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Tausend und Ein Gespenst

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V.
Die Freiherren der Vierra Mirena

Am 3. November 1846 kam ich gegen vier Uhr Abends mit meinem Sohne und meinen lieben und guten Reisegefährten Maquet. Boulanger, Giraud und Desbarolles nach Cordova.

Es war nach dreitägiger Reise auf Maulthieren, nach einem Tage so drückender Hitze, daß das Pferd Alexanders, das unter ihm gefallen war, nicht wieder hatte aufstehen können und auf der Stelle todt blieb.

Wir fürchteten die Verzögerung der, wie man uns gesagt hatte, sehr strengen Douane von Cordova; als aber die Spanischen Herren Douaniers, welche sehr belesene Leute sind, meinen Namen auf meinen Koffern gelesen, matten sie mich gefragt, ob ich der Verfasser der Mousquetair und des Monte Christo wäre, und auf meine bejahende Antwort haben sie erklärt, daß sie sich auf mein Wort verließen, keinen Gegenstand der Contrebande bei mir zu führen.

Demzufolge haben sie mich artig gegrüßt, und wir setzten unsern Weg nach dem Posthause fort.

Es versteht sich von selbst, daß Cordova, wie alle Städte, die man zwanzig Jahre in der Einbildung gesehen hat, und die man endlich eines Tages in der Wirklichkeit sieht, keinen Augenblick lang dem Begriffe entspricht, den man sich von ihr gemacht hat. Die Entzauberung hatte von dem Augenblicke angefangen, wo wir sie erblickt hatten, hatte sich in den Straßen fortgesetzt und uns bis nach dem Wirthshause begleitet.

Das war unsere Schuld. Warum hatten sich unter uns die Einen vorgestellt, eine Römische Stadt zu sehen, die Andern eine Arabische Stadt, Andere endlich eine Gothische Stadt? Da wir uns in Spanien befanden, so hätten wir uns einbilden müssen, eine Spanische Stadt zu sehen, und Niemand wäre betrogen worden.

O! eine echt Spanische, von ihrem spitzigen Pflaster an, bis zu ihren Dächern ohne Schornsteine, mit ihren vergitterten Ballons und ihren grünen Jalousien. Beaus marchais hatte Cordova errathen, als er seinen Barbier von Sevilla schrieb.

Was mich aber in dem Maße, als ich mich der ehemaligen Haupstadt des Arabischen Königreiches näherte, überrascht hatte, war nicht ihre christliche Kathedrale, war nicht ihre maurische Moschee, waren nicht ihre drei bis vier Palmen, welche ihre grünen Fächer schaukeln, es war die prachtvolle Linie, welche hinter der Stadt die Gebirgskette der Sierra Morena beschreibt, auf welcher die Stadt weiß auf einem Hintergrunde von Indigo hervortritt.

Diese Berge waren der Gegenstand meines Strebens:

Seitdem wir Spanien betreten hatten, versprach man uns Hirsche, Eber und Räuber.

In Villa-Major hatten wir Räuber zu sehen geglaubt, aber wir halten weder Hirsche noch Eber gesehen.

Wenn wir die Gelegenheit verloren, welche uns die schwarzen Berge boten, diese drei Dinge vereinigt zu sehen, so ist es augenscheinlich, daß wir sie niemals wiederfinden würden.

Ich war daher nur mit einer Sache beschäftigt, nämlich, während meine Reisegefährten Besuche in der Stadt vorbereiteten, einen Ausflug in das Gebirge vorzubereiten.

Die Besuche in der Stadt hatten sich von selbst vorbereitet. Man wußte meine Anwesenheit in Spanien, man dachte sich wohl, daß ich Spanien nicht verlassen würde, ohne Cordova zu besuchen; nun aber war Alles, was es an gebildeten jungen Leuten in Cordova gab, an Edelleuten oder an Banquiers, welche Frankreich besucht hatten, Alles das war nach dem Wirthshause geeilt, um uns ihre Dienste anzubieten, Dienste, welche wir mit derselben Herzlichkeit angenommen hatten, als sie angeboten waren.

Die Straßen, die Kirchen, die Museen, die Paläste, die Privathäuser erwarteten uns also, jede Thüre versprach bei unserem ersten Anblicke ihre beiden Flügel zu öffnen. Aber die Sierra Morena, die keine Thüren hat, die Sierra Morena war uns ohne Barmherzigkeit verschlossen.

Ich hatte wohl, als diese Herren, welche alle Jäger waren, meine Gewehre untersucht, von einer Jagd in dem Gebirge gesprochen; aber ich hatte auf allen Gesichtern sich so viele verschiedene Ausdrücke schildern sehen, welche alle bedeuteten: eine Jagd in der Sierra Morena!. . . ah! ja doch!. . . unmöglich!. . . eine Jagd!. . . sind Sie von Sinnen!. . . daß ich, ohne den Antrag zurückzunehmen, nicht weiter darauf bestanden hatte.

Aber mir fiel eine Erinnerung wieder ein, und trieb mich, wie Satan, zum Stolze. Einer meiner Freunde hatte auf einer Reise bei den Drusen auf seinem Wege ein von dem Winde der Gebirge aufgewehtes Feuilleton des Journal des Debats gefunden, das von mir unterzeichnet war und den Titel führte: Das Schloß von If. Ich war also in Acre, in Damaskus, in Balbeck bekannt, da man dort meine Feuilletons las. Ich war in Cordova bekannt, da die Douaniers meine Koffer durchließen, ohne sie zu öffnen. Warum sollte ich nicht in der Sierra Morena bekannt sein?

Und wenn ich in der Sierra Morena bekannt war, warum sollte mir dort nicht das begegnen, was Ariost mit den Räubern des Herzogs Alphons begegnet war?

Das war zu versuchen, und besonders war es sehr verführerisch.

Während meine Freunde die Stadt besuchten, ließ ich meinen Wirth heraufkommen, und nachdem ich ihn eingeladen hatte, sich mir gegenüber zu setzen und wohl zu überlegen, bevor er mir antwortete, wie es sich für einen ernsten und verständigen Spanier geziemte, fragte ich ihn:

– Gibt es ein Mittel, sich mit den Herren Freiherren der Sierra Morena in Verbindung zu setzen?

Mein Wirth blickte mich an.

– Sind Sie an sie empfohlen? fragte er.

– Nein.

– Den Teufel! Dann wird es schwer sein.

– Demnach also gibt es kein Mittel, sich mit ihnen in Verbindung zu sehen?

– Doch; es ist alles möglich. Was wünschen Sie?

– Ihnen einen Brief zukommen zu lassen.

– Ich übernehme es, den Besorger zu finden.

– Er wird die Antwort zurückbringen?

– Getreulich.

– Und wenn diese Herren der Sierra ihr Wort verpfänden, werden sie es halten?

– Ich glaube nicht, daß es ein Beispiel gibt, wo sie es gebrochen haben.

– Dann wird man je nach ihrer Antwort handeln können?

– Mit vollem Vertrauen.

– Geben Sie mir Papier, eine Feder und Tinte, und holen Sie mir den Boten.

Mein Wirth brachte die verlangten Gegenstände, und ich schrieb:

An die Herren Freiherren der Sierra

Morena.

»Ein Bewunderer des unsterblichen Cervantes, der unglücklicher Weise nicht den Don Quichotte geschrieben hat, der aber sehr gern den besten seiner Romane dafür geben würde, ihn geschrieben zu haben, indem er zu wissen wünscht, ob das Spanien von 1846 immer noch das von 1580 ist, bittet die Herren Freiherren der Sierra Morena, ihm sagen zu lassen, ob er für dm Fall unter ihnen willkommen sein würde, wo er es wagte, sie um Gastfreundschaft und um die Erlaubniß zu bitten, mit ihnen eine Jagd in dem Gebirge zu machen.

Er hat fünf Reisegefährten, welche seinen Wunsch theilen, die Sierra zu besuchen; aber je nach der Antwort, welche er erwartet, wird er allein oder in Begleitung kommen.

Er empfiehlt sich den Herren Freiherren der Sierra Morena mit aller Hochachtung.«

Und ich unterzeichnete.

Eine Viertelstunde, nachdem der Brief versiegelt war, trat mein Wirth mit einer Art von Hirten ein.

– Hier ist Ihr Mann, sagte er zu mir.

– Wie viel verlangt er?

– Was Ihnen gefällig ist.

– Wann wird er zurückkehren?

– Sobald er kann.

Ich gab ihm zwei Doueros und den Brief.

– Ist es so recht? fragte ich meinen Wirth.

Mein Wirth befragte ihn.

– Ja. sagte er. er ist zufrieden.

– Nun denn! bei seiner Rückkehr, und wenn er mir einen Brief mitbringt, soll er noch zwei Doueros erhalten.

Der Bote machte ein Zeichen, daß das sehr schön wäre; er hatte verstanden.

Hierauf fügte er einige Worte in einer so undeutlichen Volkssprache hinzu, daß es mir unmöglich war, sie zu verstehen.

– Er fragt, ob er für den Fall, daß er in der Nacht zurückkehren sollte, sagte der Wirth zu mir, dm Tag abwarten oder Sie wecken soll.

– Er soll mich wecken, zu welcher Stunde es auch sein möge.

– Ganz wohl.

Beide entfernten sich.

Meine Freunde kamen wieder nach Haus; ich sagte ihnen kein Wort von dem, was vorgefallen war; ich wartete.

Während der Nacht des folgenden Tages hörte ich gegen ein Uhr an die Thüre klopfen.

Ich machte auf.

Es war mein Wirth und mein Bote. Dieser Letztere hielt einen Brief in der Hand.

Ich nahm rasch den Brief und brach ihn auf.

Das Geräusch hatte meine Reisegefährten geweckt. Wir sechs bewohnten drei in einander gehende Zimmer. Ich sah daher die Einen auf ihren Ellbogen aufgerichtet. die Andern streckten ihre Köpfe durch die Oeffnungen der Thüren, Alle befrugen mich mit den Augen.

– Meine Herren, sagte ich, indem ich mich umwandte, Sie sind zu einer großen Jagd in der Sierra Morena eingeladen.

– Von wem?

– Ei, bei Gott! von denen, welche sie bewohnen.

– Wie! von den. . .

– Still, äußerte Alexander, nennen wir die Dinge und besonders die Menschen nicht bei ihren Namen; das ist gut für Herrn Boileau.

– Unmöglich! äußerten im Chor die fünf andern Stimmen.

– Dam! hier ist der Brief.,

»Herr Alexander Dumas kann von neun Personen begleitet kommen; er wird am 7. dieses Monats zwischen fünf bis sechs Uhr Morgens an dem Brunnen des mit Zinnen versehenen Hauses erwartet werden.

Wir werden ihn so gut empfangen, als wir es vermögen, und wir werden ihm eine Jagd so schön als möglich machen lassen.

Es ist unnöthig, daß er sich um Treiber und um Hunde bekümmert.

Aus der Sierra, den 5. November 1846.
Für mich und meine Kameraden,

Der Torero.«

– Was sagen Sie dazu?

 

– Hurra por los ladrones der Sierra Morena! rief die ganze Schaar aus.

– Ja, da wir aber, um zur bestimmten Stunde an dem bezeichneten Sammelplatze zu sein, morgen früh um zwei Uhr aufbrechen müssen, so laßt uns schlafen.

Und ich gab dem Bote noch zwei andere Doueros, der sich verpflichtete, im Laufe des folgenden Tages zurückzukehren, um zu sehen, ob wir einen Führer nöthig hätten.

Am folgenden Morgen mit Anbruch des Tages ließ ich unsere Freunde von Cordova benachrichtigen, daß ich ihnen Nachrichten von der größten Wichtigkeit mitzutheilen hätte. Sie eilten herbei.

– Es waren zwei junge Leute von fünf und zwanzig bis sechs und zwanzig Jahren, von denen sich der eine Paroldo, und der andere Hernandes von Cordoa nannte.

Der erste war der Sohn eines reichen Banquiers der Stadt; der Andere war ein Edelmann, der von seinen Renten lebte, die man auf Hundert Tausend Realen jährlich schätzte.

Der dritte war ein Mann von fünf und dreißig bis sechs und dreißig Jahren, ein Bürger der Stadt, ein guter und lustiger Lebemann, immer fröhlich, immer zu Allem bereit, vorausgesetzt, daß von Frauen, von Tischfreuden oder der Jagd die Rede war.

Er nannte sich Ravès.

Als sie alle drei versammelt waren, erzählte ich ihnen den Schritt, den ich bei den Herren der Sierra gethan hatte, und theilte ihnen die Antwort mit, welche ich erhalten hatte.

Nachdem sie gelesen, sahen sie sich einander an.

– Nun denn! sagte Paroldo, was sagen Sie dazu, Hernandes?

– Und Sie, Ravès?

– Ich sage, daß das herrlich ist.

– Die Verabredung ist für morgen früh? fragte Paroldo.

– Für morgen früh, wie Sie sehen!

– Wohlan! bereiten wir Alles für morgen früh vor.

– Sie sehen keine Schwierigkeit in diesem Unternehmen?

– Als Gefahr?

– Ja.

– Keine.

– Ich wünschte nämlich nicht, daß eine Laune von mir Sie zu einem zu gewagten Unternehmen fortrisse.

– O! von dem Augenblicke an, wo ein Versprechen von Seiten dieser Herren vorliegt, werden Sie in Ihrer Mitte eben so sicher sein, als Sie es hier in dem Gasthause zur Post, und wir in unseren Familien sind.

– Habe ich nöthig, meinen Boten mitzunehmen?

– Wozu?

– Uns zum Führer zu dienen.

– O! unnöthig, wir kennen Alle den Weg, nur haben Sie das Recht, neun Personen mitzunehmen, nicht wahr? Sie haben Ihren Sohn und vier Reisegefährten, uns drei, das macht acht, es bleibt noch eine Person einzuladen; haben Sie an irgend Jemand gedacht?

– An Niemand; wie Sie wohl wissen, kenne ich nur Sie drei in Cordova.

– Wohlan! wir werden einen unserer Freunde einladen, der ein wenig Schmuggler ist, Sie werden sehen, daß er uns nicht nutzlos sein wird.

– Laden Sie ein. . . Jetzt müssen wir uns um Pferde und Maulthiere, um Esel und Lebensmittel kümmern.

– Sie werden erlauben, daß alle diese Gegenstände unsere Sache sind?

– Unter einer Bedingung.

– Ohne Bedingung.

– Es sei. Ich bin bei Ihnen; machen Sie es, wie Sie wollen.

– Heute Nacht, um zwei Uhr Morgens, werden die Pferde vor der Thür des Wirthshauses sein.

– Bravo!

Wir trennten uns. Zwei Stunden nachher wußte die ganze Stadt das Unternehmen, welches wir vorhatten.

Mein Bote kehrte zurück, um mich zu fragen, ob ich ihn als Führer zu verwenden gedächte; ich dankte ihm, und schenkte ihm einen dritten Douero.

Hierauf rief ich meinen armen Paul.

Die, welche meine Reise in Spanien oder meine Reise in Afrika gelesen haben, kennen Paul. Für die, welche weder das eine noch das andere der beiden Werke gelesen haben, will ich in wenigen Worten das sagen, was Paul war.

Er war ein schöner junger Araber aus dem Sennar, der als kleines Kind die Ufer des Flusses Rahab verlassen hatte, um nach Europa zu kommen; er war zwanzig bis zwei und zwanzig Jahre alt, und sollte mit drei und zwanzig Jahren bei mir sterben.

Armer Paul, als ich aus ihm eine der komischsten Personen meiner Reise in Spanien und in Afrika machte, ahnete ich nicht, daß ich ihn zu betrauern haben würde, bevor meine Feder das letzte Wort dieser Reise geschrieben hätte.

Paul war geboren, um der Intendant eines guten Hauses zu werden. Er war von Haus aus eine ausgezeichnete Person. Unter den andern Dienern hatte er das Ansehen eines Negerfürsten, der aus seinen Staaten entführt und zur Gefangenschaft gezwungen war.

Er hatte wohl einige kleine Fehler, welche seinen erhabenen Eigenschaften schadeten; aber ich habe nicht mehr den Muth, von diesen Fehlern zu sprechen. Außerdem haben die, welche Paul kennen zu lernen wünschen, wie als ob sie ihn gesehen hätten, nur die fünf Bände unter dem Titel Von Paris nach Cadix zu lesen.

Ich ließ also Paul kommen und sagte zu ihm

– Paul, wir sind für morgen von dm Herrn Räubern der Sierra Morena zu einer Jagdparthie eingeladen. Wir werden zwei bis drei Tage bei ihnen bleiben. Mache alles das zurecht, was zu diesem Ausfluge nöthig ist.

Paul verwunderte sich niemals, er verwunderte sich daher auch nicht, nur fragte er:

– Werde ich Silbergeschirr mitnehmen müssen?

Ich reiste mit einer kleinen Kiste Silbergeschirr von zwölf Couverten.

– Ei ohne Zweifel, mein Lieber. Es ist ein Versuch, den ich anstelle.

– Dann nimmt der Herr während dieser drei Tage das Silbergeschirr auf seine Rechnung, und entbindet mich meiner Verantwortlichkeit?

– Ja, Paul, sei unbesorgt.

– Es ist gut, der Herr kann ruhig sein, um zwei Uhr Morgens wird Alles bereit sein.

Auf diese Versicherung hin legte ich mich um zehn Uhr Abends zu Bett.

VI.
Wunderbare Geschichte Don Bernardos von Zuniga

Um zwei Uhr Morgens wurde ich durch einen Lärm geweckt, wie ich selten einen gleichen gehört habe.

Man hätte glauben können, daß ein Regiment Cavalerie in dem Patio mit den Hufen stampfte.

Es war in der That etwas, das ihm sehr glich. Es waren ohngefähr fünfzehn Esel, Pferde und Maulthiere, begleitet von ihren Arrieros. (Treibern.)

Ich habe niemals ein pittoreskeres Schauspiel gesehen, als das, welches der Hof des Wirthshauses bot, als wir hinabgingen.

Es war einer jener großen viereckigen Höfe mit Säulenhallen, die ein Wetterdach bildeten und sich an den vier Seilen des Gebäudes erstreckten.

Die Mitte war mit einem ungeheuren, wie eine Eiche dicken Orangenbaume ausgefüllt.

Unter diesem von einem Dutzend Fackeln, welche die Arrieros trugen, erleuchteten Wetterdache stampften unsere Esel und unsere Maulthiere.

Die Flamme dieser Fackeln spiegelten sich auf allen lichtvollen Punkten des Geschirres der Thiere und des Kostümes der Männer, und verlor sich dann in dem dichten dunkeln Laube des Orangenbaumes, in dessen Mitte seine goldenen Früchte glänzten.

Zwei Maulthiere waren mit Lebensmitteln beladen; ein drittes trug einiges Gepäck, und auf dieses dritte hatte sich Paul im arabischen Kostüme bereits gesetzt.

Zwei andalusische Pferde, das eine weiß, das andere isabellfarbig, mit ihren Reitern im Kostüme als Mayo, das Gewehr auf dem Kreuze des Pferdes, den Dolch in den Gürtel gesteckt, erwarteten uns.

Das waren Hernandes und Ravès.

Paroldo war hinaufgekommen, um uns zu benachrichtigen, und ertheilte seine Befehle wie ein commandirender General.

In Mitte dieser ganzen Karawane fiel mir ein weißer Esel mit einem Sattel von rothem Sammet, groß, stolz und ungeduldig wie ein Pferd, durch seine prachtvolle Haltung ins Auge, und ließ mich jenes beständige Lob begreifen, das Sancho Pansa von seinem Thiere macht, und das mir bis dahin übertrieben geschienen hatte.

Sobald ich erschien, stiegen Ravès und Hernandes ab, und boten mir mit der Miene und mit der Artigkeit, welche nur den Spaniern angehört, ihre Pferde an; aber Paroldo war ihnen zuvorgekommen, der merkwürdige weiße Esel war für mich bestimmt.

Die Karawane machte sich auf den Weg. Ich habe nichts Wunderlicheres gesehen, als diese Schlange, welche sich in der Nacht durch die Straßen von Cordova wand, und stückweise erleuchtet wurde, wenn irgend eine Oeffung zufälliger Weise den Mond bis zu ihr dringen ließ.

Die beiden Pferde gingen voraus, dann kam der weiße Esel, der sich alle Mühe gab, den ersten Rang einzunehmen. Hinter dem weißen Esel erstreckten sich in der launigen Unabhängigkeit ihres Ganges ohngefähr zehn gemeine Esel ohne Sättel, ohne Zäume, ohne Halfter, mit einer einfachen, auf den Rücken gelegten und unter dem Bauche zugeschnallten Decke; von Steigbügeln war eben so wenig die Rede, als von Halftern, von Zäumen und von Sätteln. Endlich kamen zwei bis drei mit unseren Lebensmitteln und Gepäck beladene Maulthiere und bildeten die Nachhut.

Eine Viertelstunde weit von der Stadt holte uns der junge Mann ein, den Ravès, Paroldo und Hernandes einzuladen übernommen hatten. Er ritt einen Schecken, und trug das Kostüm der Manchegos, das heißt eine Jacke, ein Beinkleid und Mütze von Ziegenfell, dessen Haare nach außen gewendet waren. Dieses Kostüm verlieh ihm ein wildes Aussehen, das zu dem Pittoresken beitrug, welches unsere Karawane bereits hatte.

Der Boden, welcher Cordova von dem Fuße der Gebirge trennt, schien mir, so viel ich bei dem Mondscheine darüber urtheilen konnte, wie eine unermeßliche Platte von rothem Marmor geadert; überall durchfurchten von de, Hitze verursachte Sprünge den Boden, und der Weg machte durch die Ebene alle die Umwege, welche ihm diese Launen des Bodens auferlegten.

Mit jedem Augenblicke Hirten wir das Geräusch eines fallenden Körpers, eines Gewehres, das im Fallen erklang. Wir wandten uns um, und erblickten einen Esel ohne Reiter, der grasete oder eine Distel verspeiste; dann in der Dunkelheit eine anfangs gestaltlose Masse, die sich bald ausstreckte, sich aufrichtete, das Ansehen eines Menschen wieder annahm und sich wieder auf den gefälligen Esel setzte, der seinen Reiter nur unter der in seinem Geiste fest beschlossenen Bedingung annahm, sich seiner bei der ersten Gelegenheit wieder zu entledigen.

Als wir an die ersten Anhöhen der Sierra gelangten, war es ohngefähr vier Uhr, der Mond verbreitete ein Licht, das hell genug war, um bei ihm einen Brief lesen zu können. Kein Geräusch ließ sich hören. Das Gebirge schien mit einem andächtigen Schweigen zu uns zu kommen; von Zeit zu Zeit sah man an den letzten Gränzen der Ebene unter einem Silberscheine irgend ein Landhaus erbleichen, das mit einem Walde von Orangenbäumen umgeben war, deren Wohlgerüche man mit diesem achten Morgenwinde untermischt roch, der eine Stunde vor Sonnenaufgange über die Erde streift, und welcher der letzte Seufzer der Nacht zu sein scheint.

In dem Maße, als wir nach dem Gebirge gelangten, schien das weiße Ende des Weges, den wir ritten, sich in einem dunklen Gange zu verlieren, der ziemlich gut den Rachen eines niedergekauerten Ungeheuers vorstellte, das damit beschäftigt war, eine Schlange zu verschlingen.

Dieser Rachen war die Fortsetzung des Weges, der aus einer Straße ein Fußpfad wurde, und an dessen beiden Seiten sich eine Art von Makis, von Meerkirschenbäumen und von grünen Eichen erhob, deren Zweige, indem sie sich an ihren oberen Enden vereinigten, diesen dunkeln Rachen bildeten, der sich anschickte, uns zu verschlingen.

Wir betraten denselben, indem wir instinctmäßig fühlten, daß wir die civilisirte Erde verließen, um die uncivilisirte zu betreten, und daß wir jenseits dieser überschrittenen Gränze keinen andern Beschützer mehr zu erwarten hätten, als uns selbst. Die Stärke ersetzte das Recht.

Nach Verlauf von ohngefähr fünfzig, auf diesem unebenen Abhange zurückgelegten Schritten überraschte uns ein seltsamer Umstand; der Weg war nämlich mit Kreuzen eingefaßt, welche Inschriften trugen. Auf das erste, auf das zweite dieser Kreuze achteten wir nicht; aber bei dem dritten, bei dem vierten und bei dem fünften frugen wir, was sie bedeuteten.

Unsere vier Freunde von Cordova begannen über unsere Einfalt zu lachen.

– Steigen Sie ab und lesen Sie, sagte Paroldo zu mir.

Ich war im Begriffe abzusteigen, aber ich bemerkte, daß ich mir eine unnöthige Mühe nähme, da eines dieser an einen Baumstamm genagelten Kreuze sich gerade in meinem Bereiche befand; es befand sich ein Zweig geweihten Buchsbaumes über ihm, und man las auf dem Querbalken folgende Inschrift:

En esto sitio fu asacinado el conde Roderigo de Torrejas, anno 1845.

Was bedeutete:

»An diesem Orte wurde der Graf Roderigo von Torrejas im Jahre 1845 ermordet.«

Zehn Schritte weit von da befand sich eine zweite Inschrift, nur war sie auf der andern Seite des Fußpfades angenagelt.

Diese zweite Inschrift war noch weit bündiger, als die erste. Sie bot folgende einzigen Worte:

 

Aqui fu asacinado su hijo, Hernandes Torrejas.

»Hier wurde sein Sohn, Hernandes von Torrejas ermordet.«

Es befanden sich ohngefähr zehn Schritte zwischen diesen beiden Inschriften.

Welches schreckliche Drama mußte sich auf diesem kleinen Raume zugetragen haben, während der Sohn seinen Vater umbringen, während der Vater seinen Sohn umbringen sah!

Ich ließ unseren Gefährten die Inschrift lesen.

– Meine Herren, sagte ich, es ist noch Zeit nach Cordova zurückzukehren.

Das Wort: Vorwärts! war die einzige Antwort der Karawane, welche ihren Weg fortsetzte.

Nur zählten wir auf diesem Wege in der Strecke einer Viertelmeile achtzehn Kreuze.

Der Weg wurde weit steiler und in dem Maße, als wir ihn erklommen, schienen wir dem Lichte zuzuschreiten; dir sechs bis acht Fuß breite Weg lehnte sich zur Linken an das Gebirge der Sierra, und zur Rechten öffnete sich ein Abgrund, der mit jeder Minute tiefer wurde. Auf der Tiefe dieses Abgrundes war es noch finstere Nacht, während die Ebene, die sich vor uns ausdehnte, hellere Farben anzunehmen begann.

Im Hintergrunde zeigte sich Cordova, immer im weißen Lichte und mit blauen Schatten mit seinem Guadalquivir, welcher, indem er die Morgenröthe zurückwarf, ein Flammenstrom zu sein schien.

Endlich verloren sich an dem entferntesten Horizonte die Gebirge, über welche wir gekommen waren, um von Granada nach Cordova zu gehen, in einem violetten und durchsichtigen Scheine.

So lange, als unser Blick diese wundervolle Ebene übersehen konnte, machte er sich keinen Augenblick davon los. Unsere Maler stießen Ausrufe der Bewunderung und des Bedauerns aus, denn sie fühlten wohl, daß niemals ein Pinsel das erhabene Bild nachahmen würde, das die Sierra vor unsern Augen entfaltete.

Endlich erreichten wir den Gipfel eines der ersten Absätze, und indem wir uns plötzlich zur Linken wandten, ließen wir dieses ganze wundervolle Panorama hinter uns,

Zehn Minuten nachher war es durch einen Vorhang von Bäumen verschleiert, und wir sollten es nur bei unserer Rückkehr wiederfinden.

Auf dieser ersten Hochebene angelangt, gingen wir einige Zeit lang auf ebenem Boden, dann begannen wir von Neuem eine zweite Anhöhe zu ersteigen. Nach Verlauf von ohngefähr drei Viertel Stunden war dieser zweite Absatz erstiegen, und wir ritten unter einer Art von Wald hinab, in den die ersten Strahlen der Sonne zu dringen begannen.

Wir verwandten eine andere halbe Stunde darauf durch diesen Wald zu gehen, dessen Bäume bald lichter wurden, und wir erblickten bald durch die Lichtungen eine hell erleuchtete Ebene.

In Mitte der Ebene erhob sich eine Quelle, deren Ziemlich reichliche Welle sich in ein großes steinernes Becken ergoß; um die Quelle herum standen und erwarteten uns ohngefähr dreißig Männer und ohngefähr vierzig Hunde.

Als sie uns erblickten, nahmen die Männer ihre Hüte ab und die Hunde heulten.

Zur Rechten, indem es den Weg überragte, wo Männer und Thiere standen, erhob sich ein mit Zinnen versehenes Haus; dieses Haus hatte der Quelle ihren Namen gegeben.

Diese Quelle war der Ort der Zusammenkunft; diese Männer waren unsere Wirthe, die Freiherren der Sierra Morena.

Wir setzten unsere Thiere in Trab, dann hielten wir nach einigen Minuten an und stiegen ab.

Da ich das Unternehmen eingeleitet hatte, so machte man aus mir die Hauptperson und ließ mich vorausgehen.

Auf der Hälfte des Weges begegnete ich einem Manne von vierzig bis zwei und vierzig Jahren, ein wahrhaft spanisches Gesicht mit schwarzem Barte, schwarzen Augen. verbrannter Haut, kurzen und wolligen Haaren, weißen Zähnen, offenen Zügen.

Das war der Torero.

Wir gaben uns die Hand, wechselten einige Worte aus, indem wir uns dabei gegenseitig die Artigkeit erwiesen, daß wir uns zu verstehen schienen. Hierauf vermischten sich alle Gruppen, und wir bildeten nur noch eine dichte Masse.

Das Frühstück erwartete uns. Es bestand aus geräucherten Hirschziemern, aus wilden Schweineschinken, aus Malaga, Alicante und Xeres.

Wir ließen gleichfalls unsere Lebensmittel abladen. Wir brachten das mit, was man sich in dem Gebirge nicht verschaffen kann, nämlich Pasteten, Schinken von Granada, Truthähne, Hühner, Oliven, volle. Schläuche eines Landweines von Montilla, der unserem Gravesweine ähnlich ist.

Man legte Alles auf den Boden.

Ich gab Paul einen Wink.

Paul verstand; er machte die Kiste des Silbergeschirres auf, und warf einige Hände voll Messer und silberne Gabeln auf die Mäntel, welche zu Tischtüchern dienten.

Hierauf stellte er die leere Kiste mitten unter die Tischgenossen.

Der Torero blickte seine Kameraden mit einer Miene an, welche bedeutete: – Nun denn! was sagt Ihr dazu?

Unsere Wirthe antworteten durch ein Zeichen der Zufriedenheit.

Jeder von ihnen nahm mit den Fingerspitzen ein Messer oder eine Gabel, und man begann vorzuschneiden.

Von diesem Augenblicke an war die Bekanntschaft vollständig gemacht, und unsere Wirthe wurden für uns und wir für sie gewöhnliche Jagdgefährten.

Auch die Hunde schienen uns von diesem Augenblicke an nicht mehr als Fremde, sondern als einen Zuwachs von Herren angenommen zu haben. Das war keine zu verschmähende Friedensstiftung, diese halb wilden Hunde, welche halb Fuchs und halb Wolf waren, hatten ein schreckliches Aussehen.

Einige Brode wurden in einem berechneten Maße mäßiger Weise unter sie vertheilt, um ihnen die Kraft zu erhalten, ohne ihnen den Hunger zu nehmen. Die Jagd Hunde jagen für sich, und damit sie gut jagen, darf man sie immer nur halb sättigen.

Jeder halte Eile die Jagd zu beginnen. Nach einer halben Stunde, welche, wie ich gestehen muß, von Jedermann thätig angewandt wurde, gaben daher auch unsere Wirthe selbst das Signal zum Aufbruche, indem sie die Messer und die Gabeln an einer Quelle wuschen, und sie wieder in das Besteck legten.

Es kam daher, weil die Sonne in der That am Horizonte aufzusteigen begann, und wir benachrichtigt waren, daß wir noch eine Stunde zurückzulegen hätten, bevor wir an das erste Treibjagen gelangten.

– Nun denn? fragte ich Paul.

– Was, mein Herr?

– Das Silbergeschirr.'

– Es fehlt Nichts daran.

– Dann auf den Weg!

Und indem ich meinen merkwürdigen Esel wieder bestieg, setzte ich mich wieder an die Spitze der Schaar, und wir vertieften uns noch weiter in das Gebirge.

Nach Verlauf eines halbstündigen Marsches überließ man die Pferde, die Esel und die Maulthiere der Aufsicht der Maulthiertreiber, und setzte den Weg zu Fuß fort.

Der Torero hatte sich meiner bemächtigt, er übernahm es, mich wie meinen Sohn anzustellen; das hieß uns zu sagen, daß er uns, zum Mindesten nach seiner Weisung, die besten Orte vorbehielte.

An den Ort gelangt, den er für mich bestimmte, blieb ich stehen, und machte meine Büchse zurecht; es war eine vortreffliche Doppelbüchse, welche einen Hirschfänger als Bajonet hatte, und die mit Spitzkugeln geladen wurde.

Der Torero bat mich, sie in seiner Gegenwart zu laden, damit er den Mechanismus davon sähe; sie wurde durch die Schwanzschraube geladen. Es war das erste Mal, daß ein solches Gewehr seine Neugierde erweckte.

Er untersuchte es mit der größten Aufmerksamkeit, und gab es mir zurück; hierauf begann er ohne Bedauern, ohne Neid sein einläufiges Gewehr mit Papierpfropfen zu laden, die er von einem kleinen geschriebenen Hefte riß.

Worauf er, nachdem er mir Schweigen anempfohlen hatte, meinen Sohn fortführte.

Allein geblieben, betrachtete ich die Landschaft. Wir umgaben einen hohen Berg, der einer Pyramide glich und ganz mit Mastir- und mit Meerkirschenbäumen von sechs bis acht Fuß Höhe bewachsen war. Von Stelle zu Stelle erschienen gleich ungeheuren Warzen in Mitte des dunkeln Grün des Gehölzes runde Sandsteinfelsen; unter meinen Füßen befand sich ein kleines rundes Thal, welches dm Fuß des Berges zeigte und sich wieder erhob, indem es sich um ihn herum gleich den Rändern eines Hutes erweiterte. Dieser ganze, etwas weniger dicht bewachsene Theil der Pyramide erlaubte, zwischen den Gebüschen das Wild zu erblicken, welches die von den Jägern unterstützten Hunde uns zuzutreiben im Begriffe standen.

Der Torero hatte mich benachrichtigt, daß wir noch eine halbe Stunde hätten, bevor die Jagd begönne. Ich warf daher die Augen um mich, indem ich mich fragte, was ich mit dieser halben Stunde anfangen sollte. Bei dieser topographischen Nachforschung erblickte ich auf dem Boden das Heft, dessen Umschlage der Torero bereits zwei Pfropfen entliehen hatte, das er ohne Zweifel wieder in die Tasche gesteckt zu haben glaubte, und das er daneben gesteckt hatte.

Ich raffte es auf, legte mich in den Schatten eines Meerkirschenbaumes, dessen rothe Früchte über meinem Kopfe schwebten, und las: