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Tausend und Ein Gespenst

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Um fünf Uhr Morgens bat mich meine schöne Portugiesin, ihr zu helfen, ihren Gatten zu Bett zu legen; dann, da der Tag anzubrechen begann, nahmen wir von einander mit dem Versprechen Abschied, uns wieder zu sehen.

Ich hatte einen Augenblick lang den Gedanken, eine Ladung Troa zu sammeln, und sie mit einer ausführlichen Beschreibung der Kräfte dieser Waare nach Europa zu senden, aber man versicherte mir, daß sie auf dem Meere verderbe, was mich auf meine Speculation verzichten ließ, die indessen, wie ich glaube, nicht schlecht gewesen wäre.

Inzwischen gedieh meine Speculation auf die Früchte; meine zehn Sclavinnen trugen mir einen Tag in den andern sechs Rupien reinen Nutzen ein, das heißt sechs und dreißig bis vierzig Franken nach unserem Gelde, was ein ungeheures Einkommen für Goa ist, wo man Alles fast umsonst hat. Mein Freund, der Gewürzhändler, ließ daher auch in meiner Gegenwart einige Worte von einer Verheirathung mit seiner Tochter, Donna Ines, fallen, einer liebenswürdigen jungen Person, die frommer Weise in dem Kloster von Maria Verkündigung erzogen war, und die ich ein bis zwei Male bei ihm gesehen hafte.

Donna Ines war sehr schön, Donna Ines schien sehr bescheiden. Ich fing an, meine Portugiesin, müde zu werden, die allmählig alle meine Perlen an sich zog. Dann, sehen Sie, war ich für die Ehe geboren, bevor die Frauen mir einen Ekel gegen sie gemacht haben. Ich ging daher gänzlich in den Antrag meines Freundes, des Gewürzhändlers, ein, und man ließ Donna Ines dieses Mal in der Absicht aus dem Kloster kommen, damit wir einander näher kennen lernen könnten.

Donna Ines war immer noch das schöne und bescheidene junge Mädchen, das ich gesehen und bemerkt hatte; nur hatte sie rothe Augen.

Ich erkundigte mich, woher diese Röthe käme, welche viele vergossene Thränen andeutete; aber man sagte mir, daß Donna Ines noch so unschuldig wäre, daß sie in Thränen zerschmolzen wäre, als man ihr davon gesprochen hätte, ihr Kloster zu verlassen.

Ich erkundigte mich bei ihr nach diesem Schmerze, und das liebenswürdige Wesen sagte mir in der That, daß sie durchaus keine Sehnsucht nach der Ehe hätte, daß sie ihr Kloster, in welchem sie im Allgemeinen alles das fände, was sie wünschen könnte, mit wahrem Kummer verließe.

Ich begann über diese liebenswürdige Unschuld zu lächeln, und da ich nicht zweifelte, daß die Ehe auf sie dieselbe Wirkung hervorbringen würde, welche die Reise auf den Reisenden hervorbringt, das heißt, durch die Neuheit der Aussichten reizte, sie anziehen würde, so bekümmerte ich mich weder um dieses Bedauern, sowie um seine Ursache.

Meine Verheirathung mit Donna Ines wurde daher nach gemeinschaftlicher Uebereinkunft zwischen meinem Freunde, dem Gewürzhändler, und mir beschlossen; wir setzten die Bedingungen der Aussteuer fest, und nachdem wir alle vorläufigen Förmlichkeiten erfüllt, wurden wir drei Wochen nachher mit großem Gepränge in der Kathedralkirche verheirathet.

Ich will nicht bei den Feierlichkeiten der Verheirathung verweilen, sie sind so ziemlich dieselben, wie in Frankreich. Donna Ines schien außerdem ihr Kloster gänzlich vergessen zu haben. Sie war so fröhlich, als der Anstand es erlauben konnte, und als der Augenblick gekommen war, uns zurückzuziehen, bat sie mich mit einer liebenswürdigen Züchtigkeit um die Erlaubniß, sich in das Schlafzimmer zurückzuziehen, indem sie nur eine Viertelstunde des Aufschubes von mir verlangte, um sich auszukleiden und sich zu Bette zu legen.

Eine Viertelstunde ist in gewissen Augenblicken eine Ewigkeit, aber am Ende!. . .

Außerdem war, um mir zu helfen Geduld zu fassen, ein so gut zubereitetes, so sauber in Schüsseln von chinesischem Porcellan angerichtetes kleines Abendessen, eine Flasche Muscato do san Lucar vorhanden, der mit so feurigen Strahlen in seinem Krystallgefängnisse glänzte, daß ich Philosophischer Weise auf die Gesundheit meiner schönen Vermählten zu trinken begann. Niemals halte ich ähnlichen Wein getrunken, mein Herr, und ich verstehe mich doch auf Wein.

Ich begann einige Früchte zu essen. Wie Sie wissen, handelte ich mit Früchten. Nun denn! niemals hatte ich ähnliche Früchte gegessen.

Der Wein war Nektar, die Früchte waren Ambrosia.

Und dann hatte alles das einen gewissen aufregenden Geschmack, eine gewisse reizende Säure, welche veranlaßte, daß ich die ganze Nacht über getrunken und gegessen hätte, wenn ich mich nicht bei dem ersten Glase Wein und bei der ersten Banane so vergnügt und so zufrieden gefühlt hätte, daß ich ein Schiffslied zu singen begann.

Ich muß Ihnen sagen, mein Herr, daß ich niemals singe, weil ich eine so falsche Stimme habe, daß ich vor mir selbst einen Abscheu habe, wenn ich das geringste Lied anzustimmen versuche. Nun denn! mein Herr, an diesem Abende schien es mir, als ob ich ganz wie eine Nachtigall sänge, und ich fand ein so großes Vergnügen daran, meine eigene Stimme zu hören, daß mich die Beine kitzelten, daß meine Füße Pas und Entrechat's schlugen, – daß ich fühlte, daß ich mich von selbst von dem Boden erhöbe, wie als ob ich statt ein Glas Muscat getrunken zu haben, ein Faß entzündbare Luft getrunken hätte. Kurz, die Versuchung wurde so stark, daß ich zu tanzen begann, indem ich mit einem Messer auf den Boden meines Tellers den Tact schlug, der wie eine Handtrommel erschallte, – und ich sah mich in einem Spiegel tanzen, und ich war zufrieden mit mir, – und je mehr ich mich sah, desto mehr Lust hatte ich, mich zu sehen, bis daß durch das viele Singen meine Stimme erlosch, durch das viele Tanzen meine Beine müde wurden, und ich dadurch, daß ich mich beständig betrachtete, nur noch blaue und rosige Flammen sah, und daß ich mich durch das viele Jubiliren auf ein großes Kanapee legte, indem ich der glücklichste Mensch von der Welt zu sein glaubte.

Ich weiß nicht, wie lange ich schlief, aber ich erwachte mit einer angenehmen Empfindung von Frische an meinen Fußsohlen. Ich streckte die Arme aus, ich fühlte meine Frau an meiner Seite, ich meinte, daß sie es wäre, der ich den Zustand des Wohlseins verdankte, in welchem ich mich befand, und, meiner Treue!. . . ich war ihr dankbar dafür.

– Ah! äußerte sie mit einem tiefen Seufzer.

Mein Herr, die Betonung dieses Seufzers erinnerte Mich dermaßen an den Seufzer, den ich bereits in Negombo in meiner Hochzeitsnacht mit der schönen Nahi-Nava-Nahina gehört hatte, so daß ich von Kopf bis zu den Füßen darüber erbebte.

– He! rief ich aus.

– Nun denn! ich sage ah! sagte sie.

Mein Herr, ich wurde auf der Stelle kalt wie Eis, meine Zähne klapperten und zwischen meinen klappernden Zähnen murmelte ich: Die Buchold! die Buchold!

– Nun denn! ja! die Buchold, welche Dir, mein lieber guter Gatte, zu melden kömmt, daß Du Vater von einem zweiten, wie die Liebesgötter schönem Sohne bist, der morgen sechs Monat alt sein wird, und den ich zum Andenken an den Tag, wo ich gekommen bin, um Deine Verheirathung mit der schönen Nahi-Nava-Nahina zu verhindern, Thomas genannt habe. Er hat den Ingenieur der Dämme, den ehrenwerthen Van-Broek zum Pathen gehabt, der mir versprochen, ein zweiter Vater für das liebe Kind zu sein.

– In Wahrheit, sagte ich zu ihr, meine liebe Frau, die Nachricht ist angenehm, ich gebe es zu, aber da ich, um sie zu erfahren, bereits fünf bis sechs Monate gewartet hatte, so hätte ich wohl auch noch zum Mindesten fünf bis sechs Tage gewartet.

– Ja, ich begreife das, sagte die Buchold, ich hätte zum Mindesten Deine Hochzeit mit der schönen Donna Ines nicht gestört.

– Nun denn! das ist es gerade, das ich es Ihnen sagen muß.

– Undankbarer!

– Wie, Undankbarer?

– Ja; wenn ich mich im Gegentheile eile, um zu verhindern, daß Du nicht auf eine schändliche Weise betrogen wirst.

– Wie, schändlicher Weise betrogen?

– Gewiß, schändlicher Weise betrogen? Hat Deine Frau nicht eine Viertelstunde von Dir verlangt, um sich zu Bett zu legen?

– Ja.

– Hast Du nicht einstweilen, bis diese Viertelstunde verflösse, ein Glas Muscato do San-Lucar getrunken, und eine Banane gegessen?

– In der That, ich glaube mich dessen zu erinnern.

– Und wessen erinnerst Du Dich von diesem Augenblicke an?

– Nichts.

– Nun denn! mein lieber Freund, in diesem Weine befand sich Saft des Troa; auf dieser Banane befand sich Pulver des Troa.

– Ah! Sapperment!

– So daß während Du wie ein Trunkenbold schliefest, Du wie ein Neger schnarchtest. . .

– Was?

– Deine züchtige Gattin. . .

– He? meine züchtige Gattin. . .

– Eine sehr fromme Person, welche jede Woche zu der Zeit, wo sie sich in ihrem Kloster befand, einem schönen Franziskaner beichtete. . .

– Nun denn! nun denn! meine züchtige Gattin. . .

– Nun denn! willst Du sehen, was sie während dieser Zeit machte?

– Sollte sie etwa beichten? rief ich aus.

– Ganz recht, sieh.

Und sie führte mich an eine Oeffnung des Verschlages, welche mir erlaubte, das zu sehen, was sich im Schlafzimmer zutrug.

Das, was ich sah, mein Herr, war dermaßen demüthigend für einen Gatten, besonders während einer ersten Hochzeitsnacht, daß ich ein Bambusrohr ergriff, welches sich wie ein Wunder im Bereich meiner Hand befand, daß ich die Thüre aufmachte und mit Prügeln über den Beichtier der Donna Ines herfiel, der entfloh, indem er wie die Verbrannten schrie, welche ich am dritten Tage meiner Ankunft gesehen hatte.

Was meine Frau anbetrifft, so wollte ich ihr Vorwürfe über ihr Betragen machen.

Aber sie sagte mit der größten Kaltblütigkeit:

– Es ist gut, mein Herr, beklagen Sie Sich bei meinem Vater, und ich werde mich bei der Inquisition beklagen.

– Und worüber werden Sie Sich beklagen, liederliche Dirne? fragte ich.

– Darüber, daß Sie meine religiösen Uebungen unterbrechen, indem sie einen frommen Mann schlagen, der seit drei Jahren als mein Beichtvater bekannt ist. Gehen Sie, mein Herr, Sie sind ein Ketzer, und da ich mit keinem Ketzer leben will, so kehre ich in mein Kloster zurück.

 

Und nach diesen Worten entfernte sie sich stolz wie eine Königin,

Was mich betrifft, sehen Sie, so hatte mich bei diesem einzigen Worte Ketzer die Furcht ergriffen; ich sah mich bereits mit einem schwarzen, mit aufsteigenden Flammen bemalten Gewande angethan; ich fühlte mich bereits bei den Füßen, bei dem Halse und mitten um den Leib an den Pfahl des Sanct-Lazarusfeldes gefesselt, so daß ich mich nicht lange besann, meinen alten Schatz nahm, ihm zwei bis drei Tausend Franken hinzufügte, welche ich in meinem Handel mit Früchten seit meiner Ankunft in Goa gespart hatte, und da ich mich erinnerte, daß ich im Laufe des Tages auf der Rhede ein nach Java absegelndes Schiff gesehen hätte, so ließ ich mich auf der Stelle dorthin führen, indem ich Haus, Garten und Möbeln dem überließ, der sie nehmen wollte.

Glücklicherweise erwartete das Schiff, um den Hafen zu verlassen, einen leichten, von der Ebbe begleiteten Ostwind. Ich gelangte mit dem Winde in der einen, und der Ebbe in der andern Hand am Bord. Ich kam mit dem Kapitän für zehn Pagoden für meine Ueberfahrt überein, und hatte die Freude, in dem Augenblicke, wo die ersten Strahlen des Tages die Giebel der Kirche von Goa bleichten, den Wind und die Ebbe zu fühlen, welche mich unmerklich in das offene Meer forttrugen.

Die Vorsichtsmaßregel war nicht nutzlos, zwei Jahre nachher wurde ich im Bilde auf dem Sanct-Lazarusfelde verbrannt.

Einschaltung

III.
James Rousseau

Ich habe meinen Lesern gesagt, daß das Buch, welches ich in diesem Augenblicke herausgebe, ganz persönlich ist; außer meinen Erinnerungen enthält es gewisse tägliche Ereignisse, welche auch ihrer Seits Erinnerungen bilden werden, und ich ergieße in meine Erzählung nicht allein die Summe von Talent, welche Gott mir verliehen hat, sondern auch einen Theil meines Herzens, meines Lebens und meiner Persönlichkeit.

Daher kömmt es, daß ich heute von etwas Anderem sprechen werde, als von dem Vater Olifus, und daß ich unseren würdigen Abenteurer auf dem dunkeln und geheimnißvollen Oceane schwimmend lassen werde, um der entflohenen Seele eines Freundes zu folgen, die jetzt auf dem bei weitem dunkleren und bei weitem geheimnißvollen Oceane der Ewigkeit reiset.

Ich hatte den Abend in der ersten Vorstellung des Schauspiels Harmental zugebracht. Es war, glaube ich, das vierzigste Mal, daß sich für mich die Prüfung des Kampfes der Gedanken gegen den Stoff, der Absonderung gegen die Menge erneuerte, ein schreckliches Spiel, das mich geheilt hat, jemals irgend ein anderes Spiel zu spielen, denn ich wage darin nicht blos eine Summe Goldes, die der gleich ist, welche die stärksten Spieler setzen, sondern auch noch den seit zwanzig Jahren auf dem unermeßlichen Felde der Literatur erlangten Ruhm, auf dem so viele Leute stoppeln, auf dem aber nur Wenige ernten.

Und man bemerke, daß, wenn ein Mann auf dem Theater fällt, er nicht von der Höhe des eben gelieferten Werkes fällt, sondern von der Höhe der zwanzig, dreißig oder vierzig Erfolge, die er gehabt hat; so daß, je größer die bisherigen Erfolge gewesen, der Abgrund um so tiefer ist, und er dem zu Folge Gefahr läuft, sich durch den Fall zu tobten.

Nun denn! die Bemühungen, welche ein ganzes Schauspielhaus macht, um einen Verfasser von der Höhe seines Ruhmes herabzustürzen, Bemühungen, die ich studirt habe, wenn sie gegen meine Collegen angestellt wurden, diese Bemühungen habe ich auch den Muth zu studiren, wenn sie gegen mich angewandt werden.

Ich versichere Ihnen, daß dieser Kampf etwas Merkwürdiges für ein Herz ist, das Gott mit einem dreifachen, hinlänglich festem Stahle bedeckt hat, um ihn zu bestehen, in welchem ein Werk allein achtzehn Hundert Zuschauern eine Herausforderung zuwirft, während sechs Stunden Leib gegen Leib mit ihnen kämpft und sich zuweilen wie ein ermüdeter Athlet beugt, sich wieder aufrichtet, wiederum das Publikum sich beugen läßt, und es zu Boden geworfen und keuchend unter seinem Knie hält, bis es um Gnade gerufen und den Namen seines unbekannten, oder nur zu bekannten Ueberwinders verlangt hat, denn in dieser vorläufigen Kenntniß des Namens liegt sehr oft das Geheimniß der Erbitterung des Publikums bei den ersten Vorstellungen.

In der That, man muß wissen, daß das Publikum der ersten Vorstellungen ein ganz besonderes, aus Elementen die sich versammeln, ohne sich zu vermischen, und die man nur an diesem Tage vereinigt befindet, bestehendes Publikum ist, ein Publikum, das indessen immer dasselbe ist, und das man bei jeder Feierlichkeit dieser Art in seinem Ganzen und in seinen Einzelheiten wieder erkennt, wenn man nur das Gedächtniß der Gesichter und die der Erinnerung der Eindrücke hat.

Die Elemente, aus denen das Publikum eines Schauspielhauses an dem Tage einer ersten Vorstellung besteht, sind folgende:

Fünf bis sechs Hundert Personen, Männern und Frauen von Welt, von denen ein Theil zeitig genug dazu gethan hat, um Plätze zu erhalten, und sie zu dem feststehenden Preise erhalten hat; von denen der andere Theil zu spät dazu gethan hat, und sie zu dem Preise der Billethändler erhalten hat.

Dieser letztere Theil ist gänzlich mürrisch, einen Platz, der fünf Franken kostet, mit fünfzehn, zwanzig, dreißig und zuweilen fünfzig bezahlt zu haben.

Dieser Theil des Publikums begnügt sich daher nicht mehr damit, für fünf Franken zerstreut zu werden, er will für fünfzig Franken belustigt sein.

Dieser letzte Theil hat noch Unterabtheilungen von Leuten, welche nicht für das Schauspiel gekommen sind, welche gekommen sind, um zu kommen, die Einen, weil Madame ***, oder Fräulein X*** dahin kam, und die, da sie keinen Platz in der Loge des Fräulein X*** oder von Madame *** haben konnten, und Madame *** oder Fräulein X*** zu sehen wünschten, um mit ihr irgend ein, für Alle unbemerkliches, für sie allein bemerkbares Zeichen auszuwechseln, wohl diese Ausgabe machen mußten, um zu kommen.

Eine oft übermäßige Ausgabe, welche in dieser glückseligen Zeit allgemeiner Geldnoth den, welcher sie gemacht hat, einen Monat lang auf die Cigarre der Regie, acht Tage lang auf das Mittagessen der englischen Taverne herabsetzt.

Das ist also ein erster aus sechs Hundert Personen bestehender Theil des Publikums, unter denen drei Hundert gleichgültig, und drei Hundert übler Laune sind.

Geben wir zu den Andern über.

Dreißig bis vierzig Zeitungsschreiber, Freunde oder Feinde des Verfassers oder der Verfasse, eher Feinde als Freunde, welche viel Witz haben werden, wenn das Stück fällt, weil sie einen Theil dieses gefallen Witzes aufraffen, um sich daraus Pfeile zu machen, während, wenn das Stück Glück macht, sie nur den Witz haben. den sie selbst besitzen.

Dreißig bis vierzig dramatische Schriftsteller, welche die zu anhaltenden Erfolge von zweien ihrer Collegen in ihrem Stolze demüthigen, welche thun, als ob sie klatschten, ohne daß sie die Hände einander nähern, indem sie dabei ihrem Nachbarn zuflüstern: – Das ist erbärmlich! das ist abscheulich! immer dieselben Mittel, dieselben Berechnungen, dieselben Fäden! – So daß sie leise Beifall klatschen, und laut murren.

Dreißig bis vierzig Schauspieler der benachbarten Theater, welche nicht kommen, um das Stück zu sehen, sondern um zu sehen, wie die Schauspieler spielen, welche dieselben Stellen als sie ausfüllen, und die fast immer die seltenen Augenblicke wählen, wo das Publikum schweigt, um über die Kunst des Schauspielers die einsichtsvollsten Bemerkungen zu äußern, begleitet von Commentaren über die Art und Weise, mit der sie selbst bei dem oder jenem Umstande und mit dem größten Erfolge eine Rolle gespielt haben, welche der, ähnlich ist, die der auf der Bühne befindliche Schauspieler spielt; nur war die Rolle bei weitem weniger schön, so daß darunter natürlicher Weise wohlverstanden bleibt, daß es eines ganz andern Talentes bedurft, um sie zu spielen.

Dreißig bis vierzig Demoiselles, halb Loretten, halb Künstlerinnen, die immer Antrittsrollen spielen, und sich niemals engagiren. Diese kommen weder wegen des Stücks noch wegen der Schauspieler, sie kommen wegen der Zuschauer, streifen während einer oder zwei Scenen von den Vorbühnen nach dem Orchester und von dem Orchester nach dem Balkon, und lassen sich am Ende nieder; nun entstehen die telegraphischen Linien, deren drei hauptsächlichste Zeichen die Lorgnette, der Fächer und der Blumenstrauß sind, wenn das Stück beendigt, haben sie von dem ganzen Stücke Nichts gesehen, als das Kleid der ersten Liebhaberin und den Stoff, aus dem dieses Kleid gemacht war. Wenn der Stoff hübsch war, so wird man sie drei Tage nachher bei einer andern ersten Vorstellung mit einem ähnlichen Stoffe sehen.

Zwei bis drei Hundert Bürgersleute, welche mit der Ueberzeugung kommen, daß das moderne Theater ein Gewebe von Unmoralitäten ist, die mit großer Mühe ihre Frauen mitgebracht und ihre Töchter schmollend zu Hause gelassen haben, die während fünf bis sechs Auftritten die Unmoralitäten suchen, welche man ihnen versprochen hat, und die, da sie dieselben nicht finden, sehr geneigt sind, darüber zu murren, daß man ihnen nicht Wort gehalten hat.

Diese sind aus ziemlich bildsamen Teige und lassen sich von dem Interesse durchdringen, sie erstatten dem Verfasser in Thränen und in Gelächter die Vorschüsse, welche er ihnen gemacht hat, selten hat sich der Verfasser über sie zu beklagen.

Endlich drei bis vier Hundert wackere Söhne des Volkes ohne Voreingenommenheit, ohne Vorurtheile, welche, ihr Brod unter dem Arme, ihre Wurst in ihrer Tasche, um zwei Uhr gekommen sind, sich in die Reihe zustellen, welche ganz kurz Dumas, Maquet, das Historische sagen, die kommen, um sich zu belustigen, die Beifall klatschen, wenn sie sich belustigen, die pfeifen, wenn sie sich langweilen. Diese sind die guten Richter, es ist der verständige Theil der Gesellschaft, denn ihr Verstand ist weder durch den Haß, noch durch den Neid, weder durch die Eitelkeit, noch durch das Interesse, noch durch den Leichtsinn verdunkelt.

Füge man dem Hundert und fünfzig bezahlte Beifallklatscher hinzu, die nur da zu sein scheinen, um sich bei jedem Male, wo sie klatschen, sagen zu lassen:

– Nieder mit den Klatschern!

Das ist also ein Schauspielhaus der ersten Vorstellung, das der Gerichtshof, vor welchem das Genie aller Zeiten erscheint;, das sind die Centimanen mit zwei Tausend Köpfen, und mit vier Tausend Armen, gegen die ich am Donnerstag Abend mit meiner gewöhnlichen Ruhe, aber mit einer noch weit größeren Traurigkeit, als gewöhnlich, zum vierzigsten Male kämpfte.

Ich sage, noch weit größeren Traurigkeit, als gewöhnlich; ja, denn ich wiederhole es, Nichts ist trauriger, als dieser selbst siegreiche Kampf, den man genöthigt ist gegen den übelwollenden Theil dieses Publikums zu unterhalten, den man bei jeder ersten Vorstellung wiederfindet, indem er gegen das Gelächter wirkt, indem er gegen die Thränen wirkt, und sich bei dem ersten Zeichen von Schwäche oder von Verwirrung, das er bemerkt oder vor sich zu bemerken glaubt, bereit hält, vollständig anzugreifen.

Wenn dann alle diese Menschen sich entfernen, und uns um so abgesonderter lassen, je größer der Erfolg gewesen ist; alle diese Freunde davon eilen, indem sie uns die Hand zu drücken vergessen, die vielen Lichter noch eher erlöschen, als die letzten Zuschauer sich entfernt haben; der Vorhang auf einer leeren und kalten Bühne sich wieder erhebt, dieses Schauspielhaus, dessen Seele entschwunden, nur noch eine Leiche ist; ein einziges Licht alle diese Feuer ersetzt, ein Schweigen auf alle dieses Geräusch folgt, so liegt darin wohl Stoff, die, innigste Traurigkeit, die tiefste Entmuthigung zu begründen.

Wie oft, mein Gott, bin ich selbst an den Tagen, wo die Traurigkeit nur oberflächlich ist, wo die Entmuthigung sich nicht bis in das Herz herabläßt, nach meinen schönsten, meinen am meisten Aufsehen erregenden, am meisten unbestrittenen Erfolgen, nach Heinrich III., nach Antony, nach Angele, nach Fräulein von Bel-Isle, mit beklommenem Herzen, feuchtem Auge, bereit, meine bittersten Thränen zu vergießen, nach Haus zurückgekehrt, wo die Hälfte der Zuschauer sagte:

– Wie glücklich ist er in diesem Augenblicks!

Nun denn! als ich, wie gesagt, am Donnerstage Abend noch weit trauriger als gewöhnlich zurückkehrte, fand ich meinen Sohn in meinem Zimmer, der mich erwartete, und zu mir sagte:

– Unser armer James Rousseau ist gestorben.

Ich senkte den Kopf, ohne etwas zu antworten. Seit einiger Zeit ertönen dieselben Worte sehr schmerzlicher Weise um mich herum.

Mademoiselle Mars ist gestorben, Friedrich Soulis ist gestorben, Madame Dorval ist gestorben, Rousseau ist gestorben.

 

Es gibt einen ganzen Zeitabschnitt des Lebens, den ersten Zeitabschnitt, diesen Theil des von der Morgenröthe vergoldeten Daseins, der verfließt, ohne daß etwas Aehnliches ihn betrübt. Der Klang des Grabgeläutes scheint nicht bis zu unserem Ohre gelangen zu können. Alle Stimmen, welche zu uns sprechen, richten freundliche Worte an uns, alles Gemurmel ist Zwitschern; das kommt daher, weil man noch diesen schönen Berg des Lebens ersteigt, der so lachend auf der Seite ist, auf welcher man ihn ersteigt, so unfruchtbar auf der, auf welcher man hinabgeht.

Sei daher gegrüßt, schwermüthige Stunde, in welcher man, auf den Gipfel des Berges gelangt, verweilt, um einen Ruhepunkt in seinem Leben zu machen, wo das Auge sich zugleich auf den blühenden Abhang richtet, den man erstiegen hat, und auf den trostlosen Abhang, den man hinabzuschreiten im Begriffe steht, – und auf welchem uns mir dem Nordwinde des Winters das erste Echo des Grabes zukömmt, das uns sagt: Eine Mutter, ein Verwandter, ein Freund ist Dir gestorben.

Dann sagt den ungetrübten Freuden dieser Welt Lebewohl, denn dieses Echo wird Euch nicht mehr verlassen, dieses Echo wird vielleicht anfangs ein Mal, dann zwei Male, dann drei Male jährlich erschallen; Ihr werdet wie jener Baum sein, dem ein erstes Sommergewitter ein Blatt raubt, und der sagt: – was liegt mir daran? ich Habe so viele Blätter, – dann folgen sich die Gewitter, dann kömmt der Herbstwind, dann kömmt der erste Winterfrost, der Baum ist kahl, seine Zweige sind nackend, und, ein abgezehrtes Skelett, erwartet er selbst nur noch die tönende Axt des Holzhauers, um von der Oberfläche des Bodens zu verschwinden.

Ist übrigens dieses allmählige Verlassen alles dessen, uns uns liebte, und alles dessen, was wir liebten, nicht eine Wohlthat des Himmels? Ist es nicht, wenn man sich selbst der Erde zuneigt, besser, daß die am besten bekannten, und die am meisten geliebten Stimmen uns aus der Erde zukommen? Ist es nicht tröstend, daß, wenn man unvermeidlicher Meise einer unbekannten Welt zuschreitet, man gewiß ist, dort zum Mindesten alle jene Erinnerungen zu finden, welche, statt uns zu folgen, uns vorangegangen sind?

Unser armer James Rousseau ist gestorben, hatte mir mein Sohn gesagt.

Sagen wir jetzt, an welche Erinnerung meines Lebens sich derjenige knüpfte, dessen Tod man mir meldete.