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II
Der Prozeß

Am andern Tage führte eine zahlreiche Wache Karl I. vor den hohen Gerichtshof, der sein Urtheil fällen sollte.

Das Volk belagerte die Straßen und füllte die Häuser in der Nähe des Palastes z die vier Freunde wurden auch bei den ersten Schritten, die sie machten, durch das beinahe unüberwindliche Hinderniß lebendiger Mauern aufgehalten; einige kräftige, zänkische Menschen stießen sogar Aramis so heftig zurück, daß Porthos seine furchtbare Hand aufhob und auf das mehlige Gesicht eines Bäckers fallen ließ, welches, zerquetscht wie eine reife Weintraube, sogleich die Farbe veränderte und sich mit Blut bedeckte. Diese Sache machte großen Lärmen; drei Männer wollten sich auf Porthos stürzen; aber Athos beseitigte den einen, d’Artagnan den andern und Porthos warf den dritten über seinen Kopf. Einige englische Liebhaber des Faustkampfes würdigten die rasche und leichte Weise, wie dieses Manöver ausgeführt wurde, und klatschten Beifall. Es fehlte nicht viel, daß Porthos und seine Freunde, statt niedergeschlagen zu werden, wie sie zu befürchten ansingen, im Triumphe umhergetragen wurden, aber es gelang unsern vier Freunden, welche vor Allem bange hatten, was sie in das Licht setzen konnte, sich dieser Huldigung zu entziehen. Sie gewannen jedoch Eines bei dieser herculischen Kundgebung: die Menge öffnete sich vor ihnen, und sie erreichten damit, was ihnen einen Augenblick vorher unmöglich geschienen hatte, sie konnten bis zum Palaste vordringen. Ganz London Drängte sich an den Thoren der Tribünen; als die vier Freunde endlich Eintritt erlangten, fanden sie auch die ersten Bänke bereits besetzt. Das war nur halb schlimm für Menschen, welche nicht erkannt sein wollten; zufrieden, so weit gekommen zu sein, setzten sie sich daher auf ihre Plätze, mit Ausnahme von Porthos, welcher sein rothes Wamms und seine grünen Beinkleider zeigen wollte und sehr bedauerte, daß er nicht in der ersten Reihe erscheinen konnte.

Die Bänke waren amphitheatralisch geordnet und die vier Freunde beherrschten von ihrem Platze aus die ganze Versammlung. Der Zufall hatte es gefügt, daß sie auf der Mittlern Gallerie eingetreten waren und sich gerade dem für Karl I. bestimmten Lehnstuhle gegenüber befanden.

Gegen elf Uhr Morgens erschien der König auf der Schwelle des Saales. Er trat, umgeben von Wachen, aber mit bedecktem Haupte und mit ruhiger Miene ein und ließ in allen Richtungen einen Blick voll Sicherheit umherlaufen, als sollte er den Vorsitz bei einer Versammlung ergebener, demüthiger Unterthanen führen und nicht die Anklagen eines meuterischen Gerichtshofes beantworten.

Stolz, daß sie einen König zu demüthigen hatten, schickten sich die Richter sichtbar an, von dem Rechte, das sie sich angemaßt, Gebrauch zu machen. Dem zu Folge sagte ein Gerichtsdiener zu dem König, es wäre gebräuchlich, daß der Angeklagte vor seinen Richtern das Haupt entblößte.

Ohne ein Wort zu erwidern, drückte Karl seinen Hut tiefer in seinen Kopf, den er auf eine andere Seite wandte; als sich der Gerichtsdiener entfernt hatte, setzte er sich nieder und schlug mit dem Rohre, das er in der Hand hielt, an den Stiefel.

Parry, der ihn begleitete, stand hinter ihm.

Statt diese ganze Ceremonie zu betrachten, betrachtete d’Artagnan seinen Freund Athos, auf dessen Antlitz sich alle Gemütsbewegungen ausprägten, welche der König durch Selbstbeherrschung von dem seinigen zu verbannen vermochte. Diese Aufregung von Athos, dem kalten, ruhigen Menschen, erschreckte ihn.

»Ich hoffe,« sagte er zu ihm, sich an sein Ohr neigend, »Ihr werdet ein Beispiel an Seiner Majestät nehmen und Euch nicht alberner Weise in diesem Käfig umbringen lassen.«

»Seid unbesorgt,« erwiderte Athos.

»Ah! ah!« fuhr d’Artagnan fort, es scheint, man befürchtet irgend Etwas, denn seht, die Posten verdoppeln sich. Wir hatten nur Partisanen, jetzt sind Musketen da; es gibt nun Waffen für alle Welt hier; die Partisanen sind für die Zuhörer im Parquet bestimmt, die Musketen betreffen uns.«

»Dreißig, vierzig, fünfzig, siebzig Mann,« sagte Porthos, die Ankommenden zählend.

»Ei!« versetzte Aramis, »Ihr vergeßt den Offizier, Porthos; es lohnt sich jedoch, wie es mir scheint, wohl der Mühe, ihn mitzuzählen.«

»Ho! ho!« sprach d’Artagnan und wurde bleich vor Zorn, denn er erkannte Mordaunt, der mit entblößtem Degen die Musketiere hinter den König, das heißt den Tribünen gegenüber, führte.

»Sollte er uns erkannt haben,« fuhr d’Artagnan fort; in diesem Falle würde ich ganz artig meinen Rückzug nehmen. Ich habe durchaus nicht Lust, mir irgend eine Todesart vorschreiben zu lassen, und wünsche sehr, nach meinem Gefallen zu sterben. Es ist aber keineswegs meine Wahl, in einer Schachtel todtgeschossen zu werden.«

»Nein,« sagte Aramis, »er hat uns nicht gesehen; er sieht nur auf den König. Gottes Tod! mit welchen Augen schaut ihn der Freche an! Sollte er Seine Majestät so sehr hassen, als er uns haßt?«

»Bei Gott!« sagte Athos, »wir haben ihm nur seine Mutter genommen, aber der König hat ihn seiner Güter und seines Namens beraubt.«

»Das ist richtig,« versetzte Aramis, »doch stille, der Präsident spricht zu dem König.«

Der Präsident Bradshaw sprach wirklich zu dem, erhabenen Angeklagten.

»Stuart, sagte er, »hört das Verlesen der Namen Euerer Richter und gebt dem Tribunal die Bemerkungen, die Ihr darüber zu machen habt.«

Der König, als wären diese Worte nicht an ihn gerichtet, wandte den Kopf nach einer andern Seite.

Der Präsident wartete, und da keine Erwiederung erfolgte, trat einen Augenblick Stillschweigen ein.

Von hundert und einundsechzig bezeichneten Mitgliedern konnten nur dreiundsiebzig antworten, denn vor der Mitschuld an einem solchen Akte sich scheuend, hielten sich die Andern ferne.

»Ich schreite zu dem Aufrufe,« sagte Bradshaw, ohne daß es schien, als bemerkte er die Abwesenheit von drei Fünfteln der Versammlung.

Und er fing eines nach dem andern die anwesenden und die abwesenden Mitglieder zu nennen. Die Anwesenden antworteten mit starker oder schwacher Stimme, je nachdem sie den Muth ihrer Meinung besaßen oder nicht besaßen. Ein kurzes Stillschweigen folgte stets auf den zwei Mal wiederholten Namen der Abwesenden.

Es kam die Reihe an den Namen des Obersten Fairfax und es trat jenes kurze, aber feierliche Stillschweigen ein, das die Abwesenheit der Mitglieder bezeichnete, welche nicht persönlich an dem Gerichte hatten Theil nehmen wollen.

»Der Oberste Fairfax!« wiederholte Bradshaw.

»Fairfax?« antwortete eine spöttische Stimme, in der man an ihrem silbernen Klange eine Frauenstimme erkannte, »er hat zu viel Geist, um hier zu sein.«

Ein ungeheueres Gelächter empfing diese Worte, die mit jener Kühnheit ausgesprochen wurden, welche die Frauen in ihrer Schwäche schöpfen, in einer Schwäche, die sie vor jeder Rache sichert.

»Das ist die Stimme einer Frau,« sagte Aramis. »Ah! bei meiner Treue, ich würde viel geben, wenn sie jung und hübsch wäre.«

Und er stieg auf die Stufen und suchte auf die Tribüne zu sehen, von der die Stimme gekommen war.

»Bei meiner Seele!« sprach Aramis, »sie ist reizend; schaut sie doch an, d’Artagnan, Jedermann sieht nach ihr, und sie ist trotz des Blickes von Bradshaw nicht erbleicht.«

»Es ist Lady Fairfax selbst,« versetzte d’Artagnan; »Ihr erinnert Euch, Porthos? wir haben sie mit ihrem Gatten bei General Cromwell gesehen.«

Nach einem Augenblick war die durch diese sonderbare Episode gestörte Ruhe wieder hergestellt und der Aufruf dauerte fort.

»Diese Bursche werden die Sitzung aufheben, wenn sie wahrnehmen, daß nicht die hinreichende Anzahl vorhanden ist,« sprach der Graf de la Fère.

»Ihr kennt sie nicht, Athos; seht das Lächeln von Mordaunt, seht, wie er den König anschaut. Ist dieser Blick der eines Menschen, welcher befürchtet, sein Opfer könnte ihm entkommen? Nein, es ist das Lächeln des befriedigten Hasses, der Rache, welche ihren Durst zu stillen sicher ist. Ah! verfluchter Basilisk, es wird ein glücklicher Tag für mich sein, der, an dem ich etwas Anderes, als den Blick mit Dir kreuze.«

»Der König ist in der That schön,« sagte Porthos, »und seht, wie sorgfältig hat er sich, obgleich ein Gefangener, gekleidet. Die Feder auf seinem Hute ist wenigstens fünfzig Pistolen Werth; schaut sie doch an, Aramis.«

Als der Aufruf beendigt war, gab der Präsident Befehl, zur Verlesung der Anklageakte überzugehen.

Athos erbleichte: er sah sich abermals in seiner Erwartung getäuscht. Obgleich die Zahl der Richter unzulänglich war, sollte der Prozeß dennoch instruirt werden; der König war also zum Voraus verurtheilt.

»Ich habe es Euch gesagt, Athos,« sprach d’Artagnan, die Achseln zuckend; »aber Ihr zweifelt immer. Nun faßt Euren Muth in beide Hände und hört, ohne Euer Blut zu sehr in Aufwallung gerathen zu lassen, die kleinen Abscheulichkeiten, welche jener Herr im schwarzen Gewände von seinem König mit Fug und Recht sagen wird.«

Es hatten in der That nie eine rohere Anklage, gemeinere Beleidigungen, eine blutigere Verfolgung die Majestät gebrandmarkt. Bis dahin hatte man sich begnügt, die Könige zu ermorden, aber die Beleidigung wurde wenigstens nur ihrem Leichname zugefügt.

Karl I. hörte die Rede des Anklägers mit besonderer Aufmerksamkeit, ließ die Beleidigungen vorübergehen, behielt die Beschwerden und lächelte verächtlich, wenn der Haß zu sehr überströmte, wenn sich der Ankläger zum Voraus zum Henker machte. Es war im Ganzen ein furchtbares Werk, worin der König alle seine Unklugheiten in heimtückische Streiche verwandelt, alle seine Irrthümer in Verbrechen umgestaltet sah.

D’Artagnan, welcher diesen Strom von Beleidigungen mit der ganzen Verachtung, die sie verdienten, vorübergehen ließ, verweilte jedoch mit seinem scharfen Geiste bei mehreren Beschuldigungen des Anklägers.

 

»Es ist wahr,« sagte er, »wenn man wegen der Unklugheit und des Leichtsinns bestraft, so verdient dieser König eine Bestrafung; aber es scheint mir, die, welche er in diesem Augenblicke auszustehen hat, ist grausam genug.«

»In jedem Falle,« erwiderte Aramis, »sollte die Strafe nicht den König, sondern seine Minister treffen; denn das erste Gesetz der englischen Constitution ist: Der König kann nicht fehlen.«

»Ich meines Theils,« dachte Porthos, Mordaunt anschauend und sich mit diesem beschäftigend, »würde, wenn dies nicht die Majestät der Dinge verletzen hieße, von der Tribüne hinabspringen, mit drei Sätzen über Herrn Mordaunt herfallen und ihn erdrosseln. Ich nähme ihn bei den Füßen und schlüge alle diese schlechten Musketiere nieder, welche die Musketiere von Frankreich parodieren. Während dieser Zeit fände d’Artagnan, der voll Geist und Witz ist, vielleicht ein, Mittel, den König zu retten. Ich muß mit ihm davon sprechen.«

Feuer im Gesicht, die Fäuste geballt, die Lippen blutig durch seine eigenen Bisse, schäumte Athos auf seiner Bank. Wüthend. über diese ewige parlamentarische Beleidigung, über diese lange königliche Geduld, hatten sich dieser unbeugsame Arm, dieses unerschütterliche Herz in eine zitternde Hand, in einen bebenden Körper verwandelt.

In diesem Augenblick endigte der Ankläger sein Amt mit den Worten:

»Gegenwärtige Anklage wird von uns im Namen des englischen Volkes vorgebracht.«

Auf diese Worte folgte ein Gemurmel auf den Tribünen und eine andere Stimme, keine Frauenstimme, sondern eine wüthende Männerstimme donnerte hinter d’Artagnan.

»Du lügst!« rief die Stimme, »neun Zehntheile des englischen. Volkes verabscheuen, was Du sagst!«

Diese Stimme war die von Athos, welcher außer sich, hoch ausgerichtet, den Arm ausgestreckt, dem öffentlichen Ankläger so entgegentrat.

König, Richter, Zuschauer, alle Welt wandte bei dieser Anrede die Augen nach der Tribüne, auf der sich die vier Freunde befanden.

Mordaunt machte es wie die Uebrigen und erkannte den Edelmann, um den sich die drei andern Franzosen bleich und drohend erhoben hatten. Seine Augen flammten vor Freude. Er hatte diejenigen wiedergefunden, deren Aufsuchung und Tod er sein Leben weihte. Eine wüthende Bewegung sammelte rasch um ihn her zwanzig von seinen Musketieren, und mit dem Finger auf die Tribüne deutend, wo seine Feinde waren, rief er:

»Feuer! Feuer auf diese Tribüne!«

Aber schnell wie der Gedanke faßte d’Artagnan Athos um den Leib, packte Porthos Aramis, und sie sprangen von den Stufen hinab, stürzten in die Corridore, eilten über die Treppen und verloren sich in der Menge, während im Innern des Saales die angeschlagenen Musketen dreitausend Zuschauer bedrohten, deren Angstgeschrei, deren von Schrecken erfüllter Ruf um Hilfe den bereits zu einem Blutbade gegebenen Antrieb wieder in Fesseln hielten.

Karl hatte die vier Franzosen ebenfalls erkannt. Er legte eine Hand auf sein Herz, um die Schläge zurückzudrängen, die andere auf seine Augen, um seine treuen Freunde nicht erwürgen zu sehen.

Bleich und zitternd vor Wuth stürzte Mordaunt, den bloßen Degen in der Faust, mit zehn Hellebardieren aus dem Saale, durchwühlte fragend und keuchend die Menge, und kehrte sodann zurück, ohne etwas gefunden zu haben.

Es herrschte eine unbeschreibliche Bewegung. Mehr als eine halbe Stunde verging, ohne daß irgend Jemand sich hörbar machen konnte. Die Richter glaubten, jede Tribüne wäre im Begriff, zu donnern. Die Tribünen sahen die Musketen auf sich gerichtet und blieben, zwischen Furcht und Neugierde getheilt, lärmend und stürmisch.

Endlich stellte sich die Ruhe wieder her.

»Was habt Ihr zu Eurer Vertheidigung zu sagen?« fragte Bradshaw den König.

Das Haupt beständig bedeckt, erhob sich der König, nicht aus Demuth, sondern im Bewußtsein seiner Herrscherwürde, und sprach mit dem Tone eines Richters, nicht mit dem eines Angeklagten:

»Ehe Ihr mich fragt, antwortet mir. Ich war frei in Newcastle; ich schloß einen Vertrag mit den zwei Kammern. Statt Eurer Seits diesen Vertrag zu erfüllen, den ich meiner Seits erfüllte, habt Ihr mich den Schottländern abgekauft, ich weiß, um keinen hohen Preis, und das macht der Sparsamkeit Eurer Verwaltung Ehre. Hofft Ihr aber, ich habe aufgehört, Euer König zu sein, weil Ihr den Preis eines Sklaven für mich bezahltet? Euch antworten, hieße die Königswürde vergessen; ich werde Euch also nicht eher antworten, als bis Ihr das Recht, mich zu befragen, nachgewiesen habt. Euch antworten hieße Euch als meine Richter anerkennen, und ich erkenne in Euch nur meine Engländer.«

Und mitten unter einer Todesstille setzte sich Karl ruhig, stolz und stets bedeckten Hauptes wieder in seinen Lehnstuhl.

»Warum sind meine Franzosen nicht da?« murmelte Karl, die Augen nach der Tribüne wendend, wo sie einen Augenblick erschienen waren. »Sie würden sehen, daß ihr Freund lebend der Vertheidigung, todt des Beweinens würdig ist.«

Aber er mochte immerhin die Tiefe der Menge durchforschen und sich gleichsam von Gott diese tröstende, süße Gegenwart erbitten: er sah nichts als starre, furchtsame Gesichter und suhlte sich dem Kampfe mit dem Haß und der Grausamkeit preisgegeben

»Nun wohl,« sprach der Präsident, als er Karl zu einem unüberwindlichen Schweigen entschlossen sah, »es sey, wir werden Euch trotz Eures Stillschweigens richten. Ihr seid des Verraths, des Mißbrauchs der Gewalt und des Mordes angeklagt. Die Zeugen werden diese Anklage beglaubigen. Geht, und eine nächste Sitzung mag in Erfüllung bringen, was Ihr in dieser zu thun Euch weigert.«

Karl stand auf und sagte, sich gegen Parry umwendend, den er bleich und die Schlafe in Schweiß gebadet hinter sich stehen sah:

»Ei, mein guter Parry, was setzt Dich denn so sehr in Bewegung?«

»Oh! Sire,« antwortete Parry, Thränen in den Augen und mit flehendem Tone, »schaut nicht links, wenn Ihr den Saal verlaßt.«

»Warum dies?«

»Schaut nicht links, ich bitte Euch, mein König.«

»Aber was gibt es denn? sprich doch,« sagte Karl und suchte durch die Linie von Wachen zu schauen, welche hinter ihm aufgestellt war.

»Sie haben … aber nicht wahr, Ihr schaut nicht hin? sie haben auf einen Tisch das Beil legen lassen, mit welchem man die Verbrecher hinrichtet. Der Anblick ist gräßlich, schaut nicht hin, Sire, ich flehe Euch an.«

»Die Dummköpfe!« sagte Karl, »halten sie mich für einen Feigen, wie sie sind. Es war gut von Dir, daß Du mich darauf aufmerksam machtest; ich danke Dir, Parry.«

Und da der Augenblick sich zurückzuziehen gekommen war, so entfernte sich der König, seinen Wachen folgend.

Links von der Thüre glänzte in düsterem Schimmer auf einem rothen Teppich das Weiße Beil mit dem langen von der Hand des Nachrichters geglätteten Stiele.

Als Karl sich dem Tische gegenüber befand, blieb er stehen, wandte sich um und sagte lächelnd;

»Ah! ah! das Beil! ein geistreicher Popanz und ganz würdig der Menschen, welche nicht wissen, was ein Edelmann ist; du machst mir nicht bange, Henkersbeil,« fügte er bei, und schlug darauf mit dem dünnen, biegsamen Rohre, das er in der Hand hielt, »und ich schlage dich, in christlicher Geduld wartend, bis du es mir zurückgibst.«

Mit königlicher Verachtung die Achseln zuckend, setzte er sodann seinen Weg fort und ließ in gewaltigem Erstaunen diejenigen hinter sich, welche sich in Masse um den Tisch gedrängt hatten, um das Gesicht des Königs zu sehen, wenn er dieses Beil erblicken würde, welches seinen Kopf von seinem Leibe trennen sollte.

»In der That, Parry,« fuhr der König weiter schreitend fort, »alle diese Leute halten mich, Gott verzeihe mir, für einen Baumwollenhändler und nicht für einen König, der daran gewöhnt ist. Eisen glänzen zu sehen: glauben sie denn, ich sei nicht so viel Werth, als ein Schlächter?«

Als er diese Worte sprach, gelangte er zu der Thüre; es hatte sich eine Volksmasse herbeigedrängt, welche, da sie keinen Platz auf den Tribünen fand, wenigstens das Ende des Schauspiels genießen wollte, dessen interessantester Theil ihr entgangen war. Diese zahllose Menge, in deren Reihen man drohende Gesichter erblickte, entriß dem König einen leichten Seufzer.

»Wie viele Menschen,« dachte er, »und nicht ein ergebener Freund!«

Als er aber diese Worte der Entmuthigung und des Zweifels in seinem Innern sprach, antwortete eine Stimme in seiner Nähe:

»Heil der gefallenen Majestät!«

Der König wandte sich, Thränen in den Augen und im Herzen, rasch um.

Es war ein alter Soldat von seinen Leibwachen, welcher den König nicht wollte vorübergehenlassen, ohne ihm diese letzte Huldigung darzubringen.

Aber in demselben Augenblick wurde der Unglückliche mit Schwertknopfschlägen bearbeitet.

Unter den Schlägern erkannte der König den Kapitän Groslow.

»Ach? das ist eine schwere Strafe für einen sehr kleinen Fehler,« sprach Karl.

Das Herz zusammengeschnürt, ging er weiter, doch er hatte noch nicht hundert Schritte gemacht, als ein Wüthender, sich durch zwei Soldaten des Gliedes vorbeugend, dem König in das Gesicht spuckte, wie einst ein schändlicher, verfluchter Jude Jesus von Nazareth in das Gesicht gespieen hatte.

Gewaltiges Gelächter und finsteres Gemurmel erschollen gleichzeitig; die Menge zog sich zurück, drängte sich wieder herbei, wogte wie ein stürmisches Meer, und es kam dem König vor, als sähe er mitten in der lebendigen Welle die funkelnden Augen von Athos glänzen.

Karl wischte sich das Gesicht ab und sagte mit einem traurigen Lächeln:

»Der Unglückliche! für eine halbe Krone würde er dasselbe seinem Vater thun.«

Der König hatte sich nicht getäuscht: er hatte wirklich Athos und seine Freunde gesehen, welche unter die Gruppen gemischt den königlichen Märtyrer mit einem letzten Blicke geleiteten.

Als der Soldat Karl begrüßte, zerschmolz das Herz von Athos vor Freude, und der Unglückliche konnte, wieder zu sich kommend, in seiner Tasche zehn Guineen sinken, die der französische Edelmann hatte hineinschlüpfen lassen; als jedoch der feige Beleidiger dem gefangenen König in das Gesicht spie, fuhr Athos mit der Hand an den Dolch.

Aber d’Artagnan hielt diese Hand zurück und sprach mit rauhem Tone:

»Warte!«

D’Artagnan hatte nie zuvor Athos oder den Grafen de la Fère geduzt.

Athos hielt inne.

D’Artagnan stützte sich auf Athos, bedeutete Porthos und Aramis, sie sollten sich nicht entfernen, und stellte sich hinter den Mann mit den bloßen Armen, welcher noch über seinen schändlichen Spaß lachte und von einigen anderen Wüthenden beglückwünscht wurde.

Der Mensch ging nach der City. Immer noch auf Athos gestützt, folgte ihm d’Artagnan mit seinen Freunden.

Der Mensch mit den bloßen Armen, der ein Fleischerknecht zu sein schien, stieg mit zwei Kameraden durch ein abschüssiges, vereinzeltes Gäßchen hinab, welches nach dem Flusse zu lief. D’Artagnan hatte den Arm.von Athos losgelassen und marschierte hinter dem Beleidiger.

In der Nähe des Wassers angelangt, sahen diese drei Menschen, daß man ihnen folgte, blieben stehen und wechselten, die Franzosen frech anschauend, einige Späße.

»Ich verstehe nicht Englisch, Athos,« sagte d’Artagnan, »aber Ihr versteht es und werdet mir als Dolmetscher dienen.«

Nach diesen Worten gingen sie, den Schritt verdoppelnd, an den drei Menschen vorbei. Doch sich plötzlich umwendend, schritt d’Artagnan auf den Fleischerknecht zu, welcher stehen blieb, berührte seine Brust mit der Spitze seines Zeigefingers und sagte zu seinem Freunde:

»Wiederholt ihm Folgendes, Athos: Du bist feig gewesen, Du Hast einen wehrlosen Mann beschimpft, Du Hast das Gesicht Deines Königs befleckt, Du mußt sterben! …«

Bleich wie ein Gespenst und von d’Artagnan am Faustgelenke gehalten, übersetzte Athos diese seltsamen Worte dem Menschen, der, als er die finsteren Vorbereitungen und das furchtbare Auge von d’Artagnan gewahrte, sich zur Wehr setzen wollte. Aramis fuhr bei dieser Bewegung mit der Hand an sein Schwert.

»Nein, kein Eisen, kein Eisen!« sagte d’Artagnan, »das Eisen ist für Edelleute.« Und den Fleischerknecht bei der Gurgel packend, rief er: »Porthos, schmettert diesen Elenden mit einem Faustschlage nieder.«

Porthos hob seinen furchtbaren Arm, ließ ihn wie den Stiel einer Schleuder durch die Lust pfeifen, und die gewichtige Masse fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den Schädel des Feigen, den sie zerschmetterte.

Der Mensch stürzte nieder wie der Ochs unter dem Hammer.

Seine Gefährten wollten schreien, wollten fliehen, aber die Sprache fehlte ihrem Munde und ihre zitternden Beine brachen unter ihnen.

»Sagt ihnen noch Folgendes, Athos,« sprach d’Artagnan, » so werden alle diejenigen sterben, welche vergessen, daß ein gefesselter Mensch ein heiliges Haupt, daß ein gefangener König doppelt der Stellvertreter Gottes ist.«

 

Athos wiederholte die Worte von d’Artagnan.

Stumm, mit gesträubten Haaren, schauten die zwei Menschen den Leichnam ihres Gefährten an, welcher in Wellen schwarzen Blutes schwamm; dann zugleich die Stimme und ihre Kräfte wieder erlangend, rangen sie die Hände, schrieen und entflohen.

»Es ist Recht geschehen,« sprach Athos, sich die Stirne abtrocknend.

»Und nun,« sagte d’Artagnan zu Athos, »nun zweifelt nicht mehr an mir und haltet Euch ruhig; ich übernehme Alles, was den König betrifft.«