Za darmo

Tausend und Ein Gespenst

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

II.
Der Schwur

Am 1. December des Jahres 1703, unter der Regierung des Papstes Clemens XI., verließen gegen vier Uhr Abends drei junge Leute, welche leicht als Studenten der Universität Bologna zu erkennen waren, die Stadt durch das Thor von Florenz und wanderten nach diesem reisenden Friedhofe, der auf den ersten Blick weit eher das Aussehen eines angenehmen Spazierganges, als das eines Leichenfeldes bietet. Alle drei gingen, in weite Mäntel gehüllt, raschen Schrittes, und indem sie hinter sich blickten, wie Jemand, welcher fürchtet, daß man ihm folgt.

Der eine von ihnen verbarg Etwas unter seinen Mantel, und es war leicht zu sehen, daß das, was er verbarg, ein Paar Degen waren.

An dem Friedhofe angelangt, wandten sich die drei jungen Leute, statt ihren Weg die nach dem Eingange

fortzusetzen, zur Rechten und gingen an der südlichen Seite der Mauer entlang; hierauf, zu dem äußersten Ende dieser Mauer gelangt, wandten sie sich plötzlich zur Linken, und fanden an die östliche Seile gelehnt drei andere junge Leute, von denen zwei saßen und einer stand; diese drei jungen Leute schienen sie zu erwarten.

Als sie die zuletzt gekommenen erblickten, standen die beiden sitzenden jungen Leute auf, und der, welcher stand, verließ die Mauer. Alle drei gingen denen entgegen, welche kamen.

Alle drei waren gleichfalls in ihre Mäntel gehüllt, und das untere Ende eines der Mäntel war durch die Spitze von zwei Degen erhoben.

Vier der jungen Leute setzten ihren Weg fort, bis sie sich erreicht hatten.

Die beiden andern blieben zurück, jeder auf seiner Seite, so daß, als die vier Studenten sich erreicht und eine Gruppe gebildet hatten, die beiden Einsamen sich jeder zwanzig Schritt weit von der Gruppe, und dem zu Folge vierzig Schritte weit von einander befanden.

Die vier jungen Leute sprachen einen Augenblick lang auf die lebhafteste Weise mit einander, während von den beiden einsamen jungen Leuten, welche der Besprechung fremd schienen, der eine den feuchten Boden durchlöcherte, indem er sich auf seinen Stock lehnte, und der andere mit seinem Stöckchen die Köpfe der Disteln abschlug.

Zwei bis drei Male wurde die Besprechung unterbrochen, und bei jedem Male trennte sich die Gruppe der Mitte, um eine doppelte Gruppe zu bilden, von der die beiden abgesonderten jungen Leute für den Augenblick die Hauptpersonen wurden.

Bei jedem Male konnte man diese bestimmte Zeichen der Weigerung machen sehen, was bedeutete, daß sie sich nicht an die Meinung ihrer Gefährten anschlössen oder nicht in ihre Forderung willigten.

Als sich endlich die Unterhandlungen in die Länge zogen und keine mögliche Ausgleichung in Güte zu bieten schienen, nahmen die jungen Leute, welche die Degen trugen, sie unter ihren Mänteln hervor, und übergaben sie der Untersuchung ihrer Begleiter.

Die Degen wurden nun mit der größten Aufmerksamkeit untersucht. Es war augenscheinlich, daß man über die größere oder geringere Gefährlichkeit unterhandelte, welche aus der Form der Waffen für die Wunden hervorgehen mußte. Endlich, da man sich nicht über die zu treffende Wahl verständigen konnte, warf man ein Geldstück in die Luft, damit die Wahl der Degen das Resultat des Zufalles wäre.

Der Zufall entschied, die nicht, bezeichneten Degen wurden bei Seite gelassen; man gab den beiden alleinstehenden jungen Leuten einen Wink, welche sich näherten, sich mit dem Kopfe ein leichtes Zeichen der Höflichkeit machten, und ihren Rock und ihre Weste auszogen.

Hierauf steckte der eine seinen Stock in die Erde, und der andere warf sein Stöckchen auf seine Kleider. Beide näherten sich. Nun überreichte ihnen einer ihrer Begleiter jedem einen Degen bei dem Griffe, kreuzte die beiden Spitzen, und sprach, indem er sich zurückzog, das Wort aus:

– Voran!

Beide fielen auf der Stelle aus, und vereinigten ihre Degen bis an das Gefäß.

Beide thaten zugleich einen Schritt zurück, und befanden sich ausgelegt.

Beide waren von ziemlich gleicher, aber von nur geringer Stärke.

Nach Verlauf einiger Sekunden verschwand der Degen des einen fast gänzlich m dem Körper seines Gegners.

– Getroffen! sagte der, welcher den Stoß geführt hatte, indem er einen Sprung zurückthat und seinen Degen senkte, ohne sich indessen außer Deckung zu setzen.

– Nein, sagte der Andere, nein.

– Doch.

Und der, welcher zuletzt gesprochen hatte, betrachtete die Klinge seines feuchten und bis auf das Drittel der Länge gerötheten Degens.

– Es ist Nichts, es ist Nichts, sagte der Verwundete, indem er einen Schritt vor that, um sich seinem Feinde zu nähern.

Aber bei dieser Bewegung drang ein Strom von Blut aus seiner Wunde, die Hand, welche den Degen hielt, streckte sich, der Degen fiel zu Boden. Der Verwundete hustete mit Mühe und wollte ausspeien, aber er hatte nicht die Kraft dazu. Nur röthete ein blutiger Schaum seine Lippen.

Zwei der jungen Leute waren Studenten der Chirurgie.

– Ah! den Teufel! äußerten sie, als sie diese Symptome sahen, welche andeuteten, daß die Wunde gefährlich wäre.

In der That, fast sogleich neigte der der beiden Kämpfenden, welcher getroffen worden war, den Kopf auf seine Brust, wankte, drehte sich halb um sich selbst, indem er die Luft mit seinen Armen schlug, und fiel mit einem Seufzer zu Boden.

Die beiden Studenten der Chirurgie fielen über den Körper ihres Kameraden her, indem der eine sein Besteck bereits geöffnet hatte und seine Lancette in der Hand hielt, um dem Verwundeten zur Ader zu lassen.

Aber der Andere, welche den Aermel aufgeschürzt hatte, ließ den Arm zurücksinken, indem er sagte:

– Es ist unnöthig, er ist todt!

Bei diesem Worte erbleichte der, welcher stehen geblieben war, gräßlich und wie als ob er selbst sterben würde.

Er warf seinen Degen fort und that einen raschen Schritt auf die Leiche seines Feindes zu; aber die beiden Zeugen hielten ihn zurück.

– Ruhig, ruhig, sagte der eine von ihnen, es ist ein Unglück, aber da es unwiederbringlich ist, so handelt es sich nicht darum zu jammern, sondern die Grenze zu erreichen; hast Du Geld?

– Vielleicht sieben bis acht Thaler.

Jeder suchte in seiner Tasche.

– Hier, nimm, sagten vier Stimmen zu gleicher Zeit, und rette Dich ohne eine Minute zu verlieren.

Der junge Mann zog seine Weste, seinen Rock und seinen Mantel wieder an.

Und nachdem er die Hand der Einen gedrückt und die Andern, je nach dem Grade der Freundschaft, in welchem er mit jedem stand, umarmt hatte, eilte er in der Richtung der Apenninen davon, und verschwand bald in den ersten Schatten der Nacht.

Die Blicke der vier jungen Leute waren ihm bis zu dem Augenblicke seines Verschwindens gefolgt.

Jetzt, sagte der eine von ihnen, und Antonio?

Aller Augen richteten sich auf die Leiche.

– Antonio?

– Ja. Was wollen wir mit ihm anfangen?

– Bei Gott! ihn in die Stadt zurücktragen. Wir werden ihn hoffentlich nicht hier lassen!

– Nein, gewiß nicht; aber was werden wir sagen?

– Das ist sehr einfach. Wir werden sagen, daß wir alle Vier außerhalb der Stadt spazieren gingen, als wir plötzlich Antonio und Hector erblickt haben, welche sich schlugen. Wir sind herbeigeeilt, aber bevor wir sie erreicht, wäre Antonio todt zu Boden gesunken, und Hector hätte die Flucht ergriffen. Nur werden wir sagen, daß er in der Richtung von Modena entflohen sei, statt zu sagen, daß er nach den Apenninen entflohen ist; die Abwesenheit Hectors wird uns Recht geben.

– Gut!

Als diese Erzählung einstimmig angenommen war verbarg man das zweite Paar Degen in dem Gestrüpp, wickelte den Tobten in seinen Mantel, und trug ihn nach der Stadt zurück.

An dem Thore der Stadt machten die jungen Leute die verabredete Erklärung, und nahmen vier Träger; man legte Antonio auf eine Sänfte und brachte ihn nach seiner Wohnung.

Uebrigens war die Hälfte des Schmerzes den jungen Leuten erspart. Antonio war Venetianer; seine Familie wohnte nicht in Bologna; ein Brief würde die traurige Nachricht überbringen, und einer der jungen Leute, selbst ein Venetianer, der die Familie Antonios kannte, wurde beauftragt, diesen Brief zu schreiben.

Dieser junge Mann war einer von den dreien, welche wir aus dem Thore von Florenz haben kommen sehen; er nannte sich Beppo von Scamozza; der zweite war von Velletri und nannte sich Gaetano Romanoli; der dritte war der, welcher auf dem Kampfplatze geblieben war. Wir haben von dem Todten alles das gesagt, was wir von ihm zu sagen hatten. Folgen wir den Lebendigen bis in das kleine Zimmer, das sie im dritten Stockwerke vom Hause eines Bürgers bewohnten, der ein Geschäft daraus machte, Studenten zu beherbergen.

Es schlug sieben Uhr Abends auf der Kirche Sanct Domenico, als die beiden jungen Leute, indem sie ihre Mäntel auf das ihnen gemeinschaftliche Bett warfen, sich einander gegenüber an die beiden Seiten eines Tisches setzten, auf welchem eine jener dreiarmigen Lampen brannte, welche noch in unseren Tagen zur Erleuchtung der Häuser in Italien, dienen, und die zu der Zeit, wo sich diese Geschichte zutrug, noch bei Weitem mehr gebräuchlich waren, als sie es heut zu Tage sind.

Ein einziger Arm brannte und warf einen schwachen Schein in das Zimmer.

Sagen wir einige Worte über diese beiden jungen Leute, an welche sich das Interesse der Ereignisse fesseln wird, die wir erzählen.

Wie wir gesagt haben, nannte sich der eine Beppo von Scamozza und war Venetianer.

Der Andere, Gaetano Romanoli, war Römer.

Beppo hatte sein zwei und zwanzigstes Jahr zurückgelegt. Er war der natürliche Sohn eines vornehmen Herrn, der ihm ein kleines Vermögen von sechs bis acht Tausend Livres Einkünfte gesichert hatte, indem er ihn frei und allein in dem Leben ließ.

Der Andere gehörte dagegen einer Familie rechtschaffener Kaufleute an, welche in Rom ein Handelshaus hielten, und in Velletri eine Villa besaßen. In dieser Villa war Gaetano geboren.

 

Die verschiedene Stellung der beiden jungen Leute in der Welt, in welche sie der Zufall geworfen hatte, hatte großen Einfluß auf den Geist, und ich mögte fast sagen, auf das äußere Aussehen jedes von ihnen gehabt; die Züge ändern das Gesicht, und was sind die Züge? der äußere Ausdruck der inneren Gefühle. Nehme man von zwei Kindern dasselbe Gesicht in dem Augenblicke ihrer Geburt an, und lasse man diese beiden Kinder, das eine von der traurigen, das andere von der fröhlichen Seite, das eine von Unglück, das andere von Glück umgeben, in das Leben eintreten, und mit fünf und zwanzig Jahren werden diese beiden Gesichter, welche ehedem einander ähnlich waren, einen sehr verschiedenen Ausdruck haben.

Allein, ohne Familie, von Fremden erzogen, war Beppo fast in dem Leben verbannt. Von seiner Kindheit an hatte er jenes Brod mit bitterem Salz gegessen, von dem Dante spricht; er war groß, hager, bleich, schwermüthig; seine Haare, welche er dem Gebrauche der Zeit gemäß lang trug, fielen in schwarzen Locken auf seine Schultern herab; den eleganten Kleidern, welche sein kleines Vermögen ihm zu tragen erlaubt hätten, zog er Kleider von dunkler Farbe und ohne Stickerei vor; wahr ist es, daß ihr Schnitt der Einfachheit derselben zu Hilfe kam, und daß Beppo von Scamozza unter dem am wenigsten glänzenden Stoffe immer einem großen Herrn glich.

Was Gaetano Romanoli anbelangt, so war er ein lustiger Student von zwanzig Jahren, der Jurisprudenz in der Absicht studirte, Advokat zu werden, um seiner Schwester Bettina, welche er anbetete, alle die Vortheile zu überlassen, welche ihr zur Zeit ihrer Verheirathung die Abtretung des väterlichen Handlungshauses gewähren konnten. In seiner Familie, in Mitte aller dieser Aufmerksamkeiten erzogen, deren die Kindheit und die Jugend Beppos beraubt gewesen war, hatte Gaetano das Dasein immer von seiner heiteren Seite aufgefaßt und dem Leben zugelächelt, das ihm zulächelte. Er war ein schöner junger Mann mit gebräunten Wangen, aber voll Frische und Jugend: mit gerader Nase, feurigen Augen und weißen Zahnen, welche ein offenherziges und vertrautes Lächeln entblößte.

Wie hatten sich diese beiden so entgegengesetzten Charaktere gewisser Maßen verschmolzen? Wie war die Freundschaft des schwermüthigen Beppos und des lustigen Gaetanos sprichwörtlich geworden? Wie hatten sie nur ein Zimmer, nur einen Tisch, und dem alten Herkommen der Waffenbrüder gemäß, nur ein Bett? Das ist eines jener Geheimnisse der Anziehungskraft, die sich nur durch jene Sympathie der Contraste erklären, welche bei Weitem häufiger und, als man es glaubt, und die oft die Kraft mit der Schwäche, die Traurigkeit mit der Fröhlichkeit, die Sanftmuth mit der Heftigkeit vereinigen.

Die beiden jungen Leute blieben einen Augenblick lang einander tiefsinnig gegenüber.

Aber indem Beppo zuerst den Kopf erhob, fragte er:

– Woran denkst Du?

– Ach! antwortete Gaetano, ich denke an etwas Schreckliches; nämlich, daß das, was heute Abend dem armen Antonio begegnet ist, einem von uns begegnen konnte, und daß wir für immer getrennt wären.

– Wie sonderbar, sagte Beppo, ich hatte gerade denselben Gedanken.

– Und, fuhr Gaetano fort, indem er seinem Freunde die Hand reichte, daß mein süßester Traum zerstört wäre.

– Von welchem Traume sprichst Du?

– Von der Hoffnung, von der ich Dir gar oft gesprochen habe, die aus uns mehr als zwei Freunde, die aus uns zwei Brüder machen soll.

– O! ja, sagte Beppo schwermüthiger Weise, Bettina!

– Wenn Du wüßtest, wie schön sie ist, Beppo! wenn Du wüßtest, wie sie Dich liebt. . .

– Thor! wie sollte sie mich lieben? sie hat mich niemals gesehen.

– Hat sie Dich nicht durch meine Augen gesehen? kennt sie Dich nicht durch meine Briefe?

Beppo zuckte die Achseln.

– Höre, sagte Gaetano, ich wette Eines.

– Was?

– Sie hat Dich niemals gesehen, das ist wahr.

– Nun denn! weiter?

– Nun denn! ich wette, daß, wenn der Zufall es wollte, daß sie Dir begegnete, sie Dich erkennen würde.

– Geh doch! Wozu außerdem alle diese schönen Plane machen? Du weißt wohl, daß Dein Vater Bettina niemals einem Andern, als einem Kaufmanne geben wird.

– Du bist bei Weitem mehr als ein Kaufmann, Du bist ein Edelmann.

– Ein schöner Edelmann, der einen Querbalken auf seinem Wappen führt, sagte Beppo, indem er den Kopf schüttelte. Nein, mein lieber Gaetano, folge mir, machen wir keine andern Träume als die, welche in Erfüllung gehen können.

– Welche?

– Zuvörderst den, uns niemals zu verlassen. O! sei unbesorgt, dieser wird Nichts in Deinem Leben stören, so lange als Deine Freundschaft für mich dauern wird. Ich kann Dir überall hin folgen; ich habe keine Familie, kaum habe ich ein Vaterland. Was liegt mir an den Leuten, mit denen ich lebe, an den Orten, welche ich bewohne? Wenn Du aufhörst, mich zu lieben, wenn ich Dir zur Last werde, so wirst Du mir es sagen; dann werden unsere Körper getrennt sein, weil unsere Herzen nicht mehr mit einander schlagen.

– Ah so, aber! wo der Teufel suchst Du alle diese Schwermuth auf, die Du da aussprichst? rief Gaetano aus. Glaube mir, mein Freund, wenn Du wie ich denkst, so wird uns nur Eines trennen.

– Was?

– Der Tod!

– Nun denn! wenn Du wie ich denkst, Freund, sagte Beppo, so wird uns nicht einmal der Tod trennen.

– Erkläre Dich.

– Glaubst Du, daß uns irgend Etwas von uns überlebt?

– Die Religion verspricht es; das Herz sagt es uns.

– Glaubst Du wirklich an die Unsterblichkeit der Seele?

– Ich glaube daran.

– Nun denn! Freund, wir haben uns nur durch, einen Schwur zu verpflichten, durch einen jener Schwüre, welche die Seele und den Leib verpflichten, und wenn einer von uns beiden stirbt, so wird der Leib allein den Leib verlassen haben, die Seele wird ihrer Freundschaft treu bleiben, denn das, was in uns liebt, ist nicht der Leib, sondern die Seele.

– Glaubst Du, daß das, was Du mir vorschlägst, keine Gotteslästerung ist? fragte Gaetano.

– Ich glaube nicht, daß man Gott dadurch erzürnt, daß man dem Tode das reinste Gefühl zu entziehen sucht, das es in dem Menschen gibt, die Freundschaft!

– Wohlan! es sei, sagte Gaetano, indem er seinem Freunde die Hand reichte, auf dieser Welt und in der andern, Beppo!

– Warte, sagte dieser.

Er stand auf, holte ein über dem Bette hängendes Krucifix und stellte es auf den Tisch.

Hierauf streckte er die Hand aus, legte sie auf das heilige Bild und sagte:

– Bei dem Blute unseres Heilandes schwöre ich meinem Bruder Gaetano Romanoli, daß wenn ich zuerst sterbe, an welchem Orte mein Leib auch fallen, mein Athem auch erlöschen, mein Leben aufhören möge, meine Seele zu ihm zurückkehren und ihm Alles das sagen wird, was erlaubt ist, von diesem großen Geheimnisse, das man Tod nennt, zu sagen.

Und diesen Schwur, fügte Beppo hinzu, indem er einen Blick voll Glauben und voll Frömmigkeit gen Himmel erhob, diesen Schwur lege ich in der Ueberzeugung ab, daß er in Nichts die Grundsätze der katholischen, apostolischen und Römischen Religion verletzt, in der ich geboren bin, und in der ich zu sterben hoffe.

Gaetano legte nun auch die Hand auf das Krucifix indem er denselben Schwur wiederholte, dieselben Worte nachsprach.

Gerade in dem Augenblicke, wo er das letzte Wort von dem von Beppo ausgesprochenen Schwure sprach, klopfte man an die Thüre.

Die beiden jungen Leute umarmten sich, und riefen dann beide zugleich:

– Herein!

III.
Die beiden Studenten von Bologna

Es trat ein Mann ein, der einen Brief in der Hand hielt.

Dieser Mann war der Bediente des Directors der Briefpost.

Die Briefpost von Rom kam in Bologna am Abend an, und gewöhnlich empfing man die Briefe erst am folgenden Morgen. Aber indem der Postmeister im Voraus die Briefe in die verschiedenen Fächer ordnete, in denen sie die Personen erwarten sollten, an die sie bestimmt waren, hatte er einen an seine Adresse erkannt; er hatte ihn aufgebrochen und in diesem Briefe einen andern gefunden, welchen man ihn bat, auf der Stelle Gaetano Romanoli, Studenten in Bologna, zukommen zu lasten.

Der junge Mann war dem Postmeister bekannt, der sich beeilte, ihm dieses Schreiben zukommen zu lassen, das so dringend zu sein schien.

Gaetano nahm es aus den Händen des Voten, dem er ein Geldstück gab; hierauf näherte er sich ganz wankend der Lampe.

– Was hast Du? fragte ihn Beppo, Du erbleichst.

– Ein Brief meiner Schwester, murmelte Gaetano, indem er sich den Schweiß abtrocknete, der auf seiner Stirn perlte.

– Nun denn! was gibt es dabei zu erbleichen, zu zittern?

– Es ist dem Hause ein Unglück zugestoßen, sagte Gaetano.

– Und woran siehst Du das?

– Ich kenne Bettina so gut, sagte Gaetano, daß ich bei der einfachen Untersuchung ihrer Handschrift errathe, unter dem Eindrucke welchen Gefühles sie mir schreibt. Ich habe nicht nöthig, den Brief aufzubrechen, um zu wissen, ob er traurig, fröhlich oder ruhig ist. Die Adresse sagt mir Alles.

– Und dieses Mal sagt Dir die Adresse?. . . begann Beppo wieder, indem er einen besorgten Blick auf den Brief warf.

– Dieses Mal sagt mir die Adresse, daß Bettina mir weinend geschrieben hat.

Da, sieh die beiden ersten Buchstaben meines Familiennamens, ein Schluchzen hat sie unterbrochen.

– O! Du irrst Dich, sagte Beppo.

– Lies Du selbst, antwortete Gaetano, indem er den Brief seinem Freunde gab, sich setzte und seinen Kopf mit einem Seufzer zwischen seine beiden Hände sinken ließ.

Beppo brach den Brief auf; aber bei den ersten Zeilen zitterte seine Hand und seine Augen senkten sich traurig auf Gaetano.

Es war leicht zu sehen, daß dieser hinter seinen Händen weinte.

– Muth, Freund, sagte Beppo mit sanfter Stimme und indem er seine Hand auf die Schulter seines Freundes legte.

Gaetano erhob seine Stirn wieder. Thränen rollten längs seiner Wangen herab.

– Ich habe Muth, sagte er. Was hat sich zugetragen? Sprich.

– Dein Vater ist sehr krank und wünscht Dich vor seinem Tode zu sehen.

– Dann ist er nicht gestorben? rief Gaetano mit einem Blitze der Freude aus.

– Nein.

– Du täuschest mich nicht?

– Lies vielmehr.

Gaetano nahm den Brief und las.

– Wann werden wir abreisen? sagte Beppo.

– Du frägst mich, wann ich abreise, Freund, denn Du bleibst hier.

– Warum sollte ich hier bleiben, wenn Du abreisest?

– Weil Du in drei Tagen Dein Doctorexamen machst, weil Deine Thefis gedruckt ist, weil Deine Geschenke an die Professoren gesandt sind.

– Nun denn, wir verschieben das bis zu unserer Rückkehr.

– Nein, denn wenn Gott es will, so wirst Du nicht zurückkehren, Beppo.

– Demnach willst Du also, daß ich Dich allein abreisen lasse?

– Sobald Deine Thesis durchgegangen, wirst Du mir nachkommen. Wenn wir das Glück haben, meinen armen Vater zu retten. Du wirst uns beistehen, ihn zu retten, so wird er Dich am Ende seiner Genesung als zur Familie gehörig betrachten; wenn er stirbt, so bist Du es bereits; sieh, sagt Bettina nicht an dem Ende ihres Briefes: Tausend Zärtlichkeiten an unsern lieben Bruder Beppo?

– Ich will es machen wie Du willst, Gaetano. Indessen, überlege.

– Ich habe überlegt, ich reise heute Abend, auf der Stelle ab; Du reisest in drei Tagen; nur hilf mir einen Wagen zu finden, damit wir uns erst so spät als möglich verlassen.

– Laß uns gehen! sagte Beppo.

Gaetano that einige Wäsche und einen Anzug in einen Nachtsack, nahm alles Geld, welches er hatte, steckte seine Pistolen in seine Taschen, und mit seiner Karte als Student als Paß versehen, ging er hinab, um einen Wagen zu suchen.

Der junge Mann fand das, was er suchte, in dem Posthause selbst. Gaetano sollte die Kutsche bei dem Postmeister in Rom lassen, der ein Verwandter von dem in Bologna war.

Nach Verlauf von zehn Minuten waren die Pferde angespannt.

Als er seinen Freund in den Wagen steigen sah, bestand Beppo von Neuem darauf, mit ihm abzureisen, aber Gaetano war unerschütterlich; er wandte die Thesis vor, wiederholte Beppo zehn Male, daß es nur eine Trennung von drei Tagen wäre, sonst Nichts, da er am dritten Tage Abends gleichfalls abreisen würde.

Beppo gab nach.

Die Kutsche setzte sich in Bewegung, der Postillon ließ seine Peitsche knallen, die Pferde trabten davon, die beiden Freunde wechselten noch ein Lebewohl aus.

Beppo wartete, bis die Kutsche verschwunden war, und als das Rollen der Räder, welches Gaetanos Anwesenheit bei ihm noch zu verlängern schien, aufgehört hatte, stieß er einen Seufzer aus und kehrte mit herabhängenden Armen und gesenktem Kopfe nach Haus zurück.

 

Die Traurigkeit, welche sich Beppos bemächtigte, als er in das einsame Zimmer zurückkehrte, in welchem Alles die kürzliche Gegenwart des Freundes bezeugte, der ihn so eben verlassen hatte, war eine Empfindung, die wir nicht zu schildern versuchen wollen.

Er setzte sich an den Tisch, an welchem noch der leere Stuhl stand, auf welchem eine Stunde zuvor Gaetano gesessen hatte; dann, da er beschlossen hatte, nicht zu Bett zu gehen, so holte er seine Bücher, seine Tinte und sein Papier und begann zu arbeiten.

Aber, wie sonderbar, während seiner Arbeit erlosch drei Male seine Lampe, nicht plötzlich wodurch einen Zufall, sondern von selbst, wie ein Mund der aufhört, Athem zu holen, wie eine Seele, die davon flieht.

Drei Male zündete sie Beppo wieder an, indem er sich versicherte, daß sie nicht aus Mangel an Oel erloschen wäre, denn mit Anbruch des Tages war sie noch halb voll.

Beppo war abergläubisch, wie es alle schwermüthigen Seelen sind. Sein Bedauern, Gaetano verlassen zu haben, wurde fast ein Gewissensvorwurf, seine Traurigkeit fast eine Verzweiflung.

Außerdem fand durch ein seltsames Zusammentreffen dieses dreimalige Ersterben der Lampe statt, während Beppo, der, wie wir gesagt haben, es übernommen hatte, den Eltern Antonios diese traurige Nachricht mitzutheilen, an diese schrieb.

Der Tag brach an, ohne daß sich Beppo zu Bett gelegt hatte. Beppo hatte auf den Tag gerechnet, um sich von seinen traurigen Gedanken abzusondern, aber der Tag selbst war traurig wie ein Wintertag, und obgleich der junge Mann sich zu arbeiten bemühte, so vermogte ihn doch die Arbeit nicht einen Augenblick lang von dem beständigen Gedanken zu zerstreuen, daß Gaetano irgend eine Gefahr liefe.

In der That, der Weg von Bologna nach Rom ist lang, und noch heut zu Tage nicht sehr sicher für die Reisenden, welche des Nachts mit der Post fahren, um wie viel mehr zu der Zeit, wo sich die Ereignisse zutrugen, welche wir erzählen. Nie sehr sich Gaetano auch beeilen mogte, so konnte sein Freund doch berechnen, daß er den Weg von Bologna nach Rom nicht in weniger als sechzig Stunden zurücklegen könne, und da er am Abend abgereist war, da er sich nicht aufhalten wollte, da Beppo wußte, daß er unter keinem Vorwande sich aufhalten würde, so hatte er drei Nächte der Gefahr Trotz zu bieten. Der Tag verfloß voll Traurigkeit und endigte sich noch weit trauriger. Antonios Begräbniß war für den Abend festgesetzt; es fand bei Fackelschein statt, wie das der Gebrauch in Italien ist, und die ganze Universität von Bologna, mit Ausnahme seines Mörders und Gaetanos, folgte dem Leichenzuge.

Gegen eilf Uhr kehrte Beppo so ermüdet in sein Zimmer zurück, daß er nicht einmal gegen den Schlaf zu kämpfen versuchte, und, nachdem er sich zu Bett gelegt, schlief er fast sogleich ein.

Aber kaum war seine Lampe erloschen, kaum waren seine Augen geschlossen, kaum hatte seine Denkkraft ihre Klarheit verloren, als Beppo einen Schrei ausstieß, aus seinem Bette sprang, und tappend nach seinem Degen eilte.

Es schlug eilf Uhr auf der Kirche Sant Domenico.

Indessen, nach einem Augenblicke der Ueberlegung, zündete Beppo seine Lampe wieder an, und setzte sich bleich und tiefsinnig auf sein Bett, ohne seinen Degen loszulassen.

Er hatte geträumt, daß Gaetano, auf einer Heerstraße angehalten, sich in Mitte von ein Dutzend Männern mit widrigen Gesichtern wehrte. Er hatte den doppelten Knall seiner beiden Pistolen zu hören geglaubt, und, ganz wachend, wie er es jetzt war, summte noch eine Stimme an seinen Ohren, welche um Hilfe rief.

Nach Verlauf einiger Augenblicke schien indessen seine Vernunft den Sieg über diesen Strecken davon zu tragen, den Nichts motivirte; er legte sich wieder zu Bett und schlief wieder ein.

Aber sein Traum setzte sich fort wie eine angefangene Handlung, die sich vollendet. Er sah Gaetano an dem Rande des Weges ausgestreckt liegen, von einer Wunde im Herzen getroffen.

Dann endlich, in Mitte einer öden Gegend, in mit Schnee bedeckten Gebirgen, ein frisch zugeworfenes Grab, dessen schwarzer Hügel allein den weißen Mantel des Winters befleckte.

Als Beppo nach diesem dritten Traum erwachte, war der Tag angebrochen.

Dieser war der Tag, an welchem er seine Prüfung bestehen sollte; aber statt ihm seine beschlossene Bestimmung zu lassen, stand der junge Mann auf, legte seine Reisekleider an, nahm gleichfalls seine Waffen und seinen Geldbeutel, kaufte das kräftigste Pferd, das er finden konnte, und brach auf, um Gaetano einzuholen oder zum Mindesten Nachrichten von ihm zu erhalten. Er war entschlossen, Tag und Nacht zu reisen, indem er den Weg einschlug, den Gaetano eingeschlagen hatte. Wenn sein Pferd ihn nicht mehr würde tragen können, so wollte er ein anderes kaufen oder miethen.

In Folge dieses Entschlusses ritt er seit dem Morgen um sieben Uhr bis um zehn Uhr Abends ohne andere Unterbrechung, als einen Halt von einer halben Stunde in Lojono; am Abend hatte er seinen Weg wohl fortsetzen mögen, aber sein Pferd sträubte sich dagegen. Es hatte fünfzig Meilen zurückgelegt, und bedurfte einige Stunden Ruhe.

Beppo war daher, wie wir gesagt haben, gezwungen, um zehn Uhr Abends in Monte Carelli anzuhalten, einem kleinen, mitten in den Apenninen gelegenen Dorfe.

Er kehrte in einem kleinen Wirthshause ein, in welchem gewöhnlich nur Maulthiertreiber logirten, und nachdem er der Pflege seines Pferdes, mit dem er sich vor allen Dingen beschäftigte, alle mögliche Sorgfalt gewidmet hatte, dachte er an sich und verlangte ein Abendessen.

Da man leicht sah, daß der junge Mann einer höheren Klasse von Reisenden angehörte, als die war, welche gewöhnlich in dem Wirthshause von Porta-Rossa einkehrte, so deckte man ihm seinen Tisch in einem besonderen Zimmer.

Dieses besondere Zimmer war ein kaum durch eine schlechte Lampe erleuchteter Saal des Erdgeschosses, in welchen Beppo eine alte Frau hatte eintreten lassen, während man in seiner Gegenwart ein Essen bereitete, das aus zwei Coteletten und einem Omelet mit Schlackwurst bestehen sollte.

Während alle diese Vorbereitungen getroffen wurden, ging der junge Mann voll Angst auf und ab, indem er auf das Klirren seines Degens horchte, der seine Beine schlug. Endlich kamen die beiden erwarteten Schüsseln. Die Alte beendigte ihr Werk, indem sie ein Glas und eine Flasche auf den Tisch stellte, fragte Beppo, ob er sonst Etwas nöthig hätte, und auf seine verneinende Antwort entfernte sie sich, indem sie den Reisenden mit seinem Mahle allein ließ.

Beppo wollte schnell mit dieser mageren Mahlzeit fertig werden, und er hoffte, daß während derselben sein Pferd, das man gleichfalls vor eine Krippe voll Hafer gestellt halte, wieder Kräfte sammeln würde, um seine Reise fortzusetzen. Er schnallte daher seinen Degen ab, legte ihn auf eine Truhe und setzte sich.

Aber kaum hatte er Platz genommen, als er auf der andern Seite des Tisches, sich gegenüber, ohne zu wissen, durch welche Thüre er eingetreten, noch wie er gekommen war, Gaetano mit übereinander geschlagenen Armen sitzen sah, der ihm traurig und mit dem Kopfe schüttelnd zulächelte.

Obgleich dieser Ausdruck nicht der war, welcher gewöhnlich auf dem Gesichte seines Freundes strahlte, so erkannte ihn Beppo dennoch und stieß einen Freudenschrei aus.

– Ah! Du bist es also, lieber Gaetano, rief er aus, indem er aufstand, um ihn zu umarmen.

Aber er ergriff nur Luft. Seine geöffneten Arme schlossen sich, ohne Etwas berührt zu haben. Drei Male entging die Erscheinung wie ein Dunst den Umarmungen des untröstlichen jungen Mannes. Und dennoch blieb das Gespenst sichtbar und immer auf derselben Stelle sitzen.

Beppo fing an, einzusehen, daß er mit einem Schatten zu thun hätte; – da es aber der des Mannes war, den er am Meisten auf der Welt geliebt hatte, so erschrak er darüber nicht, und fing an, ihn zu befragen.

Er erhielt nicht allein keine Antwort, sondern die Erscheinung erbleichte, erlosch und verschwand auch noch allmählig.

Dieses Mal hatte die Erscheinung den Traum bestätigt. Beppo dachte nur noch an Gaetano. Es mußte seinem Freunde irgend ein gefährlicher Unfall zugestoßen sein, weil Gott ihm diese doppelte Warnung sandte. Er rief seine Wirthin, bezahlte das Abendessen, das er nicht gegessen hatte, und indem er nach dem Stalle ging, sattelte er sein Pferd und brach auf.