelgekühltem Eistee und ein halbes Dutzend Gläser standen bereit. Frank saß an dem Tisch, den Rücken an das grüngelbe Kunstlederpolster gelehnt, den Eingang im Blick behaltend.

Während Elimar und Mirko sich neugierig in dem Laden umsahen, ging das Sonny-Crockett-Imitat zielgerichtet auf den Tisch zu, nahm seine Sonnenbrille ab, da er in dem schwachen Neonlicht des Kellers nur schlecht damit sah und reichte Frank Becker die Hand.

„Guten Tag. Sind Sie Herr Becker?“

„Sonst wäre ich nicht hier“, sagte Frank, stand von seinem Platz auf und ergriff die Hand. „Und Sie sind?“

„Meinen Namen brauchen Sie nicht zu wissen.“

„Ich weiß aber gern, mit wem ich verhandle.“

Das Sonny-Crockett-Imitat setzte sich, schenkte sich ein Glas Eistee ein und sagte dabei: „Herr Becker. Sie missverstehen uns. Ich bin nicht hier, um mit Ihnen zu verhandeln, ich bin hier, um Ihnen unser Angebot vorzulegen. Sie können es annehmen, oder sein lassen.“

Frank räusperte sich, zog seine Hand zurück und setzte sich.

„Ist die echt?“, fragte plötzlich Elimar und wies auf eine Schrotflinte, die an einem Holzschild über der Bar hing.

„Klar“, sagte Frank mit einem sarkastischen Unterton. „´ne Remington 870 Express Magnum kann man bei uns so einfach an die Wand hängen, wo jeder rankommt.“

Elimar beugte sich über die Bar, kniff prüfend die Augen zusammen und betrachtete die Waffe ganz genau. „Man, die sieht täuschend echt aus. Wusste gar nichts, dass es davon Modelle gibt. Was soll´n das sein? Soft-Air? CO2?“

„Ich hab´ nicht gesagt, dass sie nicht echt ist“, sagte Frank mit einem Lächeln.

Elimar wandte sich zu ihm um. „Die ist echt oder? Mann ist das ein geiles Teil. Kann ich die mal nehmen?“

Frank schüttelte mit dem Kopf. „Waffen und Frauen verleiht man nicht.“

„Aber echt ist sie?“

„Tja, jeder Gast, der in meinem Laden richtig Stunk machen will, wird mal die Chance kriegen, es rauszufinden.“

Ein breites Grinsen zog sich über Elimars Gesicht. „Ich mag Sie, Frank. Aber wenn ich jetzt Stunk machen wollte, wäre ich viel näher an dem guten Stück dran, als Sie.“

„Und wer sagt ihnen, dass ich Sie ranlassen würde?“

„Wollen Sie damit sagen, dass Sie noch `ne Knarre einstecken haben?“

Frank zuckte lässig mit den Schultern. „Für die Antwort bezahlen Sie.“

Elimar lachte zufrieden und scheinbar unbeeindruckt. „Sie sind echt eiskalt. Eier haben Sie, Frank.“

„Können wir wieder zum Geschäft kommen?“, fragte das Sonny-Crockett-Imitat. „Unser Angebot ist, wie ich bereits sagte, nicht verhandelbar, dafür habe ich zwei Optionen für Sie, zwischen denen Sie wählen kommen.“

„Aha“, sagte Frank skeptisch, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

Mirko hatte sich inzwischen genug im Laden umgesehen, ebenfalls Platz genommen und sich ein Glas Eistee eingeschenkt. Elimar war noch immer von der Pumpgun fasziniert.

„Ihre Schulden bei der Bank betragen hundertfünfzigtausend Euro?“

„Eher hundertachtzig.“

„Hundertachtzig?“, fragte der Buchhalter ein wenig überrascht.

„Ist das ein Problem?“

„Nicht wirklich. Wir hatten nur mit weniger gerechnet. Option Nummer eins: wir übernehmen sämtliche Schulden und Sie übertragen uns ihren Laden. Wir behalten Sie als Geschäftsführer mit einem monatlichen Gehalt von dreitausend Euro.“

Bei diesen Worten klappte Frank Becker die Kinnlade herunter. „Ich wollte mir Geld leihen, nicht meinen Laden verkaufen.“

„Was spricht gegen das Angebot? Sie sind ihre Schulden los und erhalten im Gegenzug einen sehr gut bezahlten Job frei von unternehmerischem Risiko.“

„Hören Sie zu, Mister-ich-bin-so-cool-ich-muss-ihnen-meinen-Namen-nicht-nennen. Ich steh vielleicht bis über beide Ohren in ´ner fetten Schuldenkrise, aber ich bin nicht doof. Und vor allem bin ich kein dreißigjähriger Dauerstudent, der denkt, dreitausend Euro wären richtig viel Kohle für einen ersten Job. Und unternehmerisches Risiko? Scheiße, ich hätte Chancen ohne Ende irgendwo zu arbeiten, wo ich viertausend im Monat kriege. Aber ich will mein eigener Herr sein. Kapieren Sie das, Mister?“

„Ey“, sagte Mirko gelassen und streckte beruhigend eine Hand aus. „Wie er schon sagte. Wir machen ihnen nur Angebote. Sie können jederzeit ´Nein` sagen. Aber bleiben Sie ruhig.“

„Muss ich mir jetzt in meinem eigenen Laden sagen lassen, wie ich mich verhalten soll?“, fragte Frank genervt.

„Sehen Sie´s, wie Sie wollen, aber Sie wollen Kohle von uns, nicht umgekehrt. Also zeigen Sie ein wenig Respekt.“

Es entging Frank keineswegs, dass der junge Kerl ihm gegenüber seine fitnessstudiogestählten Muskeln ein wenig anspannte. Er schaute kurz zu Elimar hinüber, der sich jetzt auf einen der Barhocker geschwungen hatte und mit beiden Armen auf der Theke abstützte.

Frank seufzte kaum hörbar und sah wieder zu dem Mann im Anzug. „Und ihr zweites Angebot?“

„Hundertfünfzigtausend – oder von mir aus hundertachtzig – für zehn Prozent.“

„Was?“, fragte Frank und prustete vor Lachen. „Sie scherzen?“

„Wie lustig finden Sie die Angebote, die ihre Bank ihnen macht?“, fragte der Mann.

Frank verschränkte die Hände ineinander, stützte die Ellbogen auf den Tisch und lehnte sein Kinn dagegen. Eines der Angebote war schlechter, als das andere. Er hatte so etwas geahnt. Aber die Kerle hatten ihre in jeglicher Hinsicht inakzeptablen „Optionen“ mit einem schmackhaften Köder versehen. Seinem eigenen Laden. Denn darauf zielte der Kommentar dieses Miami-Vice-Verschnitts ab: die Bank würde ihm das Arizona auf jeden Fall wegnehmen.“

„Ich muss mal ´ne Nacht darüber schlafen“, sagte er.

Der Buchhalter verzog keine Miene. „Herr Becker, wir haben Ihnen zwei Optionen offeriert und jetzt haben Sie zwei Antwortoptionen: Ja oder Nein. Mit einem ´Vielleicht` werde ich nicht nach Hause gehen.“

„Hören Sie, Mister. So wie ich das sehe, machen Sie mit beiden ihrer Scheiß-Optionen ein exzellentes Geschäft, bei dem Sie mich ordentlich über den Tisch ziehen und dabei ist es scheißegal, ob ich heute, morgen oder in ´ner Woche zusage. Aber wenn Sie mir jetzt nur diese beiden Antworten zulassen, werde ich Nein sagen.“

„Dann wünsche ich ihnen viel Spaß, wenn Sie mit ihrer Bank sprechen. Die hat ihnen nämlich im Gegensatz zu uns nichts mehr zu bieten.“

„Na dann sollten Sie mir die Zeit lassen, mir das ins Gedächtnis zu rufen.“

Der Buchhalter zuckte mit den Schultern. „Wenn Sie meinen. Ich kann Ihnen allerdings nicht garantieren, dass unser Angebot morgen noch dasselbe sein wird.“

„Das Risiko muss ich wohl eingehen.“

Mirko, Elimar und der Buchhalter trennten sich, sobald sie das Arizona verlassen hatten. Der Buchhalter stieg in einen schwarzen Audi, Elimar schwang sich auf ein Ducati-Motorrad und Mirko vergrub seine Hände in den Jackentaschen und schlenderte zur Königsbrücker Straße vor, um die Straßenbahn zu nehmen.

Dabei passierte er eine scheinbar unauffällige dunkelblaue BMW-Limousine. Auf dem Fahrersitz des Wagens saß eine junge Frau, vielleicht Mitte dreißig, die ihre rotbraunen Haare zu einem kurzen Pferdeschwanz geflochten hatte und eine blaue Damenkombi trug. Der Mann neben ihr war etwa in dem gleichen Alter, seine Frisur und sein Bart wirkten etwas weniger gepflegt und auch seine sommerliche Kombi schien nicht ordentlich zu sitzen.

„Das sind die drei, oder?“, fragte der Mann, als Elimar, Mirko und der Buchhalter das Arizona verlassen hatten. Denn zufällig hatten sie von ihrem Parkplatz aus den Eingang des Gebäudes genau im Blick.

„Ja“, sagte die Frau. „Der hässliche Typ, der sich in seinen Klamotten so cool vorkommt, ist Christian Dreger. Das ist sein Buchhalter. Die anderen beiden sind seine Knochenbrecher.“

„Also hat dein Informant die Wahrheit gesagt.“

„Scheint so.“

„An wen hängen wir uns ran?“

„Warum sollten wir uns an jemanden ranhängen?“, fragte sie und warf ihrem Kollegen einen fragenden Blick zu.

„Na, wozu soll die ganze Sache hier sonst gut sein?“

„Die Sache diente dazu, uns davon zu überzeugen, dass das stimmt, was mein Informant gesagt hat.“

„Also ist es ein Kerl?“

„Warum?“

„Na weil du Informant gesagt hast.“

Ein etwas überheblich wirkendes Lächeln zeichnete sich um die Mundwinkel der Frau ab. „Pass mal auf. Ich spar mir diesen ganzen Gendersternchenmüll. Denkst du, nur weil ich `ne Frau bin, muss ich jedes Mal meine Zunge verschlucken, weil ich noch irgendwo ein *innen ranhängen soll? Verfickte Scheiße, wenn ich Informant sage, nutze ich den maskulinen Genitiv. Es kann also auch eine Frau sein.“

Der Mann hob abwehrend die Hände. “Schon okay. Wollte nur sehen, ob sich hier nicht vielleicht ´ne Spur ergibt.“

 

„Ja, schon klar. Ich weiß nicht, ob dein Spürsinn Erklärung dafür ist, dass du es in zehn Dienstjahren noch nicht weitergebracht hast oder ob ich mich nicht eher wundern soll, dass du überhaupt noch dabei bist.“

„Ist ja gut“, sagte der Mann schmollend.

„Warum sollten wir einen der Kerle verfolgen?“, fragte sie. „Die beiden Knochenbrecher sind kleine Fische. Der eine heißt Elimar. Den kriegen wir auf seinem Motorrad sowieso nicht, höchstens für Geschwindigkeitsüberschreitung. Aber der ist doof genug und legt es auf eine Verfolgungsjagd an, wenn wir es nur versuchen. Der andere heißt Mirko. Fährt immer mit der Bahn. Die arbeiten jetzt wahrscheinlich noch ein paar von Jaschas Kunden ab. Kleine Fische. Der Buchhalter wäre interessant. Aber der ist zu glatt. Der fährt jetzt in sein Büro, um Jascha anzurufen und ihm zu sagen, wie´s gelaufen ist. Und dann kümmert er sich wahrscheinlich um die Bücher von irgend ´nem kleinen Autohändler oder so was.“

„Also halten wir uns an den Typen, dem der Laden gehört?“

„Aha“, sagte sie mit einem ironischen Unterton. „Der Herr hat seinen Kopf doch nicht nur als Hutständer.“

„Weißt du, wer der Kerl ist?“

„Frank Becker. War mal Zeitsoldat gewesen. Hat Einsätze im Kosovo und Afghanistan mitgemacht. Ist aber sauber. Corona hat ihn halt richtig in die Scheiße geritten, wie so viele andere auch.“

„Na dann wird er sich ja freuen, uns zu sehen.“

„Vermutlich“, sagte sie und öffnete die Tür.

„Vergiss deine Maske nicht“, rief er hinterher.

Der Frühsommer war nicht sonderlich heiß, zumindest nicht wie in den Jahren zuvor. Trotzdem empfanden sie die Kühle im Arizona als äußerst angenehm.

Frank Becker saß inzwischen auf einem der Barhocker, knabberte Erdnüsse und schien seine eigene Bar zu betrachten.

„Fünf Minuten ist nicht das, was ich unter Bedenkzeit verstehe“, sagte er, als die Tür zufiel und er die Schritte auf der Treppe wahrnahm.

„Wofür brauchen Sie denn Bedenkzeit?“, fragte die Frau.

Frank Becker fuhr erschrocken herum. „Teufel noch eins, haben Sie mich erschreckt. Wer zur Hölle sind Sie?“ Er musterte das ungleiche Pärchen. „Sind Sie vom Gesundheitsamt, oder so? Falls Sie´s noch nicht mitbekommen haben, wir müssen eh alle dichtmachen. Oder wollen Sie meine Desinfektionsspender für die nicht zugelassenen Gäste prüfen?“

„Wir sind von der Polizei, Herr Becker“, sagte sie und zog einen Ausweis aus der Innentasche ihres eng sitzenden Jacketts. „Ich bin Kriminalhauptkommissarin Susanne Richter und mein Kollege ist Kriminaloberkommissar Jan Dreske.“

„Und Sie wollen mich jetzt wegen der fehlenden Desinfektionsspender festnehmen? Da müssen Sie sich hinten anstellen, Süße, ich lande nämlich bald im Schuldenturm.“

Susanne Richter bemühte sich, ein freundliches Lächeln aufzusetzen, was ihr nur unzureichend gelang. „Hören Sie, Frank. Ich kann verstehen, dass Sie frustriert sind. Es sind schwere Zeiten...“

„Ach für Beamte auch?“

Susanne Richter senkte und schüttelte den Kopf. Dann sah sie Frank an und machte eine warnende Geste mit der rechten Hand, indem sie Daumen und Zeigefinger aufeinanderlegte. „Hören Sie Frank, wir sind nicht hierhergekommen, um Sie festzunehmen. Aber wenn Sie mich noch mal Süße nennen oder unterbrechen, sorg ich dafür, dass ihre Zeiten noch ein bisschen härter werden. Und zwar jetzt gleich. Verstehen wir uns?“

Frank nickte langsam. „Sind Sie fertig? Kann ich jetzt was sagen?“

„Bitte.“

„Okay. Für die Süße bitte ich um Verzeihung. Aber nur meine Freunde dürfen mich Frank nennen.“

„Verstehe. Wir hatten offensichtlich einen miesen Start. Fangen wir noch einmal von vorn an, Herr Becker?“

„Was kann ich für Sie tun, Frau Kriminalhauptkommissarin?“

„Sie sagten, Sie brauchen Bedenkzeit. Wofür?“

„Ein geschäftliches Angebot. Es geht um viel Geld und wie Sie schon feststellten, sind die Zeiten hart. Da sollte man keine übereilten Entscheidungen treffen.“

„Ihren Laden gibt´s noch nicht so lange, Sie mussten jetzt bereits eine ganze Weile geschlossen bleiben, bei weiterlaufenden Kosten, daher gehe ich davon aus, dass Sie das viele Geld, von dem Sie gerade sprachen, leihen müssen?“

„Verzeihen Sie, Frau Hauptkriminalkommissarin“, sagte Frank und nahm sich eine Handvoll Erdnüsse, „aber ich komme mir hier ein wenig vor, wie in einem Verhör. Ich habe mir nichts vorzuwerfen, daher kann ich gerade nicht ganz nachvollziehen, warum ich Ihnen über meine Geschäfte Auskunft erteilen sollte?“

Susanne Richter setzte sich auf einen der Barhocker. „Haben Sie eine kalte Cola für mich, Frank? Es ist verdammt heiß, draußen.“

„Ist aber nicht umsonst“, sagte Frank, dem keinesfalls entgangen war, dass sie wieder seinen Vornamen benutzte. Aber ihr plötzlich entspanntes Lächeln ließ ihn darüber hinwegsehen.

„Umsonst dürfte ich sie auch gar nicht annehmen.“

„Macht zwei-fünfzig“, sagte Frank und drehte sich von seinem Barhocker, wobei er peinlich genau darum bemüht war, seine rechte Hüfte zu verbergen, wo er sich einen Revolver in den Hosenbund geschoben hatte. Er trat hinter die Theke, öffnete einen kleinen Kühlschrank und holte eine Flasche Cola hervor.

„Ich nehm` auch eine“, sagte Jan Dreske.

Frank holte eine zweite Flasche heraus, öffnete beide und schob sie den beiden Polizisten über die Bar hinweg zu. Dann stützte er sich mit beiden Armen auf das lackierte Holz, während Susanne Richter ihm einen Fünfer zuschob und einen Schluck aus ihrer Flasche nahm.

„Hören Sie Frank, es wird Sie vielleicht nicht wundern, wenn ich Ihnen sage, dass wir uns ein kleinwenig über Sie informiert haben. Daher wissen wir, dass Sie ein cleverer Bursche sind. Wir können uns also das Vorgeplänkel sparen, wo Sie so tun, als wüssten Sie nicht, weswegen wir hier sind. Wir haben die drei Männer aus ihrem Laden kommen sehen und wir wissen genauso gut, wie Sie, dass das keine Bankangestellten waren.“

„Das habe ich auch nicht behauptet.“

„Nein, Sie haben behauptet, dass Sie sich Geld von Ihnen leihen.“

„Stimmt nicht. Ich habe nur gesagt, dass es um viel Geld geht. Den Rest haben Sie geschlussfolgert.“

„Hören Sie auf mit dem Scheiß, Frank“, sagte Susanne Richter und spielte mit ihrem Zeigefinger am Mundstück der Flasche herum. „Wir sind nicht hier, um Ihnen Ärger zu machen. Im Gegenteil. Wir wollen Ihnen helfen. Und ich glaube, Ihnen ist noch nicht zu einhundert Prozent klar, was das für Typen sind.“

„So, Sie wollen mir helfen?“, fragte Frank, spürbar gereizt. „Und Sie meinen, ich weiß nicht, worauf ich mich eventuell einlasse? Darf ich Sie mal was fragen, ohne dass Sie mir gleich wieder wegen vermeintlicher Beamtenbeleidigung blöd kommen? Haben Sie eigentlich den Schuss nicht gehört? Die Frage, ob Sie als Beamte auch ´ne schwere Zeit durchmachen, die war vollkommen ernst gemeint. Ich kriege nämlich nicht mein üppiges Gehalt weiter gezahlt und darf arbeiten, als gäb´s keine beschissene Coronakrise. Mein Laden ist dicht, schon seit Wochen.“ Frank hob abwehrend die Hände. „Ist ´ne scheißgefährliche Seuche, sagen die Experten. Ansteckend, sehr gefährlich, wir müssen was tun, Kontakte reduzieren und und und. Kann ich alles verstehen. Was ich nicht verstehen kann, ist, dass es dann heißt, ihr könnt eure Läden wieder aufmachen, wenn ihr diese Latte an Forderungen erfüllt, einen Haufen Wegwerfbesteck und Luftfilter und Desinfektionsmittel kauft, Hygienekonzepte erstellt und was weiß ich…“

„Sie müssen uns nicht ihre Lage auseinandersetze, Frank. Wir wissen…“

„Einen Scheiß wissen Sie, Frau Hauptkriminalkommissarin! Und ich sag Ihnen was. Sie haben von mir verlangt, Sie nicht zu unterbrechen, also hören Sie jetzt mir zu, wenn Sie sich weiter unterhalten wollen. Ich hab all die Forderungen erfüllt, Geld in die Hand genommen, dass ich nicht hatte. Und was passiert? Kaum ist alles fertig, heißt es, Nein, es geht doch nicht. Schön, da habe ich noch mehr Zeit, um auf dem Balkon für die Krankenschwestern zu klatschen. Dann heißt es, es gibt beschissene Hilfsfonds und der Staat lässt uns nicht allein. Ich weiß gar nicht, wie die so schnell so viele verfickte Antragsbögen erstellen konnten. Aber gut, ich hab´ ja Zeit den ganzen Mist auszufüllen. Schnell sollte die Kohle kommen. Und was passierte? Nichts! Die Bearbeitung würde wegen der hohen Nachfrage viel Zeit in Anspruch nehmen. Auch okay, von mir aus. Aber warum kriegt´s der Staat dann nicht gebacken, den Vermietern, Strom- und Wasseranbietern und all den anderen Aasgeiern mal eine Stundung aufzudrücken? Die ziehen nämlich konsequent Monat für Monat ihr Scheißgeld ein. Und die Banken? Haben die wegen der harten Zeiten mehr Mitleid? Die reiben sich doch die Hände.

Wenn ich mir also Geld leihen muss, um meinen Laden nicht zu verlieren, in den ich alles investiert habe, dann ist das so. Und dann nehme ich es, von wem ich es kriegen kann. Wenn Ihnen die Kerle nicht gefallen, dann halten Sie sich an die. Aber es ist nicht verboten, wenn sich jemand privat von jemand anderem Geld leiht und ich bin nicht verpflichtet, zu überprüfen, woher derjenige es hat.“

Susanne Richter schnalzte mit der Zunge und nahm noch einen Schluck Cola. „Stellen Sie sich das nicht so einfach vor, Frank. Natürlich sind wir nicht daran interessiert, den Leuten, die sich in die Fänge von Kredithaien begeben, irgendwelchen Ärger zu machen. Den kriegen sie von allein. Aber man könnte es natürlich auch so auslegen, dass Sie sich an einem Geldwäschegeschäft beteiligen und dann sieht die Sache schon ganz anders aus.“

„Wollen Sie mir drohen?“

„Ich zeige ihnen die Optionen auf, Frank“, sagte Susanne Richter, immer wieder vertraulich seinen Vornamen nutzend. „Wir können ihnen Ärger machen. Die Kerle, die hier gerade herausspaziert sind, werden ihnen definitiv Ärger machen. Okay, ihre Lage ist vielleicht so beschissen, wie ich es mir mit meinem Konto nicht ausmalen kann. Aber diese Männer werden Ihnen kein Geld leihen, um Ihnen zu helfen. Die wollen sich selber helfen.“

„Das wollen die Banken auch.“

„Ist die echt?“, fragte Jan Dreske und nickte in Richtung der Pumpgun.

„Als Polizist müssten Sie es eigentlich besser wissen“, antwortete Frank gelassen, aber ausweichend.

„Entschärft?“

Frank setzte ein smartes Grinsen auf und zuckte mit den Schultern, wobei er einen kurzen Moment seine Hüfte entblößte. In eben jenem Moment fiel Susanne Richters Blick auf den kleinen Revolver, dessen schwarzer Griff unter seiner Jeansjacke hervorlugte.

„Und ist der echt?“, fragte sie.

Franks Lippen schoben sich ernst zusammen. Er stützte sich auf die Ellbogen und schob den Hintern heraus, als müsse er jetzt noch unbedingt die Waffe verstecken.

„Sie sagten doch selbst, dass die Kerle, die hier waren, gefährlich sind.“

„Ja, aber Sie haben so getan, als wäre das für Sie nicht relevant. Sie wissen also ziemlich genau, mit was für Leuten Sie sich da einlassen.“

„Ich bin schließlich nicht blöd.“

„Also helfen Sie uns?“

„Dann müsste ich schon ziemlich blöd sein, was?“ Frank nippte an seiner Flasche und sah Susanne Richter tief in die Augen. Die distanzierte Kühle in ihrem Blick wirkte durchaus reizvoll auf ihn.

Ihr Gesicht näherte sich seinem und jetzt lächelte sie sogar, wodurch sie noch schöner wirkte. „Frank, ich halte es für besser, wenn wir dieses Gespräch auf der Dienststelle fortsetzen.“

„Ich kann mir schönere Orte vorstellen.“

„Ich nehme Sie wegen illegalen Waffenbesitzes fest.“

„Das glaube ich kaum.“

„Dann wegen Führens einer Waffe in der Öffentlichkeit.“

„Ein zwangsweise geschlossenes Restaurant kann man wohl kaum als öffentlichen Raum betrachten.“

„Haben Sie ihre Waffenbesitzkarte dabei?“

„Gerade nicht.“

„Dann lassen Sie jetzt die Hände lieber da wo Sie sind. Jan du schnappst dir seine Waffe. Herr Becker kommt mit uns, bis wir das mit seiner WBK überprüft haben.“

Jan ließ den Kopf hängen und schüttelte ihn. „Mann, Lady, Sie wollen es echt wissen, was?“

„Sie haben es drauf angelegt, Frank.“

Sie musste Jan Dreske noch mal einen auffordernden Blick zuwerfen, da dieser selbst kaum glauben konnte, dass seine Kollegin die Sache mit der Festnahme ernst meinte. Er ging hinter die Theke, tastete Frank ab und fand den kleinen Revolver. Er zog ihn aus dem Hosenbund und klappte die Trommel auf.

 

„Tatsächlich, das Ding ist echt“, sagte Dreske mit Blick auf die fünf Messinghülsen in der Trommel.

„Mit ´ner falschen Knarre zu so einem Treff zu gehen, wäre ja wohl auch reichlich dämlich“, sagte Frank, als der Kommissar ihm die Arme auf den Rücken bog und Handschellen anlegte.

„Ob das wirklich ihre dämlichste Entscheidung war, werden wir noch sehen“, sagte Susanne Richter.

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