Coronagangster

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Es war ein schöner Tag zum Straßenbahnfahren. Die Sonne schien und die Plätze waren eng besetzt, als gäbe es keinen Virus, der das Leben der Menschen einschränkte. Nur die Masken der anderen Fahrgäste in der Straßenbahn erinnerten daran. Aber wenn Mirko aus dem Fenster sah, entdeckte er geschlossene Restaurants, abgedunkelte Läden und nur selten Mal einen Fußgänger.

Mirko fuhr hinaus bis Laubegast, wo Jascha Robakidse eine alte Villa mit Blick auf die Elbe bewohnte. Jascha lebte seit etwa zehn Jahren in der Stadt und hatte sich seitdem ein respektables Leben aufgebaut. Sein Aushängeschild war ein Gebrauchtwagenhandel mit dem er alte deutsche Autos nach Osteuropa verschob. Alles legal und durchaus nicht unlukrativ. Damit bezahlte er seine Steuern und präsentierte sich als integriertes Mitglied der Gesellschaft. Seine großen Geschäfte machte er jedoch mit Drogen und Frauen, die er beide über sein offizielles Geschäft nach Deutschland holte. Das brachte noch mehr gutes Geld, wobei Jascha clever genug war, den ganz Großen der Branche nicht zu sehr auf die Füße zu treten. Er hatte nur zwei Mädchen in der Stadt und ein halbes Dutzend in den kleineren Städten im Umland, wo er auch einen Großteil seiner Drogengeschäfte abwickelte. Die Gewinne verlieh er, zum Einen, um sie zu waschen und zum anderen, um noch mehr Geld daraus zu machen.

Hast du einmal etwas Geld über, um es zu investieren, ist es gar nicht so schwer, mehr daraus zu machen, wenn du nicht so doof bist, es zur Bank zu bringen, dachte Mirko während er an dem rostigen mit vertrockneten Ranken überwucherten gusseisernen Zaun entlang ging, der das Grundstück umgab. Von außen machte die Villa einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Die Fenster waren mal erneuert worden, aber es fehlte an frischer Farbe, der Putz bröckelte an einigen Stellen. Der Garten war ungepflegt, das Gras stand hoch und fing an zu vertrocknen, da es bereits seit mehreren Tagen nicht mehr geregnet hatte. Es hätte Jascha keine Mühe gekostet, dass alles mit einem Gärtner und einer Hausfrau auf Vordermann zu bringen. Doch ihm gefiel es so. Er war es von zu Hause nicht anders gewohnt, wo man Häuser bewohnte und nicht ständig renovierte. Allenfalls verbesserte man sie durch den Kauf eines moderneren Kühlschranks oder eines größeren und besseren Fernsehers.

Mirko hörte das Planschen von Wasser und als er vor der gusseisernen Gittertür neben dem Tor stand, erkannte er ein halbes Dutzend Kinder in Badesachen, die um einen großen, aquablauen Pool herumsprangen, der in dem unkrautüberwucherten Garten mit Blick auf den Fluss aufgebaut war. Mirko drückte auf die elektrische Klingel, auf der mit Kugelschreiber ROBAKIDSE geschrieben stand, und wartete. Als das elektrische Surren ertönte, welches die ganze Gittertür unter Strom zu setzen schien, stieß er vorsichtig mit seinem Fuß dagegen. Die Tür schwang auf und Mirko ging, leicht nervös durch den Garten.

Am hinteren Ende des Hauses befand sich eine großzügige Veranda, von der aus die Bauherren ebenso wie der neue Besitzer den Blick auf die Elbe genossen. Etliche Radfahrer zogen am Flussufer entlang. Nur Dampfer waren seit einer Weile keine mehr zu sehen, denn auch die Weiße Flotte hatte pandemiebedingt ihren Betrieb einstellen müssen und das, obwohl der Fluss ausreichend Wasser führte, was durchaus nicht in all den letzten Jahren der Fall gewesen war.

Auf der Veranda stand ein Campingtisch der billigsten Sorte, umgeben von drei weißen Plastikstühlen. Ein kleines Radio stand in einem Fensterrahmen und spielte Ostrock. Jascha Robakidse saß mit einer aufgeschlagenen Zeitung in der Hand in einem der Stühle. Er trug eine grüne Badehose, deren Bund von seinem herabhängenden Bauch verdeckt wurde, denn zumindest seiner Körperfühle konnte man den Wohlstand ein wenig ansehen. Jascha war nicht sehr groß. Als junger Kerl musste er einmal recht ansehnlich gewesen sein, doch davon war nicht mehr viel übrig geblieben. Sein schütteres weißes Haar war streng nach hinten gekämmt. Die große Hakennase war das Einzige, was in seinem sonst etwas eingefallen wirkenden Gesicht noch die Form gewahrt hatte. Er trug eine Steve McQueen Sonnenbrille, die wohl jedermann gestanden hätte, nur nicht ihm und die er sich jetzt von der Nase zog, als Mirko die drei Stufen zur Veranda erklomm.

„Mirko, mein Bester“, sagte Jascha gut gelaunt und wies auf einen der Plastikstühle. „Setz dich. Willst du was trinken? Einen Eistee?“

„Sehr gern“, sagte Mirko und setzte sich.

Jascha wandte den Kopf um und schrie durch die geöffnete Flügeltür ins Innere des Hauses: „Daria, bring mal noch ein Glas raus. Und einen Aschenbecher.“ Dann wandte er sich wieder Mirko zu. „Rauch ruhig eine. Dir erlaube ich das.“

Mirko nickte dankend. Jascha erlaubte es durchaus nicht allen seinen Gästen auf seiner Veranda oder gar in seinem Haus zu rauchen und es war ein Zeichen der Wertschätzung für Mirkos Arbeit, welches ihm zumindest ein bisschen die Angst nahm.

Als er sich eine Zigarette anzündete, erschien eine Frau von Mitte dreißig in einem weiten geblümten Sommerkleid, welches die wenigen kleinen Rundungen geschickt verdeckte, die sie nach sechs Schwangerschaften an Bauch, Hüfte und Hintern angesetzt hatte. Dennoch war Daria immer noch eine viel zu schöne Frau für einen hässlichen Mann, wie Jascha einer war und es war offensichtlich, das Geld die Grundlage dieser Ehe bildete. Allerdings musste man es Jascha zugutehalten, dass seine liebevolle Art als Ehemann und Vater durchaus dazu beigetragen hatte, den Respekt, den Daria ursprünglich nur seinem Geld entgegengebrachte, auch auf ihn übergehen zu lassen.

Sie begrüßte Mirko mit einem Lächeln, stellte den Aschenbecher neben ihm ab und füllte das Glas aus der bereits bereitstehenden Karaffe mit Eistee, ehe sie wieder im Haus verschwand.

Jascha sah ihr zufrieden hinterher und wandte sich dann Mirko zu, der schnell einen Schluck Eistee nahm.

„Und, hat der kleine Hipster geweint, als du ihm die Finger gebrochen hast?“, fragte er mit einem vorfreudigen Lächeln. Obwohl Jascha sehr vielen Leuten Geld verlieh und bei weitem nicht mit allen persönliche Bekanntschaft machte, wusste er doch sehr genau über sie Bescheid. „Oder hat er irgendwoher Geld beschafft?“

„Weder noch“, sagte Mirko bedächtig und zog hastig an seiner Zigarette, weil er eine Reaktion abwarten wollte und auch immer noch nicht richtig wusste, wie er sagen sollte, was er zu sagen hatte.

Doch zu seiner Überraschung und Verwunderung bestand Jaschas einzige Reaktion darin, die rechte Augenbraue hochzuziehen und als Mirko einen weiteren Schluck Eistee nahm, um die sich ausbreitende Trockenheit in seinem Rachen zu bekämpfen, deutete er mit einer drehenden Bewegung der rechten Hand an, dass er doch endlich fortfahren solle.

„Er hat kein Geld und wenn ich ihm die Finger breche, hat er nächste Woche auch noch keins“, sagte Mirko langsam, woraufhin sich Jaschas Gesicht verfinsterte.

„Ja, solche Typen gibt es“, sagte der Gangsterboss. „Bei manchen geht die Kohle verloren. Das heißt aber nicht, dass wir ihnen nicht trotzdem die Knochen brechen.“

„Wenn du das willst, fahre ich gleich wieder los und hole das nach. Allerdings hatte Sebastian zwei gute Vorschläge, die dir ordentlich Geld einbringen können und mit denen er seine Schulden begleichen will.“

Jascha beugte sich ein wenig über den Tisch und stützte sich auf seinen linken Unterarm. „Mirko, wenn ich Geschäfte mit dem kleinen Hipster machen wollte, hätte ich meinen Buchmacher hingeschickt. Aber mit solchen Typen macht man keine Geschäfte. Man bricht ihnen die Knochen und holt aus ihnen heraus, was geht, denn zu mehr taugen sie einfach nicht. Der kleine Penner ist ein Versager.“ Er machte eine kurze Pause. „Und er ist dir auf der Nase herumgetanzt.“

Mirko straffte sich ein wenig im Versuch, Selbstvertrauen zurückzugewinnen. „Vielleicht. Aber für mich haben sich seine Vorschläge gar nicht mal so dumm angehört, weswegen ich mich dazu entschieden habe, dir erst davon zu erzählen, ehe ich das mache, was wir immer machen, was uns aber letztlich kein Geld einbringen wird.“

„Na dann schieß mal los“, sagte Jascha seufzend und lehnte sich wenig hoffnungsvoll in seinem Stuhl zurück, wobei er die Arme über dem dicken weißen Bauch verschränkte.

„Also zum Einen wohnen bei ihm im Haus haufenweise Studenten, denen er wohl schon ab und zu mal was von seinem Stoff vertickt hat.“

„Du meinst wohl meinen Stoff, denn er hat ihn ja nicht bezahlt.“

„Das ist doch genau der Punkt. In dem Haus gibt es einen Markt und den hat er schon erschlossen. Wir müssen ihn nur mit mehr Stoff versorgen und er vertickt ihn weiter an diese Studenten. Na und die haben doch ihre eigenen Netzwerke. Es wird nicht bei dem Haus bleiben. Studenten haben Geld, selbst jetzt und so kommen wir in einen Markt rein, in den wir schon lange rein wollten.“

„Auf dem die Tschechen und die Italiener ihre Hände haben.“ Jascha rieb sich nachdenklich das Kinn. „Gerade zu diesen Zeiten werden die bestimmt nicht vor Freude in die Luft springen, wenn denen da jemand Konkurrenz macht.“

„Das kann schon sein, aber wie sollen die das herausbekommen? Ich meine, Seb stellt sich ja nicht irgendwo auf die Straße, er macht es von zu Hause aus. Die Tschechen und die Ithaker werden es gar nicht mitbekommen und wenn doch, dann können wir immer noch behaupten, dass Sebastian sein eigenes Ding durchgezogen hat.“

Wenig überzeugt wog Jascha den Kopf hin und her. „Ganz schlecht ist die Idee nicht. Ich werde eine Nacht darüber schlafen. Und der zweite Vorschlag?“

„Er hat da so ´n Kumpel, der ´n Diner betreibt, das Arizona. Wie alle in dem Geschäft steht ihm das Wasser gerade bis zum Hals. Er hat Schulden bei der Bank, die er nicht zurückzahlen kann, weswegen es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sie ihm den Laden wegnehmen. Sebastian meinte, du könntest ihm das Geld leihen und dann, wenn er es dir nicht zurückzahlen kann, den Laden übernehmen.“

 

Jascha rümpfte die Nase und schien einen Moment zu überlegen.

„Wie viel?“, fragte er schließlich.

„Seb meinte, so etwa hundertfünfzigtausend.“

Jascha kicherte und schüttelte ein paar Mal langsam den Kopf, was Mirko eher als schlechtes Zeichen deutete. Dann beugte sich der dicke Mann wieder langsam über den Tisch.

„Versteh ich dich richtig? Ich schicke dich zu dem kleinen Hipster, damit du mir meine zweitausend eintreibst – nicht, dass ich damit gerechnet habe, dass er sie wirklich hätte – aber stattdessen lässt du dir ein Geschäft“, er deutete große Gänsefüßen mit seinen fleischigen Fingern an, „aufschwatzen, dass mich weitere hundertfünfzigtausend kosten soll? Um in eine sterbende Branche zu investieren?“ Jascha lachte und schüttelte noch einmal mit dem Kopf. „Mirko, Mirko … ich hab` dich nie für besonders clever gehalten. Deinen Job hast du bisher immer zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigt. Aber das… das ist jetzt schon der zweite Schnitzer, den du dir leistest.“

„Der zweite?“ Überrascht kniff Mirko die Augen zusammen. „Was war denn der erste?“

„Darüber reden wir gleich“, sagte Jascha mit einem Unterton, der Mirkos Unruhe noch weiter steigerte. „Kannst du mir erstmal verraten, was ich mit ´nem Scheiß-Diner soll? Seh` ich vielleicht aus, wie ein beschissener Frittenhändler?“

Ein bisschen schon, dachte Mirko, schob den Gedanken aber schnell beiseite, damit er ihm nicht noch aus Versehen über die Lippen kam. „Sebastian meinte, dass so ein Laden super wäre, um Geld zu waschen. So machen´s die Spaghettis auch. Ich mein`, irgendwann ist der Coronascheiß ja wieder vorbei und dann machen auch die Restaurants wieder auf. Das Arizona soll bis zum Lockdown gut gelaufen sein. Da wechselt jeden Tag ein Haufen Bargeld den Besitzer.“

Jascha lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück und sog tief die Luft ein, sodass sich sein großer Bauch langsam anhob. Seine kleinen Schneidezähne zupften an einer Unterlippe, was er immer dann tat, wenn er angestrengt nachdachte. Mirko spürte, wie er vom Haken hüpfte.

Schließlich schlug Jascha mit seiner schweren Hand auf die Tischplatte, dass die Eiswürfel in der leeren Glaskaraffe klapperten.

„Ich sag dir was. Ich sprech` die Sache mit meinem Buchhalter durch. Aber bist du auch sicher, dass der Hipster in der Zeit nicht einfach die Fliege macht?“

„Ganz sicher. Der hat viel zu viel Schiss vor dem, was ich mit ihm machen würde, wenn ich ihn dabei erwischen sollte.“

„Hoffen wir es für dich.“ Jascha rieb sich die Nase und wandte sich wieder der Flügeltür zu. „Daria! Bring neuen Eistee!“

Mirko drückte nervös seine noch nicht vollständig aufgerauchte Zigarette in den sauberen Aschenbecher und holte eine neue aus seiner Schachtel. Jascha bemerkte es und lächelte. „Bist du wegen irgendetwas nervös, mein Freund?“

„Du sprachst von zwei Fehlern. Was ist denn der zweite?“

„Du hast wirklich keine Ahnung?“

Mirko hatte durchaus eine Ahnung, zog es aber vor, unschuldig mit den Kopf zu schütteln.

„Warte einen Moment“, sagte Jascha, als Daria die leere Karaffe vom Tisch nahm.

Mirko nahm nervöse kurze Züge. Es war nicht allein die sommerliche Hitze, die ihm die Schweißperlen auf die Stirn trieb, als ihn plötzlich ein Schlag am linken Oberarm traf.

Erschrocken fuhr er zusammen.

Ein Fußball prallte vom Geländer der Veranda ab, sprang gegen das Stuhlbein und tippelte dann über die Steinplatten, ehe Jascha ihn mit dem Fuß zum Stehen brachte. Mühsam erhob er sich, hob den Ball auf und trat an die Stufen, von wo er auf vier vor Schreck versteinerte Jungs herabblickte. „Tariel, Levani, was soll das? Ihr sollt doch aufpassen!“

„Entschuldige Papa“, sagte einer der Jungs mit gesenktem Kopf und auf dem Rücken verschränkten Armen.

„Entschuldigt euch nicht bei mir. Mich habt ihr ja nicht angeschossen.“

„Entschuldige, Onkel Mirko“, sagten drei der Jungs im Chor, während der Vierte und jüngste verlegen auf seine schmutzigen Füße schaute.

„Seid vorsichtig“, sagte Jascha, trat unbeholfen gegen den Ball und schoss ihn mitten in den Pool, in dem zwei kleine Mädchen planschten.

„Ups“, murmelte der dicke Gangsterboss und deutete damit an, dass es mit seinen fußballerischen Qualitäten auch nicht sonderlich weit her war. Mit einem verschmitzten Lächeln ließ er sich wieder in seinen Stuhl fallen, als Daria durch die Tür schritt, die beiden Gläser füllte, die somit gleich wieder halbleere Karaffe auf den Tisch stellte und im Haus verschwand.

Mirko fragte sich kurz, was sie dort wohl machte.

Jascha nahm sein Glas, schob sich den Strohhalm zwischen die fleischigen Lippen und saugte kräftig daran.

Nachdem er das halbe Glas geleert hatte, stellte er es ab und faltete die Hände über seinem dicken Bauch.

„Dann wäre da noch diese zweite Sache.“

„Bin ganz Ohr“, sagte Mirko und versuchte, sich betont lässig zu geben.

Jascha hob drohend den Zeigefinger seiner rechten Hand. „Ich seh´s dir genau an, mein Freund, dass du weißt, wovon ich rede.“

Betreten senkte Mirko den Blick auf die Tischkante.

„Hör auf, meine Cousine zu vögeln. Ich sag` dir das jetzt im Guten.“

„Wer erzählt den so was?“, fragte Mirko, wagte es aber immer noch nicht, seinem Boss ins Gesicht zu sehen.

„Ich sag´s mal so: Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Ich hab´ fünf Cousinen und keine von denen kann irgendjemandem heimlich auch nur einen Blowjob verpassen, ohne dass ich das spitz kriege. Den Rest verrät mir die Fresse, die du gerade ziehst.“

Mirko griff selbst zu seinem Eistee und legte sich vorsichtig zurecht, was er nun sagen wollte. „Das… das hat alles nichts mit fehlendem Respekt meinerseits zu tun, Jascha. Und es ging auch nicht nur um einen … einen…“

„Ja, ja, ja, nicht nur um einen Blowjob. Ich kann´s mir denken.“ Jascha machte eine wegwerfende Handbewegung. „Marissa ist nun einmal von allen fünf die Heißeste und sicherlich auch die Cleverste. Es ist nicht so, dass ich dich nicht verstehen kann, mein Freund.“

„Aber?“, fragte Mirko und seine Stimme klang trotzig, da er ahnte, was jetzt kommen würde.

Jascha registrierte diese Aufwallung des Zorns sehr genau. Wieder schoss der mahnende Zeigefinger nach oben. „Vorsichtig, Freundchen. Ja, Marissa ist heiß und klug. Sie ist zu heiß und klug für dich. Der Sohn von diesen neapolitanischen Spaghettifressern denkt wohl genauso wie du.“

„Gigi Caporetta?“

„Genau der.“

„Heißt dass, das sie ihre Cousine einem der Scheiß-Italiener übergeben wollen?“

„Die Scheiß-Italiener machen hier nun mal mit Abstand das beste Geschäft. Sogar in diesen Scheiß-Zeiten. Denk bloß nicht, dass die Sache mit den Restaurants mir neu ist. Es steht ja sogar schon in den Zeitungen, dass die Camorra das macht. Nur die Bullen kriegen sie nicht dran.“

„Und was hat das mit Marissa zu tun?“

„Wenn die verfickten Italiener weiter so groß werden, dann werden sie die kleinen Leute irgendwann ganz aus dem Geschäft drängen. Bisher waren sie nicht zu groß und ich nicht zu klein, aber schon vor der Scheiß-Seuche ist dieses Verhältnis immer mehr gekippt. Ich hab meine besten Huren-Wohnungen an die Bastarde verloren und meine Mädchen müssen jetzt in irgendwelche Provinznester auf dem Land oder in die letzten Pennerviertel, nach Gorbitz, Prohlis oder nach Heidenau. Und irgendwann ist das Einzige, was ich hier in der Stadt noch habe, mein Haus, aber kein Geschäft. Aber ´ne Verbindung zwischen meiner Familie und den Caporettas würde sicherstellen, dass ich meine Geschäfte in dem Maß, wie ich sie jetzt betreibe weiterführen kann. Verstehst du das? Und ob du Marissa jetzt liebst oder nur ihre Muschi geil findest, ist mir dabei scheißegal.“

„Was sagt sie dazu?“

Jascha hob verzweifelt die Arme über den Kopf. „Herr im Himmel er versteht es nicht.“ Seine linke Hand klatschte schwer auf die Tischplatte. „Mirko, Mann: was Marissa denkt ist mir auch scheißegal, so lang der Spaghettifresser glaubt, dass er in sie verleibt ist oder nur geil auf ihre Muschi ist. Hauptsache, er heiratet sie. Aber damit das so bleibt, lässt du gefälligst die Finger von ihr.“

Betreten biss Mirko auf seiner Lippe herum. Er wusste, dass es nichts gab, was er sagen konnte. Jascha traf die Entscheidungen. Er selbst konnte nur „ja“ sagen oder musste die Konsequenzen tragen.

Jascha bemerkte es und beruhigte sich langsam wieder. „Jetzt lass doch den Kopf nicht hängen, Kleiner. Ich sag dir was. Du hast freien Zugang zu all meinen anderen Mädels. Du kannst dir sogar eine aussuchen. Ich hab´ schöne Mädels. In Gorbitz hab´ ich eine, die ist sogar gar nicht mal so dumm. Die wollte studieren. Oder sie hat glaube ich sogar ein oder zwei Semester studiert, bis ihr das Geld ausging und meine Jungs in der Heimat sie aufgefischt haben. Eine süße Maus. Kleiner Birnenarsch und auf jeder Seite…“, er hielt abwiegend seine Hände vor die Brust, „ also ich würde sagen, mehr, als nur eine Handvoll. Sogar die würde ich dir überlassen, wenn du es willst. Aber halt dich in Zukunft von Marissa fern. Wenn du willst ruf ich sie an. Wegen der ganzen Coronascheiße sind die Mädels eh´ alle nicht ausgelastet. Ist einfach zu gefährlich, wegen der Scheißbullen. Wir leben quasi von Mundpropaganda.“ Er lachte, wegen der Doppeldeutigkeit. „Also, überleg´ es dir.“

Mirko schob sich die Mütze zurecht und nickte langsam. „Mach ich, Jascha.“ Er stand auf. „Hast du sonst noch Anweisungen für mich?“

„Ich ruf dich an, wegen dieser Bar. Wie hieß der Laden gleich noch mal?“

Arizona.“

„Ja, ich geb` gleich meinem Buchhalter Bescheid. Aber wenn der sagt, dass es eine bescheuerte Idee ist, dann schneidest du dem Hipster einen seiner Scheiß-Kiffer-Finger ab.“

„So was ist mehr Elimars Sache.“

„Ja, aber Elimar bringt mir auch immer meine Kohlen und nicht irgendwelche Geschäftsvorschläge.“

„Das ist `ne gute Idee, Jascha.“

„Wir werden sehen. Verzieh dich.“

Mirko versenkte die Hände in seiner Jackentasche und verließ die Villa. Dabei musste er ständig an Marissa denken und fragte sich, ob er sie wirklich einfach nur heiß fand, oder ob mehr dahinter steckte. Es hatte keine Rolle gespielt, so lange sie zusammen waren. Aber jetzt, wo alles mit einem Schlag vorbei sein sollte, war er geneigt zu glauben, dass ihn mehr an ihr anzog, als ihr toller Körper.