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Tausend und Ein Gespenst

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Indem sie hierauf niederkniete, sagte sie: – Laßt uns immerhin beten, meine Söhne, denn es gibt eine Seele, die mich auffordert, in diesem Augenblicke zu beten.

XII.
Das schwarze Siegel

Während dessen hatten der Mönch und der Abbé ihren Weg nach dem Schlosse fortgesetzt; aber vor der großen Thüre angelangt, waren sie stehen geblieben und hatten einen Rath gehalten, um zu beschließen, ob sie nicht zuvor nach den Dienstwohnungen gehen sollten und dort, um eine Untersuchung in den Gebäuden anzustellen, die Leute abzuholen, welche um diese Stunde zum Nachtessen versammelt waren.

Dieser Vorschlag war von dem vorsichtigen Camaldulensermönch gemacht worden, und der Abbé war ganz bereit ihm beizustimmen, als sie eine kleine Thür aufgehen, Bonbonne erscheinen und den alten Intendanten so schnell auf sie zueilen sahen, als sein hohes Alter es ihm erlaubte. Er war bleich, zitternd, gestikulirte sehr und sprach mit sich selbst.

– Was gibt es? fragte der Abbé, indem er ihm einige Stritte entgegenging.

– Ach! Mein Gott! Mein Gott! rief Bonbonne aus.

– Was ist Ihnen denn begegnet? fuhr der Camaldulensermönch fort.

– Was mir begegnet ist? Ich habe eine schreckliche Erscheinung gehabt.

Der Mönch und der Abbé sahen einander an.

– Eine Erscheinung! wiederholte der Mönch.

– Gehen Sie doch! Das ist unmöglich, sagte der Abbé.

– Dem ist so, sage ich Ihnen, sagte Bonbonne darauf beharrend.

– Und was war das für eine Erscheinung? sagen Sie.

– Ja, was haben Sie gesehen?

– Was ich gesehen habe? Ich weiß noch nicht recht was; aber am Ende habe ich gesehen.

– Dann erklären Sie Sich.

– Nun denn! Ich befand mich in meinem gewöhnlichen Arbeitszimmer, unter dem großen Kabinette des Herrn Marquis, das, wie Sie wissen, mit diesem Kabinette durch eine geheime Treppe in Verbindung steht. Ich durchblätterte nochmals die Urkunden, um mich zu versichern, daß wir Nichts in der Abfassung des für die Zukunft der ganzen Familie so notwendigen Testamentes vergessen hätten. Es hatte so eben sieben Uhr geschlagen, plötzlich hörte ich in dem Zimmer gehen, das ich gestern hinter dem Herrn Marquis verschlossen und dessen Schlüssel ich in meiner Tasche hatte.

Ich horchte. Es waren wirklich Schritte. Ich horchte nochmals, diese Schritte erschallten über meinem Kopfe. Es befand sich Jemand oben! Das ist nicht Alles, ich hörte die Schubladen in dem Schreibpulte des Herrn von Chauvelin aufmachen. Ich hörte den vor dem Schreibtische stehenden Sessel rücken, und das ohne Vorsicht, was mir immer außerordentlicher schien. Mein erster Gedanke war, daß Diebe in das Schloß gedrungen wären. Aber diese Diebe waren sehr unvorsichtig oder ihrer Sache sehr sicher. Was nun thun? Die Dienerschaft rufen? Sie befindet sich in den Dienstwohnungen an dem andern Ende des Hauses. Während ich sie geholt hätte, hätten die Diebe Zeit gehabt zu fliehen. Ich nahm meine Doppelflinte und ging die kleine Treppe hinauf, welche aus meinem Zimmer in das Kabinet des Herrn Marquis führt. In dem Maße, als ich die letzten Stufen erreichte, horchte ich immer aufmerksamer. Ich hörte nicht allein immer noch Geräusch, sondern auch Stöhnen, Röcheln, kurz unartikulirte Töne ausstoßen, die mir bis auf den Grund der Seele drangen, denn, ich muß es Ihnen wohl gestehen, je mehr ich mich näherte, desto mehr schien es mir, als ob ich die Stimme des Herrn Marquis hörte und erkannte.

– Sonderbar! rief der Abbé aus.

– Ja, a, sonderbar, antwortete der Mönch. – Fahren Sie fort, Bonbonne, fahren Sie fort.

– Endlich, begann der Intendant wieder, wobei er sich den beiden Andern näherte, wie um eine Zuflucht bei ihnen zu suchen, endlich blickte ich durch das Schlüsselloch und sah ein Helles Licht in dem Zimmer, obgleich es finstere Nacht und die Läden verschlossen, von mir selbst verschlossen waren.

– Weiter?

– Das Geräusch dauerte fort. Es waren Klagen wie ein Todesröcheln. Ich hatte keinen Tropfen Blut in den Adern. Ich wollte indessen bis ans Ende sehen. Ich überwand mich. Ich hielt meine Augen nochmals an das Schlüsselloch, und unterschied angezündete Kerzen um einen Sarg herum.

– O! Sie sind von Sinnen, mein lieber Herr Bonbonne, sagte der Mönch, indem er unwillkürlich schauderte.

– Ich habe gesehen, ich habe gesehen, mein Vater.

– Aber Sie werden, falsch gesehen haben, sagte der Abbé.

– Ich sage Ihnen, Herr Abbé, daß ich die Sache gesehen habe, wie ich Sie sehe, ich sage Ihnen, daß ich weder meine Geistesgegenwart, noch meinen Verstand verloren habe.

– Und dennoch sind Sie erschreckt entflohen!

– Durchaus nicht, ich bin im Gegentheile geblieben, indem ich Gott und meinen Schutzpatron bat, mir Kraft zu verleihen. Aber plötzlich ließ sich ein großes Gepolter hören, die Kerzen erloschen, und Alles war wieder in die Finsterniß zurückgekehrt. Nun erst bin ich hinabgegangen, habe das Schloß verlassen und Sie erblickt. Jetzt sind wir vereinigt. Hier ist der Schlüssel des Kabinettes. Sie sind Geistliche, und dem zu Folge frei von abergläubischen Schrecken. Wollen Sie mit mir kommen, damit wir uns mit unseren eigenen Augen von dem Zustande der Dinge überzeugen?

– Wir wollen nachsehen, sagte der Camaldulensermönch.

Wir wollen sehen, wiederholte der Abbé.

Und alle drei gingen in das Schloß, nicht durch die kleine Thür, durch welche Bonbonne herausgekommen war, sondern durch die große Thüre, durch welche der Marquis eingetreten war.

Indem sie auf dem Vorplatze vor einer großen Familienuhr mit dem Wappen der Chauvelins vorüberkamen, erhob der Intendant die Kerze, die er angezündet hatte.

– Ah! sagte er, das ist sonderbar; es muß Jemand Hand an diese Uhr gelegt und sie angehalten haben.

– Warum das?

– Weil ich sie seit meiner Kindheit auf dem Schlosse gesehen, und sie seit meiner Kindheit unveränderlich ging.

– Nun denn!

– Nun denn! Sehen Sie nicht, daß sie stehen geblieben ist?

– Um sieben Uhr, sagte der Mönch.

– Um sieben Uhr, wiederholte der Abbé.

Und Beide blickten sich nochmals einander an.

– Am Ende! murmelte der Abbé.

Der Mönch sagte einige Worte, welche einem Gebete glichen.

Hierauf gingen sie die Ehrentreppe hinauf und schritten durch die verschlossene und einsame Wohnung des Marquis. Diese unermeßlichen, durch den schwankenden Schein einer einzigen Kerze, welche der Intendant trug, erleuchteten Zimmer, waren feierlich und schaudererregend. Als sie an die Thüre des Kabinettes gelangten, klopften ihre Herzen gewaltig; sie blieben stehen und horchten.

– Hören Sie? fragte der Intendant.

– Vollkommen, sagte der Abbé.

– Was? fragte der Mönch.

– Wie! Sie hören diese Art von Röcheln nicht, wie es eine Person im Todeskampfe ausstoßen würde?

– Es ist wahr, sagten die beiden Begleiter des Intendanten zu gleicher Zeit.

– Ich irrte mich also nicht? begann dieser wieder.

– Geben Sie mir den Schlüssel, sagte der Vater Delar, indem er das Zeichen des Kreuzes machte, wir sind Männer, rechtschaffene Leute, Christen, wir dürfen Nichts fürchten, treten wir ein.

Er schloß die Thür auf, und welches Vertrauen der Mann Gottes zu Gott auch hatte, seine Hand zitterte, als er den Schlüssel in das Schloß steckte? sobald die Thüre geöffnet war, blicken alle drei auf der Schwellt stehen.

Das Zimmer war leer.

Sie traten langsamen Schrittes in das unermeßliche, von Büchern und von Gemälden umgebene Kabinet; Alles befand sich auf seinem Platze, ausgenommen das Porträt des Marquis, welches den Nagel heruntergerissen hatte, an dem es hing, von der Wand herabgefallen war, und auf dem Boden lag, die Leinwand war an der Stelle des Kopfes zerrissen.

Der Abbé zeigte das Porträt dem Intendanten und athmete wieder auf.

– Das ist die Ursache Ihres Schreckens, sagte er.

– Ja, das in Betreff des Geräusches, antwortete der Intendant; aber die Klagen, welche wir gehört haben, hat sie etwa das Porträt ausgestoßen?

– Wahr ist es, sagte der Mönch, daß wir ein Aechzen gehört haben.

– Und auf diesem Tische? rief plötzlich Bonbonne aus.

– Was? Was gibt es auf diesem Tische? fragte der Abbé.

– Diese kaum ausgelöschte Kerze, sagte Bonbonne, diese Kerze, welche noch raucht, und fühlen Sie diese Stange Siegellack an, die noch nicht einmal erkaltet ist.

– Es ist wahr, sagten die beiden Zeugen dieses fast wunderbaren Vorfalles.

– Und, fuhr der Intendant fort, dieses Siegel, das der Herr Marquis an seiner Uhr trug, und mit dem sich der an seinen Notar addressirte Umschlag versehen befindet, ohne versiegelt zu sein.

Der Abbé ließ sich mehr todt als lebendig auf einen Sessel nieder; er hatte nicht die Kraft, zu entfliehen.

Der Mönch blieb stehen, und ohne sichtbaren Schrecken, wie ein Mann, der sich von den irdischen Dingen losgesagt hat, versuchte er dieses Geheimniß zu erforschen, dessen Ursache er nicht kannte, dessen Wirkung er sah, aber messen Zweck er nicht begriff.

Während dieser Zeit wandte der Intendant, dem seine Ergebenheit Muth verlieh, die Blätter des Testamentes, das er am Tage zuvor mit seinem Herrn geprüft hatte, eines nach dem andern um.

An die letzte Seite gelangt, bedeckte ein kalter Schweiß seine Stirne.

– Das Testament ist unterzeichnet, murmelte er.

Der Abbé sprang von dem Stuhle auf, der Mönch neigte sich über den Tisch, der Intendant blickte sie nach der Reihe an.

Es entstand zwischen diesen drei Männern ein Augenblick schrecklichen Schweigens; der herzhafteste von den Dreien fühlte seine Haare sich auf seinem Kopfe sträuben.

Endlich richteten alle drei die Augen wieder auf das Testament.

Ein Nachtrag war ihm hinzugefügt worden, von dem die Tinte noch frisch war.

Er war in folgenden Ausdrücken abgefaßt:

»Mein Wille ist, daß meine Leiche bei den Karmelitern des Platzes Maubert, neben meinen Vorfahren begraben werde.

 

»Erlassen auf dem Schlosse Grosbois, den 27. April 1774, um 7 Uhr Abends.

Unterz. Chauvelin.«

Die beiden Unterschriften und der Nachtrag waren von einer weniger festen Hand, als das übrige Testament, aber indessen vollkommen leserlich geschrieben.

– Ein De profundis, meine Herren, sagte der Intendant, denn es ist augenscheinlich, daß der Herr Marquis gestorben ist.

Die drei Männer knieeten frommer Weise nieder, und verrichteten mit einander das Todtengebet; nach einigen, in feierlicher Andacht zugebrachten Minuten, standen sie wieder auf.

– Mein armer Herr, sagte Bonbonne, er hatte mir sein Wort gegeben hierher zurückzukehren, um dieses Testament zu unterzeichnen, und er hat es gehalten. Gott habe Erbarmen mit seiner Seele.

Der Intendant steckte das Testament in den Umschlag, und, indem er seine Kerze wieder nahm, forderte er seine Begleiter mit einem Zeichen auf, das Zimmer zu verlassen.

Dann sagte er laut:

– Wir haben hier Nichts mehr zu thun, gehen wir wieder zu der Wittwe und den Waisen.

– Sie werden dieses Packet nicht der Marquise geben, sagte der Abbé. O! Mein Gott! Thun Sie um des Himmels Willen so etwas nicht.

– Seien Sie unbesorgt, sagte der Intendant, dieses Packet wird meine Hände nur verlassen, um in die des Notars überzugehen; mein Herr hat mich zum Testamentsvollstrecker erwählt, da er erlaubt hat, daß ich das sähe, was ich gesehen, und daß ich das hörte, was ich gehört habe. Ich werde nicht eher ruhen, als bis sein letzter Wille ausgeführt ist, dann werde ich zu ihm gehen. Augen, welche Zeugen solcher Dinge gewesen sind, müssen sich bald schließen.

Und indem er so sprich, verließ Bonbonne zuletzt das Kabinet, und verschloß die Thüre desselben, alle drei waren die Treppe hinabgegangen, hatten einen schüchternen Blick auf die um sieben Uhr stehen gebliebene Uhr geworfen, und gingen, die Freitreppe hinabschreitend, nach der Orangerie, wo die Marquise und ihre beiden Kinder sie erwarteten.

Alle drei beteten noch, die Mutter auf den Knieen, ihre beiden Söhne neben ihr stehend.

– Nun denn! rief sie aus, indem sie bei dem Anblicke der drei Männer heftig aufstand, nun denn!

– Was gab es? fragten die Kinder.

– Setzen Sie Ihr Gebet fort, gnädige Frau, sagte der Pater Delar, Sie hatten sich nicht geirrt; durch eine besondere, ohne Zweifel Ihrer Frömmigkeit bewilligte Gunst, hat Gott zugelassen, daß die Seele des Herrn von Chauvelin herkomme, um von Ihnen Abschied zu nehmen.

– O! Mein Vater, rief die Marquise aus, indem sie beide Hände gen Himmel erhob, Sie sehen wohl, daß ich mich nicht irrte.

Und auf ihre Kniee zurückfallend, begann sie ihr unterbrochenes Gebet wieder, indem sie den Kindern einen Wink gab, ihrem Beispiele zu folgen.

Zwei Stunden nachher erschallte ein Geklingel von Schellen in dem Hofe, und ließ Frau von Chauvelin, welche zwischen den Betten ihrer beiden eingeschlafenen, Kinder saß, den Kopf erheben.

Eine Stimme erschallte auf der Treppe, welche rief:

– Ein Courier des Königs!

Im selben Augenblicke trat ein Bedienter ein, und übergab der Marquise einen langen, schwarz gesiegelten Brief.

Das war die officielle Nachricht, daß der Marquis um sieben Uhr Abends an einem Schlagflusse gestorben war, während er mit dem Könige Karten spielte.

XIII.
Der Tod Ludwigs XV

Seit dem Tode des Herrn von Chauvelin sah man den König selten lächeln. Man hätte sagen können, daß das Gespenst des Marquis, bei allen Schritten, welche er that, an seiner Seite ginge. Das Fahren allein zerstreute ihn ein Wenig. Man vervielfältigte die Reisen. Der König ging von Rambouillet nach Compiègne, von Compiègne nach Fontainebleau, von Fontainebleau nach Versailles, nach Paris niemals. Seit seiner Empörung in Bezug auf die Blutbäder war Paris dem Könige ein Gräuel.

Aber statt ihn zu zerstreuen, führten alle diese schönen Residenzen ihn auf die Vergangenheit zurück, die Vergangenheit zu den Erinnerungen, die Erinnerungen zu den Betrachtungen. Aus diesen traurigen, bitteren, tiefen Betrachtungen vermogte Madame Du Barry ihn allein zu reißen, und es war wahrhaft zum Erbarmen, die Mühe zu sehen, welche sich dieses junge und hübsche Wesen gab, nicht den Körper, sondern das Herz des Greises wieder zu erwärmen.

Während dieser Zeit löste sich die Gesellschaft auf, wie die Monarchie, den philosophischen Einflößungen Voltaires, d'Alemberts und Diderots folgten die scandalösen Schriften Beaumarchais. Beaumarchais gab seine merkwürdige Denkschrift gegen den Rath Goezmann heraus, und dieser Richter, Mitglied des Gerichts von Meaupou, wagte nicht mehr, auf seinem Sitze zu erscheinen.

Beaumarchais ließ seinen Barbier von Sevilla einstudiren, und man sprach bereits von den Vermessenheiten, welche der Philosoph Figaro auf der Bühne vortragen würde.

Ein Abenteuer des Herrn von Fronsac hatte Scandal gemacht. Zwei Abenteuer des Herrn Marquis von Sade hatten Abscheu erregt.

Die Gesellschaft ging nicht mehr an dem Abgrunde, sie ging an der Kloake.

Alle diese Anekdoten waren sehr schimpflich, sehr schmutzig, aber es waren die einzigen, welche den König belustigten. Herr von Sartines hatte ihm daraus ein Journal gemacht, das war wieder ein sinnreicher Einfall der Madame Du Barry, – ein Journal, das Seine Majestät Morgens in seinem Bette las. Dieses Journal wurde in allen schlechten Häusern von Paris, und besonders bei der berüchtigten Gourdan abgefaßt.

Eines Tages erfuhr der König durch dieses Journal, daß Herr von Lorry, Bischof von Tarbes. am Tage zuvor die Schamlosigkeit gehabt hätte, nach Paris zurückzukehren, indem er in seinem offenen Wagen Frau Gourdan und zwei ihrer Kostgängerinnen zurückführte. Dieses Mal war es zu stark; der König ließ den Großalmosenier benachrichtigen, der den Bischof zu sich berief. .

Glücklicher Weise erklärte sich zufällig Alles zum großen Ruhme der Züchtigkeit und der christlichen Liebe des Prälaten. Als er von Versailles zurückkehrte, hatte der Bischof von Tarbes, zu Fuße, auf der Heerstraße, drei Frauen neben einer zerbrochenen Kutsche gesehen; von Mitleid für ihre Verlegenheit ergriffen, halte er ihnen einen Platz in seinem Wagen angeboten. Die Gourdan hatte den Vorschlag spaßhaft gefunden und ihn angenommen.

Und Niemand wollte diese Treuherzigkeit des Prälaten glauben, Jedermann sagte zu, ihm: Wie! Sie kennen die Gourdan nicht? Wahrlich, das ist unglaublich!

Mitten unter diesen Umständen brach der merkwürdige musikalische Krieg zwischen den Anhängern Glucks und den Anhängern Piccinis aus; der Hof trennte sich in zwei Partheien.

Jung poetisch, mit angeborenem musikalischen Talente eine Schülerin Glucks, fand die Dauphine in unseren Opern nur eine Sammlung mehr oder minder angenehmer kleiner Arien. Als sie die Trauerspiele Racines aufführen sah, hatte sie den Einfall, ihrem Lehrer Iphigenia in Aulis zu übersenden und ihn aufzufordern, die Ströme seiner Musik über die harmonischen Verse Racines auszugießen. Nach Verlauf von sechs Monaten war die Musik gemach und Gluck brachte die Partitur selbst nach Paris.

Ein Mal in Paris wurde Glück der Günstling der Dauphine, und hatte zu jeder Stunde freien Zutritt in die kleinen Apartements.

Man muß sich an Alles, und besonders an das Grandiose gewöhnen. Die Musik Glucks machte bei ihrem Erscheinen nicht alle die Wirkung, welche sie hätte machen können. Für die leeren, für die ermüdeten Herzen ist der Gedanke Nichts; das Geräusch genügt: der Gedanke ist eine Beschwerde, das Geräusch eine Zerstreuung.

Die alte Gesellschaft zog die italienische Musik, die hellklingende Schelle der melodischen Orgel vor

Aus Widerspruch und weil die Frau Dauphine der deutschen Musik den Vorzug gegeben hatte, ergriff Madame Du Barry Parthei für die italienische Musik, und sandte Piccini Texte, Piccini sandte Partituren zurück, und die junge und die alte Gesellschaft trennten sich in zwei Partheien.

Das kam daher, weil gänzlich neue Ideen in Mitte dieser alterthümlichen französischen Gesellschaft gleich unbekannten Blumen auftauchten, welche zwischen dem gespaltenen Pflaster von dunkler Farbe, zwischen den gesprungenen Steinen eines alten Schlosses wachsen.

Diese Ideen waren die englischen Ideen die Gärten mit Tausend zurückweichenden Alleen, mit Gebüschen, Grasplätzen, Blumenkörben, Rasenmatten, es waren Landhäuser, Morgenspaziergänger ohne Puder und ohne Schminke, mit einem einfachen Strohhute mit breitem Rande, eine Kornblume oder ein Tausendschönchen darauf; es warm Spaziergänger, die ein feuriges Pferd lenkten, gefolgt von Jokeis mit schwarzen Mützen, runden Jacken und ledernen Hosen; es waren Phaedons mit vier Rädern, welche Furore machten; Prinzessinnen wie Hirtinnen gekleidet, Schauspielerinnen wie Königinnen gekleidet. Es waren die Duthé, die Guimard, die Sophie Arnould, die Prairie, Cléophile, die sich mit Diamanten bedeckten, während die Dauphine, die Prinzessin von Lamballe, die Frauen von Polignac, von Langeac und von Adhémar sich nur mit Blumen zu schmücken verlangten.

Und bei dem Anblicke dieser ganzen neuen, dem Unbekannten zuschreitenden Gesellschaft, neigte Ludwig XV. immer mehr sein Haupt. Vergebens schwärmte die ausgelassene Gräfin, wie eine Biene summend, leicht, wie ein Schmetterling, glänzend, wie ein Colibri, um ihn herum; kaum erhob der König von Zeil zu Zeit seine schwere Stirn, auf welcher, wie man hätte sagen können, sich mit jedem Augenblicke der Stempel des Todes immer sichtbarer verbreitete.

Das kam daher, weil die Zeit verfloß; das kam daher, weil man in den zweiten Monat seit dem Tode des Marquis von Chauvelin eingetreten war; das kam daher, weil der 5. Mai herbeigekommen war, und weil es am 23. des Monats gerade zwei Monate wurden, seit der Marquis gestorben war.

Dann, wie als ob Alles sich verschwöre, um sich der traurigen Verschwörung anzuschließen, hatte der Abbé von Beauvais an dem Hofe gepredigt, und in seiner Predigt über die Notwendigkeit, sich zum Tode vorzubereiten, über die Gefahr der Unbußfertigkeit bis zum Tode, hatte er ausgerufen:

»Noch vierzig Tage, Sire, und Ninive wird zerstört sein.«

So daß, wenn er an Herrn von Chauvelin gedacht hatte, der König an den Abbé von Beauvais dachte, so daß, wenn er zu dem Herzoge von Ayen gesagt hatte:

– Am 23, wird es zwei Monate her sein, daß Chauvelin gestorben ist —

Er sich nach dem Herzoge von Richelieu umwandte, und murmelte:

– Vierzig Tage hat dieser verteufelte Abbé von Beauvais gesagt, nicht wahr?

Und Ludwig XV. fügte hinzu:

– Ich wollte, daß diese vierzig Tage vorüber wären.

Das war nicht Alles, der Kalender von Lüttich hatte in Bezug auf den Monat April gesagt:

– In dem Monate April wird eine, der am meisten begünstigten Frauen ihre letzte Rolle spielen.

So daß Madame Du Barry in das Jammern des Königs mit einstimmte, und von dem Monate April das sagte, was er von den vierzig Tagen sagte, nämlich:

– Ich wünschte wohl, daß dieser verfluchte Monat April vorüber wäre.

In Diesem verfluchten Monat April, der Madame Du Barry so sehr erschreckte, und während der vierzig Tage, welche die Leidenszeit des Königs waren, vervielfältigten sich die Vorbedeutungen. Der Gesandte von Genua, den der König häufig sah, starb eines plötzlichen Todes. Der Abbé de la Ville, welcher zu seinem Lever kam, um ihm für die Stelle als Director der auswärtigen Angelegenheiten zu danken, die er ihm gegeben halte, rollte von einem Schlagflusse, in seiner Gegenwart getroffen, zu seinen Füßen. Endlich schlug der Blitz, als der König auf der Jagd war, neben ihm ein.

Alles daß machte ihn immer trauriger.

Man hatte Etwas von der Rückkehr des Frühlings gehofft; diese Natur, welche im Monat Mai ihr Leichentuch abschüttelt, diese Erde, welche wieder grün wird, diese Bäume, welche ihre Frühlingsgewänder anlegen, diese Luft, welche sich mit lebendigen Atomen bevölkert, diese Flammenhauche, welche mit den Lüften vorüberziehen, die Körper suchende Seelen zu sein scheinen: Alles das konnte diesem trägen Stoffe einiges Leben, dieser abgenutzten Maschine einige Bewegung wiedergeben.

Gegen die Mitte des Aprils sah Lebel bei ihrem Vater die Tochter eines Müllers, deren seltsame Schönheit ihn überraschte; er meinte, daß das ein Leckerbissen wäre, der den Appetit des Königs wieder wecken konnte, und er sprach ihm voll Begeisterung davon. Ludwig XV. willigte nachlässiger Weise in diesen neuen Zerstreuungsversuch ein.

Im Allgemeinen gingen die jungen Mädchen, welche Ludwig XV. mit seiner königlichen Güte beehren oder entehren sollte, bevor sie zu dem Könige gelangten, durch die Untersuchung der Aerzte, dann durch die Hände Lebels und gelangten dann endlich zu dem Könige.

 

Dieses Mal war das junge Mädchen so frisch und so hübsch, daß alle diese Vorsichtsmaßregeln vernachlässigt wurden, und, wären sie auch getroffen worden, so wäre es doch dem geschicktesten Arzte schwer gewesen, zu erkennen, daß sie seit einigen Stunden die Blattern hatte.

Der König hatte diese Krankheit bereits in seiner Kindheit gehabt, aber zwei Tage nach seinem Verkehr mit diesem jungen Mädchen zeigte sie sich ein zweites Mal.

Ein bösartiges Fieber kam hinzu, und machte die Lage schwieriger.

Am 29. April zeigte sich der erste Ausbruch, und der Erzbischof von Paris, Christoph von Beaumont,, eilte nach Versailles herbei.

Dieses Mal war die Lage sonderbar., Die Reichung der Sacramente, wenn die Nothwendigkeit sich dazu fühlen ließe, konnte erst nach der Ausweisung der Concubine stattfinden, und diese Concubine, welche der Parthei der Jesuiten angehörte, deren Haupt Christoph von Beaumont war, diese Concubine halte nach der Aussage des Erzbischofes selbst durch den Sturz des Ministers Choiseul und durch den Sturz des Parlamentes der Religion so wichtige Dienste erwiesen, daß es unmöglich war, sie den Kirchengesetzen gemäß zu entehren.

Die Häupter dieser Parthei waren mit Herrn von Beaumont und Madame Du Barry, der Herzog von Aiguillon, der Herzog von Richelieu, der Herzog von Fronsac, Maupeou und Terray.

Derselbe Stoß mußte Alle stürzen, der Madame Du Barry stürzte. Sie hatten daher keinen Grund, sich gegen sie zu erklären.

Die Parthei des Herrn von Choiseul dagegen, welche überall, bis in dem Schlafzimmer des Königs war, verlangte die Ausweisung der Favoritin und eine schnelle Beichte, was merkwürdig zu sehen war, da es die Parthei der Philosophen, der Jansenisten und der Atheisten war, welche den König zur Beichte antrieben, während der Erzbischof von Paris, die Religiösen und die Frommen es waren, welche wünschten, daß der König sich weigere, zu beichten.

So war die seltsame Stimmung der Gemüther, als am 1. Mai um halb zwölf Uhr Vormittags der Erzbischof erschien, um den kranken König zu besuchen.

Als sie erfuhr, daß der Erzbischof angekommen wäre, entfloh die arme Madame Du Barry auf jeden Zufall hin.

Der Herzog von Richelieu war es, der dem Prälaten entgegen kam, dessen Absichten er noch nicht kannte.

– Gnädiger Herr, sagte der Herzog, ich beschwöre Sie, den König nicht durch diesen theologischen Antrag zu erschrecken, der so viele Kranke hat sterben lassen. Wenn Sie aber neugierig sind, hübsche und artige Sünden zu hören, so setzen Sie Sich dorthin, ich werde an der Stelle des Königs beichten und Ihnen so starke Sünden sagen, daß Sie deren keine ähnlichen gehört haben, seitdem Sie Erzbischof von Paris sind. Wenn Sie jetzt Meinen Vorschlag nicht genehmigen, wenn Sie durchaus den König zur Beichte hören und in Versailles die Auftritte des Bischofes von Soissons in Metz erneuern wollen, wenn Sie Madame Du Barry mit Glanz fortschicken wollen, so bedenken Sie die Folgen und Ihre eigenen Interessen; Sie sichern den Triumph des Herzogs von Choiseul, Ihres grimmigsten Feindes, von dem Sie zu befreien Madame Du Barry so viel beigetragen hat, und Sie verfolgen Ihre Freundin zu Gunsten Ihres Feindes, ja, gnädiger Herr, Ihre Freundin, und so sehr Ihre Freundin, daß sie noch gestern zu mir sagte: Der Herr Erzbischof möge uns in Ruhe lassen, und er wird seinen Kardinalshut erhalten, ich bin es, die es übernimmt und die Ihnen dafür bürgt.

Der Erzbischof von Paris hatte Herrn von Richelieu sprechen lassen, denn, obgleich im Grunde derselben Ansicht, als er, war es nöthig, daß es den Anschein hätte, als ob er überredet sei. Glücklicher Weise kamen der Herzog von Aumont, Madame Adelaide und der Bischof von Senlis sich dem Marschalle anzuschließen und dem Prälaten Waffen gegen sich selbst zu liefern. Es hatte das Ansehen, als ob er nachgäbe, versprach, Nichts zu sagen, und trat zu dem Könige ein, dem er durchaus nicht von der Beichte sprach, was den erlauchten Kranken so sehr zufrieden stellte, daß er auf der Stelle Madame Du Barry zurückberufen ließ, deren schöne Hände er vor Freude weinend küßte.

Am folgenden Morgen, am 2. Mai, befand sich der König ein wenig besser; statt Lamartinières, seines Leibarztes, hatte ihm Madame Du Barry ihre beiden Aerzte, Lorry und Bordeu gegeben. Den beiden Doctoren war vor allen Dingen anempfohlen worden, dem Könige die Natur seiner Krankheit zu verhehlen, ihm die Lage zu verschweigen, in welcher er sich befände, und besonders den Gedanken von ihm zu entfernen, daß er krank genug wäre, um nöthig zu haben, seine Zuflucht zu den Priestern zu nehmen.

Diese Besserung der Gesundheit des Königs erlaubte dir Gräfin wieder, einen Augenblick lang ihre freien Mienen, ihre gewöhnlichen Aeußerungen, ihre gewohnten Artigkeiten anzunehmen. Aber in dem Augenblicke selbst, wo es ihr gelang, den Kranken durch Einfälle und durch Witz lächeln zu lassen, erschien Lamartinière, dem man seinen freien Eintritt nicht genommen hatte, auf der Schwelle der Thür, und beleidigt durch den Vorzug, den man Lorry und Bordeu vor ihm gab, ging er gerade auf den König zu, fühlte ihm den Puls und schüttelte den Kopf.

Der König hatte ihn gewähren lassen, indem er ihn voll Schrecken anblickte. Dieser Schrecken vermehrte sich noch, als er das entmuthigende Zeichen sah, welches Lamartinière machte.

– Nun denn! Lamartinière?

– Nun denn! Sire, wenn meine Collegen Ihnen nicht gesagt haben, daß die Sache gefährlich wäre, so sind es Esel oder Lügner.

– Was habe ich nach Deiner Meinung, Lamartinière? fragte der König.

– Bei Gott! Sire, das ist nicht schwer zu sehen, Eure Majestät hat die Blattern.

– Und Du sagst, daß Du keine Hoffnung hast, mein Freund?

– Das sage ich, nicht, Sire, ein Arzt verzweifelt niemals. Ich sage nur, daß wenn Eure Majestät nur den Namen nach der Allerchristlichste König ist, sie darüber nachdenken muß.

– Es ist gut, sagte der König.

Hierauf rief er Madame Du Barry und sagte zu ihr:

– Sie hören, meine Liebe, ich habe die Blattern, und meine Krankheit ist höchst gefährlich, zuvörderst wegen meines Alters, und dann wegen meiner andern Krankheiten. Lamartinière hat mich daran erinnert, daß ich der Allerchristlichste König und der älteste Sohn der Kirche bin, meine Liebe. Vielleicht werden wir uns trennen müssen. Ich will einen Auftritt gleich dem in Metz vermeiden. Benachrichtigen Sie den Herzog von Aiguillon von dem, was ich Ihnen sage, damit er mit Ihnen Anstalten trifft, um uns ohne Aufsehen zu trennen, wenn meine Krankheit sich verschlimmern sollte.

In dem Augenblicke, wo der König das sagte, begann die ganze Partei des Herzogs von Choiseul ganz laut zu murren, indem sie den Erzbischof der Gefälligkeit beschuldigte und sagte, daß er, um Madame Du Barry nicht zu stören, den König ohne Sakramente sterben lassen würde.

Diese Beschuldigungen gelangten zu den Ohren des Herrn von Beaumont; der, um ihnen ein Erde zu machen, den Entschluß faßte, nach Versailles in das Kloster der Lazaristen zu gehen, um dadurch das Publikum zu täuschen, und den günstigen Moment zu benutzen, wo er seine religiösen Ceremonien anbringen könnte, um Madame Du Barry erst dann zu opfern, wenn der König sich in einem gänzlich rettungslosen Zustande befinden würde.

Es war am 3 Mai, wo der Erzbischof nach Versailles zurückkehrte; dort angekommen, wartete er.

Während dieser Zeit trugen sich um den König herum scandalöse Auftritte zu Der Kardinal de la Roche-Aymon war der Meinung des Erzbischof von Paris, und wünschte, daß Alles ohne Aufsehen vollbracht würde; dem war aber nicht so mit dem Bischofe von Carcassonne, welcher den Glaubenseiferer spielte, die Auftritte von Metz erneuerte und laut sagte: Daß es nöthig sei, daß der König die letzte Oelung erhielte, daß die Concubine ausgewiesen, daß die Gesetze der Kirche vollzogen würden, und daß der König dem christlichen Europa und Frankreich, das er scandalisirt hätte, ein Beispiel der Reue gäbe.

– Und mit welchem Rechte ertheilen Sie mir Rath? rief Herr de la Roche-Aymon unwillig geworden aus.

Der Bischof nahm sein Hirtenkrenz von seinem Halse ab, und hielt es dem Prälaten fast unter die Nase.