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Tausend und Ein Gespenst

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Ich stand auf, um sie wieder anzuzünden, indem ich keine Furcht hatte, doch aber heftig erschüttert war; das Unglück wollte, daß ich kein Zündhölzchen wieder fand, es war zu spät, um zu rufen, und ich wußte nicht, wo ich eines holen sollte, ich verschloß das Fenster meines Kabinettes und legte mich wieder ohne Licht zu Bett.

Alles das hatte mich erschüttert, ich war traurig; ich fühlte eine unglaubliche Lust zu weinen, es schien mir, als hörte ich Etwas wie das Rauschen eines seidenen Kleides durch das Zimmer. Mehrere Male fragte ich: – Ist Jemand da? Endlich schlief ich ein, aber spät, und als ich wieder erwachte, fand ich mein armes Pastellbild in dem Zustande, in welchem Sie es sehen.

– O! wie sonderbar, sagte ich zu ihm, und haben Sie Ihren wöchentlichen Brief erhalten?

– Welchen Brief?

– Den, welchen Ihnen das Original des Porträts schrieb.

– Nein, und das ist es, was mich beunruhigt, deshalb habe ich Franziska gesagt, mir die Briefe, welche für mich ankommen sollten, ohne Verzug heraufzubringen oder bringen zu lassen.

– Nun denn, dieser da, den ich Ihnen bringe. . .

– Das ist nicht ihre Art, sie zusammenzuschlagen.

– Ah!

– Aber gleichviel, er ist von Angers.

– Die Person bewohnte Angers?

– Ja; ach, mein Gott! schwarz gesiegelt! Arme Freundin, sollte ihr ein Unglück zugestoßen sein?

Und Herr von Villenave erbleichte, indem er den Brief erbrach.

Bei den ersten Worten, welche er las, füllten seine Augen sich mit Thränen.

Er nahm einen zweiten bei seiner vierten Zeile unterbrochenen und in dem ersten enthaltenen Brief.

Er drückte diesen unterbrochenen Brief an seine Lippen und reichte mir den andern.

– Lesen Sie, sagte er.

Ich las:

»Mein Herr,

»Mit meinem persönlichen, der durch den Schmerz, den Sie empfinden werden, vermehrt wird, melde ich Ihnen, daß Madame * * * vorigen Sonntag mit dem letzten Schlage der Mitternachtsstunde gestorben ist.

»Sie war zwei Tage zuvor, in dem Augenblicke, wo Sie Ihnen schrieb, von einem Unwohlsein befallen worden, was wir anfangs für unbedeutend hielten, und das bis zu dem Augenblicke ihres Todes immer schlimmer wurde.

»Ich habe die Ehre, Ihnen, so unvollständig er ist, den Brief zu übersenden, den sie für Sie angefangen hatte. Dieser Brief wird Ihnen beweisen, daß die Gefühle, welche sie Ihnen gewidmet hatte, bis zu dem Augenblicke ihres Todes dieselben geblieben sind.

»Ich bin, mein Herr, wie Sie Sich wohl denken werden, sehr traurig, aber nenne mich immer Ihre gehorsamste Dienerin.

»Therese Mirand.«

Herr Villenave folgte mit den Augen meinen Augen, welche lasen.

– Um Mitternacht! sagte er zu mir, Sie sehen; um Mitternacht ist das Porträt herabgefallen und zerbrochen. Es findet nicht allein ein Zusammentreffen des Tages, sondern auch noch der Minute statt.

– Ja, antwortete ich, so ist es.

– Sie glauben also? rief Herr von Villenave aus.

– Ei gewiß, glaube ich.

– O! dann ist es gut, kommen Sie eines Tages, mein Freund, eines Tages, wo ich ein Wenig weniger betrübt sein werde, nicht wahr, und ich werde Ihnen Etwas noch bei weitem Außerordentlicheres erzählen.

– Etwas, das Ihnen begegnet ist?

– Nein, aber von dem ich Zeuge gewesen bin.

– Wann das?

– O! das ist sehr lange her. Es war im Jahre 1774, zu der Zeit, wo ich Erzieher der Kinder des Herrn von Chauvelin war.

– Und Sie sagen. . .?

– Ja, daß ich Ihnen das erzählen werde; inzwischen werden Sie begreifen. . .

– Ich begreife, Sie haben das Bedürfniß allein zu sein.

Ich stand auf und schickte mich an, mich zu entfernen.

– Apropos, sagte Herr von Villenave, sagen Sie im Vorbeigehen den Damen, daß man nicht besorgt über mich sein mögte; ich werde nicht hinabgehen.

Ich machte ein Zeichen, daß der Auftrag ausgeführt werden würde.

Nun ließ Herr von Villenave seinen Sessel sich so auf einem Hinterfuße drehen, um sich ganz dem Porträt gegenüber zu befinden und murmelte, während ich die Thüre wieder schloß:

– Arme Sophie!

Die nun folgende Geschichte ist, was mir Herr von Villenave später erzählte.

IV.
Der Arzt des Königs

Am 25. August 1774 lag der König Ludwig XV. in Versailles in dem blauen Zimmer zu Bett, neben seinem Bette schlief auf einem Gurtbette der Wundarzt Lamartinière.

Es schlug fünf Uhr Morgens an der Uhr des großen Hofes, und die Bewegung begann in dem Schlosse.

Eine Bewegung besorgter Schatten, welche den Schlummer des Fürsten um diese Stunde schonten, zu welcher Ludwig XV., durch die Nachtwachen und durch die Ausschweifungen erschöpft seit einiger Zeit durch lang an, haltende Schlaflosigkeit und durch einschläfernde Mittel, wenn der lang entbehrte Schlaf dazu nicht selbst genügte, ein wenig Ruhe fand.

Der König war nicht mehr jung; er trat in sein fünf und sechzigstes Jahr, nachdem er die Vergnügungen, die Genüsse, das Lob bis auf die Hefe erschöpft hatte, blieb ihm Nichts mehr kennen zu lernen übrig, er langweilte sich.

Das Fieber der Langenweile war die schlimmste seiner Krankheiten, ein hitziges Fieber unter Frau von Châteauroux, war es ein Wechselfieber unter Frau von Pompadour und chronisch unter Madame Dubarry geworden.

Denen, welche Nichts mehr kennen zu lernen haben, bleibt zuweilen Etwas zu lieben übrig; das ist ein vortreffliches Mittel gegen die Krankheit, von welcher Ludwig XV. befallen war. Abgestumpft für die persönliche Liebe durch die, welche er einem ganzen Volke eingeflößt hatte, und die bis zum Unsinn getrieben worden war, hatte ihm diese Gewohnheit zu lieben zu alltäglich geschienen, als daß ein König von Frankreich sich ihr hingäbe.

Ludwig XV. war also von seinem Volke, von seiner Gattin und von seinen Maitressen geliebt worden, aber Ludwig XV. hatte niemals Jemand geliebt.

Es bleibt auch denen, welche abgestumpft sind, eins aufregende Sache, nämlich das Leiden. Mit Ausnahm, von zwei oder drei Krankheiten halte Ludwig XV. niemals gelitten, und, ein begünstigter Sterblicher, empfand er als Vorgefühl des Alters nur einen Anfang von Ermüdung, welche die Aerzte ihm als ein Signal sich zurückzuziehen vorstellten.

Bei den berühmten Nachtessen von Choisy, wo die Tische ganz gedeckt aus dem Fußboden herauskamen, wo der Dienst durch die Pagen der kleinen Marställe versehen wurde, wenn die Gräfin Dubarry Ludwig XV. zum Trinken aufforderte, der Herzog von Ayen zum lauten Gelächter und der Marquis von Chauvelin zur epikuräischen Lustigkeit, bemerkte Ludwig XV. zuweilen voll Erstaunen, daß seine Hand träg war, dieses Glas voll sprudelnder Flüssigkeit zu erheben, die er so sehr geliebt hatte, daß seine Stirn sich weigerte sich zu diesem unaufhörlichen Lachen zusammen zu ziehen, welche die witzigen Einfälle der Jeanne Vaubernier zuweilen gleich Herbstblumen an den Grenzen seines reifen Alters hatte aufblühen lassen, daß endlich sein Kopf bei den verführerischen Schilderungen dieses glücklichen Lebens kalt blieb, welches die höchste Gewalt, der höchste Reichthum und die vortreffliche Gesundheit verschaffen.

Ludwig XV. hatte keinen offenen Charakter, er verschloß Freude und Traurigkeit in sich selbst; vielleicht wäre er durch diese innere Verschlossenheit seiner Gefühle ein großer Politiker geworden, wenn, wie er es selbst sagte, ihm nicht die Zeit dazu gefehlt hätte.

Sobald er die Veränderung bemerkte, welche in ihm vorzugehen begann, so verschloß er sich in sich selbst und beobachtete sich, statt sich darein zu ergeben und Philosophischer Weise jene ersten Winde des Alters einzuathmen, welche die Stirn runzeln und die Haare silberfarbig machen.

Was den fröhlichsten Menschen traurig macht, ist die Zergliederung der Freude oder des Leidens; die Zergliederung ist ein zwischen das Lachen und das Schluchzen geworfenes Schweigen.

Man hatte bis dahin den König nur gelangweilt gesehen, man sah ihn traurig. Er lachte nicht mehr über die Zweideutigkeiten der Madame Dubarry, er lächelte nicht mehr bei dem Muthwillen des Herzogs von Ayen, er beruhigte sich nicht mehr bei den freundschaftlichen Liebkosungen des Herrn von Chauvelin, seines Herzensfreundes, des Achates seiner königlichen Streiche.

Madame Dubarry; vor Allen beklagte sich über diese Traurigkeit, welche besonders für sie in Kälte ausartete.

Diese moralische Veränderung veranlaßte die Aerzte zu sagen, daß wenn der König noch nicht krank wäre, er es zuverlässig werden würde.

Am vorhergehenden 15. April hatte es daher auch Lamartinière, sein erster Wundarzt, nachdem er den König seine monatliche Arznei hatte einnehmen lassen, gewagt, ihm Bemerkungen zu machen, die er für dringend nothwendig hielt.

– Sire, hatte also Lamartinière zu ihm gesagt, da Eure Majestät nicht mehr trinkt, da Eure Majestät nicht mehr ißt, da Eure Majestät nicht. . . . . . . . sich nicht mehr belustigt, was will sie thun?

– Ei! mein lieber Lamartinière, hatte der König geantwortet, das, was mir außer Alle diesem da am belustigendsten scheinen könnte.

– Ich weiß eben nicht viel Neues Eurer Majestät anzubieten. Eure Majestät hat Krieg geführt, Eure Majestät hat gesucht die Gelehrten und die Künstler zu lieben, Eure Majestät hat die Frauen und den Champagner geliebt. Wenn man nun aber den Ruhm, die Schmeichelei, die Liebe und den Wein gekostet hat, so versichere ich Eurer Majestät, daß ich vergebens eine Muskel, eine Faser, einen Nervenknoten suche, welche mir das Vorhandensein einer andern Anlage zu irgend einer neuen Zerstreuung offenbaren.

– Ah! Ah!, äußerte der König, wahrhaftig, Sie glauben, Lamartinière?

– Sire, bedenken Sie wohl, Sardanapal war ein sehr verständiger König, fast eben so verständig als Eure Majestät, obgleich er etwa zwei Tausend acht Hundert Jahre vor ihr lebte. Er liebte das Leben, und beschäftigte sich viel damit, es gut anzuwenden. Ich glaube zu wissen, daß er sorgfältig die Mittel suchte, den Leib und den Verstand in der Auffindung der am wenigsten bekannten Vergnügungen zu üben. Nun denn! niemals haben die Geschichtschreiber mir gezeigt, daß er irgend etwas Anderes gefunden hätte, als das, was Sie selbst gefunden haben.

 

– Ich gebe es zu, Lamartinière.

– Ich nehme den Champagner davon aus, Sire, den Sardanapal nicht kannte, er hatte im Gegentheile die zähen, schweren und kahnigen Weine Kleinasiens zum Getränk, diese flüssigen Flammen, welche aus dem Fleische der Trauben des Archipels kommen, Weine, deren Trunkenheit eine Raserei ist, während die Trunkenheit des Champagners nur eine Ausgelassenheit ist.

– Das ist wahr, mein lieber Lamartinière, das ist wahr, der Champagner ist ein artiger Wein, und ich habe ihn sehr gern getrunken. Aber, sagen Sie mir, hat sich Ihr Sardanapal nicht am Ende auf einem Scheiterhaufen verbrannt?

– Ja, Sire, das war die einzige Art von Vergnügen, welche er noch nicht versucht hatte; er sparte dies bis zuletzt auf.

– Und ohne Zweifel verbrannte er sich mit seinem Palaste, seinen Reichthümern und seiner Favoritin, um dieses Vergnügen so groß als möglich zu machen?

– Ja, Sire.

– Sollten Sie mir etwa zufällig rathen, mein lieber Lamartinière, Versailles zu verbrennen, und mit Versailles zu gleich mich selbst mit Madame Dubarry zu verbrennen?

– Nein, Sire, Sie haben Krieg gefühlt, Sie haben Feuersbrünste gesehen, Sie sind selbst in die Kanonade von Fontenoy eingehüllt gewesen. Die Flamme würde dem zu Folge keine neue Belustigung für Sie sein. Nun denn, gehen wir ihre Vertheidigungsmittel gegen die Langeweile nochmals durch.

– O! Lamartinière, ich bin sehr entwaffnet.

– Sie haben zuvörderst Herrn von Chauvelin, Ihren Freund, einen Mann von Verstand. . . einen. . .

– Chauvelin hat keinen Verstand mehr, mein Lieber.

– Seit wann?

– Seit dem ich mich langweile, bei Gott!

– Bah! äußerte Lamartinière, das ist gerade, als wenn Sie sagten, daß Madame Dubarry nicht mehr schön sei, seitdem. . .

– Seitdem, was?. . . äußerte der König, indem er ein wenig erröthete.

– O! ich weiß, was ich sagen will, erwiderte der Wundarzt barsch.

– Kurz, sagte der König, indem er einen Seufzer ausstieß, es ist entschieden, daß ich krank werde?

– Ich fürchte es, Sire.

– Dann ein Mittel, Lamartinière, ein Mittel, kommen wir dem Uebel zuvor.

– Die Ruhe, Sire, ich kenne kein anderes.

– Gut!

– Die Diät.

– Gut!

– Zerstreuungen.

– Dabei unterbreche ich Sie, Lamartinière.

– Wie das?

– Ja, Sie verordnen mir Zerstreuungen, und Sie sagen mir nicht, wie ich mich zerstreuen soll. Nun denn! ich halte Sie für unwissend, höchst unwissend! verstehen Sie, mein Freund?

– Und Sie haben Unrecht, Sire. Es ist Ihre Schuld, und nicht die meinige.

– Wie das?

– Ja, man zerstreut die nicht, welche sich langweilen, wenn Sie Herrn von Chauvelin zum Freunde, und Madame Dubarry zur Geliebten haben.

Es entstand ein Schweigen, durch welches der König einzugestehen schien, daß das, was Lamartinière gesagt hatte, nicht ohne Grund wäre.

Dann begann der König wieder:

– Nun denn! Lamartinière, mein Freund, da wir von Krankheit sprechen, so lassen Sie uns zum Mindesten vernünftig sprechen. Sie sagen, daß ich mich mit Allem auf dieser Welt belustigt habe, nicht wahr?

– Ich sage es, und dem ist so.

– Mit dem Kriege?

– Bei Gott! wenn man die Schlacht von Fontenoy gewonnen hat.

– Ja, war es aber ein belustigendes Schauspiel, Menschen in Lumpen, vier Meilen in der Länge und eine Meile in der Breite mit Blut durchweicht, ein Blutgeruch um übel zu machen?

– Am Ende, der Ruhm.

– Außerdem, bin ich es, der die Schlacht gewonnen hat? ist es nicht der Herr Marschall von Sachsen? ist es nicht der Herr Herzog von Richelieu, ist es nicht besonders Péquigny mit seinen vier Kanonen?. . .

– Gleichviel, wer hat indessen den Triumph davon gehabt? Sie.

– Ich gebe es zu; das ist also der Grund, aus welchem Sie vermuthen, daß ich den Ruhm lieben muß. Ah! mein lieber Lamartinière, fügte der König hinzu, indem er einen Seufzer ausstieß, wenn Sie wüßten, wie schlecht ich am Vorabende von Fontenoy gebettet war!

– Wohlan! es mag sein, lassen wir den Ruhm; Sie können, indem Sie nicht selbst erobern wollen, ihn sich durch die Maler, die Dichter und die Geschichtschreiber geben lassen.

– Lamartinière, ich höbe einen Abscheu vor all diesen Leuten, welche weit abgeschmacktere Schurken sind, als meine Bedienten, oder Kolosse von Stolz, um nicht unter dem Triumphbogen meines Großvaters durchzugehen. Besonders dieser Voltaire, hat dieser Schelm mir nicht eines Abends auf die Schulter geklopft, indem er mich Trajan nannte? Man sagt ihm, daß er der König meines Reiches sei, und der Schurke glaubt es. Ich will also Nichts von der Unsterblichkeit wissen, welche Leute dieser Art mir geben könnten, ich müßte sie auf dieser vergänglichen Welt und vielleicht sogar in der andern zu theuer bezahlen.

– In diesem Falle, was wollen Sie, Sire? sagen Sie es.

– Ich will mein Leben so lange dauern lassen, als ich es vermag. Ich will, daß dieses Leben so viel als möglich das enthält, was ich liebe, und dazu sind es weder die Dichter, noch die Philosophen, noch die Krieger, an die ich mich wenden würde; nein, siehst Du, Lamartinière? nach Gott schätze ich Niemand als die Aerzte, wohl verstanden, daß sie gut sind.

– Bei Gott!

– Sprechen Sie daher offenherzig, lieber Lamartinière.

– Ja, Sire.

– Was habe ich zu fürchten?

– Den Schlagfluß.

– Man stirbt daran?

– Ja, wenn man nicht zur rechten Zeit zu Ader gelassen wird.

– Lamartinière, Sie werden mich nicht mehr verlassen.

– Das ist unmöglich, Sire, ich habe meine Kranken.

– Sehr wohl! Aber es scheint mir, daß meine Gesundheit eben so wichtig für Frankreich und für Europa ist, als die aller Ihrer Kranken mit einander; man wird jeden Abend Ihr Bett neben dem meinigen aufschlagen.

– Sire!. . .

– Was liegt Ihnen daran, ob Sie hier oder anders wo schlafen? Und Sie werden mich durch Ihre bloße Gegenwart beruhigen, mein lieber Lamartinière, und Sie werden der Krankheit Furcht machen, denn die Krankheit kennt Sie und weiß, daß sie keinen gefährlicheren Feind hat, als Sie.

Das ist die Ursache, warum sich der Wundarzt Lamartinière am 25. April 1774 in einem kleinen Bette in dem blauen Zimmer in Versailles befand, indem er gegen fünf Uhr Morgens im tiefsten Schlafe lag, während der König nicht schlief.

Ludwig XV., welcher nicht schlief, wie wir so eben versichert haben, stieß einen gewaltigen Seufzer aus, aber, da ein Seufzer kein: bestimmte Bedeutung hat, als die, welche ihm der Seufzende gibt, so hörte ihn Lamartinière, welcher schnarchte, statt zu seufzen, aber achtete nicht darauf oder schien nicht darauf zu achten.

Als der König sah, daß sein Leibwundarzt gefühllos gegen diesen Ruf war, neigte er sich über den Rand des Bettes, und betrachtete bei dem Scheine der dicken Wachskerze, welche in dem Marmorbecken brannte, seinen Aufseher, den eine dicke und weiche Decke, welche bis an die Schleife seiner Nachtmütze hinaufging, den beharrlichsten Blicken entzog.

– O! äußerte der König. Ach!

Lamartinière hörte wieder, da aber ein Ausruf zuweilen einem schlafenden Manne entschlüpfen kann, so ist das kein Grund, daß er einen andern weckt.

Der Wundarzt fuhr daher fort zu schnarchen.

– Was er glücklich ist, so zu schlafen! murmelte Ludwig XV.

Dann fügte er hinzu:

– Was diese Aerzte materiell sind!

Und er gewann es über sich, noch länger zu warten; als er aber eine Viertelstunde lang vergebens gewartet hatte, sagte er endlich:

– He! Lamartinière.

– Nun denn, was gibt es, Sire? fragte der Arzt Seiner Majestät mürrisch.

– Ach! mein armer Lamartinière, wiederholte der König, indem er so kläglich ächzte, als er es vermogte.

– Nun denn! was?

Und der Doktor, indem er wie ein Mann brummte, der sicher ist, daß er seine Stellung mißbrauchen kann, ließ sich aus seinem Bette gleiten.

Er fand den König auf dem seinigen sitzen.

– Nun denn'. Sire, Sie leiden? fragte er ihn.

– Ich glaube, ja, mein lieber Lamartinière, erwiderte Seine Majestät.

– O! o! Sie sind ein wenig aufgeregt.

– Sehr aufgeregt, ja.

– Ueber was?

– Ich weiß es nicht.

– Ich weiß es, murmelte der Wundarzt, es. ist vor Furcht.

– Fühlen Sie meinen Puls, Lamartinière.

– Das ist es, was ich thue.

– Nun denn?

– Nun denn! Sire, er thut achtundachtzig Schlüge in der Minute, was viel bei den Greisen ist.

– Bei den Greisen, Lamartinière!

– Ohne Zweifel.

– Ich bin erst vier und sechszig Jahre alt, und mit vier und sechszig Jahren ist man noch nicht alt.

– Man ist schon nicht mehr jung.

– Sagen Sie an, was verordnen Sie?

– Zuvörderst, was empfinden Sie?

– Wie mir scheint, ersticke ich ein wenig.

– Nein, Sie frieren im Gegentheile.

– Ich muß roth sein?

– Gehen Sie, Sie sind bleich. Einen Rath, Sire. – Welchen?

– Trachten Sie wieder einzuschlafen; das würde sehr gut sein.

– Ich habe keinen Schlaf mehr.

– Sagen Sie an, was bedeutet diese Aufregung?

– Ei! ich meine, daß Du es wissen mußt, Lamartinière, oder es lohnte nicht der Mühe Arzt zu sein.

– Hätten Sie etwa einen schlimmen Traum gehabt?

– Nun denn! ja.

– Einen Traum! rief Lamartinière aus, indem er die Hände gen Himmel erhob, einen Traum!

– Nun! erwiderte der König, es gibt Träume.

– Nun denn! lassen Sie hören, erzählen Sie Ihren Traum, Sire.

– So was erzählt man nicht, mein Freund.

– Warum denn? Es läßt sich Alles erzählen.

– Dem Beichtvater, ja.

– Dann will ich schnell Ihren Beichtvater rufen; einstweilen nehme ich meine Lanzette wieder mit.

– Ein Traum ist zuweilen ein Geheimniß.

– Ja, und er ist sogar zuweilen auch ein Gewissensbiß. Sie haben recht, Sire, Adieu.

Und der Doctor begann seine Strümpfe und seine Beinkleider anzuziehen.

– Nun denn, Lamartinière, nun denn, werden Sie nicht bös, mein Freund. Nun denn, ich habe geträumt ich habe geträumt, daß man mich nach Saint-Denis brächte.

– Und daß der Wagen schlecht war. . . Bah! wenn Sie diese Reise machen werden, so werden Sie es nicht gewahr werden, Sire.

– Wie kannst Du über so Etwas scherzen? sagte der König ganz schaudernd. Nein, ich habe geträumt, daß man mich nach Saint-Denis brächte, und daß ich ganz lebendig in den Sammet meines Sarges gehüllt wäre.

– Fühlten Sie Sich unbequem in diesem Sarge?

– Ja, ein Wenig.

– Blähungen, finstere Laune, schwere Verdauung.

– O! ich hatte gestern nicht zu Nacht gegessen.

– Dann ist es ein leerer Magen.

– Du glaubst?

– Ah! da fällt mir ein, um wieviel Uhr haben Sie gestern die Frau Gräfin verlassen?

– Es ist jetzt zwei Tage her, daß ich sie nicht gesehen habe.

– Sie schmollen ihr, finstere Laune, Sie sehen es wohl.

– Nicht doch! sie ist es, welche mir schmollt. Ich hatte ihr Etwas versprochen, und ich habe es ihr nicht gegeben.

– Geben Sie ihr dieses Etwas geschwind, und erheitern Sie Ihren Geist wieder.

– Nein, ich bin voll Traurigkeit.

Ah! einen Einfall.

– Welchen?

– Frühstücken Sie mit Herrn von Chauvelin.

– Frühstücken! rief der König aus, das war gut zu der Zeit, wo ich Appetit hatte.

– Ah so! rief der Wundarzt aus, indem er die Arme über einander schlug, Sie wollen Nichts mehr von Ihren Freunden wissen, Sie wollen Nichts mehr von Ihrer Geliebten wissen, Sie wollen Nichts mehr von Ihrem Frühstücke wissen, und Sie glauben, daß ich das dulden würde? Nun denn! Sire, ich erkläre Ihnen Eines, nämlich, daß, wenn Sie Ihre Gewohnheiten ändern, Sie verloren sind.

– Lamartinière, mein Freund. . . läßt mich gähnen meine Geliebte. . . schläfert mich ein; mein Frühstück. . . erstickt mich.

– Gut! dann sind Sie zuverlässig krank.

– Ah! Lamartinière, rief der König aus, ich bin so lange glücklich gewesen.

– Und Sie beklagen Sich darüber? so sind die Menschen.

– Nein, ich beklage mich zuverlässig nicht über die Vergangenheit, sondern über die Gegenwart, durch das beständige Fahren nutzt sich der Wagen ab.

Und der König stieß einen Seufzer aus.

– Das ist wahr, er nutzt sich ab, wiederholte der Wundarzt gravitätischer Weise.

– So daß die Federn nicht mehr gehen, seufzte der König, und ich mich nach der Ruhe sehne.

 

– Nun denn! dann schlafen Sie doch, rief Lamartinière aus, indem er sich wieder zu Bett legte.

– Lassen Sie mich meine bildliche Erklärung fortsetzen, mein guter Doctor.

– Sollte ich mich geirrt haben und sollten Sie Dichter werden, Sire? Das ist wieder eine garstige Krankheit.

– Nein, im Gegentheile, Du weißt, daß ich die Dichter verabscheue. Um der Frau von Pompadour gefällig zu sein, habe ich diesen Schuft von Voltaire in den Adelstand erhoben; aber von dem Augenblicke an, wo er sich erlaubt hat, mich zu dutzen, indem er mich Titus oder Trojan nannte, ich weiß nicht mehr wie, ist das vorbei gewesen. Ich wollte also ohne Poesie sagen, daß ich glaube, daß es Zeit ist, daß ich Einhalt thue.

– Sie wollen meins Meinung wissen, Sire?

– Ja, mein Freund.

– Nun denn! hemmen Sie nicht, Sire, spannen Sie ab.

– Das ist hart, murmelte Ludwig XV.

– Dem ist so, Sire. Wenn ich mit dem Könige spreche, so nenne ich ihn Eure Majestät; wenn ich mit meinem Kranken spreche, so nenne ich ihn nicht einmal mein Herr. Demnach also, Sire, spannen Sie ab, und geschwind. Jetzt, wo wir darüber einig sind, haben wir noch anderthalb Stunden zu schlafen, Sire. Lassen Sie uns daher schlafen.

Und der Wundarzt warf sich wieder unter seine Bettdecke zurück, unter welcher er fünf Minuten nachher auf eine so bürgerliche Weise schnarchte, daß die Gewölbe des blauen Zimmers vor Empörung darüber knirschten.