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Tausend und Ein Gespenst

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Eines Tages wurden alle diese reizenden Feste unterbrochen. Seit ein bis zwei Monaten war Nodier leidender, klagender. Da man es übrigens gewohnt war, Nodier klagen zu hören, so achtete man eben nicht sehr aus seine Klagen. Das kam daher, daß es bei dem Charakter Nodiers ziemlich schwer war, das wirkliche Uebel von den eingebildeten Leiden zu trennen. Dieses Mal wurde er in, dessen sichtlich schwacher. Er streifte nicht mehr auf den Kais herum, er machte keine Spaziergänge auf den Boulevards mehr, nur ging er noch langsam, wenn ein letzter Strahl der Herbstsonne von dem grauen Himmel fiel, nach Saint Mandé.

Das Ziel bei Spazierganges war eine elende Schenke, in welcher in den schönen Tagen seiner guten Gesundheit sich Nodier mit Schwarzbrod regalirte; auf seinen Gängen begleitete ihn gewöhnlich die ganze Familie, mit Ausnahme Julius, der auf seinem Bureau zurückgehalten war. Es war Madame Nodier, es war Marie, es waren die beiden Kinder Karl und Georgette, Alle wollten den Gatten, den Vater und den Großvater nicht mehr verlassen. Man fühlte, daß man nur noch kurze Zeit mit ihm zusammen zu bleiben hätte, und man benutzte sie.

Bis auf den letzten Augenblick bestand Nodier auf Erhaltung des Sonntages; dann endlich bemerkte man, daß der Kranke von seinem Zimmer aus das Geräusch und das Treiben nicht mehr ertragen konnte, das in dem Salon stattfand. Eines Tages meldete uns Marie traurig, daß das Arsenal am folgenden Sonntage geschlossen sein würde; dann sagte sie leise zu den Vertrauten: Kommen Sie, wir werden plaudern.

Endlich wurde Nodier bettlägerig, um nicht wieder aufzustehen.

Ich besuchte ihn.

– O! mein lieber Dumas, sagte er zu mir, indem er mir so weit, als er mich erblickte, die Arme entgegen streckte, zu der Zeit, wo ich mich wohl befand, hatten Sie an mir nur einen Freund; seitdem ich krank bin, haben Sie an mir einen dankbaren Mann. Ich kann nicht mehr arbeiten, aber ich kann noch lesen, und wie Sie sehen, lese ich Sie, und wenn ich ermüdet bin, so rufe ich meine Tochter, und meine Tochter liest Sie.

Und Nodier zeigte mir in der That meine auf seinen Bette und auf seinem Tische zerstreuten Bücher.

Das war einer meiner Momente wirklichen Stolzes. Von der Welt abgesondert las Nodier, der nicht mehr arbeiten konnte, Nodier, dieser unermeßliche Verstand, der Alles wußte, las Nodier mich, und belustigte sich, indem er mich las.

Ich ergriff ihn bei den Händen, ich hätte sie küssen mögen, so sehr fühlte ich die Dankbarkeit.

Auch ich hatte am Tage zuvor Etwas von ihm gelesen, einen kleinen Band, der so eben in zwei Lieferungen der Revue des deux Mondes erschienen war.

Es war Ines de las Sieras.

Ich war erstaunt. Dieser Roman, eines der letzten Werke, welche Karl herausgab, war so frisch, so blühend, daß man hätte glauben können, es sei eine Arbeit seiner Jugend, welche Nodier wieder aufgefunden und an dem andern Horizonte seines Lebens herausgegeben hätte.

Diese Geschichte der Ines war eine Geschichte von Erscheinungen, von Gespenstern, von Phantomen, nur, ganz phantastisch während des ersten Theiles, hörte sie auf, es in dem zweiten zu sein; das Ende erklärte dm Anfang.

O! über diese Erklärung beklagte ich mich bitterlich bei Nodier.

– Es ist wahr, sagte er zu mir, ich habe Unrecht qehabt, aber ich habe eine andere; diese werde ich nicht verderben, sein Sie unbesorgt

– Das lasse ich mir gefallen. Und wann werden Sie Sich an dieses Werk machen?

Nodier ergriff mich bei der Hand.

– Diese werde ich nicht verderben, weil ich sie nicht schreiben werde, sagte er.

– Und wer wird sie schreiben?

– Sie.

– Wie! ich, mein guter Karl? aber ich kenne Ihre Geschichte nicht.

– Ich werde sie Ihnen erzählen. O! diese sparte ich für mich auf, oder vielmehr für Sie.

– Mein guter Karl, Sie werden sie erzählen, Sie werden sie schreiben, Sie werden sie drucken lassen.

Nodier schüttelte den Kopf.

– Ich will sie Ihnen erzählen, äußerte er, Sie werden sie mir zurückgeben, wenn ich wieder gesund werde.

– Warten Sie meinen nächsten Besuch ab; wir haben Zeit.

– Mein Freund, ich mögte Ihnen das sagen, was ich einem Gläubiger sagte, als ich ihm eine Abschlagszahlung gab: – Nehmen Sie immerhin.

Und er begann.

Nodier hatte niemals auf eine so reizende Weise erzählt.

O! wenn ich eine Feder, wenn ich Papier gehabt, wenn ich so schnell als die Sprache hatte schreiben können!

Die Geschichte war lang, ich blieb zum Mittagessen.

Nach dem Mittagessen war Nodier eingeschlafen. Ich verließ das Arsenal, ohne ihn wieder zu sehen.

Ich sah ihn nicht mehr wieder.

Nodier, von dem man glaubte, daß er sich so leicht beklagte, hatte im Gegentheile seiner Familie seine Leiden bis zum letzten Augenblicke verhehlt. Als er die Wunde aufdeckte, erkannte man, daß die Wunde tödtlich war.

Nodier war nicht allein Christ, sondern auch noch guter und wahrer Katholik. Er hatte sich von Marie versprechen lassen, ihm einen Priester zu besorgen, sobald die Stunde dazu gekommen wäre. Die Stunde war gekommen, Marie ließ den Pfarrer von Sanct Paul holen.

Nodier beichtete. Armer Nodier! es mußte gar viele Sünden in seinem Leben geben, aber zuverlässig war nicht ein Vergehen darin. Als die Beichte beendigt, trat die ganze Familie ein.

Nodier lag in einem dunklen Alkoven, von wo aus er die Arme über seine Frau, über seine Tochter und über seine Enkel ausstreckte.

Hinter der Familie befand sich die Dienerschaft.

Hinter der Dienerschaft die Bibliothek, das heißt jene Freunde, die sich niemals ändern, – die Bücher.

Der Pfarrer verrichtete mit lauter Stimme die Gebete, auf welche Nodier gleichfalls mit lauter Stimme wie ein Mann antwortete, der mit der christlichen Liturgie vertraut ist. Dann, als die Gebete beendigt, umarmten Jedermann, beruhigte Jeden über seinen Zustand, und versicherte, daß er noch Leben für ein bis zwei Tage fühlte, besonders wenn man ihn während einiger Stunden schlafen ließe.

Man ließ Nodier allein und er schlief fünf Stunden.

Am 26. Januar Abends, das heißt, am Tage vor seinem Tode, nahm das Fieber zu und brachte ein wenig Phantasmen hervor; gegen Mitternacht erkannte er Niemand mehr, sein Mund sprach Worte ohne Zusammenhang aus, unter denen man die Namen Tacitus und Fenelon unterschied.

Gegen zwei Uhr begann der, Tod an die Thür zu klopfen. Nodier wurde von einer heftigen Krisis geschüttelt, seine Tochter war über sein Kopfkissen geneigt, und reichte ihm eine Tasse mit einem beruhigenden Tranke; er schlug die Augen auf, blickte Marie an und erkannte sie an ihren Thronen; nun nahm er die Tasse aus ihren Händen und trank den Inhalt derselben begierig aus.

– Du hast das gut gefunden? fragte Marie.

– O, ja! mein Kind, wie Alles, was von Dir kömmt.

Und die arme Marie ließ ihren Kopf auf das Kopfkissen sinken, indem sie mit ihren Haaren die feuchte Stirn des Sterbenden bedeckte.

– O! wenn Du so bliebest, flüsterte Nodier, so würde ich niemals sterben.5

Der Tod klopfte immer fort.

Die Extremitäten begannen kalt zu werden; aber in dem Maße, als das Leben heraufstieg, zog es sich in dem Kopfe zusammen, und machte Nodier einen weit hellsehenderen Verstand, als er ihn jemals gehabt hatte.

Nun segnete er seine Frau und seine Kinder, dann fragte er nach dem Datum des Monats.

– Es ist der 27. Januar, sagte Madame Nodier. – Ihr werdet diesen Datum nicht vergessen, meine

Freunde, nicht wahr? sagte Nodier.

Indem er sich hierauf nach dem Fenster wandte, äußerte er mit einem Seufzer:

– Ich mögte wohl noch ein Mal den Tag sehen.

Hierauf schlief er ein.

Dann wurde sein Hauch aussetzend.

Dann endlich, in dem Augenblicke, wo der erste Strahl des Tages die Fensterscheiben traf, schlug er die Augen wieder auf, machte mit den Lippen, machte mit dem Blicke ein Zeichen des Abschiedes, und verschied.

Mit Nodier starb in dem Arsenal Alles, Freude, Leben und Licht; es war eine Trauer, die uns Alle überfiel; jeder verlor einen Theil seiner selbst, indem er Nodier verlor.

Ich für mein Theil weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll, aber ich habe etwas Todtes in mir, seitdem Nodier gestorben ist.

Dieses Etwas lebt nur, wenn ich von Nodier spreche.

Deshalb spreche ich so oft von ihm.

Die Geschichte, welche man nun lesen wird, ist die Geschichte, welche Nodier mir erzählt hat.

Die Familie Hoffmann

V

Unter die Zahl jener köstlichen Städte, welche an den Ufern des Rheines wie die Perlen eines Rosenkranzes, dessen Fäden der Fluß bildet, zerstreut liegen, muß man Mannheim rechnen, die zweite Hauptstadt des Großherzogthumes Baden, Mannheim, die zweite Residenz des Großherzogs.

Heut zu Tage, wo die Dampfschiffe, welche den Rhein hinauf und hinabfahren, bei Mannheim vorüber kommen, heut zu Tage, wo eine Eisenbahn nach Mannheim führt, heut zu Tage, wo Mannheim unter dem Knattern des Gewehrfeuers, mit zerstreuten Haaren und mit blutgefärbtem Gewande die Fahne der Empörung gegen seinen Großherzog geschüttelt hat, weiß ich nicht mehr was Mannheim ist; aber ich will meinen Lesern sagen, was Mannheim zu der Zeit war, wo diese Geschichte beginnt, das heißt vor bald sechsundfünfzig Jahren.

Es war eine ächt Deutsche Stadt, zugleich ruhig und politisch, ein wenig traurig oder vielmehr ein wenig tiefsinnig, es war die Stadt der Romane August Lafontaines und der Gedichte Goethes, der Henriette Bellmann und Werthers.

 

In der That, es handelte sich nur darum, einen Blick auf Mannheim zu werfen, um augenblicklich zu urtheilen, indem man seine Häuser ehrbarer Weise in eine Reihe gestellt, seine Eintheilung in vier Quartiere, seine breiten und schönen Straßen sah, auf denen das Gras wächst, seinen mythologischen Brunnen, seine von einer doppelten Reihe Acacien beschattete Promenade, welche es von dem einem Ende bis zum andern durchschneidet, um zu urtheilen, wie freundlich und angenehm das Leben in einem solchen Paradiese sein müßte, wenn nicht zuweilen die verliebten oder die politischen Leidenschaften in ihm Werther seine Pistole oder Sand einen Dolch in die Hand gäben.

Es befindet sich dort besonders ein Platz, der einen ganz eigenthümlichen Charakter hat, das ist der, auf welchem sich zugleich die Kirche und das Theater erhebt.

Kirche und Theater müssen zu gleicher Zeit, und wahrscheinlicher Weise von demselben Baumeister erbaut worden sein, wahrscheinlicher Weise auch noch gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts, wo die Launen einer Favoritin in dem Grade Einfluß auf die Kunst hatten, daß eine ganze Seite der Kunst ihren Namen annahm, von der Kirche bis zu dem kleinen Hause, von der zehn Fuß hohen Bronzestatue, bis zu der kleinen von Sächsischem Porzellan.

Die Kirche und das Theater von Mannheim sind also in dem Style Pompadour.

Die Kirche hat zwei äußere Nischen; in der einen dieser beiden Nischen steht eine Minerva, und in der andern eine Hebe.

Die Thüre des Theaters ist von zwei Sphinxen überragt. Diese beiden Sphinxe stellen, die eine das Lustspiel? die andere das Trauerspiel vor.

Die erste dieser beiden Sphinxe hält unter ihrer Klaue eine Maske, die zweite einen Dolch. Beide sind frisirt und haben einen gepuderten Zopf, was ihren egyptischen Charakter wundervoll ausschmückt.

Uebrigens besteht der ganze Platz aus bemalten Häusern, krausen Bäumen, mit Blumenguirlanden versehenen Mauern von demselben Charakter, und bildet ein höchst ergötzliches Ganze.

Nun denn! Wir wollen unsere Leser in ein auf dem ersten Stockwerke eines Hauses, dessen Fenster schräg auf das Portal der Jesuitenkirche gehen, gelegenes Zimmer führen, wobei wir ihnen nur bemerklich machen, daß wir sie um mehr als ein halbes Jahrhundert verjüngen, und daß wir in dem Jahre der Gnade oder der Ungnade 1793, und am Sonntag, den 10. des Monats Mai sind. Alles steht daher im Begriffe zu blühen; das Schilf an dem Ufer des Flusses, die Tausendschönchen auf der Wiese, der Hagedorn in den Hecken, die Rose in den Gärten und die Liebe in den Herzen.

Fügen wir jetzt Folgendes hinzu; nämlich, daß eines der Herzen, welche am heftigsten in der Stadt Mannheim und in ihrer Umgegend schlugen, das des jungen Mannes war, welcher dieses kleine Zimmer bewohnte, von dem wir so eben gesprochen haben, und dessen Fenster schräg auf das Portal der Jesuitenkirche gingen.

Zimmer und junger Mann verdienen beide einer besondern Beschreibung.

Das Zimmer war zuverlässig das eines launigen und zugleich pittoresken Kopfes, denn es hatte zugleich das Ansehen einer Werkstatt, eines Musikladens und eines Arbeitszimmers.

Es fand sich darin eine Palette, Pinsel und eine Staffelei, und auf dieser Staffelei eine angefangene Skizze.

Es befand sich darin eine Guitarre, eine Geige und ein Piano, und auf diesem Piano eine aufgeschlagene Sonate.

Es befand sich darin eine Feder, Tinte und Papier, und auf diesem Papiere der Anfang von dem Entwurfe einer Ballade.

Dann längs der Wände Bögen, Pfeile, Armbrüste des fünfzehnten Jahrhunderts, Kupferstiche des sechszehnten, musikalische Instrumente des siebzehnten, Truhen aller Zeiten, Bierkrüge von allen Formen, Wasserkannen aller Arten, endlich Halsbänder von Glasperlen, Fächer von Federn, ausgestopfte Eidechsen, getrocknete Blumen, kurz eine ganze Welt, aber eine Welt, welche keine fünfundzwanzig Thaler gutes Geld werth waren.

War der, welcher dieses Zimmer bewohnte, ein Maler, ein Musiker oder ein Dichter? Wir wissen es nicht.

Zuverlässig war er aber ein Raucher; denn unter allen diesen Sammlungen war die vollständigste, die am meisten ins Auge fallende, die Sammlung, welche den Ehrenplatz einnahm und über einem alten Kanapee, in dem Bereiche der Hand eine Sonne bildete, eine Sammlung von Pfeifen.

Aber, mochte er nun Dichter, Musiker, Maler oder Raucher sein, für den Augenblick rauchte, malte, componirte, noch dichtete er.

Nein, er sah.

Er sah, regungslos, an die Wand gelehnt stehend mit angehaltenem Athem; er sah aus seinem offenen Fenster, nachdem er,sich aus dem Vorhange einen Schanzkorb gebildet hatte, um zu sehen ohne gesehen zu werden; er sah wie man sieht, wenn die Augen nur die Brille des Herzens sind!

Was betrachtete er?

Einen für den Augenblick vollkommen einsamen Ort, das Portal der Jesuitenkirche.

Es ist wahr, daß das Portal verlassen war, weil die Kirche voll war.

Wie war nun das Aeußere dessen, welcher dieses Zimmer bewohnte, dessen, welcher hinter diesem Vorhange betrachtete, und dessen Herz bei der Betrachtung so klopfte?

Es war ein junger Mann von höchstens achtzehn Jahren, von kleiner Gestalt, von magerem Körper, von schüchternem Aeußeren. Seine langen schwarzen Haare fielen von seiner Stirn bis unter seine Augen herab, welche sie verschleierten, wenn er sie nicht mit der Hand zur Seite strich, und durch den Schleier seiner Haare leuchtete sein Blick starr und scheu wie der Blick eines Menschen, dessen Geisteskräfte nicht immer in vollkommenem Gleichgewichte bleiben.

Dieser junge Mann war weder ein Dichter, noch ein Maler, noch ein Musiker; er war eine Zusammensetzung von alle dem; er war eine Vereinigung der Malerei, der Musik und der Poesie; er war ein wunderliches, phantastisches, gutes und schlechtes, tapferes und schüchternes, thätiges und faules Ganze; kurz, dieser junge Mann war Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann.

Er war in einer strengen Winternacht im Jahre 1776 geboren, während der Wind pfiff, während der Schnee fiel, während alles Das litt, was nicht reich war; er war in Königsberg, im Hintergrunde von Altpreußen geboren, so schwach, so schmächtig, so armselig gebaut geboren, daß die Kleinheit seiner Person Jedermann glauben ließ, daß es weit dringender wäre, ihm einen Sarg zu bestellen, als ihm eine Wiege zu kaufen. Er war in demselben Jahre geboren, in welchem Schiller, als er sein Trauerspiel die Räuber schrieb, unterzeichnete: Schiller, der Sclave Klopstocks; in dem Schooße einer jener alten Bürgerfamilien geboren, wie wir zu den Zeiten der Fronde deren in Frankreich hatten, wie es deren noch in Deutschland gibt, wie es deren aber bald nirgends mehr geben wird; von einer Mutter mit kränklicher Leibesbeschaffenheit, aber voll inniger Ergebung geboren, was ihrer ganzen leidenden Person das Aussehen einer liebenswürdigen Schwermuth verlieh; von einem Vater mit strengem Verfahren und Charakter geboren, denn dieser Vater war Kriminalrath und Justizcommissär bei dem Oberlandesgerichte. Um diese Mutter und diesen Vater herum gab es Onkel, die Richter, Onkel, die Amtleute, Onkel, die Bürgermeister waren, noch junge, noch schöne, noch gefallsüchtige Tanten; Onkel und Tanten waren alle Musiker, alle Künstler, alle waren voll Leben und voll Munterkeit. Hoffmann sagte, sie gesehen zu haben; er erinnerte sich ihrer, wie sie um ihn herum, als er ein Kind von sechs, von acht, von zehn Jahren war, sonderbare Concerte ausführten, bei denen Jeder eines jener alten Instrumente spielte, von denen man heut zu Tage nicht einmal mehr die Namen kennt; Hackbrett, Fiedeln, Cithern, Rasseln, Geigen, Baßgeigen. Freilich hatte Niemand anders als Hoffmann jemals diese musikalischen Onkel, diese musikalischen Tanten gesehen, und Onkel und Tanten hatten sich einer nach dem andern wie Gespenster zuückgezogen, nachdem sie, indem sie sich zurückzogen, das Licht auslöschten, das auf ihren Pulten brannte.

Von allen diesen Onkels blieb indessen einer, von allen diesen Tanten eine übrig.

Diese Tante war eine der reizenden Erinnerungen Hoffmanns.

In dem Hause, in welchem Hoffmann seine Jugend zugebracht hatte, lebte eine Schwester seiner Mutter, eine junge Frau mit lieblichen und bis auf den Grund der Seele dringenden Blicken; eine sanfte, geistreiche junge Frau voller Scharfsinn, die in dem Kinde, das jeder für einen Narren, für einen Wahnsinnigen, für einen Tollkopf hielt, einen erhabenen Verstand sah, die allein, wohl verstanden mit seiner Mutter, für ihn sprach, die ihm Genie und Ruhm prophezeite, eine Prophezeiung, welche der Mutter Hoffmanns mehr als ein Mal die Thränen in die Augen treten ließ, denn sie wußte, daß der unzertrennliche Gefährte des Genies und des Ruhmes das Unglück ist.

Diese Tante war die Tante Sophie.

Diese Tante war musikalisch wie die ganze Familie, sie spielte die Laute. Wenn Hoffmann in seiner Wiege erwachte, so erwachte er in eine tönende Harmonie gebadet; wenn er die Augen aufschlug, so sah er die anmuthige Gestalt der jungen, mit ihrem Instrumente vereinigten Frau. Sie war gewöhnlich in ein wassergrünes Kleid mit Rosaschleifen gekleidet; sie war gewöhnlich von einem alten Musiker mit krummen Beinen und weißer Perücke begleitet, der einen Baß spielte, der weit größer war als er, an den er sich klammerte, indem er hinauf und hinabstieg, wie es eine Eidechse an einem Kürbisse macht; an diesem Strome von Harmonie, der wie ein Wasserfall von Perlen von den Fingern der schönen Euterpe fiel, hatte Hoffmann den Zaubertrank getrunken, der ihn selbst zum Musiker gemacht hatte.

Tante Sophie war daher auch, wie wir gesagt haben, eine der reizenden Erinnerungen Hoffmanns.

Dem war nicht eben so mit seinem Onkel.

Der Tod von Hoffmanns Vater, die Krankheit seiner Mutter, hatten ihn in den Händen dieses Onkels gelassen.

Er war ein eben so pünktlicher Mann, als der arme Hoffmann unordentlich war, eben so geregelt, als der arme Hoffmann wunderlich Phantastisch war, und dessen Geist der Ordnung und der Pünktlichkeit sich ewig mit seinem Neffen beschäftigt hatte, aber immer ebenso vergebens, als sich der Kaiser Karl V. mit seinen Standuhren beschäftigt hatte; der Onkel mochte thun, was er wollte, die Uhr schlug immer nach der Laune des Neffen, niemals nach der seinigen.

Trotz seiner Pünktlichkeit und seiner Regelmäßigkeit war dieser Onkel Hoffmanns indessen im Grunde kein zu großer Feind der Künste und der Einbildungskraft; er duldete sogar die Musik, die Poesie und die Malerei; aber er behauptete, daß ein vernünftiger Mann nur nach seinem Mittagessen zu solchen Erholungen die Zuflucht nehmen dürfte, um die Verdauung zu erleichtern. Nach diesem Thema hatte er das Leben Hoffmanns geordnet; so viel Stunden für den Schlaf, so viel Stunden für das Studium der Rechtswissenschaft, so viel Stunden für das Mahl, so viel Minuten für die Musik, so viel Minuten für die Malerei, so viel Minuten für die Dichtkunst.

Hoffmann hätte alles Das umkehren und sagen mögen, so viel Minuten für das Studium der Rechtswissenschaft und so viel Stunden für die Dichtkunst, die Malerei und die Musik; aber Hoffmann war nicht der Herr; es war daraus hervorgegangen, daß Hoffmann einen Abscheu gegen die Rechtswissenschaft und gegen seinen Onkel gefaßt hatte, und daß er eines Tages mit einigen Thalern in der Tasche aus Königsberg entflohen war und Heidelberg erreicht hatte, wo er sich kurze Zeit aufgehalten, wo er aber wegen der schlechten Musik, die man auf dem Theater machte, nicht hatte bleiben können.

Dem zu Folge war er von Heidelberg nach Mannheim gegangen, dessen Theater, neben dem er sich, wie man sieht, eingemiethet hatte, dafür galt, der Nebenbuhler der lyrischen Bühne von Frankreich und Italien zu sein; wir sagen von Frankreich und Italien, weil man nicht vergessen wird, daß erst fünf bis sechs Jahre vor der Zeit, zu welcher wir gelangt sind, in der königlichen Akademie der Musik der große Kampf zwischen Gluck und Piccini stattgefunden hatte.

Hoffmann befand sich also in Mannheim, wo er neben dem Theater wohnte, und wo er von dem Ertrage seiner Malerei, seiner Musik und seiner Dichtkunst, verbunden mit einigen Friedrichsd'or's, die ihm seine Mutter von Zeit zu Zeit zukommen ließ, in dem Augenblicke lebte, wo wir uns das Vorrecht des hinkenden Teufels anmaßend, die Decke seines Zimmers aufgehoben, und ihn unseren Lesern stehend, an die Wand gelehnt, regungslos hinter seinem Vorhange, athemlos, die Augen auf das Portal der Jesuitenkirche geheftet, gezeigt haben.

5Francis Wey hat über die letzten Augenblicke Nodiers Notizen voll Interesse herausgegeben, die aber, blos für die Freunde geschrieben, nur zu fünf und zwanzig Exemplaren abgedruckt sind.