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Tausend und Ein Gespenst

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– Nein, meine Mutter, antwortete Gregoriska mit dumpfer Stimme.

– Ah! Sie sind da, sagte sie. . . und seit wann muß Ihre Mutter auf Sie warten?

– Meine Mutter, sagte Gregoriska, indem er einen Blick auf die Uhr warf, es ist erst neun Uhr.

Und zu gleicher Zelt schlug es in der That neun Uhr.

– Es ist wahr, sagte Smeranda. Wo ist Ihr Bruder?

Unwillkürlich dachte ich, daß Gott dieselbe Frage an Kain gerichtet hatte.

Gregoriska antwortete nicht.

– Hat Niemand Kostaki gesehen? fragte Smeranda. Der Vatar, oder Haushofmeister, erkundigte sich um sich herum.

– Gegen sieben Uhr ist der Graf in den Ställen gewesen, sagte er, hat sein Pferd selbst gesattelt, und ist auf der Straße von Hango aufgebrochen.

In diesem Augenblicke begegneten meine Augen denen Gregoriskas. Ich weiß nicht, ob es eine Wirklichkeit war, es schien mir, als ob er einen Tropfen Blut auf der Stirn hätte.

Ich legte langsam meinen Finger auf meine eigene Stirn, indem ich die Stelle andeutete, wo ich diesen Fleck zu sehen glaubte.

Gregoriska verstand mich; er nahm sein Taschentuch und trocknete sich ab.

– Ja, ja, murmelte Smeranda, er wird irgend einen Bären, irgend einen Wolf angetroffen haben, den zu verfolgen er sich belustigt hat. Deshalb läßt ein Kind seine Mutter warten. Wo haben Sie ihn gelassen, Gregoriska? sagen Sie.

– Meine Mutter, antwortete Gregoriska mit bewegter aber zuversichtlicher Stimme, mein Bruder und ich sind nicht mit einander ausgegangen.

– Es ist gut', sagte Smeranda. Man richte das Essen an, man setze sich zu Tisch und verschließe die Thore; die, welche außerhalb sind, mögen außerhalb schlafen.,

Die beiden ersten Theile dieses Befehles wurden buchstäblich ausgeführt. Smeranda nahm ihren Platz ein, Gregoriska setzte sich zu ihrer Rechten, und ich mich zu ihrer Linken.

Hierauf entfernten sich die Diener, um den dritten auszuführen, das heißt um die Thore des Schlosses zu verschließen.

In diesem Augenblicke hörte man einen großen Lärm in dem Hofe, und ein ganz erschreckter Diener trat mit den Worten in den Saal:

– Fürstin, das Pferd des Grafen Kostaki ist allein und ganz mit Blut bedeckt in den Hof zurückgekehrt.

–O! murmelte Smeranda, indem sie sich bleich und drohend aufrichtete, auf diese Weise ist eines Abends das Pferd seines Vaters zurückgekehrt.

Ich warf die Augen auf Gregoriska; er war nicht blässer, er war todtenbleich.

In der That, das Pferd des Grafen Koproly war eines Abends ganz mit Blut bedeckt in den Schloßhof zurückgekehrt, und eine Stunde nachher hatten die Diener die mit Wunden bedeckte Leiche gefunden und zurückgebracht.

Smeranda nahm eine Fackel aus den Händen eines der Diener, schritt auf die Thür zu, öffnete sie und ging in den Hof hinab.

Das ganz scheue Pferd ward mit Gewalt von drei bis vier Dienern gehalten, welche ihre Bemühungen vereinigten, um es zu beruhigen.

Smeranda schritt auf das Thier zu, betrachtete das Blut, welches den Sattel befleckte, und erkannte eine Wunde an der Höhe seiner Stirn.

– Kostaki ist von vorn getödtet worden, sagte sie, im Duell und durch einen einzigen Feind. Sucht seine Leiche, Kinder, späterhin werden wir seinen Mörder suchen.

Da das Pferd durch das Thor von Hango zurückgekehrt war, so stürzten alle Diener aus diesem Thore, und man sah ihre Fackeln in der Ebene herumirren und sich in den Wald vertiefen, wie man an einem schönen Sommerabende in den Ebenen von Nizza und von Pisa die Leuchtkäfer funkeln sieht.

Wie als ob sie überzeugt gewesen wäre, daß die Nachforschung nicht lange dauern würde, wartete Smeranda unter dem Thore stehend. Nicht eine Thräne floß aus den Augen dieser betrübten Mutter, und dennoch fühlte man die Verzweiflung auf dem Grunde ihres Herzens grollen.

Gregoriska stand hinter ihr, und ich stand neben Gregoriska.

Indem er den Saal verließ, hatte er einen Augenblick lang die Absicht gehabt, mir den Arm anzubieten, aber er hatte es nicht gewagt.

Nach Verlauf von ungefähr einer Viertelstunde sah man an der Wendung des Weges eine, zwei, dann alle Fackeln wieder erscheinen.

Nur hatten sie sich dieses Mal. statt sich in der Ebene zu vertheilen, um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt vereinigt.

Bald konnte man sehen, daß dieser gemeinschaftliche Mittelpunkt aus einer Tragbahre und auf einem, auf dieser Tragbahre ausgestreckten Manne bestand.

Der Leichenzug kam langsam heran, aber er kam heran. Nach Verlauf von zehn Minuten befand er sich an dem Thore. Als sie die lebende Mutter erblickten, welche den todten Sohn erwartete, entblößten die, welche ihn trugen, instinctmäßig ihr Haupt, und kehrten dann schweigend in den Hof zurück.

Smeranda folgte ihnen, und wir folgten Smeranda. Auf diese Weise erreichte man den großen Saal, in welchem man die Leiche niederlegte.

Indem sie nun einen Wink hoher Majestät gab, entfernte Smeranda Jedermann, und sich der Leiche nähernd. setzte sie ein Knie auf den Boden, schlug die Haare zurück, welche ihrem Gesichte als Schleier dienten, und betrachtete sie lange und immer mit trockenen Augen. Indem sie hierauf den moldauischen Rock aufknöpfte, schlug sie das mit Blut befleckte Hemd zurück.

Die Wunde befand sich an der rechten Seite der Brust. Sie mußte von einer geraden und zweischneidigen Klinge gemacht worden sein.

Ich erinnerte mich, an demselben Tage an Gregoriskas Seite den langen Hirschfänger gesehen zu haben, der seiner Büchse zum Bajonette diente.

Ich suchte diese Waffe an seiner Seite; aber sie war verschwunden.

Smeranda verlangte Wasser, tauchte ihr Taschentuch in dieses Wasser und wusch die Wunde.

Frisches und reines Blut röthete die Lefzen der Wunde.

Das Schauspiel, welches ich vor Augen hatte, bot etwas Gräßliches und zugleich Erhabenes. Dieses große, von den Harzfackeln mit Rauch erfüllte Zimmer, diese barbarischen Gesichter, diese von Grausamkeit funkelnden Augen, diese seltsamen Kostüme, diese Mutter, welche bei dem Anblicke des noch warmen Blutes berechnete, seit wie lange der Tod ihr ihren Sohn geraubt hätte, dieses liefe, nur durch das Schluchzen der Räuber, deren Hauptmann Kostaki war, unterbrochene Schweigen, Alles das, ich wiederhole es, war ein gräßlicher und zugleich erhabener Anblick.

Endlich näherte Smeranda ihre Lippen der Stirn ihres Sohnes, indem sie sich dann wieder aufrichtete, – indem sie dann die langen Flechten ihrer weißen Haare zurückwarf, die sich aufgelöst hatten, sagte sie:

– Gregoriska!

Gregoriska erbebte, schüttelte den Kopf, und indem er aus seiner Gefühllosigkeit erwachte, antwortete er:

– Meine Mutter!

– Kommen Sie hierher, mein Sohn, und hören Sie mich an.

Gregoriska gehorchte schaudernd, aber er gehorchte.

In dem Maße, als er sich der Leiche näherte, floß das Blut weit reicher und weit röther aus der Wunde. Glücklicher Weise sah Smeranda nicht mehr nach dieser Seite, denn bei dem Anblicke dieses anklagenden Blutes hätte sie nicht mehr nöthig gehabt zu suchen, wer der Mörder wäre.

– Gregoriska, sagte sie, ich weiß wohl, daß Kostaki und Du Euch nicht liebtet. Ich weiß wohl, daß Du ein Waivady durch Deinen Vater bist, und er ein Koproly durch den seinigen; aber durch Eure Mutter waret Ihr beide Brancovans. Ich weiß, daß Du ein Mann der Städte des Abendlandes bist, und er ein Sohn der Berge des Morgenlandes; aber durch den Schooß, der Euch beide getragen hat, seid Ihr am Ende Brüder. Wohlan! Gregoriska, ich will wissen, ob wir meinen Sohn zu seinem Vater tragen werden, ohne daß der Schwur ausgesprochen worden ist, ob ich endlich ruhig wie eine Frau weinen kann, indem ich mich auf Dich, das heißt auf einen Mann, hinsichtlich der Strafe verlasse.

– Nennen Sie mir den Mörder meines Bruders, Madame, und befehlen Sie, ich schwöre Ihnen, daß er vor Verlauf einer Stunde, wenn Sie es verlangen, aufs gehört haben wird zu leben.

– Schwöre immerhin, Gregoriska, schwöre, bei Strafe meines Fluches, verstehst Du, mein Sohn? – Schwöre, daß der Mörder sterben wird, – schwöre, daß Du keinen Stein seines Hauses auf dem andern lassen wirst; – schwöre, daß seine Mutter, seine Kinder, seine Brüder, seine Gattin oder seine Verlobte von Deiner Hand umkommen werden. Schwöre, und rufe, indem Du schwörst, den Zorn des Himmels auf Dich herab, wenn Du diesen geheiligten Schwur brichst. – Wenn Du diesen geheiligten Schwur brichst, so unterwirf Dich dem Elende, dem Abscheue Deiner Freunde, dem Fluche Deiner Mutter.

Gregoriska streckte die Hand über die Leiche aus.

– Ich schwöre, daß der Mörder sterben wird, sagte er. Bei diesem seltsamen Schwure, dessen wahren Sinn ich und der Todte vielleicht nur allein verstehen konnten, sah ich, oder glaubte ich, ein entsetzliches Wunder zu sehen. Die Augen der Leiche öffneten sich wieder und hefteten sich weit lebendiger auf mich, als ich sie jemals gesehen hatte, und ich fühlte, wie als ob dieser doppelte Strahl fühlbar gewesen wäre, als dringe ein glühendes Eisen in mein Herz.

Das war mehr, als ich zu ertragen vermochte; ich sank in Ohnmacht.

XV.
Das Kloster Hango

Als ich wieder erwachte, befand ich mich in meinem Zimmer auf meinem Bette liegend; eine der beiden Frauen wachte bei mir.

Ich fragte, wo Smeranda wäre, man antwortete mir, daß sie bei der Leiche ihres Sohnes wachte.

Ich fragte, wo Gregoriska wäre; man antwortete mir, daß er in dem Kloster Hango wäre.

Es war keine Rede mehr von Flucht. War Kostaki nicht todt? Es war keine Rede mehr von Heirath. Konnte ich den Brudermörder heirathen?

Drei Tage und drei Nächte verflossen so unter seltsamen Träumen. Im Nachen oder im Schlafe sah ich immer diese beiden lebendigen Augen in diesem todten Gesichte; es war eine gräßliche Erscheinung.

Am dritten Tage sollte die Beerdigung Kostakis stattfinden. Am Morgen dieses Tages brachte man mir im Namen von Smeranda ein vollständiges Wittwenkostüm. Ich kleidete mich an und ging hinab.

 

Das Haus war öde; Jedermann befand sich in der Kapelle.

Ich ging nach dem Versammlungsorte. In dem Augenblicke, wo ich über die Schwelle trat, trat Smeranda, welche ich seit drei Tagen nicht gesehen hatte, über die Schwelle und kam zu mir.

Sie schien eine Statue des Schmerzes. Mit einer langsamen Bewegung gleich der einer Statue drückte sie ihre eisigen Lippen auf meine Stirn, und sprach mit einer Stimme, welche bereits aus dem Grabe zu kommen schien, ihre gewöhnlichen Worte aus:

– Kostaki liebt Sie.

Sie vermögen sich keinen Begriff von dem Eindrucke zu machen, welche diese Worte auf mich hervorbrachten. Diese im Präsens, statt im Imperfectum gemachte Liebeserklärung: dieses liebt Sie, statt liebte Sie, diese Liebe jenseits des Grabes, welche mich in dem Leben aufsuchte, brachte auf mich einen schrecklichen Eindruck hervor.

Zu gleicher Zeit bemächtigte sich meiner ein seltsames Gefühl, wie als ob ich in der That die Frau dessen gewesen wäre, der todt war, und nicht die Verlobte dessen, welcher lebte. Dieser Sarg zog mich unwillkürlich, schmerzlicher Weise an, wie man sagt, daß die Schlange den Vogel anzieht, den sie bezaubert. Ich suchte Gregoriska mit den Augen, ich erblickte ihn bleich und an einen Pfeiler gelehnt; seine Augen waren gen Himmel gerichtet, – ich vermag nicht zu sagen, ob er mich sah.

Die Mönche des Klosters von Hango umgaben die Leiche, indem sie die Psalmen des griechischen Ritus sangen, die zuweilen so harmonisch, weit öfter noch sehr eintönig sind. Ich wollte gleichfalls beten, aber das Gebet erstarb auf meinen Lippen, mein Kopf war dermaßen verwirrt, daß es mir weit eher schien einer Versammlung von Teufeln beizuwohnen, als einer Versammlung von Priestern.

In dem Augenblicke, wo man die Leiche forttrug, wollte ich ihr folgen, aber meine Kräfte versagten mir den Dienst. Ich fühlte meine Beine unter mir krachen, und ich lehnte mich an die Thür.

Nun kam Smeranda zu mir und gab Gregoriska einen Wink.

Gregoriska gehorchte und näherte sich.

Nun redete Smeranda mich in moldauischer Sprache an.

– Meine Mutter befiehlt mir, Ihnen Wort vor Wort das zu wiederholen, was Sie sagen wird, äußerte Gregoriska.

Nun sprach Smeranda von Neuem; als sie geendigt hatte, sagte er:

– Hier sind die Worte meiner Mutter:

»Sie beweinen meinen Sohn, Hedwig, Sie liebten ihn, nicht wahr? Ich danke Ihnen für Ihre Thränen und für Ihre Liebe; von nun an sind Sie eben so sehr meine Tochter, als wenn Kostaki Ihr Gatte gewesen wäre; Sie haben von nun an ein Vaterland, eine Mutter, eine Familie. Vergießen wir die Thränen, welche man den Todten schuldig ist, und werden wir nachher wieder Beide dessen würdig, der nicht mehr ist. . . ich, seine Mutter, Sie, seine Gattin! Leben Sie wohl, kehren Sie in Ihr Zimmer zurück; ich will meinem Sohne bis zu seiner letzten Wohnung folgen; bei meiner Rückkehr werde ich mich mit meinem Schmerze einfließen, und Sie werden mich nicht eher sehen, als bis ich ihn besiegt habe; sein Sie unbesorgt, ich werde ihn besiegen, denn ich will nicht, daß er mich umbringt.«

Ich vermogte auf diese von Gregoriska übersetzten Worte Smerandas nur durch ein Stöhnen zu antworten. Ich ging wieder in mein Zimmer hinauf, der Leichenzug entfernte sich. Ich sah ihn an der Ecke der Straße verschwinden. Das Kloster Hango war in gerader Linie nur eine halbe Stunde weit von dem Schlosse entfernt, aber Hindernisse des Bodens nöthigten ihn, einen Umweg zu machen, und indem man die Straße befolgte, war die Entfernung ungefähr zwei Stunden.

Es war im Monate November. Die Tage waren wieder kalt und kurz geworden. Um fünf Uhr Abends war es gänzlich Nacht.

Gegen sieben Uhr sah ich die Fackeln wieder erscheinen. Es war der Leichenzug, der zurückkehrte. Die Leiche ruhte in dem Grabe seiner Väter. Alles war vorbei. Ich habe Ihnen gesagt, welchen seltsamen Plagen ich seit dem verhängnißvollen Ereignisse ausgesetzt war, das uns Alle in Trauer gekleidet hatte, und besonders seitdem ich die Augen, welche der Tod geschlossen hatte, sich wieder öffnen und sich auf mich richten sah. Von den Gemüthsbewegungen des Tages niedergebeugt, war ich an diesem Abende noch weit trauriger. Ich hörte auf der Uhr des Schlosses die verschiedenen Stunden schlagen, und ich wurde in dem Maße betrübt, als die entschwundene Zeit mich dem Augenblicke näherte, in welchem Kostaki gestorben sein mußte.

Ich hörte drei Viertel auf Neun schlagen.

Nun bemächtigte sich meiner eine seltsame Empfindung. Es war ein schaudernder Schrecken, der über meinen ganzen Körper lief und ihn erstarrte; dann mit diesem Schrecken irgend Etwas wie ein unüberwindlicher Schlaf, der meine Sinne betäubte; meine Brust wurde beklommen, meine Augen verschleierten sich. Ich streckte die Arme aus, und sank rückwärts schreitend auf mein Bett.

Meine Sinne waren indessen nicht dermaßen verschwunden, daß ich nicht Etwas wie einen Schritt hören konnte, der sich meiner Thür näherte; dann schien es mir, als ob meine Thür aufginge. Dann sah und hörte ich Nichts mehr.

Nur fühlte ich einen heftigen Schmerz am Halse.

Hierauf versank ich in gänzliche Erstarrung.

Um Mitternacht erwachte ich wieder, meine Lampe brannte noch; ich wollte aufstehen, aber ich war so schwach, daß ich es zwei Male versuchen mußte. Ich besiegte indessen diese Schwäche, und da ich wachend denselben Schmerz am Halse empfand, den ich in meinem Schlummer empfunden hatte, so schleppte ich mich, indem ich mich an die Wand stützte, bis nach dem Spiegel und sah hinein.

Etwas gleich einem Nadelstiche bezeichnete die Pulsader meines Halses.

Ich dachte, daß irgend ein Insect mich während meines Schlafes gestochen hätte, und da ich vor Ermüdung erschöpft war, so legte ich mich zu Bett und schlief ein.

Am folgenden Tage erwachte ich wie gewöhnlich. Wie gewöhnlich wollte ich aufstehen, sobald meine Augen geöffnet waren; aber ich empfand eine Schwäche, welche ich bis dahin nur ein einziges Mal in meinem Leben empfunden hatte, nämlich am Tage nach demjenigen, an welchem man mir zu Ader gelassen hatte.

Ich näherte mich meinem Spiegel, und war durch meine Blässe überrascht.

Der Tag verfloß traurig und trübselig; ich empfand etwas Seltsames; da, wo ich war, hatte ich das Bedürfniß zu bleiben, jede Ortsveränderung war eine Ermüdung.

Die Nacht kam herbei, man brachte mir meine Lampe; meine Frauen, ich verstand es zum Mindesten aus ihren Geberden, boten mir an, bei mir zu bleiben. Ich dankte ihnen; sie entfernten sich.

Zu derselben Stunde, als am Abende zuvor, empfand ich dieselben Symptome. Ich wollte nun aufstehen und um Hilfe rufen; aber ich vermogte nicht, bis nach der Thür zu gehen. Ich hörte dunkel die Glocke der Uhr, welche drei Viertel auf neun Uhr schlug, Schritte erschallten, die Thür ging auf; aber ich sah und hörte Nichts mehr; wie am Tage zuvor war ich rückwärts auf mein Bett gesunken. ein Anfang von Wahnsinn scheinen würde, und ich schloß mit einer gewissen Schüchternheit, als ich im Gegentheile sah, daß er dieser Erzählung eine tiefe Aufmerksamkeit schenkte.

Wie am Tage zuvor empfand ich einen stechenden Schmerz an demselben Orte.

Wie am Tage zuvor erwachte ich um Mitternacht; nur erwachte ich noch weit schwacher und weit bleicher, als am Tage zuvor.

Am folgenden Tage erneuerte sich die gräßliche Plage nochmals.

Ich war entschlossen, zu Smeranda hinabzugehen, so schwach ich auch sein mogte, als eine meiner Frauen in mein Zimmer trat und den Namen Gregoriska aussprach.

Gregoriska kam hinter ihr.

Ich wollte aufstehen, um ihn zu empfangen, aber ich sank wieder auf meinen Sessel zurück.

Als er mich erblickte, stieß er einen Schrei aus und wollte auf mich zustürzen; aber ich hatte die Kraft, den Arm nach ihm auszustrecken.

– Was wollen Sie hier? fragte ich ihn.

– Ach! sagte er, ich kam, um Abschied von Ihnen zu nehmen! Ich kam, Ihnen zu sagen, daß ich diese Welt verlasse, welche mir ohne Ihre Liebe und ohne Ihre Gegenwart unerträglich ist; ich kam, Ihnen zu sagen, daß ich mich in das Kloster Hango zurückziehe.

– Meine Gegenwart ist Ihnen genommen, Gregoriska, antwortete ich ihm, aber nicht meine Liebe. Ach! ich liebe Sie immer noch, und mein großer Schmerz ist, daß diese Liebe von nun an fast ein Verbrechen ist.

– Dann kann ich hoffen, daß Sie für mich beten werden, Hedwig.

– Ja, nur werde ich nicht lange beten, fügte ich lächelnd hinzu.

– In der That, was haben Sie denn, und warum sind Sie so bleich?

– Gott hat ohne Zweifel Erbarmen mit mir und wird mich zu sich rufen!

Gregoriska näherte sich mir, ergriff mich bei der Hand, die ich nicht die Kraft hatte, zurückzuziehen, und indem er mich fest anblickte, sagte er:

– Diese Blässe ist nicht natürlich, Hedwig, woher kommt sie? reden Sie.

– Wenn ich es Ihnen sagte, Gregoriska, so würden Sie glauben, daß ich wahnsinnig sei.

– Nein, nein, reden Sie, Hedwig, ich bitte Sie inständigst darum, wir befinden uns hier in einem Lande, das keinem andern Lande gleicht, in einer Familie, die keiner andern Familie gleicht. Reden Sie, sagen Sie Alles, ich bitte Sie inständigst darum.

Ich erzählte ihm Alles: jene seltsame Verblendung, die mich zu der Stunde befiel, in welcher Kostaki gestorben sein müßte; den Schrecken, die Erstarrung, die eisige Kälte, die Hinfälligkeit, welche mich auf mein Bett legte, das Geräusch von Schritten, das ich zu hören glaubte, diese Thür, welche ich sich öffnen zu sehen glaubte, endlich den stechenden Schmerz, dem meine beständig zunehmende Blässe und Schwäche folgte.

Ich hatte geglaubt, daß meine Erzählung Gregoriska ein Anfang von Wahnsinn scheinen würde, und ich schloß mit einer gewissen Schüchternheit, als ich im Gegentheile sah, daß er dieser Erzählung eine tiefe Aufmerksamkeit schenkte.

Nachdem ich aufgehört hatte zu sprechen, überlegte er einen Augenblick lang.

– Demnach also, fragte er, schlafen Sie jeden Abend um drei Viertel auf neun Uhr ein?

– Ja, welche Mühe ich mir auch geben mag, um dem Schlafe zu widerstehen.

– Demnach also glauben Sie, Ihre Thüre sich öffnen zu sehen?

– Ja, obgleich ich sie verriegle.

– Demnach also empfinden Sie einen stechenden Schmerz am Halse?

– Ja, obgleich mein Hals kaum die Spur einer Wunde behält.

– Wollen Sie erlauben, daß ich sie sehe? sagte er. Ich warf meinen Kopf auf meine Schulter zurück. Er untersuchte diese Narbe.

– Hedwig, sagte er nach einem Augenblicke, haben Sie Vertrauen zu mir?

– Sie fragen es mich? antwortete ich.

– Glauben Sie an mein Wort?

– Wie ich an das heilige Evangelium glaube.

– Nun denn! Hedwig, auf mein Wort, ich schwöre Ihnen, daß Sie keine acht Tage mehr zu leben haben, wenn Sie nicht noch heute einwilligen das zu thun, was ich Ihnen sagen werde.

– Und wenn ich darein willige?

– Wenn Sie darein willigen, – so werden Sie vielleicht gerettet sein.

– Vielleicht?

Er schwieg.

– Was auch geschehen möge, Gregoriska, begann ich wieder, ich werde das thun, was Sie mir befehlen werden.

– Nun denn! Hören Sie, sagte er, und vor Allem erschrecken Sie nicht. In Ihrem Lande, wie in Ungarn, wie in unserem Romanien, besteht eine Sage.

Ich schauderte, denn diese Sage war mir in das Gedächtniß gekommen.

– Ah! sagte er, Sie wissen was ich sagen will?

– Ja, antwortete ich, ich habe in Polen diesem gräßlichen Verhängnisse unterworfene Personen gesehen.

– Sie wollen von Vampyren sprechen, nicht wahr?

– Ja, ich habe in meiner Kindheit auf dem Friedhofe eines meinem Vater gehörigen Dorfes vierzig Personen wieder ausgraben sehen, die in vierzehn Tagen gestorben waren, ohne daß man die Ursache ihres Todes errathen konnte. Siebzehn haben alle Anzeichen von Vampyren gehabt, das heißt, daß man sie frisch und roth, gleich Lebendigen wieder gefunden hat, – die Andern waren ihre Opfer.

– Und was that man, um die Gegend davon zu befreien?

– Man stieß ihnen einen Pfahl in das Herz und verbrannte sie nachher.

– Ja. so verfährt man gewöhnlich; aber für uns genügt das nicht. Um Sie von dem Gespenste zu befreien, will ich es zuvörderst kennen lernen, und beim Himmel! Ich werde es kennen lernen. Ja, und wenn es sein muß, so werde ich Leib gegen Leib mit ihm kämpfen, wer es auch sein möge.

– O, Gregoriska! rief ich erschreckt aus.

– Ich habe gesagt, wer es auch sein möge, und ich wiederhole es. – Aber um dieses schreckliche Abenteuer zu einem guten Ende zu führen, müssen Sie in Alles willigen, was ich von Ihnen verlangen werde.

– Reden Sie.

– Halten Sie sich um sieben Uhr bereit, – gehen Sie in die Kapelle hinab, gehen Sie allein hinab; – Sie müssen Ihre Schwäche überwinden, – es muß sein. – Dort werden wir die eheliche Einsegnung erhalten. Willigen Sie darein, meine Geliebte; um Sie zu beschützen, muß ich vor Gott und vor den Menschen das Recht haben über Sie zu wachen. Wir werden wieder hier hinaufgehen, und dann werden wir sehen.

 

– O! Gregoriska, rief ich aus, wenn er es ist, so wird er sie tödten.

– Fürchten Sie Nichts, meine geliebte Hedwig. Nur willigen Sie ein.

– Sie wissen wohl, daß ich Alles das thun werde, was Sie wollen, Gregoriska.

– Dann auf heute Abend.

– Ja. thun Sie Ihrerseits, was Sie thun wollen, und ich werde Ihnen nach meinen Kräften beistehen, gehen Sie.

Er entfernte sich. Eine Viertelstunde nachher sah ich einen Reiter, der auf der Straße des Klosters dahin sprengte. Er war es.

Kaum hatte ich ihn aus dem Gesicht verloren, als ich auf die Knie sank und betete, wie man in Ihrem Lande ohne Glauben nicht mehr betet, und wartete die siebente Stunde ab, indem ich Gott und den Heiligen das Opfer meiner Gedanken darbrachte; ich stand erst in dem Augenblicke wieder auf, wo es sieben Uhr schlug.

Ich war schwach wie eine Sterbende, bleich wie eine Gestorbene. Ich warf einen großen schwarzen Schleier über meinen Kopf, ging die Treppe hinab, indem ich mich an den Wänden stützte, und begab mich in die Kapelle, ohne Jemandem begegnet zu sein.

Gregoriska erwartete mich mit dem Vater Basilius, dem Superior des Klosters Hango. Er trug ein heiliges Schwert an der Seite, die Reliquie eines alten Kreuzfahrers, der mit Ville-Hartouin und Balduin von Flandern Constantinopel genommen hatte.

– Hedwig, sagte er, indem er mit der Hand auf sein Schwert schlug, mit dem Beistande Gottes wird dieses Schwert den Zauber brechen, der Ihr Leben bedroht. Nähern Sie sich daher entschlossen, hier ist ein heiliger Mann, der, nachdem er meine Beichte empfangen hat, unsere Schwüre empfangen wird.

Die Feierlichkeit begann; niemals hatte vielleicht eine einfachere und zugleich feierlichere stattgefunden. Niemand leistete dem Popen Beistand; er selbst setzte uns die Hochzeitslränze auf den Kopf. Beide in Trauer gekleidet, gingen wir mit einer Kerze in der Hand um den Altar; als hierauf der Geistliche die heiligen Worte ausgesprochen hatte, fügte er hinzu:

– Geht jetzt, meine Kinder, und möge Gott Euch Muth und Kraft verleihen, gegen den Feind der Menschheit zu kämpfen. Ihr seid mit Eurer Unschuld und seiner Gerechtigkeit gerüstet; Ihr werdet den Dämon besiegen. Geht, und seid gesegnet.

Wir küßten die heiligen Bücher und verließen die Kapelle.

Nun stützte ich mich zum ersten Male auf den Arm Gregoriskas, und es schien mir, als ob bei der Berührung dieses tapferen Armes, bei der Berührung dieses edlen Herzens das Leben in meine Adern wieder zurückkehrte. Ich glaubte mich gewiß zu triumphiren, da Gregoriska bei mir war; wir gingen wieder in mein Zimmer hinaus.

Es schlug halb neun Uhr.

– Hedwig, sagte nun Gregoriska zu mir, wir haben keine Zeit zu verlieren. Willst Du wie gewöhnlich einschlafen und daß sich Alles während Deines Schlafes zuträgt? Willst Du wach bleiben und Alles sehen?

– Bei Dir fürchte ich Nichts, ich will wach bleiben, ich will Alles sehen.

Gregoriska zog einen geweihten Buchsbaumzweig aus seinem Busen, der noch ganz feucht von dem Weihwasser war, und gab ihn mir.

– So nimm denn diesen Zweig, sagte er, lege Dich auf Dein Bett, sag die Gebete an die Jungfrau her und warte ohne Furcht. Gott ist mit uns. Vor Allem laß Deinen Zweig nicht fallen; mit ihm wirst Du selbst der Hölle gebieten. Rufe mich nicht, schreie nicht; bete, hoffe und warte.

Ich legte mich auf das Bett. Ich faltete meine Hände auf der Brust, auf welche ich den geweihten Zweig stützte.

Was Gregoriska anbelangt, so verbarg er sich hinter dem Thronhimmel, von dem ich bereits gesprochen habe, und der die Ecke meines Zimmers einnahm.

Ich zählte die Minuten, und ohne Zweifel zählte sie Gregoriska seiner Seite gleichfalls.

Es schlug drei Viertel.

Der Klang der Glocke bebte noch, als ich dieselbe Erstarrung, denselben Schrecken, dieselbe eisige Kälte wieder empfand; aber ich näherte den geweihten Zweig meinen Lippen, und diese erste Empfindung verschwand.

Nun hörte ich sehr deutlich das Geräusch jenes langsamen und abgemessenen Schrittes auf der Treppe erschallen und sich meiner Thüre nähern.

Hierauf ging meine Thüre langsam, geräuschlos, wie von einer übernatürlichen Macht geöffnet auf, und nun. . .

Die Stimme stockte wie erstickt in dem Munde der Erzählerin.

– Und nun, fuhr sie mit Anstrengung fort, erblickte ich Kostaki, bleich, wie ich ihn auf der Tragbahre gesehen hatte; seine langen, auf seiner Schulter zerstreuten Haare trieften von Blut; er trug sein gewöhnliches Kostüm; nur war es auf seiner Brust offen und ließ seine blutende Wunde sehen.

Alles war todt, Alles war Leiche. . . Fleisch, Kleider, Gang. . . die Augen allein, diese schrecklichen Augen, waren lebendig.

Wie sonderbar! statt mein Entsetzen zu verdoppeln, fühlte ich bei diesem Anblicke meinen Muth wachsen.

Gott sandte mir ihn ohne Zweifel, damit ich meine Lage beurtheilen und mich gegen die Hölle vertheidigen könnte. Bei dem ersten Schritte, den das Gespenst auf mein Bett zu that, kreuzte ich kühn meinen Blick mit diesem bleiernen Blicke und hielt ihm den geweihten Zweig entgegen.

Das Gespenst versuchte weiter zu schreiten, aber eine weit stärkere Gewalt, als die seinige, hielt es auf seiner Stelle zurück. Es blieb stehen.

– O! murmelte er, sie schläft nicht: sie weiß Alles.

Er sprach in moldauischer Sprache, und dennoch verstand ich ihn, wie als ob diese Worte in einer Sprache ausgesprochen worden wären, die ich verstanden hätte.

Wir, das Gespenst und ich, befanden uns so einander gegenüber, ohne daß meine Augen sich von den seinigen abzuwenden vermogten, als ich, ohne daß ich nöthig hatte den Kopf nach seiner Seite zu wenden, Gregoriska hinter dem hölzernen Sessel gleich einem Vertilgungsengel Und mit seinem Schwerte in der Hand hervorkommen sah. Er machte das Zeichen des Kreuzes mit der linken Hand, und schritt langsam, das Schwert nach dem Gespenste ausgestreckt vor; bei dem Anblicke seines Bruders hatte dieses gleichfalls mit einem schrecklichen Gelächter seinen Säbel gezogen; aber kaum hatte der Säbel den geweihten Stahl berührt, als der Arm des Gespenstes schlaf an seinem Körper herabfiel.

Kostaki stieß einen Seufzer aus, der seinen innern Kampf und seine Verzweiflung bezeichnete.

– Was willst Du? sagte er zu seinem Bruder.

– Im Namen des lebendigen Gottes, sagte Gregoriska, beschwöre ich Dich, zu antworten.

– Sprich, sagte das Gespenst, indem es mit den Zähnen knirschte.

– War ich es, der Dich ermordet hat?

– Nein.

– War ich es, der Dich angegriffen hatte?

– Nein.

– War ich es, der Dich getroffen hat?

– Nein.

– Du hast Dich auf mein Schwert gestürzt, und das ist Alles. Ich bin daher in den Augen Gottes und der Menschen nicht des Verbrechens des Brudermordes schuldig; Du bist also nicht dem Rufe Gottes, sondern dem des Teufels gefolgt; Du hast also nicht das Grab wie ein heiliger Schatten verlassen, sondern wie ein verfluchtes Gespenst, und Du wirst in Dein Grab zurückkehren.

– Mit ihr, ja, rief Kostaki aus, indem er eine äußerste Anstrengung machte, um sich meiner zu bemächtigen.

– Allein, rief nun Gregoriska aus, diese Frau gehört mir.

Und indem er diese Worte aussprach, berührte er mit dem geweihten Stahle die frische Wunde.

Kostaki stieß einen Schrei aus, wie als ob ein Flammenschwert ihn berührt hätte, und indem er die linke Hand auf seine Brust legte, trat er einen Schritt zurück.

Zu gleicher Zeit und mit einer Bewegung, welche mit der seinigen in Verbindung zu stehen schien, trat Gregoriska einen Schritt vor; nun, die Augen aus die Augen des Todten geheftet, das Schwert auf die Brust seines Bruders gerichtet, begann ein langsamer, schrecklicher, feierlicher Marsch, in etwas ähnlich dem Vorüberkommen Don Juans und des Commandeurs; das Gespenst wich vor dem geheiligten Schwerte unter dem unwiderstehlichen Willen des Streiters Gottes zurück; dieser folgte ihm Schritt vor Schritt ohne ein Wort auszusprechen; Beide athemlos, Beide todtenbleich, trieb der Lebendige den Todten vor sich her, und zwang ihn, das Schloß, welches in der Vergangenheit seine Wohnung war, mit dem Grabe zu vertauschen, das in der Zukunft seine Wohnung sein sollte.