Liebesgrüße aus Neuschwabenland

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Leider taten sie das nicht. Dafür standen gleich zwei Beamte der IGW vor der Tür und stellten sich als Igler und Stoll vor. Der eine Herr war durch sein nervöses Blinzeln leicht als Reptiloide zu erkennen, den anderen konnte ich nicht direkt einordnen. Von der Intensität seines Aftershaves her würde ich auf einen Chem-Trailer tippen, aber ich will keine voreiligen Schlüsse ziehen. Sie ließen sich auf der Basis herumführen, danach gingen wir gemeinsam im Kasino essen. Damit konnte ich bei ihnen punkten, denn ich sollte nach dem Essen dem Koch ein Kompliment ausrichten, was ich auch umgehend tat.

Nur frage ich mich, wie Kamerad Schäufle, Diensthabender in der Küche, zukünftig mit mir umgehen wird, nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich ihn schön finde.

Neuschwabenland, 28.1.5014

Mit der Hose um die Knöchel wie ein Pinguin zur Ersatzrolle Klopapier auf der anderen Seite der Herrentoilette watscheln.

Nicht alles kann ein deutscher Soldat mit Würde tun.

Neuschwabenland, 29.1.5014

Das Gefühl, das man mit 20 noch als „Kater“ bezeichnet hat, nennt man ab 30 vereinfachend „Vormittag“.

Neuschwabenland, 30.1.5014

Heute gab es Streit im Büro. Einige wichtige Akten sind verschwunden und der Chef war mehr als ungeschmeidig deswegen. Ich habe versucht, ihn zu beschwichtigen und ihm versichert, dass die Papiere bald wieder auftauchen werden; spätestens bei der nächsten Rückgaberunde des Praline-Magazin-Lesezirkels. Diesen Vorfall nahmen einige junge Offiziere zum Anlass, sich weiter nach oben zu buckeln und warfen mir Unfähigkeit vor. Der Streit eskalierte, und als es beinahe zum Handgemenge kam, brüllte der Basiskommandant über den Flur: “Es gibt nur ein Alpha-Tier in diesem Rudel!“

Ich war sehr versucht, ihn darauf hinzuweisen, dass der Vergleich eine Gefahr in sich birgt, da Konflikte bei Hunden unter anderem auch mit Penislecken gelöst werden.

Neuschwabenland, 31.1.5014

Wieder eine neue Erkenntnis für mein Handbuch „(Über-)Leben in Neuschwaben“ gewonnen:

Man kann neun Minuten unter dem Schreibtisch verbringen, weil man einen heruntergefallenen Kugelschreiber sucht.

Danach werden die Kameraden misstrauisch.

Neuschwabenland, 31.1.5014 Nachtrag

Es hätte so ein schöner Abend werden können. Die Jahresfeier des Nudistenclubs war für den heutigen Abend angesetzt und jeder Kamerad hatte sich in Schale geworfen (=geduscht). Aber statt eines wundervollen Abends mit Schlagern und ästhetischen Tanzdarbietungen junger Neuschwabenländerinnen wurde es eine Katastrophe. Ich hatte mir gerade einen Hot Dog am Grillstand geholt und war sehr darauf bedacht, dass die heiße Sauce nicht auf meine edleren Körperteile tropfte, als eine gewaltige Explosion die Basis erschütterte. Glücklicherweise wurde niemand ernsthaft verletzt, ich selbst trug nur leichte Verbrennungen durch besagte Sauce davon.

Wir wären keine echten deutschen Soldaten, wenn selbst in diesen extremen Stresssituationen nicht der professionelle Drill unser Handeln bestimmte. Zuerst half ich, den Bierwagen wieder aufzurichten, und machte mich dann auf den Weg, um nach der Ursache für die Erschütterung zu suchen. Dazu musste ich nichts weiter tun als dem bläulichen Vril-Nebel zu folgen, der sich auf der Basis ausbreitete. Die Spur führte in den Hangar der Reichsflugscheiben und mir bot sich ein Bild des Grauens. Zum einen hatte Kamerad Schobel Wachdienst, war aber anscheinend trotzdem auf der Nudistenfeier gewesen und hatte noch keine Gelegenheit gehabt, seine Uniform wieder anzuziehen. Zum anderen lag eine der sieben Hallen in Trümmern. Eine der Reichsflugscheiben war explodiert und hatte dabei drei weitere Flugscheiben in Mitleidenschaft gezogen. Nur ein kleiner Krater war als Beweis ihrer Existenz verblieben. In den fast 80 Jahren, in denen Neuschwabenland existiert, ist es noch nie zu so einem Unglück gekommen. Die Technik der Aldebaraner gilt als absolut sicher. Es gibt keine Unfälle. Nicht einmal technische Fehlfunktionen sind bekannt. Ich stand völlig fassungslos am Rande des Kraters und hielt meinen Hot Dog immer noch fest in der Hand.

Der Hangar füllte sich schnell mit Schaulustigen und es dauerte nicht lange, bis meine Freunde von der IGW auftauchten und sich Notizen machten. Selbst die Pinguine hatten die Erschütterung in der Macht gespürt und watschelten betreten am Kraterrand hin und her.

Es ist jetzt 4:03 Uhr und ich befürchte, dass der Ärger gerade erst begonnen hat.

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LOKI

Und wenn wir noch schnell einen Pinguin umschubsen?

THOR

Haben wir keine Lizenz für. Vom Jahnke.


Feber im Jahre 5014

neuer Atlantischer Zeitrechnung

Im Kino diesen Monat:

Bela Lugosi trifft den Brooklyn Gorilla

(1933)

Neuschwabenland, 1.2.5014

Ich war heute früh schon wieder an der Unglücksstelle. Im Tageslicht sieht der Schauplatz noch schlimmer aus als in der Nacht. Glücklicherweise bin ich gestern noch geistesgegenwärtig genug gewesen, den kompletten Hangar absperren und bewachen zu lassen. Ich wollte verhindern, dass selbst die kleinste Spur auf der Suche nach dem Täter durch Unachtsamkeit zerstört wird. Noch am gleichen Abend machte auf der Basis das Gerücht die Runde, dass es sich um einen Unfall gehandelt hat. Die Vril-Technologie sei unsicher, das musste ja so kommen, ich habe es schon immer gesagt … Jeder hatte eine Meinung, aber niemand Fakten.

Eine dieser nicht beachteten Fakten ist, dass es noch nie einen Vril-Unfall gegeben hat. Heute habe ich die Unglücksstelle sorgfältig fotografiert (wobei ich mehrfach einen Pinguin aus dem Foto schieben musste) und mir die Dienstpläne der Wachmannschaft, sowie der eingeteilten Piloten bringen lassen. Bisher konnte ich nichts Ungewöhnliches finden.

Die Herren von der IGW waren ebenfalls schon früh auf, ich sah sie im Gespräch mit diversen Kameraden, wobei sie fleißig Notizen machten. Um die beiden musste ich mich später kümmern, die Auswertung der ersten Spuren hatte Vorrang.

Persönliches Logbuch Tag 1, Colonel Bramsey

„The game is afoot!“, wie mein großes Vorbild sagen würde. Die Ereignisse auf der Basis haben sich in den letzten 24 Stunden überschlagen! Zunächst war mein Plan, sicherzustellen, dass es sich bei der Feier am gestrigen Abend tatsächlich nur um ein gesellschaftliches Ereignis von Nackten handelte und nicht um ein satanisches Ritual zur Anrufung der Großen Alten. Für Letzteres gab es aus meiner Sicht nicht genügend Indizien, aber das Gerücht musste überprüft werden. Um mich unbemerkt auf die Feier einzuschleichen, hatte ich mich als Eisskulptur auf das Buffet gestellt. Dazu musste ich nur kurz die Kantine besuchen, mich in Puderzucker wälzen und das untrainierte Auge konnte den Unterschied zu einem echten Eispinguin nicht mehr feststellen. Bis auf einige unkeusche Berührungen durch den Stabsoffizier ging mein Plan auf. Wie vermutet, handelte es sich bei dem gesellschaftlichen Ereignis nur um eine Jahresfeier des Nudismus-Clubs. Ich suchte gerade den passenden Moment, mich vom Buffet zu entfernen, in dem ich meinen freien Platz durch eine gezielte Wasserlache vertuschte, als eine Explosion die Basis erschütterte. Die Unruhe unter den Soldaten half mir, mich unter sie zu mischen und mich ebenfalls zum Unglücksort zu begeben, den ich aber nur kurz inspizieren konnte, ohne weiter aufzufallen.

Viele Trümmer, anscheinend keine Verletzten oder Toten, Schwaden dichten Vril-Nebels – mehr konnte ich auf die Schnelle nicht beobachten, bevor ich von der Wachmannschaft wieder herausgedrängt wurde.

Vielleicht habe ich den Adjutanten unterschätzt und er ist cleverer als gedacht. Die Unglücksstelle wurde schnell abgesperrt und direkt danach überall Wachen stationiert. Ich konnte den Ort nicht weiter untersuchen, ohne meine Deckung zu gefährden.

Am nächsten Morgen, nach einer kräftigen Tasse Tee, war ich wieder früh am Krater im Hangar. Die Vril-Schwaden hatten sich verzogen und gaben nun einen Blick auf die Vernichtung frei. Diese Technologie ist hochgefährlich! Der Krater war ohne Übertreibung 300 Fuß tief. Völlig sauber gerade in die Erde geschnitten, als hätte jemand einen gigantischen Bohrer angesetzt. Ich hatte also Recht mit meiner Vermutung, dass die Neuschwabenländer eine außergewöhnliche Technologie nutzen. Niemand beim MI6 wird mich je wieder als Spinner bezeichnen! Ich wusste es – hier gehen merkwürdige Dinge vor sich! Nicht umsonst habe ich so lange darauf gedrängt, bis ich diesen Auftrag bekam. „Es liegt keine direkte Bedrohung vor.“ Das werden sie nie mehr zu mir sagen!

Zusammen mit mir war auch der Adjutant bereits an der Unglücksstelle und fotografierte den Ort sehr gewissenhaft. Dabei bin ich ihm mehrfach ins Bild gelaufen, um seine Arbeit ein wenig näher beobachten zu können.

Neuschwabenland, 2.2.5014

Auch wenn die 80er Jahre schon lange vorbei sind; ich kann meine Erfahrungen aus den vielen Stunden Pac-Man spielen mindestens einmal in der Woche gewinnbringend anwenden. Sie ist sehr hilfreich, wenn ich um die Besprechungstische zu den Keksen laufe, ohne dabei mit jemandem zusammenzutreffen und reden zu müssen.

Persönliches Logbuch Tag 2, Colonel Bramsey

In meiner improvisierten Dunkelkammer konnte ich meine Fotos entwickeln und habe sie bereits über eine verschlüsselte Leitung an das MI6 geschickt. In erster Linie sieht man das Ausmaß der Zerstörung, erhält aber auch einen guten Eindruck vom Rest der Reichsflugscheibenflotte in diesem Hangar. Weitere Hinweise auf Sabotage konnte ich nicht finden, wahrscheinlich handelte es sich doch um einen Unfall mit dieser tückischen Technologie. Hin und wieder ist ein anderer Pinguin in den Fotos zu sehen, der mir bei meinen Untersuchungen gar nicht aufgefallen war. Ich bin mir noch nicht sicher, ob es sich dabei um einen Zufall handelt. Es handelt sich um ein merkwürdiges Exemplar mit sehr glänzender Gefiederung am Kopf, aber matt am Körper. Vermutlich eine Nebenwirkung der intensiven Vrilstrahlung.

 

Da uns diese Vril-Technik nicht vertraut ist, fehlt es mir an der passenden Ausrüstung, um den Vorfall gründlich zu untersuchen.

Neuschwabenland, 3.2.5014

Manchmal wäre ich gerne wieder jung. Dieses Alter, wo man einfach alles wusste. Und dann auch noch besser.

Neuschwabenland, 4.2.5014

Das war heute so ein Tag, an dem man mit seinen eigenen Gedanken schweigend im Büro sitzt, die Gedanken plötzlich aufstehen und sich peinlich berührt weiter weg setzen.

Wenigstens haben meine Gedanken sich heute nicht wegen meiner Tagträume von Sigrid peinlich berührt weggesetzt, sondern weil ich, immer noch völlig ohne eine heiße Spur bezüglich der Explosion, nur die Wand angestarrt habe. Nach dem ich sämtliche Comicfiguren auf der Raufasertapete erkannt und danach alle Erhebungen gezählt hatte, wurde mir klar, dass mir meine bewährten Problemlösungsstrategien in diesem Fall nicht helfen würden. Die Untersuchungen am Tatort sind abgeschlossen, alle Berichte liegen auf meinem Tisch; dennoch bin ich völlig ratlos. Es gibt keine Anzeichen für Sabotage, aber ebenso keine Hinweise, die auf eine Fehlfunktion der Triebwerke hindeuten.

Ab morgen wird das Aufräumkommando den Hangar wiederherstellen, sodass hoffentlich bald wieder etwas Normalität ins Lager zurückkehrt.

Neuschwabenland, 5.2.5014

Dass der Döner die Basis der deutschen Ernährungspyramide ist, stellt kein Geheimnis dar. Aber der Döner ist ebenfalls die perfekte Metapher für das Leben.

Zu Beginn weiß man nicht, wo man anfangen soll und dann entgleitet es einem völlig.

Persönliches Logbuch Tag 5, Colonel Bramsey

Ich habe den gestrigen Tag damit verbracht, für meinen Pinguinkontakt Manfred Knabberfischlis zu backen. Für mein spezielles Rezept wäre er mittlerweile bereit, die komplette Basis zu verraten. Es ist mir gelungen, mich in das Aufräumkommando einteilen zu lassen, da Manfred der Schichtleiter der Reinigungstruppe ist.

Als Teil der Putztruppe konnte ich fast unbemerkt weitere Proben entnehmen und meinen Artgenossen ungezwungen bei ihren Unterhaltungen zuhören, was mir einige interessante Details lieferte. Ich muss mein erstes Urteil revidieren, dass es sich bei den Pinguinen der Basis um zurückgebliebene und unterdrückte Exemplare handelt. Die Kollegen sind sehr gut organisiert und gebildeter als ich gedacht hatte. Ich würde sie auch nicht mehr als unterdrückt bezeichnen, sondern sie haben sich auf sehr kluge Weise ihre Situation zunutze gemacht. Niemand nimmt sie hier wirklich ernst und erkennt ihr volles Potential. Ein Schicksal, das meine Art leider auf der ganzen Welt erleidet. Da sie eine Menge Nutzen aus der Basis ziehen, liegt ihnen aber auch nicht daran, dagegen zu rebellieren oder den Aufstand zu proben. Daher haben sie eine Art Parallelgesellschaft geschaffen, die alle Vorteile aus der Besetzung zieht, ohne dabei aufzufallen oder zu viel Arbeit zu generieren.

Bei den Unterhaltungen wurde mir klar: Die Pinguine wären zwar technisch in der Lage, eine Katastrophe herbeizuführen, waren aber an dieser nicht beteiligt und sind selber in Sorge, wie es zu diesem Unfall hat kommen können. Wobei sie einen eigentlichen „Unfall“ ebenfalls ausschlossen. Die Technik der Vril-Energie sei absolut sicher, es könne sich nur um einen Akt der Sabotage handeln. Mir schien außerdem, sie wüssten mehr, als sie vor dem „Neuen“ – also mir – zugeben wollten. Es war immer wieder von Akten die Rede, wobei ich mir nicht sicher bin, ob diese Akten sich auf den Vorfall bezogen oder allgemein von Interesse sind. Dieser Sache werde ich weiter nachgehen.

Bei den Aufräumarbeiten sah ich den auffälligen Pinguin wieder, den ich schon auf meinen Fotos entdeckt hatte. Er drückte sich in den Trümmern umher und verschwand schnell hinter einem ausgebrannten Triebwerk, als er mich bemerkte. Ich hätte schwören können, dass er Stiefel trug! Als ich ihn später wiedersah, trug er jedoch eindeutig keine mehr. Sollte ich mich so getäuscht haben? Er war sehr vertieft mit Manfred im Gespräch und ich konnte hin und wieder ein verschämtes Kichern von ihm hören. Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es sich bei ihm wirklich um einen männlichen Pinguin handelt. Selbst uns fällt diese Unterscheidung sehr schwer.

Neuschwabenland, 6.2.5014

Ich habe heute 500 Reichsmark Belohnung ausgeschrieben für den Kameraden, der mir ein Stück Käsekuchen und 500 Reichsmark ins Büro bringt.

Neuschwabenland, 7.2.5014

Heute mit meiner Autobiographie begonnen. Ihr Titel:

„Es hätte klappen können, kam dann aber anders.“

Mein Plan für heute war, die beiden Herrn von der IGW mit belanglosen Akten zu versorgen, sodass sie über Tage beschäftigt wären und ich mich ungestört mit meinen verschwundenen Dokumenten und der Explosion befassen konnte. So einfach ließen sich Igler und Stoll aber nicht ablenken. Sie wollten direkt zum Eingang in die Hohle Erde gebracht werden, um sich persönlich ein Bild von den Beziehungen zu den Aldebaranern zu machen. Sie gaben mir deutlich zu verstehen, dass sie einer Existenz von Aliens in der Erde sehr skeptisch gegenüberstehen. Das musste ich mir von einem Wesen sagen lassen, das alle zehn Sekunden mit einer zusätzlichen Netzhaut zwinkert.

Selbst wenn ich wollte, wäre ein Besuch nicht einfach. Die Aliens leben sehr zurückgezogen, seit sie erkannt hatten, wer dieser Führer eigentlich ist und für was er alles verantwortlich war. Wir mussten ihnen hoch und heilig versprechen, dass wir ihn direkt mit zurücknehmen und nie wieder auch nur in die Nähe des Zugangs zur hohlen Erde bringen würden. Nur durch intensive diplomatische Verhandlungen (und eine Menge Käsekuchen) war es möglich, die diplomatischen Beziehungen zu erhalten.

Wenn ich aber mit zwei Herren vor ihre Tür trete, die sich ebenfalls für Weltherrscher halten, kann das nur in einer Tragödie enden. Ich kann es nicht verhindern, aber wenigstens ein paar Tage Vorbereitungszeit aushandeln, bevor es zu diesem Zusammentreffen kommt.

Neuschwabenland, 8.2.5014

Ein guter Teil meiner Misanthropie würde sich einfach in Nichts auflösen, wenn Menschen schneller gehen und nicht im Weg stehen bleiben würden – besonders am Ende von Rolltreppen.

Neuschwabenland, 9.2.5014

Die 500 Reichsmark suchen immer noch einen neuen Besitzer und ich habe immer noch keinen Käsekuchen.

Neuschwabenland, 10.2.5014

Gestern wieder Stammtisch. Du kennst das, liebes Tagebuch. Man will nur einen Cocktail trinken, der Abend gerät völlig aus der Bahn und man wacht in Kattowitz mit nur einer Niere wieder auf.

Neuschwabenland, 11.2.5014

Und war es nicht Gandhi, der einst zu seinem Schüler sagte: „Halts Maul und geh mir einen Kaffee holen, sonst klatscht es hier gewaltig“?

Persönliches Logbuch Tag 11, Colonel Bramsey

Letzte Nacht war ich erneut unterwegs, um eine detaillierte Karte der Basis anzufertigen. Die komplette Anlage ist deutlich größer, als ich angenommen hatte. Neben dem militärischen Komplex hat sich in ihrem Umfeld über die Jahrzehnte eine Kleinstadt mit kompletter Infrastruktur entwickelt. Als der Platz in der Kaserne nicht mehr ausreichte, wurden Teile in die Stadt ausgelagert, was es für mich erheblich schwieriger macht, zu unterscheiden, ob es sich um ein operatives Ziel oder eine Kegelbahn handelt. Als ich zurückkehrte, nahm ich wie gewohnt den Weg durch den Reichsflugscheibenhangar, um in mein Quartier zu gelangen. Dabei fiel mir auf, dass in der Hausmeisterkabine noch Licht brannte. Das ist an sich nicht weiter bemerkenswert, da Manfred bis spät in die Nacht Karl May liest. Auffällig war allerdings, dass die Stube leer stand und die Tür offen. Da mein Informant sehr wertvoll für mich ist, machte ich mir direkt Sorgen und begann, mich im Hangar umzusehen. War sein „Verrat“, mich für eine kleine Bestechung in der Aufräumtruppe untergebracht zu haben, vielleicht aufgeflogen und er abgeführt worden? Nachdem ich mich in seinem kleinen Raum umgesehen, aber nichts Auffälliges gefunden hatte, zog ich mich wieder zurück. Sollte die Militärpolizei zurückkommen, um Beweismittel zu sichern, wollte ich nicht, dass sie ausgerechnet mich dort vorfindet.

Auf meinem Weg durch den Hangar hörte ich plötzlich das Geräusch eines umfallenden Blecheimers, gefolgt von aufgeregtem Gackern. Eine Taschenlampe wurde eingeschaltet und ich sah Manfred mit dem auffälligen Pinguin im Schatten einer Flugscheibe. Beide richteten sich ihr Gefieder und sahen sehr zufrieden aus. Ein Geheimnis auf dieser Basis hatte ich aufgedeckt, wenn auch nur ein sehr privates.

Neuschwabenland, 12.2.5014

Sechs Finger an einer Hand ist ein genetisch dominantes Merkmal und wird vererbt. Wie werden Menschen in der Zukunft den Stinkefinger zeigen?

Solche und andere Fragen halten mich nachts wach.

Neuschwabenland, 13.2.5014

Ich glaube, manchmal ist das Leben wie eine in unnötig komplex-redundante Worte gefasste und wenig durchdachte Metapher.

Neuschwabenland, 14.2.5014

Heute Morgen spielte der amerikanische Feindsender „Bohemian Rhapsody“ im Radio und mir war direkt klar, dass ich sechs Minuten zu spät zur Arbeit kommen würde.

Da für diesen Tag „Treffen IDW Aldebaraner“ in meinem Kalender stand, besaß ich keine große Motivation, pünktlich zu sein. Ganz im Gegensatz zu den beiden Ermittlern von der IDW, die schon seit einiger Zeit im Schneesturm vor meinem Büro standen. Manchmal glaube ich doch an so etwas wie Karma. Insbesondere, weil die kalten Temperaturen den Reptiloiden unbeweglich gemacht hatten und er sehr unelegant von seinem Kollegen in mein Büro getragen werden musste, damit er dort wieder auftauen konnte. Nach wenigen Minuten vor dem Bollerofen zuckten seine unheimlichen Augenlider leider schon wieder aufgeregt und ich wusste, dass dieser Tag unangenehm werden würde.

Nachdem Herr Igler wieder beweglich war, stiegen wir in mein Kraftfahrzeug und machten uns auf den Weg zum Eingang in die Hohle Erde, vorbei an einigen kleinen Souvenirständen und Imbissbuden, die noch geschlossen hatten. Selbst wenn die Stände geöffnet gewesen wären, hätten Igler und Stoll wahrscheinlich kein Interesse an einer Miniaturschneekugel mit Reichsflugscheiben über der Basis gehabt. Touristisch ist Neuschwabenland noch nicht sonderlich weit entwickelt, aber wir geben uns Mühe und versuchen die Region nachhaltig zu entwickeln.

Vor dem Eingang, der nicht nur zufällig einem Stargate ähnelt, musste ich die Herren aufklären, dass man nicht einfach so zu den Aldebaranern geht, sondern um eine Audienz bittet. Nach dem unerfreulichen Vorfall mit dem Alten, stehen sie Besuchern sehr kritisch gegenüber, halten sich aber an die Abmachung, die Basis mit Technik zu versorgen, während wir ihre Zuflucht beschützen. Ein weiterer Grund, warum mir der Besuch von Igler und Stoll dort nicht recht war. Wir brauchen die Aliens auch in den nächsten Jahrzehnten, die IDW nicht.

Die beiden Herren waren sehr empört über den Fragebogen zur Einreise, dabei werden nur ein paar grundlegende Dinge abgefragt und es ist noch lange nicht so entwürdigend, wie als Kriegsflüchtling aus Syrien in Deutschland Asyl zu beantragen.

Spannend war für mich die Frage, was sie bei ‚Gesinnung‘ eintragen würden. Der Reptiloide Igler wählte „totalitär“, was ich erwartet hatte, sein Kollege Stoll hingegen kreuzte „Ich bin kein Nazi, aber …“ an. Ein Pegidist also; mir blieb auch nichts erspart.

Als wir auf dem Weg zum Sicherheitsscanner waren, eskalierte die Situation plötzlich. Bis zu diesem Zeitpunkt war den beiden IDW-Vertretern nicht bewusst, dass es an der Grenze zum Gebiet der Aliens eine Kontrolle auf Waffen geben würde. Noch weniger bewusst war ihnen, dass die Aldebaraner wenig Geduld haben und gefundene Waffen direkt mit 3000 Grad Kelvin vaporisieren – auch jene, die direkt am Körper getragen werden. Es muss mir wohl entfallen sein, dieses Detail bei unserer Fahrt zum Stargate zu erwähnen.

 

Der kurze Sicherheitshinweisfilm über dem Tor zur Hohlen Erde ist jedoch sehr überzeugend in seiner Darstellung von Verbrennungsverletzungen und brachte die beiden selbst auf die Idee, den Scanner nicht zu betreten.

Igler und Stoll weigerten sich daraufhin, auch nur einen Schritt weiterzugehen und protestierten lautstark. Der Aufruhr rief die Wachen am Tor auf den Plan, welche die beiden festsetzen wollten. Ein Gedanke, der mir zwar sehr sympathisch war, aber langfristig nur mehr Ärger mit der IDW eingebracht hätte. Ich entschuldigte mich kurz für das Missverständnis und bat die Herren wieder in meinen Wagen. Diesen Vorfall konnten sie nur sich selber zuschreiben und nicht mich dafür verantwortlich machen.


(Anmerkung der Whistle Blower: An dieser Stelle lösen wir uns von der chronologischen Abfolge der Ereignisse um die Flugscheibe und dem Tagebuch des Adjutanten. In der Realität nahm der Vorfall und seine Folgen nur wenige Tage auf der Basis ein, aus dramaturgischen Gründen entschied sich die Redaktion jedoch dazu, diese Ereignisse als Einschübe im Tagebuch zu erzählen und damit die Verkaufszahlen das Interesse der Leser zu erhöhen. Die Ereignisse sind natürlich weiterhin wahr und wurden redaktionell nur leicht bearbeitet. )

Neuschwabenland, 15.2.5014

Gibt es ein Gegenteil zum Hungerstreik? Das wäre dann das Mittel der Wahl für meinen politischen Aktivismus.

Neuschwabenland, 16.2.5014

Selbst hier, im weit entfernten Neuschwabenland, ist man vor Telemarketing und Telefonumfragen nicht sicher. Man hat sich gerade bequem hingesetzt, einen großen Bissen aus dem Käsebrötchen genommen und in dem Moment klingelt das Telefon. Nur mühsam kann man mit vollem Mund ein „Mmmmpffff“ in den Hörer murmeln, und schon prasselt ein Schwall an Worten und Freundlichkeiten auf einen ein. Wenige Minuten später hat man Anteile an einer Meerschweinchenfarm in Chile gekauft oder offen gelegt, dass, wenn Sonntag Wahlen wären, man das Thema Winterschlaf nicht genug repräsentiert sähe.

Oder man greift zu seinen eigenen Waffen …

„Wir möchten Sie zu einer kostenlosen Beratung zu „Beige Westen im Alter – Wann ist der richtige Zeitpunkt?“ einladen. Dieses Gespräch kann zu Trainingszwecken aufgenommen werden.“

„Aus rechtlichen Gründen muss ich sie darauf hinweisen, dass ich während dieses Gesprächs masturbieren werde.“

Kaltakquise-Anrufe beenden kann ich.

Neuschwabenland, 17.2.5014

Zu jung, um bereits das Handtuch zu werfen und zu alt, um sich noch so tief bücken zu können, um es aufzuheben.

Neuschwabenland, 18.2.5014

Ich habe heute in einem Männermagazin gelesen, dass man als Mann meines Alters mehr Sport treiben soll und die Stimme des Körpers nicht vernachlässigen darf.

Ich bin nach der Lektüre voller Zielstrebigkeit direkt vom Schreibtisch aufgestanden, habe mir Pommes gemacht und bin zum Sofa gegangen.

Neuschwabenland, 19.2.5014

Heute Joggen gewesen. Auf der halben Strecke habe ich mich daran erinnert, dass ich Sport hasse.

An den Finder dieses Tagebuchs: Könnten Sie mich bitte abholen?

Neuschwabenland, 20.2.5014

Ich hatte heute den ganzen Tag diese innere Zerrissenheit, etwas Kluges zur Besprechung beizutragen oder mir zwei Kulis in den Mund zu stecken und täuschend echt „I am the walrus“ zu intonieren.

Neuschwabenland, 21.2.5014

Die Ergebnisse meiner Zufriedenheitsumfrage sind reingekommen. Neun von zehn Kameraden fanden mich heute netter als sonst.

Der Zehnte versucht noch, das Panzertape vom Mund zu bekommen; ich bin aber optimistisch, was die offiziellen Ergebnisse angeht.

Neuschwabenland, 22.2.5014

Es gibt diese Tage, da ist man mit der Welt nicht im Einklang und dann gibt es diese Momente, da fühlt man sich im Gleichklang mit allen Menschen auf der Welt. Zum Beispiel wenn ich im Kaufhaus aus der Umkleidekabine neben mir ein leidenschaftliches „Passt nicht! Scheiße!“ höre.

Neuschwabenland, 23.2.5014

Ich habe heute alle Komponenten am Kaffeeautomaten gepflegt, gesäubert und nachgefüllt. Selbst welche, die ich noch gar nicht kannte. Wenn diese Maschine morgen „Fiste mich“ in ihrem Display schreibt, werde ich es tun, weil ich ihr hörig bin.

Neuschwabenland, 24.2.5014

Nur Stress auf der Arbeit gehabt. Fehlende Unterlagen, nervige Kameraden und Dummheit! Dummheit, wohin man nur schaut. Manche Menschen möchte man mit einer großen Stange Toblerone verprügeln. Das würde nicht helfen, aber es würde:

a) Mich sehr entspannen.

b) Eine unglaublich lustige Anklageschrift geben.

Neuschwabenland, 25.2.5014

Eine so kleine Gemeinschaft wie die unsere ist dem dörflichen Leben nicht unähnlich. Allerdings haben wir keinen Dorftrunkenbold. Diese Verantwortung wird gerecht unter uns allen aufgeteilt.

Neuschwabenland, 26.2.5014

Ich muss mein Leben anders strukturieren. Ich verbringe immer noch zu viel Zeit damit, über jodelnde Pandas nachzudenken.

Neuschwabenland, 27.2.5014

Wir haben heute eine Kapelle im Büro gegründet. Heinz zupft die Büroklammer, Werner flüstert die Truppenzahlen in den Pappbecher, und ich übernehme die Perkussionssektion mit dem Reißverschluss an der Hose.

Wir suchen noch Tänzer.

Neuschwabenland, 28.2.5014

Habe mir ein Buch aus der Bücherei geliehen:

„Was für ein Körperteil ist das und warum schmerzt es heute? – Ein Bildatlas für über Vierzigjährige.“

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