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Zwanzig Jahre nachher

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»Oh, nun kann er sterben!« rief Scarron.

»Wie so?« sagte das Mädchen mit den Sammetaugen.

»Ganz gewiß; seine Lobrede ist gemacht.«

Und man trennte sich lachend. Das junge Mädchen wandte sich, um den armen Lahmen theilnehmend anzuschauen. Der arme Lahme folgte ihr voll Liebe mit den Augen.

Allmählich lichteten sich die Gruppen. Scarron stellte sich, als bemerkte er nicht, daß einige von seinen Gästen geheimnißvoll mit einander gesprochen halten, daß Briefe für mehrere gekommen waren und daß seine Abendgesellschaft überhaupt einen geheimen Zweck gehabt zu haben schien, der sich weit von der Literatur entfernte, über die indessen so viel Lärmen gemacht worden war. Aber was lag Scarron daran, man konnte jetzt in seinem Hause nach Gefallen schmähen und intriguiren; seit diesem Morgen war er wie er gesagt hatte, nicht mehr der Kranke der Königin.

Raoul begleitete wirklich die Herzogin bin zu ihrem Wagen, wo sie Platz nahm, indem sie ihm ihre Hand zu küssen gab. Dann aber ergriff sie ihn in einer von den tollen Launen, die sie so anbetungswürdig und besonderen so gefährlich Machten, plötzlich beim Kopfe, küßte ihn auf die Stirne und sprach:

»Vicomte, möchten Euch meine Wünsche und dieser Kuß Glück bringen.«

Hiernach stieß sie ihn wieder zurück und befahl ihrem Kutscher, nach dem Hotel Luynes zu fahren. Der Wagen entfernte sich. Frau von Chevreuse machte dem jungen Manne ein letzten Zeichen durch den Schlag, und Raoul stieg ganz verblüfft wieder die Treppe hinauf.

Athos begriff, was vorgegangen war.

»Kommt, Vicomte,« sagte er, »es ist Zeit zum Rückzuge. Ihr reist morgen zu der Armee den Herrn Prinzen ab; schlaft Eure letzte bürgerliche Nacht gut.«

»Ich werde also Soldat,« sagte der Jüngling.

»Oh! Herr, Dank, aus vollem Herzen Dank!«

»Adieu, Graf,« sprach der Abbé d’Herblay; »ich kehre in mein Kloster zurück.«

»Adieu, Abbé,« sagte der Coadjutor; »ich predige morgen und habe mich diesen Abend noch über zwanzig Texte zu besinnen.«

»Adieu, meine Herren,« rief der Graf, »ich werde vier und zwanzig Stunden hinter einander schlafen, denn ich sinke vor Müdigkeit beinahe um.«

Die drei Männer begrüßten sich und gingen weg, nachdem sie, einen letzten Blick gewechselt hatten.

Scarron folgte ihnen aus einem Winkel seinen Augen durch die Thürvorhänge seinen Salons.

»Keiner von ihnen thut, was er sagte,« murmelte er mit seinem affenartigen Lächeln; »aber sie mögen es so halten, die braven Leute! Wer weiß, ob sie nicht arbeiten, daß ich meine Pension zurückbekomme? Sie können die Arme bewegen, das ist viel! Ach! ich habe nur die Zunge, aber ich werde zu beweisen suchen, daß dies auch etwas ist. Holla! Champnois, es hat elf Uhr geschlagen; rolle mich nach meinen, Bette. In der Tat, Fräulein d’Aubigné; ist sehr reizend!

Hierauf verschwand der arme Lahme in seinem Schlafzimmer, dessen Thüre sich hinter ihm schloß, und die Lichter erloschen allmählich im Salon der Rue des Tournelles.

III
Saint-Denis

Der Tag graute, als Athos aufstand und sich ankleiden ließ; an seiner außergewöhnlichen Blässe und einem ruhelosen Ausdruck in seinen Augen ließ sich leicht erkennen, daß er beinahe die ganze Nacht schlaflos zugebracht haben mußte. Gegen die Gewohnheit des sonst so festen und entschiedenen Mannes lag an diesem Morgen etwas Langsames, Unentschlossenes in seinem ganzen Wesen.

Er war froh, weil er sich mit den Vorbereitungen zur Abreise Raouls beschäftigte und Zeit zu gewinnen suchte. Zuerst putzte er selbst ein Schwert, das er aus einem Etuie von parfümiertem Leder nahm, untersuchte, ob der Griff gehörig lag und ob die Klinge gut am Griffe befestigt war.

Dann warf er in ein für den jungen Mann bestimmtes Felleisen ein Säckchen voll Louisd’or, rief Olivain – so hieß der Lakai, der ihm von Blois gefolgt war – und ließ ihn den Mantelsack in seiner Gegenwart packen, wobei er genau darüber wachte, daß alle für einen ins Feld ziehenden jungen Menschen erforderlichen Gegenstände hineingelegt wurden.

Nachdem er beinahe eine Stunde auf alle diese Dinge verwendet hatte, öffnete er die Thüre, welche in das Zimmer des Vicomte führte, und trat, sachte ein.

Die bereite strahlende Sonne drang in das Zimmer durch die breiten Fensterflügel, deren Vorhänge zu schließen Raoul, spät zurückgekehrt, vergessen hatte. Den Kopf anmuthig auf den Arm gelehnt, schlief er noch. Seine langen, schwarzen Haare bedeckten halb seine reizende Stirne, welche feucht war von dem Dunste, der in Perlen an den Wangen des milden Kindes herabrollte.

Athos näherte sich und schaute, den Körper vorgebeugt in einer Haltung voll zarter Schwermuth, lange den Jüngling mit dem lächelnden Munde, mit den halb geschlossenen Augenlidern an, dessen Traum süß, dessen Schlaf leicht sein mußte, so viel Liebe und Sorgfalt verwandte sein Schutzengel auf seine stumme Bewachung. Allmählich ließ sich Athos zu dem Zauber seiner Träumerei in Gegenwart dieser so reichen, so reinen Jugend hinziehen. Seine Jugend tauchte wieder in seinem Innern auf, mit allen ihren süßen Erinnerungen, welche mehr Wohlgerüche sind, als Gedanken. Zwischen dieser Vergangenheit und der Gegenwart lag eine Kluft. Aber die Einbildungskraft hat den Flug den Engels und des Blitzes; sie überspringt die Meere, wo wir beinahe Schiffbruch gelitten hätten, durchdringt die Finsterniß, in der sich unsere Illusionen verloren haben, fliegt über, die Abgründe, in die unser Glück gestürzt ist. Er dachte daran, daß der ganze erste Theil seines Lebend von einer Frau zertrümmert worden war, und er überlegte, sich mit Schrecken, welchen Einfluß die Liebe auf eine zugleich so zarte und so kräftige Organisation haben konnte.

Während er sich dessen erinnerte, was er gelitten hatte, sah er im Geiste das voraus, was Raoul leiden konnte, und der Ausdruck zärtlichen, tiefen Mitleide, welchen sein Herz erfüllte, verbreitete sich in dem feuchten Blicke, mit dem er den Jüngling anschaute.

In diesem Augenblick erwachte Raoul, mit jenem Erwachen ohne Wolken, ohne Finsterniß und ohne Müdigkeit, das gewisse Organisationen so zart wie die des Vogels charakterisirt. Seine Augen hefteten sich auf die von Athos, und er begriff ohne Zweifel Alles, was in dem Herzen dieses Mannen vorging, der sein Erwachen erwartete, wie ein Liebender auf das Erwachen der Geliebten harrte, denn sein Blick nahm nun ebenfalls den Ausdruck unendlicher Liebe an.

»Ihr waret hier?« sprach er ehrfurchtsvoll.

»Ja, Raoul, ich war hier,« erwiderte der Graf.

»Und Ihr wecktet mich nicht?«

»Ich wollte Euch noch einige Augenblicke diesem guten Schlafe überlassen, mein Freund. Ihr müßt müde sein von dem gestrigen Tage her, der sich bis in die Nacht hinein verlängert hat.«

»O Herr, wie gut seid Ihr!« rief Raoul.

Athos lächelte und sagte:

»Wie befindet Ihr Euch?«

»Vollkommen wohl, Herr, und völlig ausgeruht und heiter.«

»Ihr wachst noch,« fuhr Athos mit der väterlichen Theilnahme des reifen Mannen für den Jüngling fort, »und die Anstrengungen wirken doppelt in Eurem Alter.«

»Ah! Herr, ich bitte um Vergebung,« sprach Raoul beschämt durch so große Zuvorkommenheit, »aber ich werde in einem Augenblick angekleidet sein.«

Athos rief Olivain, und nach Verlauf von zehn Minuten war der Jüngling mit der Pünktlichkeit, welche Athos im Militärdienste erlernt und auf seinen Mündel übertragen hatte, zum Aufbruche bereit.

»Nun besorge mein Gepäcke,« sagte Raoul zu dem Lackeien.

»Euer Gepäcke erwartet Euch, Raoul,« sprach Athos; »ich habe Euer Felleisen unter meinen Augen packen lassen, und es wird Euch nichts fehlen. Es muß bereits, so wie Mantelsack des Lackein, auf den Pferden sein, wenn man die Befehle, die ich gegeben, befolgt hat.«

»Allee ist nach dem Willen des Herrn Grafen geschehen,« sagte Olivain, »und die Pferde harren unten.«

»Und ich schlief!« rief Raoul, »während Ihr, Herr, die Güte hattet, Euch mit allen diesen einzelnen Dingen zu beschäftigen. Oh, in der That, Ihr überhäuft mich mit Wohlthaten!«

»Ihr liebt mich also ein wenig, wie ich hoffe?« versetzte Athos mit beinahe gerührtem Tone.

»O Herr!« rief Raoul, welcher, um die innere Erschütterung nicht durch einen Ausstrom von Zärtlichkeit kundzugeben, sich bis zum Ersticken zusammenhielt. »Oh, Gott ist mein Zeuge, daß ich Euch liebe und verehre.«

»Seht, ob nichts vergessen ist,« sprach Athos und gab sich den Anschein, als suchte er umher, um seine Rührung zu verbergen.

»Nein, Herr,« sprach Raoul.

Der Lackei näherte sich Athos mit einem gewissen Zögern und sagte leise zu ihm:

»Der Herr Vicomte hat keinen Degen, denn der Herr Graf hieß mich gestern den, welchen er ablegte, wegnehmen.«

»Schon gut,« antwortete Athos, »das ist meine Sache.«

Raoul schien diesen Zwiesprach nicht zu bemerken. Er stieg hinab und schaute dabei jeden Augenblick den Grafen an, um zu sehen, ob der Augenblick des Scheidens gekommen wäre. Ader das Gesicht von Athos veränderte sich nicht im Geringsten.

Als Raoul die Freitreppe erreichte, erblickte er drei Pferde.

»O Herr!« rief er ganz strahlend, »Ihr begleitet mich also?«

»Ich will Euch ein wenig führen,« antwortete Athos.

Die Freude glänzte in den Augen von Raoul, und er schwang sich leicht auf sein Pferd.

Athos bestieg langsam das seinige, nachdem er zuvor leise ein Wort zu dem Lackeien gesagt hatte, der, statt unmittelbar zu folgen, sich wieder in die Wohnung zurückbegab. Entzückt, in der Gesellschaft den Grafen zu sein, bemerkte Raoul nichts oder stellte sich wenigstens, als bemerkte er nichts.

Die zwei Edelleute schlugen den Weg nach dem Pont-Neuf ein, folgten dann den Quais, oder vielmehr dem, was man damals die Pepintränke nannte, und ritten an den Mauern den Grund Chatelet hin. Sie gelangten eben an die Rue Saint-Denis, als der Lackei sie wieder einholte.

 

Der Weg wurde stillschweigend zurückgelegt. Raoul fühlte wohl, daß der Augenblick der Trennung, herannahte. Der Graf hatte am Abend vorher verschiedene Befehle in Beziehung auf Dinge gegeben, welche den Verlauf den Tages betrafen. Ueberdies verdoppelten seine Blicke das Maß ihrer Zärtlichkeit. Von Zeit zu Zeit entschlüpften ihm eine Betrachtung oder ein Rath, und seine Worte waren voll wohlwollender Fürsorge.

Nachdem sie den Pont Saint-Denis hinter sich hatten und auf die Höhe den Recollecten-Klosters gelangt waren, warf Athos einen Blick auf das Pferd des Vicomte und sagte: »Nehmt Euch wohl in Acht, Raoul, Ihr habt eine schwere Hand, ich hab’ es Euch oft gesagt, Ihr müßt das nicht vergessen, denn das ist ein großer Fehler für einen Reiter. Seht, Euer Pferd ist bereits müde, es schäumt, während das meinige gerade aus dem Stalle zu kommen scheint. Ihr macht ihm ein hartes Maul, wenn Ihr das Gebiß so stark anzieht, und könnt es dann nicht mit der erforderlichen Behendigkeit manövriren lassen. Das Glück eines Reitern hängt zuweilen von dem raschen Gehorsam seines Pferdes ab. Bedenkt wohl, in acht Tagen manövrirt Ihr nicht mehr in einer Reitschule, sondern auf einem Schlachtfelde.

Dann fügte er plötzlich bei, um dieser Bemerkung kein zu trauriges Gewicht zu geben:

»Seht, Raoul, was für ein schönen Feld für die Hühnerjagd!«

Der Jüngling benützte die Lection und bewunderte besonders die Zartheit, mit der sie gegeben wurde.

»Ich habe einen Tage noch etwas Anderes bemerkt,« sprach Athos. »Ihr haltet beim Pistolenschießen den Arm zu gestreckt; durch diese Spannung verliert der Schuß die Pünktlichkeit. Unter zwölf Mal verfehltet Ihr auch dreimal das Ziel.«

»Das Ihr zwölfmal trafet,« erwiderte lächelnd Raoul.

»Weil ich den Arm etwas bog und so die Hand auf meinem Ellenbogen ruhen ließ. Begreift Ihr wohl, was ich damit sagen will?«

»Ja, Herr, ich habe seitdem, Euern Rath beachtend, allein geschossen, und meine Bemühungen waren vom günstigsten Erfolge begleitet.«

»Seht, versetzte Athos, »das ist gerade wie beim Fechten; »Ihr greift Euern Gegner zu sehr an. Ich weiß wohl, das ist ein Fehler Euren Alters, aber die Bewegung des Körpers beim Angreifen bringt stets den Degen von der Linie ab, und wenn Ihr es mit einem Manne von kaltem Blute zu thun hättet, so würde er Euch bei Eurem ersten Schritte durch einfaches Losmachen Eurer Klinge überwinden.«

»Ja, Herr, wie Ihr es oft gethan habt. Aber nicht jedermann besitzt Eure Geschicklichkeit und Euren Mut.«

»Welch’ ein frischer Wind!« sprach Athos, »das ist eine Erinnerung an den Winter. Doch hört, wenn Ihr in das Feuer geht, und das wird so kommen, denn Ihr seid einem jungen General empfohlen, der das Pulver ungemein liebt, so erinnert Euch wohl: in einem Einzelkampfe, wie dies so oft besonders uns Cavalieren begegnet, schießt nie zuerst; wer zuerst schießt, trifft selten seinen Mann, denn er schießt in der Furcht einem bewaffneten Feinde gegenüber entwaffnet zu bleiben. Dann wenn Euer Gegner schießt, laßt Euer Pferd sich bäumen; diesen Manöver hat mir zwei oder drei mal das Leben gerettet.«

»Ich werde es anwenden, und wäre es nur aus Dankbarkeit.«

»Ei, sind das nicht Wildschützen, die man da unten festnimmt?« Ja, wahrhaftig! Dann noch etwas Wichtiges, Raoul, wenn Ihr bei einem Angriffe verwundet werdet, wenn Ihr vom Pferde fallt, und es bleibt Euch noch etwas Kraft, so schleppt Euch von der Linie ab, die Euer Regiment verfolgt hat; denn es kann zurückgeführt werden, und die Pferde zertreten Euch mit den Hufen. Jedenfalls schreibt mir sogleich oder laßt mir schreiben, wenn Ihr verwundet seid; wir verstehen uns auf Wunden,« fügte Athos bei.

»Ich danke Euch, Herr,« antwortete der junge Mensch ganz bewegt.

»Ah, wir sind in Saint-Denis,« murmelte Athos.

Sie gelangten wirklich zu dem Thore dieser Stadt, an dem zwei Soldaten Wache standen. Der eine sagte zu dem andern:

Das ist ein junger Edelmann, welcher aussieht, als wollte er sich zum Heere begeben.«

Athos wandte sich um. Alles, was sich, selbst auf eine nur mittelbare Weise, mit Raoul beschäftigte, gewann sogleich ein Interesse in seinen Augen.

Woran seht Ihr dies?« fragte er.

»An seiner Miene, Herr,« antwortete die Schildwache. »Ueberdies hat er das Alter, das ist der Zweite heute.«

»Es ist diesen Morgen schon ein junger Mensch wie ich hier durchgekommen?« sagte Raoul.

»Ja, meiner Treue, von vornehmem Aussehen und glänzender Rüstung. Er hatte ganz das Wesen einen Sohnes von gutem Hause.«

»Den wird ein Reisegefährte für mich sein,« versetzte Raoul weiter reitend. »Aber ach! er wird mich denjenigen, welchen ich verliere, nicht vergessen machen.«

Ich glaube nicht, daß Ihr ihn einholt, Raoul; denn ich habe mit Euch zu sprechen, und das, was ich Euch sagen muß, dauert vielleicht so lange, daß dieser Edelmann einen großen Vorsprung vor Euch gewinnt.«

»Wie es Euch gefällig ist, Herr.«

So plaudernd zog man durch die Straßen, welche des Festtags wegen voll Menschen waren, und man gelangte vor die alte Basilika, in der eine erste Messe gelesen wurde.

»Steigt ab, Raoul,« sprach Athos. »Du, Olivain, bewache unsere Pferde und gib mir den Degen.«

Athen nahm den Degen in die Hund, den ihm der Lackei reichte, und de beiden Edelleute traten in die Kirche.

Athos bot Raoul Weihwasser. In gewissen Herzen liegt etwas von der zuvorkommenden Zärtlichkeit, die der Liebende für seine Geliebte hat.

Der Jüngling berührte die Hand von Athos und bekreuzte sich.

Athos sagte ein Wort zu einem von den Wächtern; dieser verbeugte sich und schritt der Gruft zu.

»Kommt, Raoul,« sagte Athos, »wir wollen diesem Manne folgen.«

Der Wächter öffnete das Gitter der königlichen Gräber und blieb auf der obersten Stufe stehen, während Athos und Raoul hinabstiegen. Die Grufttreppe war in der Tiefe von einer silbernen Lampe beleuchtet, welche auf der untersten Stufe brannte, und gerade über dieser Lampe ruhte, in einen weiten, mit goldenen Lilien bestreuten, Mantel von veilchenblauem Sammet gehüllt, ein von eichenen Gestellen getragener Katafalk.

Auf diese Lage durch den Zustand seinen eigenen Herzens voll Traurigkeit, durch die Majestät der Kirche, welche er durchwandelt hatte, vorbereitet, war der Jüngling mit langsamem, feierlichem Schritte hinabgestiegen und stand mit entblößtem Haupte vor dieser sterblichen Hülle den letzten Königs, der sich erst mit seinen Ahnen vereinigen sollte, wenn sein Nachfolger sich mit ihm vereinigen würde, und der hier zu weilen schien, um dem so leicht auf dem Throne zu erregenden Stolze zu sagen: »Irdischer Staub, ich harre Dein!«

Es herrschte einen Augenblick Stillschweigen.

Dann hob Athos die Hand auf und deutete mit dem Finger auf den Sarg.

»Diesen unsichere Grab,« sprach er, »ist das eines schwachen, aller Größe ermangelnden Menschen, der jedoch eine Regierung voll ungeheurer Ereignisse hatte; denn über diesem König wachte der Geist einen andern Mannes, wie die Lampe hier über diesem Sarge wacht und ihn beleuchtet. Dieser war der wahre König, Raoul; der Andere war nur ein Phantom, in das er seine Seele legte. Und dennoch ist die monarchische Majestät so mächtig bei uns, daß dieser Mann nicht einmal die Ehre eines Grabes zu den Füßen denjenigen genießt, für welchen er sein ganzen Leben aufgebraucht hat. Denn erinnert Euch diesen Umstanden wohl, Raoul, wenn dieser Mann den König klein gemacht hat, so hat er das Königthum groß gemacht, und es gibt zwei Dinge, welche im Palaste des Louvre ein geschlossen sind: der König, welcher stirbt, und das Königthum, welchen nicht stirbt. Diese Regierung ist vorüber, Raoul. Der von seinem Herrn so gefürchtete, so gehaßte Minister ist in das Grab gestiegen, den König nach sich ziehend, den er nicht allein leben lassen wollte, ohne Zweifel aus Angst, er könnte sein Werk zerstören; denn ein König baut nur, wenn er entweder Gott selbst oder den Geist Gottes in seiner Nähe hat. Alle Welt betrachtete den Tod den Cardinals als eine Befreiung, und ich selbst, so blind sind die Zeitgenossen, durchkreuzte oft die Pläne den Mannes, welcher Frankreich in seinen Händen hielt, und der, je nachdem er sie zusammenpreßte oder öffnete, das Reich erstickte oder ihm nach Belieben frische Luft gab. Wenn er mich nicht zermalmte, mich und meine Freunde, wenn er uns in seinem furchtbaren Zorne nicht zermalmte, so geschah es ohne Zweifel nur, damit ich Euch heute sagen könnte: Raoul, versteht stets den König von dem Königthum zu unterscheiden; der König ist nur ein Mensch, das Königthum ist der Geist Gottes. Wenn Ihr im Zweifel darüber seid, wem Ihr dienen sollt, so verlaßt den materiellen Schein den sichtbaren Prinzipes, denn das unsichtbare Prinzip ist Alles. Gott wollte diesen Prinzip fühlbar machen, indem er dasselbe die menschliche Natur annehmen ließ. Raoul, es ist mir, als erblickte ich Eure Zukunft wie durch eine Wolke; sie ist, glaube ich, besser, als die unsere. Ganz im Gegentheil von uns, die wir einen Minister ohne König hatten, werdet Ihr einen König ohne Minister haben. Ihr könnt also dem König dienen, ihn lieben und achten. Ist dieser König ein Tyrann, denn die Allmacht hat ihren Schwindel, der sie zur Tyrannei antreibt, so dient dem Königthum, das heißt, der unfehlbaren Sache, dem Geiste Gottes auf Erden, diesem himmlischen Funken, der den Staub so groß und so heilig macht, daß wir Edelleute, wenn auch von hoher Geburt, doch so wenig vor diesem auf der obersten Stufe dieser Leiter ausgebreiteten Körper sind, als dieser Körper selbst vor dem Throne Gottes.«

»Ich werde Gott anbeten, Herr,« sprach Raoul; »ich werde das Königthum ehren, dem König dienen und danach trachten, daß ich, wenn ich sterbe, für den König, für das Königthum oder für Gott sterbe. Habe ich Euch wohl begriffen?«

Athos lächelte und sprach:

»Ihr seid eine edle Natur, hier ist Euer Degen.«

Raoul setzte ein Knie auf die Erde.

»Er wurde getragen von meinem Vater, einem wackeren Edelmanne; ich habe ihn ebenfalls getragen und ihm zuweilen Ehre gemacht, wenn sein Griff in meiner Hand lag und seine Scheide an meiner Seite hing. Ist Eure Hand noch zu schwach, um diesen Degen zu führen, Raoul, desto besser, Ihr werdet Zeit haben, um ihn nur ziehen zu lernen, wenn er den Teig sehen soll.«

»Herr,« sprach Raoul, den Degen aus der Hand des Grafen empfangend, »ich habe Euch Allen zu verdanken, doch diesen Schwert ist das kostbarste Geschenk, drin Ihr mir gemacht habt. Ich schwöre Euch, ich werde ihn als ein Dankbarer tragen.«

Und er näherte seine Lippen dem Griffe, den er ehrfurchtsvoll küßte.

»Gut,« sprach Athos. »Steht auf, Vicomte, und umarmen wir uns.«

Raoul stand auf und warf sich mit dem vollen Ausstrome seiner Gefühle in die Arme von Athos.

»Gott befohlen,« murmelte der Graf, der sein Herz zerschmelzen fühlte, »Gott befohlen und denkt an mich.«

»Oh! ewig! ewig!« rief der Jüngling. »Oh! ich schwöre Euch, Herr, wenn mir Unglück widerfährt, ist Euer Name der letzte Name, den ich ausspreche, die Erinnerung an Euch mein letzter Gedanke.«

Athos stieg rasch wieder die Treppe hinauf, um die heftige Bewegung seinen Gemüthes zu verbergen, ab dem Wächter der Gräber ein Goldstück, verbeugte sich vor dem Altar und erreichte mit großen Schritten die Kirchenpforte, vor der Olivain mit den zwei anderen Pferden wartete.

»Olivain,« sagte er, auf das Wehrgehänge von Raoul deutend, »ziehe die Schnalle von diesem Degen an, er fällt ein wenig zu tief. Gut. Nun begleitest Du den Herrn Vicomte, bis Grimaud Euch eingeholt hat; ist er gekommen, so verlässest du den Herrn Vicomte. Ihr versteht, Raoul, Grimaud ist ein alter Diener voll Muth und Klugheit; Grimaud wird Euch, folgen.«

»Ja, Herr,« sprach Raoul.

»Auf, zu Pferde, daß ich Euch wegreiten sehe.«

Raoul gehorchte.

»Gott befohlen, Raoul, Gott befohlen, mein liebes Kind!«

»Gott befohlen, Herr!« rief Raoul, »Gott befohlen, mein vielgeliebter Beschützer!«

Athos machte ein Zeichen mit der Hand, denn er wagte es nicht mehr zu sprechen, und Raoul entfernte sich mit entblößtem Haupte.

Athos blieb unbeweglich und schaute bis zu dem Augenblick nach, wo er an der Biegung der Straße verschwand.

Dann warf der Graf die Zügel seinen Pferden einem Bauern zu, stieg langsam wieder die Stufen hinauf, kehrte in die Kirche zurück, kniete indem dunkelsten Winkel nieder und betete.