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Tausend und Ein Gespenst

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O! ich schwöre es Ihnen, es war gräßlich anzusehen.

Und, selbst von einer höheren, unsichtbaren, unbekannten Gewalt angetrieben, stand ich indessen auf und folgte ihnen, ohne mir Rechenschaft von dem abzulegen, was ich that. Wir gingen die nur von den glühenden Augen Kostakis erleuchtete Treppe hinab. Wir gingen so durch die Gallerte, so über den Hof. Wir überschritten so das Thor in demselben abgemessenen Schritte; das Gespenst rückwärts schreitend, Gregoriska mit ausgestrecktem Arm, ich ihnen folgend. Dir verziehen werden wird, wenn Du bereuest, versprichst Du in Dein Grab zurückzukehren, – versprichst Du es nicht mehr zu verlassen, – versprichst Du endlich Gott die Verehrung zu widmen, welche Du der Hölle gewidmet hast?

Dieser phantastische Marsch dauerte eine Stunde lang; man mußte den Todten nach seinem Grabe zurückführen; nur waren Kostaki und Gregoriska, statt den gewöhnlichen Weg einzuschlagen, in gerader Linie querfeldein gegangen, indem sie sich wenig um die Hindernisse bekümmerten, welche aufgehört hatten zu bestehen; unter ihren Füßen ebnete sich der Boden, die Ströme trockneten aus, die Bäume wichen zurück, die Felsen traten zur Seite; dasselbe Wunder, das sich für sie ereignete, ereignete sich für mich; nur schien mir der ganze Himmel mit einem schwarzen Flore bedeckt, der Mond und die Sterne waren verschwunden, und ich sah immer nur in der Nacht die flammenden Augen des Vampyrs leuchten.

So kamen wir nach Hango, so gingen wir durch die Hecke von Meerkirschen, welche dem Friedhofe zur Umzäunung diente. Kaum eingetreten, erkannte ich in der Dunkelheit das Grab Kostakis, das neben dem seines Vaters gegraben war; ich wußte nicht, daß es dort war, und dennoch erkannte ich es.

In dieser Nacht wußte ich Alles.

An dem Rande des offenen Grabes blieb Gregoriska stehen.

– Kostaki, sagte er, noch ist nicht Alles für Dich beendigt, und eine Stimme des Himmels sagt mir, daß Dir verziehen werden wird, wenn Du bereuest, versprichst Du in Dein Grab zurückzukehren, – verprichst Du es nicht mehr zu verlassen, – versprichst Du endlich Gott die Verehrung zu widmen, welche Du der Hölle gewidmet hast?

– Nein! antwortete Kostaki.

– Bereuest Du? fragte Gregoriska.

– Nein!

– Zum letzten Male. Kostaki?

– Nein!

– Wohlan! rufe den Satan zu Hilfe, wie ich Gott zu Hilfe rufe, und sehen wir auch dieses Mal, wem der Sieg bleiben wird.

Zwei Schreie erschallten zu gleicher Zeit; die Schwerter kreuzten sich Funken sprühend, und der Kampf dauerte eine Minute lang, welche mir ein Jahrhundert schien.

Kostaki fiel; ich sah das schreckliche Schwert sich erheben, ich sah es sich in seinen Leib senken und diesen Leib auf die frisch umgegrabene Erde aufspießen.

Ein letzter Schrei, der nichts Menschliches hatte, zog durch die Luft.

Ich eilte herbei.

Gregoriska war stehen geblieben, aber er wankte.

Ich eilte herbei und unterstützte ihn in meinen Armen.

– Bist Du verwundet? fragte ich ihn voll Bangigkeit.

– Nein, sagte er zu mir; aber in einem solchen Kampfe, theure Hedwig, ist es nicht die Wunde, welche tödtet, es ist der Kampf. Ich habe mit dem Tode gekämpft, ich gehöre dem Tode an.

– Freund! Freund! rief ich aus, entferne Dich, entferne Dich von hier, und das Leben wird vielleicht zurückkehren.

– Nein, sagte er, hier ist mein Grab, Hedwig; aber verlieren wir keine Zeit; nimm ein wenig von dieser mit seinem Blute getränkten Erde, und lege sie auf den Biß, den er Dir beigebracht hat; das ist das einzige Mittel, Dich in Zukunft vor seiner gräßlichen Liebe zu bewahren.

Ich gehorchte schaudernd. Ich bückte mich, um diese blutige Erde aufzuraffen, und indem ich mich bückte, sah ich die auf dem Boden aufgespießte Leiche, das geweihte Schwert durchbohrte ihr das Herz, und schwarzes Blut floß reichlich aus seiner Wunde, wie als ob er erst so eben gestorben wäre.

Ich knetete ein wenig Erde mit dem Blute, und legte den gräßlichen Talisman auf meine Wunde.

– Jetzt, meine angebetete Hedwig, sagte Gregoriska mit schwach gewordener Stimme, höre aufmerksam meine letzten Verhaltungsvorschriften an; verlaß das Land sobald als Du es vermagst. Die Entfernung allein ist eine Sicherheit für Dich. Der Vater Basilius hat heute meinen letzten Willen erhalten, und er wird ihn vollziehen. Hedwig! einen Kuß! den letzten, den einzigen, Hedwig! Ich sterbe.

Und indem er diese Worte sagte, sank Gregoriska neben seinem Bruder zu Boden.

Unter allen andern Umständen wäre ich auf diesem Friedhofe, neben diesem offenen Grabe, bei diesen neben einander liegenden beiden Leichen, wahnsinnig geworden; aber, wie ich bereits gesagt, Gott hatte mir Kraft verliehen, die den Ereignissen, zu deren Zeugen er mich machte, nicht allein gewachsen war, sondern an denen er mich auch noch thätigen Theil nehmen ließ.

In dem Augenblicke, wo ich um mich blickte, indem ich einige Hilfe suchte, sah ich das Thor des Klosters aufgeben, und von dem Vater Basilius angeführt, schritten die Mönche je zwei und zwei heran. Sie trugen brennende Fackeln und sangen die Todtengebete.

Der Vater Basilius war so eben in dem Kloster angekommen; er hatte das vorausgesehen, was sich zugetragen hatte, und er begab sich an der Spitze der ganzen Gemeinde auf den Friedhof.

Er fand mich lebend neben zwei Todten.

Das Gesicht Kostakis war durch einen letzten Krampf entstellt.

Gregoriska war dagegen ruhig und fast lächelnd.

Wie es Gregoriska anempfohlen hatte, begrub man ihn neben seinem Bruder, – so daß der Christ den Verdammten bewachte.

Als sie dieses neue Unglück und den Antheil erfuhr, den ich daran genommen hatte, wollte mich Smeranda sehen; sie besuchte mich in dem Kloster Hango, und erfuhr aus meinem Munde alles das, was sich in dieser schrecklichen Nacht zugetragen hatte.

Ich erzählte ihr die phantastische Geschichte in allen ihren Umständen, aber sie hörte mich an, wie mich Gregoriskas angehört hatte, ohne Erstaunen und ohne Schrecken.

– Hedwig, antwortete sie nach einem Augenblicke des Schweigens, so seltsam das auch sein möge, was Sie so eben erzählt haben, so haben Sie dennoch nur die reine Wahrheit gesagt. – Das Geschlecht der Brancovans ist bis zur dritten und vierten Generation verflucht, – und das, weil ein Brancovan einen Priester getödtet hat. Aber das Ziel des Fluches ist gekommen; – denn obgleich Gattin, sind Sie Jungfrau, und mit mir stirbt das Geschlecht aus. – Wenn mein Sohn Ihnen eine Million vermacht hat, so nehmen Sie dieselbe. Nach meinem Tode werden Sie, mit Ausnahme der frommen Vermächtnisse, die ich zu machen gedenke, den Rest meines Vermögens erhalten. Jetzt befolgen Sie so schnell als möglich den Rath Ihres Gatten. Kehren Sie so schnell als möglich in die Länder zurück, in denen Gott nicht zugibt, daß diese schrecklichen Wunder sich zutragen. Ich bedarf Niemandes, um meine Sohne mit mir zu beweinen. Mein Schmerz verlangt die Einsamkeit. Leben Sie wohl, kümmern Sie Sich nicht mehr um mich. Mein zukünftiges Schicksal gehört nur noch mir und Gott an.

Und nachdem sie mich wie gewöhnlich auf die Stirn geküßt halt, verließ sie mich und schloß sich in das Schloß Brancovan ein.

Acht Tage nachher reiste ich nach Frankreich ab. Wie es Gregoriska gehofft hatte, hörten meine Nächte auf, von dem schrecklichen Gespenste besucht zu werden. Selbst meine Gesundheit hatte sich wieder hergestellt, und ich habe von diesem Ereignisse nur diese Todtenblässe behalten, welche jedes menschliche Wesen, das den Kuß eines Vampyrs bekommen, bis zum Grabe begleitet.

Die Dame schwieg, es schlug Mitternacht, und ich mögte fast zu sagen wagen, daß der Herzhafteste von uns bei dem Klange der Standuhr erbebte.

Es war Zeit, sich zurückzuziehen; wir nahmen Abschied von Herrn Ledru. Ein Jahr nachher starb dieser vortreffliche Mann.

Dies ist das erste Mal, daß ich, seit diesem Tode, Gelegenheit habe, dem guten Bürger, dem bescheidenen Gelehrten, besonders dem rechtschaffenen Manne einen Tribut abzutragen. – Ich beeile mich, es zu thun.

Ich bin niemals nach Fontenay-aux-Roses zurückgekehrt.

Aber die Erinnerung dieses Tages ließ einen so tiefen Eindruck in meinem Leben zurück, alle diese seltsamen Geschichten, welche sich an einem einzigen Abende aufgehäuft hatten, gruben eine so tiefe Furche in meinem Gedächtnisse, daß ich in der Hoffnung, bei Anderen eine Teilnahme zu erwecken, die ich selbst empfunden hatte, in den verschiedenen Ländern, welche ich seit achtzehn Jahren durchwandert habe, das heißt in der Schweiz, in Deutschland, in Italien, in Spanien, in Sicilien, in Griechenland und in England, alle die Sagen derselben Art sammelte, welche die Erzählungen der verschiedenen Völker in meinem Ohre wieder aufleben ließen, und aus ihnen diese Sammlung bildete, welche ich jetzt meinen gewöhnlichen Lesern unter dem Titel liefere:

Tausend und Ein Gespenst

Zweiter Band

I.
Ein Mittagessen bei Rossini

Im Jahre 1840 reisete ich zum dritten oder vierten Male nach Italien, und mein lieber Freund Dennién, Inspector der Musterungen, hatte mich beauftragt, der Madame Rossini einen Spitzenschleier zu überbringen, welche mit dem berühmten Componisten, ihrem Gatten, dem der Graf Ory und Wilhelm Tell das Französische Bürgerrecht erworben haben, Bologna bewohnte.

Ich weiß nicht, ob nach meinem Tode irgend etwas von mir mich überleben wird, aber auf jeden Zufall hin habe ich die fromme Gewohnheit angenommen, indem ich meine Feinde vergesse, die Namen meiner Freunde nicht allein in mein häusliches, sondern auch noch in mein literarisches Leben zu mischen. Auf diese Weise führe ich in dem Maße, als ich der Zukunft zuschreite. Alles das mit mir fort, was Antheil an meiner Vergangenheit gehabt hat, und Alles das, was sich in meine Gegenwart mischt, wie es ein Fluß thun würde, der sich nicht damit begnügte, die Blumen, die Wälder, die Häuser seiner Ufer wiederzuspiegeln, sondern auch noch das Bild dieser Häuser, dieser Wälder und dieser Blumen zwänge, ihm bis in den Ocean zu folgen.

 

Demnach bin ich auch niemals allein, so lange als noch eines meiner Bücher bei mir bleibt. Ich schlage dieses Buch auf. Jede Seite erinnert mich an einen verflossenen Tag, und dieser Tag entsteht auf der Stelle von seiner Morgenröthe bis zu seiner Abenddämmerung wieder, völlig belebt von denselben Gemüthsbewegungen, die ihn erfüllt haben, ganz bevölkert mit denselben Personen, die an ihm aufgetreten sind. Wo war ich an diesem Tage? An welchem Orte der Welt suchte ich eine Zerstreuung, verlangte ich eine Erinnerung, Pflückte ich eine Hoffnung, eine Knospe, die oft verwelkt, bevor sie aufgeblüht ist, eine Blume, die sich oft entblättert, bevor sie aufgegangen ist? Besuchte ich Deutschland, Italien, Afrika, England oder Griechenland? Ging ich den Rhein hinauf, betete ich im Coliseum, jagte ich in der Sierra, lagerte ich in der Wüste, träumte ich in der Westminsterabtei, grub ich meinen Namen auf das Grab des Archimedes oder auf den Felsen von Thermophlä? Welche Hand hat die meinige an diesem Tage berührt? War es die eines auf seinem Throne sitzenden Königs? oder die eines seine Heerde hütenden Hirten? Welcher Fürst hat Mich seinen Freund, welcher Bettler mich seinen Bruder genannt? Mit wem habe ich am Morgen meinen Geldbeutel getheilt? Wer hat am Abend sein Brod mit mir gebrochen? Welches sind seit zwanzig Jahren die glücklichen, mit Kreide bezeichneten Stunden, welches sind die traurigen, mit Schwarz bezeichneten Stunden?

Ach! der beste Theil meines Lebens besteht bereits in meinen Erinnerungen, ich bin wie einer jener dichtbelaubten Bäume voller Vögel, die am Mittag stumm sind, die aber gegen das Ende des Tages erwachen, und die, wenn der Abend herbeigekommen ist, mein Alter mit dem Schlage ihrer Flügel und ihrer Gesänge erfüllen werden; sie werden auf diese Weise mit ihrer Freude, mit ihrer Liebe und mit ihrem Leben es erheitern, bis der Tod nun auch den gastfreundlichen Baum berührt, und bis der Baum im Fallen alle diese lärmenden Sänger verscheucht, von denen jeder nichts Anderes als eine Stunde meines Lebens sein wird.

Und man sehe, wie ein einziger Name mich von meinem Wege abweichen läßt, und mich aus der Wirklichkeit in das Traumgebiet zurückgeworfen hat. Jener Freund, der mich beauftragt hatte, diesen Schleier zu überbringen, ist seitdem gestorben. Er war ein liebenswürdiger Kopf, ein unerschöpflicher und fröhlicher Erzähler, mit dem ich gar viele Abende bei Mademoiselle Mars zugebracht habe, ein anderer liebenswürdiger Geist, den der Tod gleichfalls angehaucht hat, und der erloschen ist, wie ein Stern an dem Himmel meines Lebens erloschen wäre. Florenz war das Ziel meiner Reise; aber statt dort anzuhalten, hatte ich den Einfall, bis nach Bologna zu gehen und meinen Auftrag als würdiger Bote selbst auszuführen, das heißt, indem ich selbst den Schleier den schönen Händen übergäbe, denen er bestimmt war.

Drei Tage waren erforderlich zur Hinreise, drei Tage, um zurückzukehren, dazu ein Tag des Aufenthaltes, waren dies im Ganzen sieben Tage, sieben für die Arbeit verlorene Tage. Aber, meiner Treue! ich sollte Rossini wiedersehen, Rossini, der sich ohne Zweifel aus Furcht verbannt hatte, der Versuchung nachzugeben, irgend ein neues Meisterwerk zu machen.

Ich erinnere mich, daß es gegen Abend war, als sich die Ansicht von Bologna mir darstellte. Die Stadt schien mir aus der Ferne in einen Dunst gebadet, über welchen sich, auf dem dunkeln Hintergrunde der Apenninen hervortretend, die Kathedrale von Sankt Petrus und die beiden Nebenbuhler des schiefen Thurmes von Pisa erhoben, die Garizenda und der Asinelli. Von Zeit zu Zeit warf die Sonne im Augenblicke des Unterganges einen letzten Strahl, welcher die Fensterscheiben irgend eines Palastes entflammte, wie als ob die Zimmer dieses Palastes voll Flammen wären, während der kleine Fluß Reno, mit allen den Farben des Himmels schattiert, den er wiederspiegelte, sich in der Ebene wie ein Silberband hinschlängelte; aber allmählig ging die Sonne hinter' dem Gebirge unter; die Anfangs funkelnden Fensterscheiben erloschen nach und nach. Der Reno nahm die dunkle Farbe des Zinns an; dann kam die Nacht rasch herbei, und hüllte die Stadt in ihre schwarzen Schleier, durch welche bald Tausend eben so lichtvolle Punkte hindurchschimmerten, als die, welche am Himmel glänzten.

Es war zehn Uhr Abends, als ich mit meinem ganzen Gepäck in dem Wirthshause zu den drei Königen anlangte.

Meine erste Sorge war, Rossini meine Karte zu übersenden, der mir antworten ließ, daß von diesem Augenblicke an sein Palast zu meiner Verfügung stände. Am folgenden Morgen um eilf Uhr war ich bei ihm.

Rossini's Palast ist, wie alle Italienischen Paläste, von Marmorsäulen, von Freskobildern und von Gemälden zusammengesetzt. Das Ganze, so geräumig, um drei oder vier Französische Häuser darin tanzen zu lassen, für den Sommer, niemals für den Winter gebaut, das heißt voll Luft, Schatten, Frische, Rosen und Camelia's.

Wie man weiß, scheinen in Italien die Blumen in den Zimmern zu wachsen, und nicht in den Gärten, in denen man nur Heuschrecken sieht und hört.

Rossini bewohnte diese Welt von Salons, von Zimmern, von Vorzimmern und von Terrassen. Immer heiter, lachend, von Einfällen und von Witz sprudelnd; seine Frau schritt dagegen durch diese selben Zimmer, gleichfalls lächelnd, aber langsam, ernst und schön wie die Judith von Horaz Vernet.

Sie verneigte sich vor mir und ich warf ihr diesen merkwürdigen schwarzen Schleier über den Kopf, der die Ursache meines Besuches in Bologna war.

Rossini hatte sein Mittagessen bereits angeordnet. Er wünschte, daß ich mich in Gesellschaft von Tischgenossen befinden mögte, die mir angenehm wären, und da er wußte, daß ich irgend eines Tages nach Venedig gehen würde, so hatte er einen jungen Venetianischen Dichter Namens Luigi von Scamozza eingeladen, der seine Studien auf der berühmten Universität von Bologna beendigt hatte, welche der Münze der Stadt den Wahlspruch verliehen hat: Bononia docet.

Ich hatte vier Stunden vor mir, um Bologna zu besuchen, das ich am folgenden Tage zu verlassen gedachte, vorbehaltlich, später dahin zurückzukehren. Ich bat Rossini, mich zu beurlauben und machte mich auf den Weg, während der berühmte Maestro in die Küche hinabging, um einer Schüssel Stuffato mit Macaroni seine ganze Sorgfalt zu widmen, für deren Zubereitung Rossini behauptet, auf der ganzen Italienischen Halbinsel seines Gleichen nicht zu haben, seitdem der Kardinal Alberoni gestorben ist.

Späterhin werde ich vielleicht die Wunder der Universitätsstadt erzählen. Ich werde den Neptun von Bronze beschreiben, das Meisterstück des berühmten Sohnes seiner Mauern, den sie mit ihrem eigenen Namen getauft hat; ihre Kathedrale von Sanct Petrus, die besonders reich durch die Verkündigung Ludovicos Caraccios ist, ihre Kirche von Sanct Petrone mit dem berühmten Meridian Cassinis. Ich werde die Neigung ihrer beiden Thürme ausmessen, der ewige Text zu Streitigkeiten der Gelehrten, die noch nicht zu bestimmen vermogt haben, ob sie sich durch eine Laune des Baumeisters oder durch die Wirkung eines Erdbebens neigen; ob sie sich unter der Hand des Menschen oder unter dem Hauche Gottes geneigt haben. Aber heute habe ich, wie Scheherazade, Eile, auf meine Geschichte zurückzukommen, und ich komme darauf zurück.

Um sechs Uhr waren wir bei dem berühmten Maestro um eine lange Tafel herum versammelt, die in Mitte eines großen, in Fresco gemalten und von allen Seiten gelüfteten Speisesaales stand. Den Italienischen Gebrauchen gemäß war die Tafel mit Blumen und eingemachten Früchten besetzt, das Ganze so eingerichtet, um dem berühmten Stuffato, welcher die Hauptschüssel des Mittagessens war, als Begleitung zu dienen.

Unsere Tischgenossen waren zwei bis drei Italienische Gelehrte, das heißt, eine Probe jener wackeren Leute, welche ein Jahrhundert lang streiten, um zu wissen, ob die Geschichte Ugolinos ein Gleichniß oder eine Thatsache ist; ob Beatrice ein Traum oder eine Wirklichkeit ist; ob Laura dreizehn Kinder oder nur zwölf gehabt hat.

Zwei bis drei Sänger von dem Theater von Bologna, unter denen sich ein junger Tenor Namens Roppa befand, der plötzlich eine schöne Stimme bekommen und sich aus den Küchen eines Kardinals auf das Theater de la Fenice erhoben hatte.

Endlich dieser junge Dichter Student, von dem mir Rossini gesagt hatte, ein trauriges, oder vielmehr schwermüthiges Gesicht, ein edler Denker, in dessen Seele die Hoffnung der Italienischen Wiedergeburt lebte; ein bewunderungswürdiger Krieger, der jetzt wie ein anderer Hector dieses heldenmüthige Venedig vertheidigt, das die unmöglichen Wunder des Alterthumes wieder aufleben läßt, indem es wie ein anderes Troja, wie ein anderes Syracus, wie ein anderes Carthago kämpft.

Endlich Rossini, seine Gattin und ich.

Die Unterhaltung drehte sich um Dante, Petrarca, Tasso, Cimarosa, Pergolèse, Beethoven, Grimod de la Rehnière und Brillat-Savarin, und ich muß zum großen Lobe Rossini's sagen, daß es mir schien, als ob er über diese beiden berühmten Gastronomen die klarsten und bestimmtesten Ansichten habe.

Beeilen wir uns, hinzuzufügen, daß er in dieser Beziehung tapfer von Roppa unterstützt ward, der, unbekannt mit der Theorie, aber ein Mann der Praxis, zehn Jahre lang die Küche besorgt hatte, ohne Carème zu kennen, wie er seit vier Jahren Musik trieb, ohne Grétry zu kennen.

Diese ganze Unterhaltung brachte mich dazu, Rossini zu fragen, warum er nicht mehr componirte.

– Aber, ich glaubte einen hinlänglichen Grund angegeben zu haben.

– Welchen?

– Ich bin faul.

– Ist das der einzige?

– Ich glaube ja.

– So daß, wenn ein Direktor Sie an der Ecke eines Theaters erwartete, und Ihnen eine Pistole auf die Brust setzte. . .

– Indem er mir sagte: Rossini, Du wirst Deine; schönste Oper schreiben, nicht wahr?

– Ja.

– Ei nun! so würde ich sie schreiben.

Leider lag vielleicht bei Weitem mehr Bitterkeit, als Gutmüthigkeit in diesem Worte. Außerdem, vielleicht habe ich Unrecht, aber ich habe niemals an die Gutmütigkeit eines mächtigen Genies geglaubt, und so oft Rossini in meiner Gegenwart über die Küche gesprochen hat, bat es mir immer geschienen, als ob es geschähe, um von Nichts Anderem zu sprechen.

– Demnach also, sagte ich zu Rossini, handelte es sich am Ende blos um einen Ueberfall?

– Um nichts Anderes.

– Wenn man Ihnen aber statt einer Pistole ein Gedicht auf die Brust setzte?

– Versuchen Sie es.

– Sehen Sie, Rossini, sagte ich zu ihm, es gibt etwas Seltsames, nämlich, daß wenn ich für Sie arbeitete, ich die gewöhnliche Ordnung der Dinge herumkehren würde.

– Wie das?

– Ja, statt Ihnen ein Gedicht zu geben, damit Sie die Musik dazu machten, würden Sie mir eine Partitur geben, und ich würde Ihnen die Worte dazu machen.

– Ei! sagte Rossini, erklären Sie mir doch Ihren Gedanken.

– O! er ist sehr einfach. . . In der Vereinigung des Componisten und des Dichters muß der eine den Andern verschwinden lassen; entweder tödtet das Gedicht die Partitur, oder die Partitur tödtet das Gedicht. Auf welcher Seite muß nun aber die Aufopferung sein? auf der Seite des Dichters, da man, Dank den Sängern, niemals die Verse und, Dank dem Orchester, immer die Musik hört.

– Demnach also sind Sie der Ansicht derer, welche meinen, daß schöne Verse dem Componisten schaden.

– Gewiß, lieber Maestro; die Poesie, Poesie wie sie Victor Hugo, wie sie Lamartine macht, hat ihre eigene Musik in sich. Sie ist keine Schwester der Musik, sie ist eine Nebenbuhlerin; sie ist keine Verbündete, sie ist eine Gegnerin. Statt der Syrene ihren Beistand zu verleihen, kämpft die Zauberin gegen sie. Es ist der Kampf der Armida und der Fee Morgana. Die Musik bleibt siegreich, aber ihr Sieg erschöpft sie.

– Dann würden Sie einwilligen, Worte zu der Musik zu machen?

– Ohne Zweifel, ich, der ich drei Hundert Bände und fünf und zwanzig Schauspiele geschrieben habe, ich würde darein willigen, weil ich meine Eigenliebe darin setzen würde, Ihnen zu helfen, Ihnen zu dienen; weil ich, der ich den ersten Rang einnehme, wenn ich will, es als eine ehrenwerthe Höflichkeit ansehen würde, Ihnen denselben abzutreten, Ihnen, den ich liebe, Ihnen, den ich bewundere, Ihnen, meinem Bruder in der Kunst. Ich habe mein Reich, wie Sie das Ihrige. Wenn Eteocles und Polynices jeder seinen Thron gehabt hätte, so würden sie sich nicht gegenseitig umgebracht haben und wahrscheinlich vor Alter gestorben sein, indem sie sich jeden Neujahrstag einen Besuch abstatteten.

 

– Vortrefflich: Ich halte Sie beim Wort.

– Um Verse zu Ihrer Musik zu machen?

– Ja.

– Ich gebe es Ihnen. Nur sagen Sie mir im voraus, welche Art von Oper Sie wünschten.

– Ich wünschte eine Phantastische Oper.

– Eine phantastische Oper, antwortete ich, nehmen Sie Sich in Acht. Italien mit seinem reinen Himmel ist nicht das Land übernatürlicher Sagen; für die Phantome für die Gespenster, für die Erscheinungen bedarf es der langen und kalten Nächte des Nordens, bedarf es der Dunkelheit des Schwarzwaldes, der Nebel Englands, der Dünste des Rheins. Was würde ein armer, in die Ruinen von Rom, an die Ufer Neapels, in die Ebenen von Sicilien verirrter Schatten anfangen? Wohin würde er sich flüchten, mein Gott! wenn er von dem Beschwörer verfolgt wäre? Nicht der geringste Dunst, um dahinter zu fliehen, nicht der kleinste Nebel, um sich darin zu verbergen, nicht der kleinste Wald, um darin eine Zuflucht zu suchen; er würde umstellt, beim Kragen gepackt, an das Licht geführt werden. Bevölkert doch die Nacht mit Träumen, wenn die Nacht Euer Tag ist, wenn der Mond Eure Sonne ist, wenn Ihr nicht von acht Uhr Morgens bis acht Uhr Abends, sondern von acht Uhr Abends bis acht Uhr Morgens lebt, während unsere trauigen Nachtwachen langsam verfließen; wenn wir bei dem Scheine einer räucherigen Lampe in unsere Keller eingeschlossen sind, wo die jungen Mädchen die Spindel drehen, wo die jungen Burschen erzählen, bringt Ihr Ständchen, erfüllt Ihr Eure Straßen mit lustigem Lärm, mit Gesängen der Liebe. Eure Erscheinung ist ein schönes junges Mädchen mit schwarzen Augen und Haaren, die sich auf ihren Balkon zeigt, einen Rosenstrauß fallen läßt und verschwindet. O! Julia! Julia!. . . Du bist nur von Deinem Grabe aufgestanden, weil Shakspeare, der Dichter des Nordens, zu Dir gesagt hat: Steh auf! Und bei der Stimme dieses mächtigen Zauberers, dem Nichts zu widerstehen vermogte, hast Du gehorcht, schöne Blume des Frühlings von Verona! aber kein Landsmann von Dir hatte weder zuvor noch seitdem daran gedacht, Dir einen solchen Befehl zu geben. Nehmen Sie Sich in Acht! Rossini, nehmen Sie Sich in Acht!

– Ich habe Sie sprechen lassen, nicht wahr? äußerte mein Wirth lächelnd.

– Ia, und ich bitte Sie um Verzeihung, die Erlaubniß mißbraucht zu haben.

– Nicht doch, sprechen Sie noch, sprechen Sie immer. Mein Freund Luigi Scamozza hier, der wie Sie ein Dichter ist, hört Sie und wird es übernehmen, Ihnen zu antworten.

Ich streckte die Hand nach meinem jungen Collegen aus.

– Ich höre, sagte ich zu ihm.

– Wissen Sie, warum der berühmte Maestro Sie an mich verweiset? sagte Scamozza lächelnd zu mir.

– Weil er weiß, daß ich ein Vergnügen haben werde, Sie zu hören.

– Nein, das ist es nicht. Weil er weiß, daß ein, einem meiner Vorfahren begegnetes Ereigniß kräftig gegen das protestirt, was Sie so eben gesagt haben. Ist es möglich, daß ein Bewunderer Dantes uns diese erhabene Poesie von jenseits des Grabes verweigert, von welcher der Verbannte von Florenz das einzige Vorbild, und von der Milton, der Dichter des Nordens, nur ein schwacher Nachahmer ist? Wir haben leider ein Recht auf alle Poesien, denn wir haben Alle unser Unglück gehabt. Haben Sie jemals Ihren grauen Himmel mit zwei lichtvolleren Schatten gestreift gesehen, als die von Francesca und von Paolo? Haben Sie ein schrecklicheres Gespenst aus dem Grabe hervorgehen sehen, als das der Farinata des Uderti? Sind Sie zur Seite eines lieblicheren Schattens gegangen, als dem des Dichters Sordello von Mantua? Ah! Sie zweifeln an dem phantastischen Italien. Wohlan! möge Rossini Ihnen seine Partitur geben, ich werde Ihnen Ihr Gedicht geben!. . .

– Sie?

– Ia, ich; habe ich Ihnen nicht gesagt, daß in meiner Familie selbst die Erinnerung an eine schaurige Geschichte lebte?

– Nun denn! erzählen Sie sie mir.

– Nein, denn hier kennt sie Jedermann; aber, ich wiederhole es, möge Rossini Ihnen seine Partitur senden, ich werde Ihnen meine Geschichte senden.

– Und wann das?

– Morgen früh.

– Gut! sagte Rossini. Ich werde heute Abend, bevor ich zu Bett gehe, die Ouverture schreiben.

Indem er hierauf sein Glas erhob, sagte er:

– Auf das Gelingen der Oper die Studenten von Bologna.

Jeder antwortete ihm unter lautem Gläserklirren und feurigen Wünschen.

Es war während des ganzen Abendessens nur noch die Rede von diesem schönen Plane.

Um zehn Uhr stand man vom Tische auf. Rossini setzte sich an das Piano und improvisirte die Ouverture.

Unglücklicher Weise vergaß er sie niederzuschreiben.

Am folgenden Tage empfing ich die Geschichte.

Ich habe niemals von der Partitur sprechen hören.

Was nun die Geschichte anbelangt, hier ist sie.