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Tausend und Ein Gespenst

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Dritter Band

Dritte Heirath des Vater Olifus

I.
Das Auto-da-Fe

Nachdem Vater Olifus, wie am Schluß des vorigen Kapitels erwähnt, ein Glas Rum ausgetrunken, fuhr er in seiner Erzählung fort:

Während der acht Tage, welche ich nach meiner Verheirathung in Negombo zuzubringen gezwungen gewesen war, bin ich sehr geplagt worden. Wenn die Chingulesen bös auf Jemand sind, so haben sie zuweilen seltsame Manieren, sich an ihm zu rächen. In Italien richtet man sich so ein, seinem Feinde einen Dolchstoß versetzen zu lassen, in Spanien versetzt man ihm diesen selbst; aber in dem einen wie in dem andern Falle hat die Sache immer Unanehmlichkeiten. Bezahlt man einen Mann, um zu erdolchen, so kann dieser Mann uns angeben. Erdolcht man selbst, so kann man gesehen werden. Aber in Ceylon, dem Lande alter Civilisation, ist man viel weiter, als in unserem armen Europa.

In Ceylon tödtet man seinen Mann durch Zufall.

Im Allgemeinen entledigt man sich seines Feindes mittelst folgenden Zufalles.

Ich muß Ihnen sagen, daß Ceylon das Vaterland der Elephanten ist. In Ceylon begegnet man den Elephanten, wie man in Holland den Enten begegnet. Ceylon liefert der ganzen Welt Elfenbein und ganz Indien Elephanten.

Nun aber sind die Elephanten, wie Sie wissen, Thiere voll Verstand, welche dort alle Dienste verrichten, selbst den des Scharfrichters, und in diesem Falle lernen sie diese Rolle so gut, daß sie der ihnen gegebenen Vorschrift gemäß verfahren. Wenn der Verbrecher verurtheilt ist, geviertheilt zu werden, so reißen sie ihm Arme und Seine eines nach dem andern aus, und tödten ihn nachher. Wenn der Tod befohlen ist, so packen sie ihn mit ihrem Rüssel, werfen ihn in die Luft, und fangen ihn mit ihren Fangzähnen auf. Wenn mildernde Umstände obwalten, so heben sie den Verurtheilten mit ihrem Rüssel auf, schleudern ihn drei Male herum, wie es ein Hirt mit einer Schleuder macht, und werfen ihn in die Luft, wenn er keine Bäume antrifft, wenn er auf keinen zu harten Boden zurückfällt, so kömmt er zuweilen mit einem zerbrochenen Beine, einem verrenkten Arme oder Halse davon. Ich habe daher auch in Ceylon bemerkt, daß sehr selten ein Elephant an einem Hinkenden, einem Einarmigen oder an einem Buckeligen vorübergeht, ohne ihm ein kleines Zeichen der Bekanntschaft zu machen.

Nun aber hat Jedermann, wie Sie begreifen werden, seinen Elephanten, und jeder Elephant seinen Cornac. Man ladet irgend einen Cornac ein, eine Pfeife Opium zu rauchen, einen Mund voll Betel zu kauen oder ein Glas Branntwein zu trinken, und man sagt zu ihm:

Ich würde gern 10, 20, 30, 40, 50 Rupien dem Manne geben, der mir zu sagen käme, daß der oder jener gestorben ist. .

Wohlverstanden bringen sie den Namen dessen an, den sie umbringen wollen.

– Wahrhaftig? sagt der Cornac.

– Auf Ehre!

– Schlagen Sie ein, und wenn ich seinen Tod erfahre, so verspreche ich Ihnen der Erste zu sein, der Ihnen denselben meldet.

Acht Tage nachher erzählt man uns, daß ein Elephant, indem er an einem wackeren Manne vorüberging, der ihm Nichts that, Plötzlich in Wuth gerathen ist, ihn mit seinem Rüssel gepackt hat, und ihn trotz dem Rufen seines Cornacs so hoch! so hoch! so hoch in die Luft geworfen hat, daß er todt war, bevor er wieder zurückfiel.

Am selben Abende rafft man den Cornac toll und voll betrunken auf, und wenn man ihn befrägt, so antwortet er, daß er sich aus Verzweiflung berauscht habe.

Um folgenden Tage begräbt man den Todten nach der Weise des Landes, das heißt, man reißt einen Baum aus, höhlt ihn aus, legt die Leiche hinein, füllt die leeren Räume mit Pfeffer aus, und läßt ihn liegen, bis man die Erlaubniß erlangt hat, ihn zu verbrennen.

Das ist es also, wovor ich mich fürchtete. Während der letzten acht Tage, welche ich in Negombo blieb, sagte ich daher auch, wenn ich einen Elephanten auf der einen Seite sah: Wir kennen das! und ich ging auf die andere Seite.

Ich war daher sehr zufrieden, als ich mich auf einer kleinen kleinen Brigg fühlte, welche ihre acht Knoten in der Stunde zurücklegte und an der Küste von Malabar hinsegelte.

Drei Wochen nach meiner Abreise von Negombo landete ich in Goa.

Ich hatte mich auf einem portugiesischen Schiffe eingeschifft, und ich sah, wie der Kapitän seine Fahrt so beeilte, daß er selbst bei stürmischem Wetter so viel hohe Segel aufspannte, bei gewöhnlichem Wetter so viele Beisegel los ließ, daß ich mich nicht enthalten konnte, ihn um die Ursache einer so großen Eile zu fragen. Er antwortete mir nun, daß er ein guter Katholik sei, und daß er glaubte, es würde heilbringend für seine Seligkeit sein, wenn er zeitig genug ankommen könnte, um dem Auto-da-Fe von 1824 beizuwohnen.

Ich muß Ihnen sagen, daß in Goa die Auto-da-Fe's nur alle zwei bis drei Jahre stattfinden, aber, wie Sie begreifen werden, sind sie deshalb nur um so schöner. Dieser verteufelte Kapitän machte seine Sache so gut, mein Herr, daß wir mit Gottes Hilfe drei Tage vor der Feierlichkeit ankamen.

Durch ihn fand ich schon am Tage meiner Ankunft eine Wohnung in einer portugiesischen Familie. Ich hatte mich anfangs so einrichten wollen, mich ganz bei ihr in Pension zu geben, und die Mahlzeiten gemeinschaftlich zu nehmen, aber der Kapitän, der ein wackerer Mann war, sagte mir, ich möge warten, da die Portugiesischen Gebräuche mir vielleicht nicht behagen würden.

In der That, als ich am Tage meiner Ankunft selbst von meinen Wirthen zum Mittagessen eingeladen worden war, und ich sie Alle aus derselben Schüssel, selbst die Suppe hatte essen sehen, so beschloß ich von nun an allein zu essen, und noch am selben Abende lief ich so lange herum, bis ich ein kleines, an dem Hafen gelegenes Haus zu ermiethen gefunden hatte, welches, obgleich es wundervoll gelegen war, ein Stockwerk und einen reizenden Garten hatte, mir für zwei Rupien monatlich, das heißt, für ein wenig mehr als fünf Franken überlassen wurde.

– Wie wäre es, Biard, äußerte ich, indem ich mich nach meinem Reisegefährten umwandte, wenn wir nach Goa gingen?

– Hm! hm! antwortete Biard wie Jemand, dem der Vorschlag ziemlich gefiel.

– Nach Goa gehen, nach Goa gehen, begann Vater Olifus wieder, das ist ein schönes Land, in welches man umsonst lebt. Es gibt dort köstliche Frauen; nur nehmen Sie Sich vor dem Troa und vor der Inquisition in Acht.

– Was ist das, der Troa? fragte ich.

– Gut, lassen Sie mich erzählen, fuhr Olifus fort, die Sache wird zu seiner Zeit kommen. Als das Haus gemiethet, war es wie in Negombo, ich mußte es möbliren, das war gleichfalls dort nicht theuer. Nur war ich, da ich mein ganzes kleines Vermögen in Gold hatte, genöthigt, meine Zuflucht zu den öffentlichen Wechslern zu nehmen, deren sehr einträgliches Geschäft darin besteht, den Fremden gegen ihr Gold und ihr Silber eine abscheuliche Kupfermünze zu geben. Zwei bis drei Male nahm ich also an demselben Tage meine Zuflucht zu ihnen, und mußte also zwei bis drei Male die Hand in die Tasche stecken, so daß, da man mich jedes Mal fünf und zehn Guldenstücke aus meiner Tasche hatte ziehen sehen, es nicht mehr bedurfte, damit ich in einer armen, zu Grunde gerichteten Stadt, wie es Goa ist, das Gerücht verbreitete, daß ein Nabob daselbst angekommen sei. Noch am selben Abende erhielt ich daher auch den Besuch von zwei bis drei adeligen Damen oder Fräulein, welche mir, wie es der Gebrauch ist, ihren Bedienten sandten, um Almosen von mir zu verlangen, während sie in einem Palankin vor der Thür für den Fall warteten, daß ich sie zu sehen wünschen sollte. Ich war noch sehr ermüdet von meiner Reise, so daß ich mich damit begnügte, ihnen Alles das zu senden, was mir von meiner Kupfermünze übrig blieb, ohngefähr zwei bis drei Rupien, was die Leute in der Ansicht bestätigte, daß ich ein reicher Handelsmann wäre.

Am folgenden Tage besuchte ich die Stadt, die Kirchen, welche sehr schön sind, und besonders die von Unserer lieben Frau der Barmherzigkeit, das königliche Hospital, das an dem Flusse liegt, und das ich anfangs nicht für ein Hospital, sondern für einen Palast hielt; den Sanct Katharinenplatz; die gerade Straße, ein ewiger Markt, auf dem man Alles findet, was man nöthig hat: Möbeln, Kleidungsstücke, Gemüse, Werkzeuge aller Art, männliche und weibliche Sclaven, mit denen man nicht betrogen werden kann, da man sie ganz nackend verkauft; die Statue der Lueretia, welche aus der sich beigebrachten Wunde Wasser genug gibt, um die ganze Stadt zu versorgen; die von dem heiligen Franz Xaver gepflanzten Bäume, welche wegen ihres geheiligten Ursprunges niemals weder von der Axt noch von dem Messer berührt worden sind, und ich kehrte mit der Ueberzeugung nach Haus zurück, daß das beste Geschäft, welches ich unter allen diesen Geschäften annehmen könnte, der Handel mit Früchten wäre.

Dieser Handel wird in Goa auf folgende Weise ausgeführt: Man kauft auf dem Bazar ohngefähr fünfzehn schöne Mädchen für den Preis von zwanzig bis fünf und zwanzig Thaler, man legt ihnen ein elegantes Kostüm an, steckt ihnen Ringe an die Finger, hängt ihnen Ohrringe in die Ohren, gibt ihnen ein Körbchen auf den Kopf und in das Körbchen Früchte, und läßt sie dann um acht Uhr Morgens in die Stadt ziehen. Die reichen jungen Leute, welche die Früchte und die Unterhaltung lieben, lassen sie zu sich eintreten und plaudern mit ihnen. Es gibt unter ihnen welche, die ihr Körbchen acht bis zehn Male täglich leeren. Wenn jedes Mal, wo sie ihr Körbchen leeren, das dem Herrn nur eine Rupie eintrüge, so sieht man, daß dieser Handel, da der Herr ihnen nur nach seinem Belieben gibt, weil sie Sclavinnen sind, ein ziemlich hübsches Einkommen ist.

Was mich anfangs überraschte, ist, daß mir die Straßen nur von Sclaven, von Mestizen oder von eingebornen Indiern bevölkert schienen, freilich sieht man von Zeit zu Zeit einen von Negern getragenen Palankin vorüberkommen, aber so fest verschlossen, daß man die Person nicht erkennen kann, welche sich darin befindet, die auf ihrer Seite Oeffnungen hat, um ganz nach ihrem Gefallen zu sehen. Ich beklagte mich von dem ersten Tage an über diese Abwesenheit von Frauen, welche die Straßen von Goa traurig und arm macht, aber man sagte mir, daß ich am zweiten Tage auf dem Sanct Lazarusfelde das sehen würde, was es bestes in der Stadt gäbe. Ich fragte, was das Sanct Lazarusfeld wäre, und man antwortete mir, daß es der Ort wäre, auf welchem das Auto-da-Fe gehalten würde.

 

Wie man mir gesagt hatte, war es, es sei denn, daß man hohe Protection hätte, sehr schwer, vorbehaltene Plätze zu erlangen, und für die andern Plätze mußte man sich lange Zeit vorher in die Reihe stellen; aber, wie ich gesagt habe, man hielt mich für reich, und nun ließ mir Jedermann Plätze anbieten; diese Plätze, für die man sich nicht schämte zwei bis drei Pagoden zu fordern, sanken in dem Maße im Preise, als man sah, daß ich handelte, und ich erhielt am Ende eine Eintrittskarte über der Loge des Vicekönigs für zwei Rupien.

Das Fest fand gerade an dem Tage des heiligen Dominikus, des Schutzpatrons der Inquisition, statt, und ich kann sagen, daß sich an diesem Tage, vielleicht mit Ausnahme meiner, Niemand in Goa zu Bett legte. Es gab auf der Straße nichts als Tanze, Gesänge und Ständchen, und man sah wohl, daß sich, wie ich es im Laufe des Tages zwanzig Male hatte sagen hören, irgend etwas Gott sehr Angenehmes zutragen würde.

Ich hatte meinen vorbehaltenen Platz in dem Cirkus, den man um das Auto-da-Fe herum aufgeschlagen hatte, ich konnte daher alle die Einzelheiten des Schauspieles eine nach der andern genießen. Zuvörderst sah ich die Verurteilten aus ihrem Gefängnisse kommen; es waren ohngefähr zwei Hundert.

Ich fragte, wie lange das Fest dauern würde, da eine so große Anzahl armer Sünder zum Mindesten eine Woche erfordere. Aber der, an den ich mich wandte, und der ein reicher portugiesischer Handelsmann war, antwortete mir, indem er traurig den Kopf schüttelte, daß das Inquisitionstribunal mit jedem Tage in seinem Eifer nachließe, und daß unter dieser ganzen Menge von Heiden und von Ketzern nur drei verurtheilt wären, verbrannt zu werden, indem die Andern der Strenge der heiligen Inquisition entgangen, und nur zu fünfzehn Jahren, zu zehn Jahren, zu fünf Jahren, zu zwei Jahren Gefängniß verurtheilt wären, und einige sogar nur um Abbitte zu thun, und um als ganze Strafe der Hinrichtung der drei Elenden beizuwohnen, die für strafbar genug gehalten worden wären, um verbrannt zu werden. Ich wünschte die zu sehen, welche bestimmt wären, verbrannt zu werden, mein gefälliger Gesellschafter antwortete mir, daß nichts leichter sei, als sie zu erkennen, da auf ihren langen schwarzen Gewändern ihr Porträt, auf Feuerbränden liegend, abgebildet sei, mit Flammen, die sich um dieses herum erheben, und mit Teufeln, welche in diesen Flammen tanzen; die, welche zum Gefängniß verurtheilt waren, hatten statt der Flammen, welche sich von dem Saume des Gewandes bis zu dem Gürtel erhoben, im Gegentheile Flammen, welche von dem Gürtel bis nach dem Saume des Gewandes hinabgingen; die, welche nur Abbitte thaten, und die als ganze Strafe der Hinrichtung beiwohnen sollten, trugen schwarze Gewänder mit weißen Streifen, ohne irgend eine aufsteigende noch herabfallende Flamme.

Alle diese Verurteilten wurden zuvörderst aus dem Gefängnisse nach der Jesuitenkirche geführt, wo man ihnen heftige Vorwürfe machte, nach denen man jedem sein Urtheil vorlas, das ohne Zweifel jeder bereits durch das Gewand kannte, mit dem er angethan war. Nach angehörter Messe und nach dem vorgelesenen Urtheil setzte sich der Trauerzug nach dem Sanct Lazarusfelde in Bewegung.

Mein Gewürzhändler hatte mich nicht belogen, und dieses Mal hätte ich Unrecht gehabt, mich zu beklagen.

Alle adeligen Frauen, alle reichen Frauen, alle eleganten Frauen von Goa waren da in einem Raume versammelt, der so groß wie der Circus eines gewöhnlichen Stiergefechtes war, alle Stufen waren damit beladen, so daß man hätte glauben können, sie würden brechen, in der Mitte erhob sich der Scheiterhaufen mit einem dreikantig behauenen Pfahle; an jeder seiner Seilen befand sich ein eiserner Ring, um den Verurtheilten fest zu halten; und jedem Ringe gegenüber hatte man einen Altar mit einem Kreuze aufgeschlagen, damit der arme Sünder das Glück genießen könnte, Christus bis zum letzten Augenblicke zu sehen.

Mein Gewürzhändler und ich hatten große Mühe, auf unsere Plätze zu gelangen, aber am Ende gelangten wir gerade in dem Augenblicke dahin, wo die Verurtheilten ihrer Seits, durch eine mit einem schwarzen und mit Silberthränen besäeten Vorhange behangene Thür auf den Richtplatz eintraten.

Bei ihrem Eintritte erhoben sich religiöse Gesänge von allen Seiten, und die Frauen begannen prachtvolle Rosenkränze, die einen von Ambra, die andern von Perlen, in ihren Händen zu drehen, indem sie dabei unter ihren halbaufgeschlagenen Schleiern Blicke zur Rechten und zur Linken schleuderten. Ich glaube, daß ich für den erkannt wurde, den man den reichen Perlenhändler nannte, denn nicht wenige von diesen Blicken verweilten auf mir, ich befand mich freilich über der Loge des Vicekönigs, und konnte wohl eine gute Anzahl von Blicken mir zugerechnet haben, die ihm bestimmt waren.

Die Feierlichkeit begann. Man packte die drei armen Sünder unter den Armen, und half ihnen den Scheiterhaufen zu besteigen, auf den sie mit großer Mühe gelangten; wie Sie begreifen werden, ist es kein Spaß, lebendig verbrannt zu werden. Endlich gelangten sie, halb selbstthätig, halb mit Hilfe Anderer, auf die Höhe, man befestigte sie mit eisernen Ketten an die Ringe, da gewöhnliche Stricke zu schnell verzehrt werden, und dann die armen Sünder ohne allen Zweifel von dem Scheiterhaufen auf den Boden herabspringen und ganz brennend in dem Cirkus herumlaufen würden, was ein allgemeines Aergerniß für Jedermann und ein besonderes für ihre Seelen gewesen wäre, weil sie daran denken würden, auf gute Weise zu entfliehen, und nicht auf gute Weise zu sterben; aber mittelst der eisernen Ketten, welche sie bei den Füßen, mitten um den Leib und am Halse zurückhalten, ist keine Gefahr vorhanden, daß sie eine einzige Bewegung machen.

Nur, da es bei den sinnreichsten Dingen immer eine schwache Seite gibt, so findet in Ermangelung dieser Gefahr eine andere statt, nämlich, daß die Verwandten des Verurtheilten den Scharfrichter bestechen, und daß dieser, indem er ihm die Kette um den Hals legt, sie einmal mehr umdreht und ihn erdrosselt, dann verliert das Schauspiel, wie Sie wohl begreifen werden, beinahe sein ganzes Interesse, da man eine Leiche, statt eines lebendigen Menschen verbrennen sieht. Aber an diesem Tage war der Scharfrichter ein gewissenhafter Mann, und Jedermann konnte sich überzeugen, daß die Verurtheilten wirklich lebten, da man sie länger als zehn Minuten lauter, als die Gebete Aller, um Erbarmen rufen hörte.

Als die Feierlichkeit beendigt, füllte jeder einen kleinen Beutel mit Asche an dem Scheiterhaufen. Wie es scheint, hat diese Asche dasselbe Vorrecht, als der Strick eines Gehenkten, und bringt den Familien Glück.

Als ich meinen Beutel wie die Andern gefüllt hatte, fühlte ich, daß man mir ein Billet in die Hand steckte. Ich wandte mich um. eine alte Frau legte ihren Finger auf ihren Mund, sprach die einzigen Worte aus: Lesen Sie. und entfernte sich.

Ich gerieth einen Augenblick in Verlegenheit, hierauf schlug ich das Billet auf und las:

»Heute Abend um zehn Uhr sind Sie in dem Garten des dritten Hauses zur Rechten des Teiches erwartet. Das Haus hat grüne Läden, zwei Cocosnußbäume erheben sich vor seiner Thür. Sie werden über die Mauer steigen und unter dem traurigen Baume verweilen, wo dieselbe Duegna, welche Ihnen dieses Billet übergeben hat, Sie abholen wird.«

Ich wandte mich nach der Seite der Duegna um; sie war in der Entfernung stehen geblieben. Ich gab ihr mit der Hand einen Wink der Zustimmung, sie antwortete durch eine Verbeugung und verschwand.

II.
Donna Ines

Ich wußte ohngefähr, wo der Ort des Rendezvous lag. Von der Höhe der Mauer der alten Stadt hatte ich die ganze Umgegend entdeckt, und besonders als einen reizenden Spaziergang die Ufer des kleinen Teiches bemerkt, an welchem alle reichen Portugiesen mit Gärten umgebene Landhäuser haben. Was die Baumart anbelangt, welche man den traurigen Baum nannte, weil er nur des Nachts blüht, so kannte ich ihn, weil ich einen in dem Garten des von mir gemietheten Hauses gesehen hatte.

Um halb zehn Uhr verließ ich Goa; ich hatte drei bis vier Perlen bei mir, die schön genug waren, damit das Geschenk, wenn ich zufälliger Weise ein Geschenk zu machen hätte, nicht verschmäht würde. Ich steckte auf jeden Zufall hin einen Chingulesischen Dolch unter meine Weste, und beschloß, herzhaft die Gefahren meines nächtlichen Ausganges zu laufen.

Um drei Viertel auf zehn Uhr gelangte ich an das kleine Haus, das ich vollkommen an der Beschreibung erkannte, welche mir davon gemacht worden war. Ich ging um dasselbe herum, um eine Stelle der Gartenmauer zu suchen, welche ich ohne zu große Schwierigkeit übersteigen konnte, als ich eine Thüre fand und die Hoffnung in mir aufstieg, daß man diese Thüre vielleicht offen gelassen hätte, um mir die Mühe des Uebersteigens zu ersparen; ich irrte mich nicht, indem ich sie drückte, gab sie nach, und ich befand mich in dem Garten.

Einmal eingetreten, war es nicht schwierig, den Ort zu finden, wo ich warten sollte. Von seinem wundervollen Wohlgeruche geleitet, war ich nach Verlauf eines Augenblickes unter dem dichten Schatten verborgen, den der traurige Baum um sich herum verbreitete. Seine Blumen, welche sich um zehn Uhr Nachts öffnen, um sich vor Tagesanbrüche wieder zu schließen, schüttelten ihre duftigen Kelche, und unter dieser Menge von Blüthen, mit denen er bedeckt war, fielen einige wie Schneeflocken um mich herum, und luden mich ein, mich auf ihre duftige Streu zu lagern. Obgleich ich, wie Sie werden bemerkt haben, von ziemlich wenig poetischer Natur bin, so vermogte ich mich dennoch nicht zu enthalten, mich dem Zauber dieser schönen Nacht hinzugeben, und wenn ich jetzt, wo ich Ihnen davon spreche, ein Bedauern habe, so ist es das, daß ich Ihnen wie ein alter Seewolf, der ich bin, davon spreche, und nicht wie ein Dichter, der Sie, oder wie ein Maler, wie Ihr Begleiter ist. Biard und ich verneigten uns.

– Wahrlich, Vater Olifus, sagte ich zu ihm, Sie haben Unrecht, sich zu entschuldigen. Sie erzählen wie Herr Bernardin von Saint-Pierre.

– Ich danke Ihnen, sagte Vater Olifus, denn, obgleich ich Herrn Bernardin von Saint-Pierre nicht kenne, so vermuthe ich doch, daß es ein Kompliment ist, welches Sie mir machen. Ich fahre also fort.

Ich befand mich dort, und wartete seit ohngefähr einer Viertelstunde, als ich das Rauschen eines Stoffes und das Geräusch eines Schrittes hörte, wonach ich eine Gestalt erblickte, welche sich furchtsam näherte. Ich rief leise, meine Stimme beruhigte meinen Führer, der nun gerade auf mich zukam, mir einen Zipfel des Gürtels zuwarf, von dem er das andere Ende hielt, und, indem er vor mir zu gehen begann, mich, ohne ein einziges Wort zu sagen, nach dem Hause zuführte.

Mit Ausnahme von zwei bis drei Fenstern, deren inneres Licht durch die Spalten des Ladens drang, war das Haus gänzlich dunkel, und diese Dunkelheit trat um so mehr hervor, als man, da es roth angestrichen war, in der Finsterniß der Nacht seine Umrisse nicht unterschied. Sobald ich die Schwelle überschritten, wurde die Dunkelheit noch schwärzer. Nun zog die Duegna den Gürtel an sich, bis daß sie meiner Hand begegnete; sie ergriff meine Hand, ließ mich eine Treppe hinauf und über einen Vorplatz geben, und indem sie eine Thüre an sich zog, aus deren Oeffnung ein Strom von Licht fiel, schob sie mich in ein Zimmer, in welchem eine vollkommen hübsche Frau von zwanzig bis zwei und zwanzig Jahren auf einer Matratze lag, die mit einem prachtvollen Chinesischen Stoffe überzogen und von einem Ruhebette von Bambus getragen war.

In der Mitte des Zimmers, dessen Luft durch einen großen, von der Decke herabhängenden Fächer erfrischt ward, der sich von selbst zu bewegen schien, stand ein mit eingemachten Früchten und Backwerken beladener Tisch.

Zu jener Zeil war ich jung, war ich ein schöner junger Mann, nicht schüchtern, im Gegentheile. Ich machte der Dame mein Kompliment; sie nahm es wie eine Frau auf, welche es am Ende gesucht hatte. Ich setzte mich neben sie.

In Ceylon und in Buenos Ayres hatte ich ein wenig Spanisch Kauderwälschen gelernt, das Spanische und das Portugiesische sind einander ähnlich; dann gibt es am Ende der Sprache der Worte, welche man zuweilen nicht versteht, die Zeichensprache, die man immer versteht. Sie zeigte mir das Abendessen, das mich seit einer Stunde erwartete, man durfte es nicht länger warten lassen. Wir setzten uns zu Tisch. Der Gewohnheit bei dem unter vier Augensein in Spanien und in Portugal gemäß, befand sich nur ein Glas auf dem Tische. Der Porto und Madeira glänzten in zwei Flaschen, der eine wie ein Rubin, der andere wie ein Topas. Ich hatte die beiden Flüssigkeiten bereits gekostet, ich fand sie von der besten Auswahl, und ich stand im Begriffe, das Backwerk und die eingemachten Früchte anzugreifen, als plötzlich die Duegna ganz entsetzt eintrat, und ihrer Gebieterin einige Worte ins Ohr sagte.

 

– He! fragte ich, was gibt es?

– Nichts, antwortete meine Schöne ruhig, es ist mein Gatte, den ich noch für drei bis vier Tage in Gondapour glaubte, und der uns mit einem Male über den Hals kömmt. Er macht es immer so, der abscheuliche Mestize.

– Ah! ah! äußerte ich. Und ist Ihr Gatte etwa eifersüchtig?

– Wie ein Tiger.

– So daß, wenn er mich hier fände. . .

– Er Sie umbringen würde.

– Gut, daß ich dieß weiß, sagte ich, indem ich meinen Dolch aus meinem Busen zog und ihn auf den Tisch legte, man wird seine Vorsichtsmaaßreqeln treffen.

– O! was machen Sie denn? sagte sie.

– Dam! Sie sehen es, es gibt ein Sprichwort, welches sagt, daß es besser sei, den Teufel zu tödten, als daß der Teufel uns tödtet.

– O! man muß Niemand tödten, sagte sie lachend und indem sie bei diesem Lachen Perlen zeigte, neben denen die, welche ich in meiner Tasche hatte, schwarz geschienen hätten.

– Wie das?

– Ich übernehme Alles.

– O! dann ist es sehr gut.

– Nur treten Sie in dieses Kabinet, es führt auf eine Terrasse, und verlieren Sie das nicht aus dem Gesicht, was sich hier zutragen wird. Wenn mein Gatte einen Schritt auf das Kabinet zu thut, was nicht wahrscheinlich ist, so erreichen Sie die Terrasse und springen Sie von ihr hinab. . . sie ist nur zwölf Fuß hoch.

– Gut!

– Geben Sie! ich werde mein Möglichstes thun, damit die Rückkehr Nichts in unsern Plänen ändert.

– Um so besser!

– Seien Sie unbesorgt, gehen Sie, ich höre seinen Schritt auf der Treppe.

Ich eilte in das Kabinet; sie hatte während dieser Zeit durch ein offenes Fenster den Porzellanteller und das Silbergesteck geworfen, welche meine Anwesenheit verrathen konnten, indem sie hierauf aus ihrem Busen ein kleines mit Silber gesticktes Säckchen zog, nahm sie aus demselben ein kleines Fläschchen, das eine grünliche Flüssigkeit enthielt, und goß davon einige Tropfen auf die der Backwerke, welche den Gipfel der Pyramide bildeten, worauf sie aufstand und die Hälfte des Weges zurücklegte, um nach der Thüre zu gehen. In diesem Augenblicke ging die Thüre auf.

Der, den sie einen abscheulichen Mestizen nannte, war ein prachtvoller Indier, mit bronzefarbiger Haut und kurzem und wolligen Barte.

Er trug ein reiches muselmännisches Kostüm, obgleich er Christ war.

Ah! mein Herr, unterbrach sich Vater Olifus, ich weiß nicht, ob Sie die Frauen studirt haben, aber, irdische Frauen oder Meerweibchen, ich glaube, je hübscher sie sind, desto falschere und heuchlerischere Thiere sind es. Diese, welche schön wie ein Amor war, lächelte ihrem Gatten mit demselben Lächeln zu, mit dem sie mir einen Augenblick zuvor zugelächelt hatte. Aber trotz diesem Lächeln schien der Neuangekommene ziemlich mißtrauisch; er blickte zuvörderst um sich, dann schnüffelte er wie ein Währwolf, der frisches Fleisch sucht. Es schien mir, als ob seine Augen sich auf das Kabinet hefteten. Er that einen Schritt nach meiner Seite, ich that deren zwei zurück. Er berührte den Schlüssel der Thüre; ich ließ mich zwischen den Zweigen eines dicht belaubten Baumes von der Terrasse hinabgleiten. Ich sah Etwas wie einen schwarzen Schatten sich über meinen Kopf neigen; ich hielt meinen Athem an, der Schatten verschwand. Ich athmete wieder auf, und indem ich wieder vorsichtig hinaufstieg, befand sich mein Kopf bald wieder auf der Höhe der Terrasse; sie war leer.

Nun bemächtigte sich meiner die Neugierde, das zu sehen, was sich in dem Zimmer zutrüge, das ich so eben verlassen hatte. Ich stieg mit der Behendigkeit und Geschicklichkeit eines Seemannes wieder auf die Terrasse, und näherte mich auf den Fußzehen, um, wenn es möglich wäre, durch die geöffnet gebliebene Thüre zu sehen.

Unsere beiden Gatten saßen neben einander bei Tische, indem die Frau den Gatten verliebter Weise mit ihren Armen umschlungen hielt, während der Gatte begierig die kleinen Kuchen aß, auf welche seine Frau das grüne Wasser geschüttet hatte.

Der Gatte wandte mir den Rücken, die Frau saß in Bezug auf mich zur Seite, sie erblickte ohne Zweifel einen Theil meines Gesichtes durch die Spalte der Thüre und gab mir mit dem Auge einen Wink, welcher sagen wollte: Sie werden sehen, was sich zutragen wird.

In der That, fast im selben Augenblicke begann der Gatte sein Glas zu erheben und schwärmerischer Weise die Gesundheit seiner Gattin auszubringen. Als die Gesundheit ausgebracht, begann er ein kleines Lied, das mit großem Orchester der Teller und der Flaschen endigte, auf die er mit seinem Messer schlug; endlich stand er auf und begann den Tanz der Bayaderen zu tanzen, indem er sich mit seiner Serviette drapirte.

Nun stand die Frau vom Tisch auf, kam nach der Thüre, hinter welcher ich versteckt diesem seltsamen Schauspiele zusah, machte diese Thüre auf und sagte ruhig zu mir: – Kommen Sie.

– Kommen Sie. . . kommen Sie. . . antwortete ich, das ist allerliebst! aber. . .

– Gehen Sie doch! sagte sie, indem sie mich bei der Hand zog, wenn ich Ihnen sage zu kommen!

Ich zuckte die Achseln und folgte ihr.

In der That, ganz mit dem Charaktertanze beschäftigt, den er angenommen hatte, setzte ihr Gatte sein einsames Ballet fort, indem er mit seiner Serviette alle Arten von Stellungen annahm.

Dann, da die Serviette sehr klein für die Draperien war, mit denen seine anmuthigen Stellungen halb verschleiert sein sollten, wickelte er seinen Turban ab, und begann den Shawltanz.

Während dieser Zeit hatte seine Frau mich auf das Kanapee geführt, auf welchem sie lag, als ich eingetreten war, und bei jeder Bemerkung, welche ich ihr machte, zuckte sie die Achseln. Als ich das sah, machte ich ihr keine mehr.

Nach Verlauf von Dreiviertelstunden des Tanzes schnarchte der Gatte, der sich seiner Seits gleichfalls sehr belustigt zu haben schien, wie eine Orgelpfeife.

Ich benutzte den Umstand, um eine Erklärung über diese kleinen, auf das Backwerk gegossenen grünen Tropfen zu verlangen, indem ich mir wohl dachte, daß diese große Liebe des Gatten für das Singen und für das Tanzen daher rührten.

Diese grünen Tropfen waren Troa.

– Sehr wohl, lieber Herr Olifus, antwortete ich. Erklären Sie mir jetzt, was Troa ist. Sie haben mir, wie ein geschickter Erzähler, gesagt, daß Sie mir zu seiner Zeit diesen Dienst erweisen würden; ich glaube, daß die Zeit gekommen ist.

– Mein Herr, der Troa ist ein Kraut, das in Indien im Ueberflusse wächst. Man drückt den Saft von ihm aus, wenn es noch grün ist, oder man stößt den Samen zu Pulver, wenn er reif ist; dann mischt man diesen Saft oder dieses Pulver unter das Essen der Person, deren man sich für den Augenblick entledigen will. Die Person vertieft sich dann in sich selbst, singt, tanzt, schläft ein, ohne mehr das zu sehen, was sich um sie herum zuträgt, und da sie das Gedächtniß dessen, was sich zugetragen, gänzlich verloren hat, so erzählt man ihr bei ihrem Erwachen die erste beste Lüge, und sie nimmt sie an.

Das ist der Troa; wie Sie sehen, etwas sehr Bequemes; man versichert daher auch, daß die Frauen von Goa immer Saft des Troa in einem Fläschchen, oder Samen des Troa in einem Säckchen bei sich tragen.