Die erfundene Armut

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Lieber ein Reicher unter Armen sein als ein Armer unter Reichen?

Die modernen Definitionen der Armut suggerieren, dass ein Mensch, der 2000 Euro verdient, als arm anzusehen ist, wenn er in Monaco wohnt, aber als reich, wenn er in einer armen Gegend wohnt wie zum Beispiel in Afrika. Aber ist das eigentlich richtig?

Gefühlt ist ein Mensch, der 2000 oder gar 3000 Euro verdient, sicherlich arm, wenn er in Monaco wohnt, denn er sieht seine Nachbarn mit Luxusautos fahren, während er vielleicht auf die Busse angewiesen ist. Die Nachbarn tragen Uhren für mehrere Tausend Euro, ihre Frauen tragen edlen Schmuck und besuchen Schönheitsstudios. Alles das erregt den Neid vieler Durchschnittsbürger, so dass sie sich arm fühlen.

Ein selbstbewusst und selbstbestimmt lebender Mensch, der traditionelle Werte achtet und nicht dem Besitz protziger Uhren, Autos und anderem „nutzlosem Tand“, wie man sagt, hinterherjagt, würde dagegen keinen Neid kennen und genauso vergnügt in Monaco leben wie etwa im Emsland oder gar in Russland.

Im Gegenteil. Reiche Nachbarn zu haben, hat doch eigentlich nur Vorteile! Wer mit 2000 Euro Monatseinkommen in Monaco lebt, könnte vieles abstauben. Seine Nachbarn würden sich alles ständig neu kaufen und ihre hochwertigen Fernseher, Handys, E-Bikes, Kleidung oder Möbel vom Vorjahr verschenken oder auf die Straße stellen. Wenn fast alle reich sind, wird kaum einer Interesse an diesen gebrauchten Dingen haben, und jemand, der mit 2000 Euro auskommen müsste, könnte unter den besten Sachen auswählen.

Da dort auch die Regierung, die Kirchen und Vereine wohlhabend sind, bieten sie vieles umsonst an und auch eine nicht reiche Person kann so zumindest an einem Teil des kulturellen Lebens teilnehmen.

Ganz anders in Russland oder anderen ärmeren Gegenden. Wenn überhaupt einmal jemand etwas weggibt, interessieren sich gleich sehr viele Menschen dafür, so dass der Einzelne kaum einmal das Glück hat, hochwertige neuere Produkte umsonst zu ergattern. Und wenn im Herbst das Obst reift, machen sich Tausende auf, um etwas zu ergattern. Selbst für gebrauchte Kleidung müsste man wegen der hohen Nachfrage relativ viel bezahlen.

Durch seinen Beruf oder auch Teilnahme am gesellschaftlichen Leben lernt eine Person in Monaco oder einer anderen reichen Gegend schnell reiche Leute kennen, was natürlich zahlreiche Vorteile haben kann, denn einige reiche Leute sind spendabel und lassen andere, weniger wohlhabendere Menschen gerne an ihrem Reichtum teilhaben, geben Trinkgelder, gute Empfehlungen usw. Wird so ein Mensch etwa nach einem Gottesdienst, Konzert oder Sport zum Abendessen in ein Restaurant eingeladen, bezahlen oft reiche Leute für ihn mit. Lebte er hingegen in Russland oder Indien, würden die viel ärmeren Freunde umgekehrt erwarten, dass er sie freihält. Ich selbst habe auch in unterschiedlichsten Gegenden gelebt und genau dieses Phänomen in beiderlei Formen häufig erfahren.

Darüber hinaus gibt es noch einige andere Nachteile, wenn man arme Nachbarn hat. Ich wohnte oft in Mehrfamilienhäusern. Wenn ich viele arbeitslose Nachbarn oder Sozialhilfeempfänger hatte, wurde das Leben teurer für mich. Denn solche Leute bekommen die Heizkosten vom Amt bezahlt und brauchen daher nicht an der Heizung zu sparen. Ich selbst spare natürlich, schon aus umweltpolitischen Gründen und heize meine Wohnung so wie in den 70ger Jahren empfohlen nur auf 18 Grad und nicht auf 23 oder 25 Grad, wie viele Menschen es heutzutage machen. Aber die Heizungsumlage hängt nicht nur vom eigenen Verbrauch ab, sondern meistens wird ein Teil, oft sogar die Hälfte, nach dem Gesamtverbrauch des Hauses berechnet, da ein sparsamer Mieter ja von der Wärme seiner Nachbarn mitprofitiert, die durch die Wände zu ihm dringt. So wurde ich an den hohen Heizungskosten der arbeitslosen Nachbarn beteiligt.

Kommt natürlich noch hinzu, dass die Arbeitslosen viel zu Hause sind, vor dem Fernseher sitzen und frieren, während arbeitende Menschen die wenigen Stunden daheim oft in Bewegung sind, wenn sie kochen, sauber machen und andere Dinge erledigen. Während ich ohnehin nur heize, wenn ich zu Hause bin, läuft bei vielen die Heizung den ganzen Tag, wobei die Fenster oft dauerhaft gekippt sind, besonders, wenn dort Raucher wohnen.

Ein Nachbar lässt sein Küchenfenster sogar gekippt, wenn er in den Winterurlaub fährt, so dass die Heizung kräftig weiterheizt und zwar nicht sein, aber dafür mein Geld und natürlich das anderer Nachbarn und des Arbeitsamtes verbraucht. (Pech war noch dazu, dass die Wärme der Nachbarwohnungen weniger meinem Wohnzimmer zugutekam, sondern vor allem meiner Küche und meinem Schlafzimmer. Diese beiden Räume hätte ich aber gerne kühl, um mit offenem Fenster zu schlafen und damit sich Lebensmittel in der Küche länger halten.)

Gefühlte Armut

Wer sich arm fühlt, obwohl sein Einkommen eigentlich gar nicht so gering ist, er aber in einer Gegend wohnt, in der er von noch reicheren Menschen umgeben ist, ist oft ein Opfer von Neid und anderen Gefühlen, die die Freude am Leben verderben können.

Wie sehr die Gefühle die objektiven Tatsachen verändern können, hat bereits die Geschichte von dem Hotelier gezeigt, der auf einer kleinen Insel ein Hotel baute und damit scheinbar alle anderen bitterarm machte. Wie wichtig die Gefühle dabei sind, auch unabhängig von den verzerrenden Eigentümlichkeiten von Statistiken, zeigt folgende Geschichte:

In einer Ortschaft lebten zwei kleine Handwerker, ein Maurer und ein Zimmermann. Beide besaßen ein kleines Häuschen, dessen Raten sie mühselig abstotterten.

Eines Tages lag der Vater des Zimmermanns im Sterben, und er rief seinen Sohn zu sich und sagte ihm: „Im Garten unseres Hauses liegt ein Schatz aus dem Weltkrieg vergraben. Mein Vater hat ihn nach dem Abzug der Nazis gefunden und aufbewahrt. Nie hat sich ein Eigentümer gemeldet. Ich habe ihn immer aufbewahrt, falls wir einmal in Not geraten sollten. Nun, da ich sterbe, verrate ich dir das Geheimnis. Hüte den Schatz gut und gib ihn nur aus, wenn es mal wirklich wichtig wird.“

Als der Vater tot war, grub der Zimmermann den Schatz aus und stellte fest, dass er mehr als eine Million Euro wert war. Da er nicht wollte, dass seine Verwandten und Freunde erführen, dass er nun reich sei, und ihn mit Bitten um Geld nerven, grub er den Schatz wieder ein. Er beschloss, die Raten für das Haus wie bisher abzustottern und den Schatz nur in einem wirklich wichtigen Fall oder Notfall anzurühren.

Aber auch ohne dass er das Geld benutzte, machte der Schatz sein Leben viel besser, denn er wusste ja nun, dass er in Wirklichkeit sehr reich war und keine Angst mehr vor der Zukunft zu haben brauchte und konnte daher gelassen und ohne Angst vor plötzlicher Armut durch Erwerbslosigkeit, Krankheit oder Unfall in die Zukunft blicken.

Er wusste indes nicht, dass jemand ihn bei der Grabung beobachtet hatte, und zwar der jugendliche Sohn des Maurers. Dieser war drogensüchtig und nutzte die einmalige Chance, kletterte nachts über den Zaun, grub den Schatz aus, verschloss das Loch, hinterließ alles ansonsten so wie vorher und flüchtete mit dem Schatz.

Da er kein besseres Versteck wusste, vergrub er ihn erst einmal im Garten seiner Eltern, lediglich zwei Goldmünzen entnahm er, um Drogen kaufen zu können.

Am nächsten Tag kaufte er bei einem Dealer eine große Portion Drogen. Der Dealer wunderte sich über die Goldmünzen und wollte wissen, woher sie stammten. Der Jugendliche erzählte von einem Schatz, aber um das Versteck nicht zu gefährden, verdrehte er die Tatsachen und sagte, der Schatz sei im Garten des Bürgermeisters vergraben. Der Dealer fragte nach, und als die ersten Unstimmigkeiten zu Tage kamen, erschoss er den Jugendlichen zur Abschreckung für andere, die es wagen sollten, einen Dealer zu belügen.

So wusste niemand von dem Versteck des Schatzes. Der Vater des Jugendlichen wurde bald Rentner und starb ziemlich verbittert, da er unglücklich darüber war, dass andere zu Wohlstand gekommen waren, während er als ehrlicher kleiner Maurer den Gürtel so eng schnallen musste. Da er nicht wusste, dass er einen Schatz im Garten besaß, wähnte er sich arm.

Anders hingegen der Zimmermann. Er hielt mit seinem Geld Haus und hatte niemals den Schatz gebraucht, daher hatte er nicht bemerkt, dass er längst nicht mehr in seinem Besitz war. Er glaubte all die Jahre, dass er reich sei und starb glücklich und zufrieden, obwohl er in Wirklichkeit genauso wenig Geld wie der Maurer ausgeben konnte.

Diese Geschichte ist ein besonders krasses Beispiel, das zeigt, dass es oft reicht, lediglich zu glauben, dass man reich sei. Beispiele dafür, dass die Gefühle schwerer wiegen als die nackten Tatsachen, finden sich viele in der Geschichte der Menschheit.

Nehmen wir zum Beispiel die Apartheid, die Rassentrennung, die Vermischung verhindern sollte und daher die Rassen in Schulen und anderen Orten trennte, wobei die Einrichtungen regelmäßig für die herrschende Rasse deutlicher besser waren. Besonders in Südafrika und Rhodesien wurden früher die Schwarzen, die zwar die Mehrheit stellten, aber von Weißen regiert wurden, anders als die Weißen behandelt. Sie verdienten meistens weniger, durften nicht auf denselben Sitzplätzen wie die Weißen im Bus, auf Parkbänken usw. sitzen, hatten schlechtere Schulen und viele andere Nachteile. Sie waren natürlich sehr aufgebracht darüber und mit der Zeit protestierten sie immer lautstärker und auch gewaltsamer. Konfrontiert mit zusätzlichen Schwierigkeiten durch internationalen Druck gaben die Weißen ihre Vorherrschaft schließlich auf und bei freien Wahlen errangen die schwarzen Parteien die Herrschaft.

 

Besonders in Rhodesien führte das allerdings zu neuen Ungerechtigkeiten, Korruption, Unterdrückung, Gewalt und großer Armut, allerdings gleichermaßen unter den Schwarzen wie den Weißen. Den allermeisten Schwarzen ging es bald wesentlich schlechter als zuvor unter der weißen Herrschaft, während die Weißen größtenteils auswanderten.

Würde man die Schwarzen, die beides erlebt haben, nämlich die totale Armut, die bis heute andauert, und das etwas bessere Leben unter den Weißen, an dem sie sich aber nicht freuen konnten, da sie sahen, wie die Weißen ungerechterweise viel mehr besaßen, fragen, ob sie lieber wieder in der Apartheid leben wollten, würden sie bestimmt mehrheitlich verneinen, denn sie würden lieber arm sein, wenn alle arm sind, als unter Zurücksetzung und Ungerechtigkeit zu leiden.

Apartheid ist natürlich ein krasses Beispiel, denn weder Begabung noch Fleiß noch Charakter können die Rassenschranken niederreißen. Wer heute in Europa arm ist, kann immer hoffen, sein Schicksal zu ändern. Auch ein Schwarzer unter der Apartheid konnte reich werden, auch wenn er es schwerer als die Weißen hatte, aber selbst als Reichem blieben ihm viele Türen verschlossen, er hatte keine politische Gleichberechtigung, er durfte auf bestimmten Bänken nicht sitzen, bestimmte Einrichtungen nicht benutzen usw.

Diese Unzufriedenheit ist wohl leicht nachzuvollziehen. Auch heute noch sind Schwarze unzufrieden, wenn sie weniger als Weiße verdienen, selbst wenn das Gehalt eigentlich ganz gut ist. Das würde auch den Weißen so gehen, wenn es irgendwo umgekehrt wäre. So beklagen weiße Frauen in reichen europäischen Ländern nicht, dass sie generell zu wenig verdienen, aber sie ärgern sich, wenn sie feststellen, dass sie in ihrer Branche weniger als Männer verdienen, wobei auch hier natürlich die Art und Weise, wie die Statistik angelegt wird, das Ergebnis bestimmt und die Unzufriedenheit von bestimmten Gruppen bewusst geschürt wird.

Wenn die Unzufriedenheit erst geschürt wird, wie etwa in der Geschichte von dem Hotelier, der auf einer kleinen Insel mit 20 Bewohnern ein Hotel baut und damit angeblich alle in bittere Armut stürzt, wird den Bewohnern mit der politischen Agitation kein Gefallen getan. Auch viele Populisten, Rechtsradikale und Linke machen die Leute oft aus Eigennutz unzufrieden und verderben ihnen somit die Lebensqualität. Sie wissen, dass Unzufriedene viel eher populistische, rechtsradikale oder linke Politiker wählen. So machen sie Wählerstimmen, und Wählerstimmen bedeuten außer Macht meistens auch Gehälter und andere geldliche Zuwendungen für diese Parteien und ihre Politiker, die aus Spenden und staatlichen Töpfen kommen.

In Ostdeutschland gibt es etliche Menschen, die sich heute schlechter fühlen als zur Zeit des Kommunismus, obwohl ihr Lebensstandard eindeutig deutlich höher ist als damals und sie dazu alle möglichen Freiheiten besitzen. Vielleicht halten sie gerade ein Handy in der Hand und ärgern sich, dass ihr Handy nur 100 Euro wert ist, sie wissen aber, dass andere Menschen, vor allem in den teuren Städten wie München oder Stuttgart, Handys im zehnfachen Wert in der Hand halten.

Man könnte ihnen entgegenhalten: „Wenn es den Kommunismus noch gäbe, hättest du wahrscheinlich gar kein Handy. Vielleicht gäbe es nicht einmal ein Handynetz.“

Er würde aber vielleicht entgegnen: „Na und? Dann hätten wenigstens alle kein Handy.“

Ja, so lernen wir allmählich den Kern des Problems kennen: Es ist besser, wenn niemand ein Handy hat, als wenn ich ein einfaches Handy habe, bei anderen aber ein wesentlich teureres entdecke.

Das Gleiche gilt fürs Auto, den Fernseher, das Haus usw.

Das heißt allerdings auch, dass dieser Mann das alles gar nicht so richtig braucht, denn er könnte sich durchaus vorstellen, ohne diese Dinge zu leben, aber um nicht hinter den anderen zurückzubleiben muss er sie auch haben, und zwar möglichst in der gleichen Luxusausgabe.

Aber ist das noch selbstbestimmtes Leben, wenn mein Wohlbefinden und meine Zufriedenheit davon abhängt, was andere besitzen?

Nico und Franz feiern Sylvester

Nico und Franz sind die beiden Söhne einer alleinerziehenden Mutter, die nur über ein kleines Einkommen verfügt. Nachdem beide Jungs von einem Bekannten ihren Weihnachtswunsch erfüllt bekamen, indem er jedem einen niedlichen Hundewelpen schenkte, gerieten die Finanzen der Familie allmählich außer Kontrolle, denn plötzlich mussten Hundenahrung gekauft und Tierarztkosten und Hundesteuer bezahlt werden. So musste die Familie auf andere Dinge verzichten, zum Beispiel hatten die beiden Jungs seit drei Jahren keine Feuerwerkskörper mehr zu Sylvester mehr kaufen können, obwohl sie das sehr gerne gemacht hätten.

Um sie zu trösten, las ihre Mutter ihnen vor, was sie in den Nachrichten gelesen hatte: Es gab eine Stadt, auf der das Abbrennen von Feuerwerkskörpern grundsätzlich verboten war.

Franz sagte daraufhin: „Ach, wenn wir doch dort wohnten!“

Die Mutter wunderte sich und bemerkte: „Nanu, ich denke du feierst so gerne Sylvester mit Knallern?“

„Ja, schon“, antwortete Franz. „Aber wenn alle gleich wären und keiner Knaller hätte, würde es auch mir nichts ausmachen, keine zu haben. Dann würde man eben etwas anderes machen und die Knaller daher gar nicht vermissen.“

Nico hingegen widersprach: „Was redest du denn da für einen Unsinn? Hier kann man doch wenigstens am Fenster stehen und die vielen Feuerwerkskörper der anderen Leute beobachten. Wenn du in der anderen Stadt wohntest, hättest du gar keine Lichter zu Sylvester.“

Eine Parabel über den Neid

Am berühmten Strand Copacabana in Rio de Janeiro sollte das Bestehen des größten brasilianischen Fernseh- und Medienkonzerns mit einem öffentlichen Fest gefeiert werden. Die mit der Durchführung beauftragte Firma hatte eine berühmte Band eingeladen, Zelte aufgestellt, ein Feuerwerk geplant und vieles mehr. Erst kurz bevor das Fest begann, stellte man fest, dass ein unverzeihlicher Fehler begangen worden war.

Der Medienkonzern hatte mit dem Ausschenken der Getränke eigentlich Jugendliche beauftragen wollen, die bereits mit dem Sender gearbeitet hatten, aber der Plan war fallengelassen worden. Jedoch hatte niemand den Catering-Service, der das Fest organisierte, darüber informiert, und so hatte dieser keine Bedienung verpflichtet. Als die Sache erst kurz vor dem Fest ans Tageslicht kam, versuchten die Verantwortlichen, noch spontan Kellner zu verpflichten, indem sie per Lautsprecherdurchsage Menschen, die sich an der Copacabana aufhielten, dazu ermunterte, sich gegen ein gutes Honorar (100 Dollar) zur Verfügung zu stellen.

Die meisten Gäste hatten daran natürlich kein Interesse, aber es waren auch Neugierige aus den Favelas (Wohngebiete der Armen mit einfachen Häusern und Hütten) gekommen, und von denen nutzten etliche das unverhoffte Angebot und waren sehr froh darüber, ein Zubrot verdienen zu können.

Dennoch waren es viel zu wenige Arbeitskräfte, man hatte eigentlich 300 Helfer zum Servieren der Getränke haben wollen, und rund 40 hatten sich gemeldet. Einige boten sich daher an, noch Verwandte oder Freunde aus den Favelas herbeizurufen, und als dieser Vorschlag freudig aufgenommen wurde, riefen sie mit ihren Handys weitere Helfer herbei, und eine gute Stunde später war die Zahl der Helfer bereits auf 100 gestiegen. Da das immer noch zu wenig war, schickte die Firma einen Wagen in eine Favela und warb mit Lautsprecherdurchsagen weitere Mitarbeiter an. So trafen nach einer weiteren guten Stunde nochmals 80 Arbeitswillige ein. Der Wagen fuhr später sogar noch in eine andere Favela und warb weitere 70 Personen an, die um Mitternacht an der Copacabana eintrafen und noch bis 2 Uhr nachts arbeiteten.

Als das Fest um 2 Uhr zu Ende war, rief der Einsatzleiter der Firma zuerst die 70 Personen zu sich, die zuletzt gekommen waren, und gab jedem 100 Dollar. Dann rief er die 80, dann die 60 und zuletzt die 40, die seit dem Nachmittag fast 10 Stunden gearbeitet hatten.

Diese meinten natürlich, sie würden sicherlich entsprechend mehr bekommen, und als sie ebenfalls „nur“ 100 Dollar erhielten, murrten sie.

Der Leiter der Fernsehgesellschaft erklärte daraufhin den erbosten Arbeitern: „Wir hatten doch 100 Dollar vereinbart, oder? Wenn ich aus freien Stücken denen, die weniger verdient hätten, auch 100 Dollar gebe, damit auch deren Familien mal was Gutes zu essen kaufen können, ist das doch meine Sache? Was regt ihr euch darüber auf?“

Dieses ist eine Parabel, die Jesus erzählt hat. Es dürfte in seinem Sinn sein, dass ich ihr ein modernes Gewand verpasst habe, so wie er immer aktuelle Dinge in seine Parabeln verpackt hat. Genauso wie die Silvestergeschichte von Nico und Franz zeigt sie, wie Neid die Freude zerstört, wenn der Mensch nicht in der Lage ist, den Neid in sich abzustellen.

Der großzügige Bürgermeister

Es war einmal eine kleine Insel mit zehn Familien, die hatte ihren eigenen Bürgermeister, der Multimillionär war. Er hatte im Internet eine gutgehende Plattform aufgebaut, die von Facebook für viele Millionen aufgekauft worden war. Nun lebte er in Ruhe auf der Insel, hatte keinerlei Verpflichtungen, aber engagierte sich für Umweltschutz und andere gemeinnützige Dinge, weswegen er schließlich von den Mitbürgern zum Bürgermeister auserkoren worden war.

Als die Corona-Krise ausbrach, wurde die Insel wie viele andere auch isoliert. Der Bürgermeister fühlte sich verantwortlich für seine Leute, die plötzlich teilweise ohne Einkommen dastanden, und beschloss, mit seinem vielen Geld den Familien unter die Arme zu greifen.

Er besuchte seinen besten Freund, einen Musiker, und gewährte ihm monatlich 6000 Euro, damit er seine Familie erhalten konnte, aber auch weiterhin seine Musik an die Hörer bringen konnte, wozu er sich aufs Streamen verlegen und erst einmal die dazugehörigen Geräte anschaffen musste.

Dann besuchte er die Lehrerin der winzigen Inselschule und sagte ihr monatlich 3000 € zu. Dann besuchte er den Küster der kleinen Inselkirche, der auch gleichzeitig das Kirchenbüro besetzte und derart Mann für alles war, dass er bei stürmischen Sonntagen, wenn der Pastor vom Festland nicht herüberkommen konnte, sogar die Predigten hielt. Der Küster war überrascht und begeistert über das Engagement, bot Kaffee an und sie klönten bis in die Nacht hinein.

Am nächsten Tag besuchte der Bürgermeister auch die sechs Bauernhöfe. Da Bauern wenigstens zu essen haben und daher die Not nicht so groß ist, gewährte er ihnen, je nach Bauchgefühl, zwischen 400 und 2000 € pro Familie. Alle waren freudig überrascht über diese beispiellose private Initiative.

Nur die Lehrerin war total verärgert. Sie hatte gehört, dass der Musiker 6000 € bekam, sie aber gerade einmal die Hälfte, obwohl sie auch zwei Kinder hatte und als Lehrerin ebenfalls Geräte brauchte, um ihren Unterricht fortan online anbieten zu können. Sie ging daher zu den anderen Familien und hetzte gegen den reichen Mann. Der habe sie gegenüber dem Musiker benachteiligt, weil er persönliche Freundschaften über Gerechtigkeit stelle, also himmelschreiende Vetternwirtschaft betreibe. Auch gehe es nicht an, dass sie als Frau weniger bekäme als ein Mann.

Sie schrieb Briefe an Behörden und an die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises, aber als selbst die antwortete, dass sie nichts machen könne, wenn es sich um die freiwillige Verteilung von Geschenken handele, war die Lehrerin so über die Reaktionen ihrer Mitmenschen und die ungerechte Behandlung ihrer Person verbittert, dass sie sich das Leben nahm.

Ihre Beerdigung musste der Küster halten, da der Pastor wegen der Isolation der Inseln nicht auf die Insel durfte. Als er bei der Vorbereitung der Predigt so über das Leben der Frau und die Gründe ihres Selbstmordes nachdachte, fiel ihm plötzlich auf: Die Einzigen auf der Insel, die ihr Gehalt in voller Höhe behalten hatten, waren er und die Lehrerin gewesen. Eigentlich hätten sie beide gar keine Hilfe von dem Bürgermeister zu kriegen brauchen. Den Bauern ging es viel schlechter, sie standen tatsächlich auf einmal ohne Geld da, da sie nichts auf dem Festland verkaufen konnten. Warum nur hatte ausgerechnet die Lehrerin sich ungerecht behandelt gefühlt?

Natürlich sagte er nichts davon in seiner Predigt, obwohl es sicherlich eine gute Lehre für die anderen gewesen sein könnte, aber er wollte nicht für pietätlos gehalten werden und erzählte nur von den guten Seiten der Verstorbenen.

 

Wer ein selbstbestimmtes Leben führt, sollte unabhängig von äußeren Einflüssen sein. Er kauft sich nur das, was er wirklich braucht und nicht das, was er im Fernsehen, Internet oder Zeitschriften und Prospekten sieht. In diesen Medien wird der Kaufreiz mit psychologischen Tricks angeregt. Geschickt wird der Mensch von Werbefachleuten so manipuliert, dass er den Gegenstand haben möchte, obwohl er zuvor nie diesen Wunsch gehabt hat. So trinken zum Beispiel junge, attraktive und glückliche Menschen in der Werbung Coca-Cola. Jeder Mensch möchte auch jung, attraktiv und glücklich sein, er möchte wie diese Menschen in der Werbung sein und daher kauft er Coca-Cola.

Oder es wird ein Kleidungsstück von einer hübschen Person getragen gezeigt, und daher findet man das Kleidungsstück auch hübsch und möchte es haben, um so wie die Person auf dem Bild zu sein.

Der Wunsch, ein teureres Handy, ein tolles Auto oder Markenklamotten zu besitzen, ist nichts Natürliches, sondern wird durch die Werbung andere Medien in den Menschen erzeugt.

Das Gegengewicht dazu bilden Organisationen wie die Kirche, die den Menschen feste und bleibende Werte anbieten. Die Kirchen lehren, dass das Trachten nach Luxus und äußerem Protz falsch sei. In der religiösen Sprache ausgedrückt ist es Sünde. Man muss sich frei machen von solchen Süchten nach teuren Dingen und soll sich stattdessen um edle Werte bemühen, anderen Menschen helfen und ethisch korrekt leben. Es hat auch viele christliche Unternehmer gegeben, die es zu großem Reichtum gebracht haben, aber nie mit Luxus geprotzt haben.

Auch Menschen wie der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt könnte man dazu als Beispiele nehmen. Er war zwar kein eifriger Kirchengänger, aber ganz von christlicher Ethik geprägt und durchaus in der Lage, eine Bibelstunde zu leiten oder eine Predigt zu halten.

Eine Rolex oder andere Luxusuhr an seinem Handgelenk wäre völlig absurd, denn eine einfache Uhr zeigt genauso die Zeit an, und ein durch christliche Ethik geprägter Mensch würde niemals eine Uhr für 30.000 Euro kaufen, wenn eine Uhr für 20 oder 100 Euro die Zeit genauso zuverlässig anzeigt.

Als in Deutschland das Christentum noch stark war, hätte ein Lehrer oder anderer Mann keine Rolex oder andere Luxusuhr getragen, selbst wenn er sie geerbt hätte, da dann ja andere Menschen, die nicht wissen, dass er sie nicht gekauft, sondern geerbt hat, denken würden, er sei ein Protzer.

In den Medien, besonders in den Musikvideos, die für heutige Kinder und Jugendliche produziert werden, sieht man nicht nur die Verherrlichung von Gewalt, sondern vor allem Protz. In der Kirche würden die Kinder und Jugendlichen hingegen Geschichten hören, in denen gegenteilige Werte vermittelt werden, so dass sie Gefühle wie Neid abbauen, bis sie so etwas nicht mehr spüren können und Protz und Luxus keine Anziehungskraft mehr auf sie haben. Dadurch sind sie freier und glücklicher.

Natürlich ist ein gewöhnlicher Jugendlicher glücklich, wenn er ein Luxushandy bekommt, sei es geschenkt, selbst gekauft oder geklaut. Aber dieses Glücklichsein hält nicht lange an.

Christliche Menschen sind hingegen sehr glücklich nach einem schönen Konzert oder Gottesdienst, einem Bibelkreis oder anderen Ereignissen, oder wenn sie in der Natur oder ihrem Garten sind, wenn sie ein gutes Buch lesen oder einfach mit Freunden zusammen sind. Darüber hinaus sind sie von einem dauerhaften Glücksgefühl erfüllt, weil Gott ihnen gnädig ist, weil Jesus für sie gestorben ist, weil sie anderen helfen können usw.

Dadurch, dass die meisten Deutschen beschlossen haben, nicht mehr in die Kirche zu gehen, ohne darüber nachzudenken, womit sie die fehlende ethische Erziehung ersetzen können, sind sie den Einflüssen der Medien schutzlos ausgeliefert. Wer als Kind zur Kirche gegangen ist und es als Erwachsener nicht mehr tut, ist dagegen noch gefeit, denn die inneren Werte sind in ihm noch verankert. Seine Kinder hingegen wachsen ohne diese Werte auf und werden später von Neid und Sucht nach materiellen Dingen geplagt und manchmal regelrecht zerfressen, so dass sie unglücklich sind, wenn sie mangels Reichtums diese Wünsche nicht befriedigen können.

Als kleines Kind habe ich natürlich auch materielle Wünsche in mir verspürt. So fand ich einmal einen Prospekt von Fiat. Den größten und sportlichsten Wagen fand ich toll, wollte so einen Wagen haben und nervte meine Eltern damit, dass sie sich so einen kaufen sollten.

Heute bin ich völlig frei von materiellen Wünschen. Wenn ein Millionär mir sagte „Ich bin von Ihrer Musik begeistert und möchte Ihnen daher etwas schenken, sagen Sie, was sie haben möchten!“, wüsste ich keine Antwort. Ich würde mir höchstens etwas für Andere wünschen, beispielweise eine Wohnung für eine Bekannte, Hilfe für Flüchtlinge im Libanon oder ein neues Dach für eine kaputte Dorfkirche.

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