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Seeabenteuer und Schiffsbrüche

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In der Nähe von Takuri's Dorfe lag ein anderes, das viel besser befestigt war und dessen Häuptling, Namens Piki-Ore, man für Takuri's Mitschuldigen hielt. Während das erste Dorf brannte, bemerkte das Detachement, daß die Wilden das andere räumten. Diese Flucht bestärkte unsere Soldaten in ihrem Verdacht, und als daher Takuri's Dorf niedergebrannt war, marschirten sie nach dem des Häuptlings Piki-Ore. —

Dieses war, wie gesagt, weit besser befestigt als alle anderen; die Bewohner aber machten keinen Versuch, es zu vertheidigen. Man konnte daher ungehindert alle Hütten durchsuchen und fand darin ebenfalls eine Menge Gegenstände aus den verbrannten Booten sowie einige Kleidungsstücke, welche den Matrosen gehört hatten.

Die Blutflecken an allen diesen Kleidungsstücken bewiesen, daß unsere unglücklichen Kameraden eines gewaltsamen Todes gestorben waren.

Das zweite Dorf ward in Brand gesteckt, wie das erste.

Um endlich das Zerstörungswerk in seinem ganzen Umfange auszuführen, zogen die Soldaten zwei Kriegspiroguen in's Wasser, nahmen sie in's Schlepptau und führten sie bis in die Nähe des »Mascarin«.

Die darin liegenden brauchbaren Bretter und Ruder wurden herausgenommen und die beiden Fahrzeuge, die eine Länge von ungefähr sechzig Fuß hatten, dann angezündet.

Bei dem Feuerscheine dieser beiden Piroguen verließen die beiden Schiffe »Castries« und »Mascarin« am 14. Juli 1772 die Mörderbai.

Der Kent

1

Am 1. März um zehn Uhr Morgens kämpfte ein prächtiger Dreimaster, der alle seine Segel mit Ausnahme des großen Marssegels eingezogen, seine Kajütenfenster und Stückpforten verschlossen hatte und dessen diensthabende Soldaten an ein über das Verdeck gespanntes Sicherheitstau angebunden waren, gegen einen der heftigsten Stürme, welche je die gigantischen Wogen des biscayischen Meeres übereinanderthürmten.

Es war der »Kent«, ein wunderschönes Schiff der britisch-ostindischen Compagnie, befehligt vom Kapitain Henry Cobb und nach Bengalen und China bestimmt. An seinem Bord befanden sich zwanzig Offiziere, dreihundert vierundvierzig Soldaten, dreiundvierzig Frauen und siebzig Kinder, sämmtlich dem 31. Infanterieregimente angehörend, außerdem zwanzig Privatpassagiere und eine Mannschaft von hundertachtundvierzig Köpfen mit Einschluß der Offiziere.

Diese zahlreiche Gesellschaft war am 19. Februar 1825 heiter und vergnügt von den Dünen ausgelaufen, denn da das Schiff ganz neu, der Kapitain ein erfahrener Seemann und für alle Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten an Bord reichlich gesorgt war, durfte man mit Gewißheit auf eine schnelle und glückliche Fahrt rechnen.

Von einem frischen Nordwestwind getrieben, war das prächtige Schiff majestätisch den Kanal hinab gesegelt und am 23. Februar, nachdem es die englische Küste aus dem Gesicht verloren, in den Atlantischen Ozean eingelaufen.

Abgesehen von einigen unfreundlichen Tagen, war die Reise des »Kent« bis zur Nacht des 28. Februar ganz nach Wunsch gegangen; in dieser Nacht aber erhob sich ein heftiger Südweststurm, der am 29. immer wüthender wurde und das Schiff endlich am 1. März um zehn Uhr Morgens zwang, seine Segel einzuziehen und seine Fenster zu verschließen. Ungeachtet der getroffenen Vorsichtsmaßregeln schwankte das Schiff das von den Wellen bald thurmhoch emporgehoben, bald eben so tief in den Abgrund geschleudert wurde, mit entsetzlicher Heftigkeit, und dieses Schwanken wurde durch einen Theil der Ladung verstärkt, der aus Fässern voll Bomben und Kanonenkugeln bestand.

Gegen Mittag wurde das Schlingern so fürchterlich, daß bei jeder Neigung des Schiffes sowohl auf der Backbord- als auf der Steuerbordseite die Wandtaue mehrere Fuß tief unter Wasser getaucht wurden. In Folge dieser heftigen Schwankungen wurden auch die am sorgfältigsten befestigten Möbeln umgestürzt und mit einem solchen Getöse von einer Seite zur andern geworfen, daß Niemand mehr in seinem Zimmer oder in dem gemeinschaftlichen Saale bleiben konnte.

In diesem Augenblicke dachte ein Offizier, den die entsetzlichen Stöße zu ängstigen begannen, daran, daß es nicht überflüssig sei, einmal nachzusehen, was im unteren Schiffsraume vorging. In Folge dessen nahm er zwei Matrosen mit sich und befahl dem einen, daß er sich mit einer Sicherheitslampe versehen solle.

Als er in den Kielraum trat, bemerkte er, daß die Lampe schlecht brannte; aus Besorgniß vor Feuersgefahr, wenn er sie unten öffnete, schickte er einen Matrosen hinauf, um den Docht herauszuziehen, und blieb so lange im Dunklen. Nach Verlauf von fünf Minuten kam der Matrose zurück, und als der Offizier jetzt sah, daß,ein Branntweinfaß sich verrückt hatte, nahm er dem Matrosen die Lampe ab und schickte ihn mit seinem Kameraden fort, um Keile zur Befestigung der Tonne zu holen.

Die beiden Matrosen entfernten sich.

Der allein zurückgebliebene Offizier mußte nun in der einen Hand die Lampe halten, während er die andere an das Faß stemmte; plötzlich aber bekam das Schiff einen so heftigen Stoß, daß er die Lampe fallen ließ.

Da er wohl wußte, wie vorsichtig man, besonders unter den obwaltenden Umständen, auf einem Schiffe mit dem Feuer sein muß, bückte er sich sogleich, um die Lampe wieder aufzuheben.

In der Eile aber ließ er das Faß los, dieses rollte herab und zersprang, der Branntwein verbreitete sich alsbald am Boden, kam mit dem Lichte in Berührung, entzündete sich und strömte nun wie eine Feuerschlange durch den ganzen Kielraum.

Anstatt durch unbesonnenes Rufen Lärm zu machen, hatte der Offizier soviel Selbstbeherrschung, daß er schwieg, ließ aber durch den einen der zurückkommenden Matrosen den Kapitain augenblicklich von dem Vorfalle benachrichtigen und versuchte es mit Beihilfe des andern, das Feuer zu löschen.

Der Kapitain kam eiligst herunter, gab seine Befehle und das Löschen begann vermittelst der Pumpen, zahlreicher Wassereimer und angefeuchteter Hängematten und Segel, die man in den Kielraum warf, wo noch eine Menge Spirituosa lagen.

Der Offizier, welcher eine ausführliche Erzählung dieser Katastrophe hinterlassen hat, der Major Mac Gregor, ein tapferer und zugleich vollkommen glaubwürdiger Mann, war eben im Berathungszimmer damit beschäftigt, den Stand der Barometer zu untersuchen, als der wachthabende Offizier Mr. Spencer, bei ihm eintrat und ihm leise zuflüsterte:

»Es ist Feuer im Kielraum!«

»Unmöglich!«

»Ueberzeugen Sie sich selbst davon, Herr Major.«

Spencer ging wieder auf's Verdeck und schritt so ruhig und fest, als das wüthende Meer es ihm erlaubte, auf und ab, um die Ordnung aufrecht zu erhalten.

Der Major Mac Gregor zweifelte noch. Er eilte an die Luke, aus der schon Rauch hervorkam und fand den Kapitain Cobb in der Mitte seiner Offiziere mit der größten Ruhe die nöthigen Befehle ertheilend, welche von den Matrosen und Soldaten fast mit der nämlichen Ruhe ausgeführt wurden.

Der Kapitain bemerkte ihn.

»Gut daß Sie kommen, Herr Major,« sagte er zu ihm.

»Kanu ich Ihnen nützlich sein, Herr Commandant?«

»Ich bitte Sie nur, daß Sie Ihre Offiziere benachrichtigen und dafür sorgen, daß keine Unordnung unter den Soldaten ausbricht.«

»Ist die Sache so schlimm als man sagt, Herr Commandant?« fragte der Major.

»Sehen Sie selbst,« antwortete der Kapitain indem er ihm den Rauch zeigte, der aus der Luke emporstieg.

Der Major machte eine Bewegung welche verrieth, daß er die Sache für höchst gefährlich hielt und ging dann, um den Oberstleutnant Fearon aufzusuchen.

Der Major erkundigte sich und erfuhr, daß der Oberstleutnant mit den Gattinnen einiger Offiziere in seinem Zimmer war, wo sie sich in ihrer Angst vor dem entsetzlichen Sturm versammelt hätten, ohne zu ahnen, daß ihnen noch viel größere Gefahr drohte.

Er klopfte an, in der Absicht den Oberstleutnant auf die Seite zu ziehen und ihm unter vier Augen die schlimme Nachricht mitzutheilen; ungeachtet dieser Vorsicht aber mußte in den Zügen des Majors ein so deutlicher Ausdruck von Angst zu erkennen sein, daß die Damen sogleich aufstanden und fragten, ob der Sturm noch immer zunehme. Der Major gab ihnen lächelnd die Versicherung, daß sie in diesem Punkte nichts zu befürchten hätten, und diese Versicherung beruhigte sie.

Der Oberstleutnant Fearon entfernte sich, um den Muth seiner Soldaten aufrecht zu erhalten und der Major kehrte auf den Schauplatz des Unglücks zurück.

Die Sache war während seiner Abwesenheit bedeutend schlimmer geworden. Auf die nackte bläuliche Flamme der Spirituosen, welche noch der Hoffnung Raum gab, daß man des Feuers Herr werden könne, war ein dicker Qualm gefolgt, der in schwarzen Massen aus allen Luken empor wirbelte und sich durch das ganze Schiff verbreitete.

Zu gleicher Zeit verspürte man im Zwischendeck einen starken Theergeruch.

Der Major erkundigte sich nach der Ursache dieser Veränderung beim Kapitain, und dieser antwortete ihm:

»Das Feuer hat die Taukammer ergriffen.«

»Dann sind wir verloren,« sagte der Major.

»Ja,« erwiderte der Kapitain lakonisch.

Dann rief er mit starker Stimme, welche die Größe der Gefahr verrieth:

»Schlagt im ersten oder zweiten Zwischendeck Löcher in die Schiffswände, öffnet die Seitenluken und die Stückpforten der unteren Batterie, damit überall Wasser eindringt!«

Dieser Befehl wurde sogleich ausgeführte aber schon waren einige Soldaten, eine Frau und mehrere Kinder bei dem Versuche umgekommen, aus dem zweiten Zwischendeck in das obere zu gelangen. Als der Oberstleutnant mit dem Hauptmann Braye und einigen anderen Offizieren in die untere Batterie hinabgingen, um die Stückpforten zu öffnen, begegneten sie einem Hochbootsmann, welcher taumelte wie ein Betrunkener und nahe daran war, ohne Besinnung niederzufallen. Er hatte mit dem Fuße an mehrere Personen gestoßen, welche schon erstickt waren, und er durfte keine Sekunde mehr in dem Rauche bleiben, wenn ihn nicht das nämliche Schicksal treffen sollte.

 

Der Rauch war in der That so dick und so beißend, daß den Offizieren beim Eintritt der Athem verging und sie es kaum so lange unten aushalten konnten, bis sie die Befehle des Kapitains Cobb ausgeführt hatten.

Es gelang ihnen indessen und alsbald stürzte das Wasser mit rasender Wuth durch die Oeffnungen herein; durchbrach alle Verschläge und warf die schwersten Kisten wie Korkpfropfen umher.

Es war ein entsetzlicher Anblick, den aber dem ungeachtet die Offiziere mit einer gewissen Freude betrachteten, da sie noch einige Hoffnung hatten, daß durch dieses Gewaltmittel das Schiff gerettet werden könne.

Bis über die Kniee im Wasser stehend ermuthigten sie einander durch gellende Zurufe, welche klar bewiesen, daß sie, obgleich anscheinend noch guten Muthes, das Schlimmste befürchteten.

Die ungeheure Wassermasse, welche nun in den Kielraum hinunter stürzte, löschte zwar nicht das Feuer, hemmte aber seinen Fortschritt; allein in dem Maße, als die Gefahr, in die Luft gesprengt zu werden, sich verminderte, vermehrte sich die des Versinkens, denn das Schiff wurde natürlich immer schwerer und war bereits mehrere Fuß gesunken. Man hatte nur die Wahl zwischen zwei Todesarten und man zog diejenige vor, welche einen Aufschub versprach. Die Offiziere arbeiteten sich wieder an die Stückpforten, die sie mit großer Mühe verschlossen, damit keine Luft von außen in den Schiffsraum dringen konnte, und so wartete man der kommenden Dinge, denn man wußte jetzt, daß man einige ruhige Stunden vor sich hatte.

Nachdem die Offiziere das Wasser hereingelassen hatten, begaben sie sich auf's Verdeck und konnten nun hier eine schreckliche und zugleich erhabene Scene zuerst im Ganzen übersehen und dann in ihren Einzelheiten beobachten.

Auf dem Verdeck waren sechs bis siebenhundert Menschen, Seeleute, Soldaten, Passagiere Frauen und Kinder zusammengedrängt.

Einige seekranke Frauen hatten ihre Betten verlassen, als sie erfuhren, welche schreckliche Gefahr ihnen drohte, und wie bleiche Gespenster irrten sie unter dem Rollen des Donners und beim Scheine der Blitze in der schauerlichen Dunkelheit auf dem Verdeck umher.

Diese ihren Vater, Jene ihren Bruder, eine Andre ihren Gatten rufend.

Anstatt sich auf einen Ort zusammenzudrängen, hatten sich die siebenhundert Menschen in einzelne Gruppen getheilt; die Starken hielten sich zu den Starken, die Schwachen zu den Schwachen.

Durch diese Gruppierungen hatten sich freie Räume gebildet, so daß die Zirkulation auf dem Verdeck nicht ganz gehemmt war.

Eine kleine Anzahl von den muthigsten Seeleuten und Soldaten hatten ihren Platz gerade über der Pulverkammer gewählt, damit sie zuerst in die Luft gesprengt und ihren Leiden rasch ein Ende gemacht würde.

Einige von den Gruppen erwarteten ihr Schicksal mit stummer Resignation oder stumpfer Gleichgültigkeit.

Andere rangen die Hände, stießen klägliche Jammertöne aus und gaben sich der grenzenlosesten Verzweiflung hin.

Noch Andere lagen auf den Knieen und flehten unter heißen Thränen zum Himmel um Erbarmen.

Mehrere Frauen und Kinder der Soldaten hatten sich in das Zimmer der Offiziersfrauen geflüchtet und beteten mit diesen und mit einigen Passagieren; einige von ihnen zeigten eine heldenmüthige Ruhe und glichen Engeln des Himmels, welche Gott gesandt hatte, um die sterblichen Geschöpfe, denen er jeden Augenblick das Leben, das er ihnen gegeben hat, wieder nehmen kann, auf den Tod vorzubereiten.

Einige Kinder, welche die Gefahr nicht kannten, spielten entweder in ihren Betten oder äußerten Fragen, welche bewiesen, daß der gnädige Himmel jeden Schatten von Angst von ihrer Engelsunschuld entfernt hielt.

Ein junger Passagier trat auf den Major Mac Gregor zu und fragte ihn:.

»Was denken Sie von unserer Lage, Herr Major?«

Ich denke, daß wir darauf gefaßt sein müssen, noch diese Nacht vor dem Throne des Allmächtigen zu erscheinen,« antwortete der Major.

Der junge Mann verbeugte sich traurig und sagte, indem er dem Major die Hand drückte:.

»Mein Herz ist in Frieden mit dem Gott, von dem Sie sprechen; aber ich gestehe, daß ich den letzten Augenblick fürchte, obgleich ich weiß, daß diese Furcht thörigt ist.«

Als ob das Meer darüber empört gewesen wäre, daß ein anderes Element sich anmaßte, dieses Schiff zerstören zu wollen, das es als seine Beute betrachtete und durch alle Höllenrachen seiner Abgründe in seinen Schooß zu ziehen versuchte, wurde in diesem Augenblicke das ganze Verdeck von einer der haushohen Wellen, die bis an die Segelstangen reichten, überfluthet und das Kompaßhäuschen mit fortgerissen.

Eine schauerliche Stille folgte auf diesen furchtbaren Stoß; Jedermann blickte ängstlich umher, um zu sehen, ob die Welle nicht Einen seiner Lieben mit über Bord gespült hatte, und die Stimme eines jungen Hochbootsmanns rief durch das grauenvolle Schweigen mit einem Ausdruck von Entsetzen:

»Herr Kapitain! der Kent hat seinen Kompaß nicht mehr!«

Ein langes Gemurmel folgte auf diese Worte denn Jedermann weiß, was es sagen will, wenn ein Schiff ohne Kompaß auf dem unermeßlichen Ozean umherirrt.

Ein junger Offizier, der bis jetzt noch nicht den Muth verloren gehabt, nahm bei diesen Worten mit finstere Miene eine blonde Haarlocke aus seinem Necessaire und verbarg sie auf der Brust.

Ein Andrer nahm Papier und Schreibzeug hervor, schrieb einige Zeilen an seinen Vater und verschloß das Billet in eine Flasche, in der Hoffnung, daß eine mitleidige Seele sie auffangen und mit ihrem Inhalte seinem Vater übersenden werde, so daß er durch die gewisse Nachricht von seinem Tode dem alten Manne wenigstens die Qual einer jahrelangen Ungewißheit und Angst ersparte.

In dem Augenblicke, als der junge Offizier an die Schanzverkleidung trat, um die Flasche dem Meere anzuvertrauen, hatte einer der Offiziere, Namens Thomson, die Idee, einen Matrosen in den Mastkorb des Fockmastes zu schicken, in der Hoffnung, daß er vielleicht ein Schiff entdeckte, welches dem Kent Hilfe leisten konnte.

Es war allerdings eine sehr schwache Hoffnung, aber Aller Herzen klammerten sich daran fest und man erwartete mit unbeschreiblicher Angst das Resultat der Beobachtung.

Der Matrose untersuchte mit scharfem Blicke den ganzen Umkreis des Horizonts.

Dann schwenkte er plötzlich seinen Hut und rief aus:

»Ein Segel unter dem Winde!«

Ein dreifaches Hurrah stieg vom Verdeck zu ihm empor.

Die Nothflaggen wurden augenblicklich aufgehißt, von Minute zu Minute wurde ein Kanonenschuß abgefeuert und man steuerte auf das in Sicht befindliche Schiff zu, welches unter seinem Focksegel und seinen drei Marssegeln ging.

2.
»Die Cambria«

Zehn bis fünfzehn Minuten lang waren Aller Blicke auf das Schiff gerichtet, das, wie man später erfuhr, die »Cambria« war, eine kleine Brigg von 200 Tonnen, welche unter dem Kommando des Kapitains Cook nach Vera-Cruz segelte und zwanzig bis dreißig Bergleute aus Cornwallis und einige Beamte der englisch-mexikanischen Compagnie am Bord hatte.

Jedermann war in der ängstlichsten Spannung, denn man wußte noch nicht, ob die »Cambria« den »Kent« sah oder nicht.

Diese wenigen Minuten waren ein Jahrhundert.

Man konnte kaum hoffen, daß die Kanonenschüsse gehört wurden, denn sie verhallten in dem Geheul des Sturmes und in dem Brausen des Meeres.

Jedenfalls aber mußte die »Cambria« den Rauch sehen, der das ganze Schiff in dicke Wolken hüllte.

Nach Verlaufe einiger Minuten sah man, daß die Brigg die englische Flagge aufzog und alle Segel beisetzte, um dem »Kent« zu Hilfe zu kommen.

Dieser Anblick verursachte allgemeine Freude.

Das Dunkel des Todes, das Aller Herzen umhüllte, wurde durch diesen heiteren Schimmer der Rettung erleuchtet, obgleich in Berücksichtigung des Raumes, der beide Schiffe trennte, der Kleinheit der Brigg und des furchtbaren Zustandes der See noch Fünf gegen Eins zu wetten war, daß das Schiff in die Luft sprang, ehe die Brigg herankam, daß diese kaum den zehnten Theil der Passagiere aufnehmen konnte und daß das Uebersetzen derselben sich bei einem solchen Wetter gar nicht ausführen ließ.

Während der Kapitain Cobb, der Oberstleutnant Fearon und der Major Mac Gregor sich über die promtesten und sichersten Maßregeln zur Aussetzung der Boote beriethen, kam ein Leutnant vom 31. Regiment herbei, um den Major zu fragen, in welcher Ordnung die Offiziere das Schiff verlassen sollten.

»In der Ordnung, welche bei Leichenbegängnissen beobachtet wird,« antwortete der Major mit ernster Ruhe.

Der Offizier schien der Meinung zu sein, daß es des Befehls von einem höheren Vorgesetzten bedürfe, denn er wendete sich nach dem Oberstleutnant Fearon um und richtete einen fragenden Blick auf ihn.

»Haben Sie nicht gehört, was der Herr Major gesagt hat?« erwiderte dieser. »Die Kadetten zuerst, vor Allen andern aber die Frauen und Kinder. Wer es versuchen sollte, vor diesen in ein Boot zu steigen, würde unwiderruflich erschossen werden.«

Der Leutnant entfernte sich mit einer Verbeugung, um anzudeuten, daß der Befehl pünktlich ausgeführt werden sollte.

Um den Andrang zu verhindern, der nach der ungeduldigen Angst, die sich unter den Soldaten kund gab, zu befürchten stand, traten zwei Offiziere mit gezogenem Säbel als Schildwachen an jedes Boot. Es darf jedoch nicht mit Stillschweigen übergangen werden, daß die Soldaten und Seeleute, als sie die ruhige und ernste Haltung ihrer Offiziere sahen, sich ihrer Zaghaftigkeit schämten und das Beispiel einer strengen Subordination und Mannszucht gaben.

Zwischen zwei und drei Uhr war das Boot in Bereitschaft.

Der Kapitain Cobb gab nun sogleich Befehl, daß so viel Frauen, Offiziere, Passagiere und Soldaten eingeschifft werden sollten, als das Fahrzeug aufnehmen konnte.

Alsbald bewegte sich der schauerliche Zug der unglücklichen Frauen, welche die ersten Kleidungsstücke übergeworfen hatten, die bei der Hand gewesen waren, ihre Kinder führend und die andere Hand dem Vater, dem Bruder oder dem Gatten reichend, die sie einem fast gewissen Tode preisgegeben auf dem Schiffe zurücklassen mußten, langsam über das Verdeck.

Der Zug ging von dem Hinterrheil bis zu den Stückpforten des Vordertheils, über denen das Boot hing.

Keine Klage, kein Wort des Schmerzes ließ sich vernehmen und selbst die Kinder hatten aufgehört zu weinen, als ob sie den feierlichen Ernst der Situation begriffen hätten. Nur einige Frauen baten um die Vergünstigung, bei ihren Gatten zurückbleiben zu dürfen, die sie nicht verlassen wollten. Aber die Stimme des Majors oder des Oberstleutnants rief: »Vorwärts!« und die Unglücklichen traten schweigend und gehorsam wieder in ihr Glied.

Und als man ihnen gesagt hatte, daß jede Minute Verzögerung den Untergang aller am Bord Zurückbleibenden herbeiführen könne, entrissen sie sich, ohne noch etwas zu verlangen, selbst nicht die traurige Gunst, mit ihren Gatten sterben zu dürfen, den Umarmungen und stiegen mit der Seelenstärke, die nur ihnen eigen ist, ohne Murren in das Boot, welches dann sogleich auf das Meer hinab gelassen wurde.

Selbst Diejenigen, die am festesten auf die Barmherzigkeit Gottes bauten, glaubten nicht, daß das Boot sich nur fünf Minuten auf dem empörten Elemente werde halten können. Die in den Wandtauen stehenden Matrosen riefen, sogar zwei Mal, daß das Boot Wasser schöpfe; aber der Major Mac Gregor streckte die Hand aus und tief mit starker Stimme:

»Der, welcher den Apostel über die Wogen schreiten ließ, wird auch unsere Frauen und Kinder über denselben halten. Laßt die Taue los!«

Der Major hatte seine Gattin und seinen Sohn in dem Boote. Der Befehl war jedoch leicht zu geben, aber er mußte auch ausgeführt werden.

Die Einschiffung sollte folgendermaßen von Statten gehen:

Um keine Vorsichtsmaßregel zu versäumen, hatte der Kapitain bloß an jedes Ende des Boots einen mit einem Beile bewaffneten Mann postiert, welcher Befehl hatte, augenblicklich die Taue der Flaschenzüge zu kappen, wenn es die mindeste Schwierigkeit machte, die Haken derselben auszuheben.

Die Schwierigkeit der ganzen Operation mit einem so schwer beladenen Boot und bei einem solchen Wetter kann nur ein Seeman beurtheilen.

In der That, als die Leute, denen das schwierige Geschäft übertragen war, es einige Mal versucht hatten, das Boot sanft auf das Wasser niederzulassen, wurde der Befehl gegeben, die Taue auszuhaken. Am Hintertheil ging die Sache ganz gut und der Haken wurde in einem Augenblicke ausgehoben; am Vordertheile dagegen verwickelten sich die Taue und der auf diesem Posten stehende Matrose konnte den erhaltenen Befehl nicht ausführen. Umsonst bediente er sich sogleich des Beiles; er konnte das Tau nicht kappen, da es nicht straff angespannt war. Da nun das Boot nur noch an dem einen Ende festgehalten wurde so mußte es allen Bewegungen der Wellen folgen, und da es eben von einer solchen hoch emporgehoben wurde, so daß es fast senkrecht am Vordertheile hing, glaubte man einen Augenblicke daß es seinen ganzen Inhalt in das Meer schütten werde. Ein beispielloses Glück aber fügte es daß im nächsten Augenblicke das Hintertheil des Bootes durch eine neue Welle wieder gehoben wurde, als ob die Hand Gottes den Bewegungen des Schiffes die Wage gehalten hätte.

 

So gelang es jetzt endlich, den Haken des Taues auszuheben und die Schaluppe schwamm auf dem Meere.

Die Ruder wurden auf der Stelle eingesetzt und die auf dem Schiffe Zurückgebliebenen vergaßen ihre eigene Gefahr, um an die Schanzverkleidung zu treten und zu sehen, weiches Schicksal den Fortfahrenden bevorstand.

Sie konnten nun die Schaluppe mit den Wellen kämpfen sehen, wie sie bald auf dem Gipfel eine Woge als ein dunkler Punkt erschien, bald in die Tiefe geschleudert wurde und verschwand, um im nächsten Augenblicke wieder zu erscheinen.

Das Schauspiel war um so schrecklicher, als die Entfernung zwischen dem »Kent« und der »Cambria« fast eine Meile betrug, denn letztere hatte deshalb in so großer Entfernung beigelegt, um im Falle der Explosion den brennenden Trümmern des in die Luft fliegenden Schiffes zu entgehen, und besonders auch, um nicht im Bereiche der scharf geladenen Kanonen zu sein, die sich nach und nach entluden, wenn das Feuer sie erreichte.

Von dem Gelingen oder Mißlingen dieses ersten Versuches hing es daher ab, ob man noch auf Rettung hoffen durfte, oder sich mit dem Gedanken des unvermeidlichen Unterganges vertraut machen mußte.

Es läßt sich demnach leicht denken, mit welcher ängstlichen Spannung nicht nur die Väter, Brüder und Gatten, sondern auch Diejenigen, welche nur ein persönliches Interesse daran hatten, dem kostbaren Boote nachblickten.

Um das Fahrzeug möglichst im Gleichgewicht zu erhalten und damit die Matrosen beim Rudern nicht zu sehr gehindert würden, hatte man die Frauen und Kinder bunt durch einander unter die Bänke gepfercht. Diese unbedingt nothwendige Maßregel setzte sie jedoch der Gefahr aus, durch den Schaum ertränkt zu werden, den jede Welle in's Boot warf und der sich alsbald in Wasser verwandelte, welches immer höher stieg, so daß die Frauen, als man sich der »Cambria« näherte, bis an die Hüften im Wasser saßen und ihre Kinder auf den Schooß nehmen oder in die Höhe halten mußten.

Nach einer halbstündigen Fahrt endlich, während der die Unglücklichen zwischen Leben und Tod schwebten, kam die Schaluppe bei der Brigg an.

Auf dem brennenden Schiffe konnte man Beide noch sehen; aber die Einzelheiten der Ausschiffung waren nicht zu unterscheiden.

Der erste Mensch, welcher aus dem Boote auf die Brigg gelangte, war der erst drei Wochen alte Sohn des Majors Mac Gregor, der von Mr. Thomson, dem vierten Leutnant des »Kent« und Befehlshaber der Schaluppe, seiner Mutter abgenommen und den Leuten hinaufgereicht wurde, welche von der Brigg herab die Arme ausstreckten, um ihn in Empfang zu nehmen.

So wurde das fromme Gottvertrauen des wackeren Majors belohnt.

Sämmtliche Kinder und Mütter wurden auf diese Weise glücklich an Bord der Brigg geschafft und gerettet.

Dann kamen die Frauen, welche keine Kinder hatten, an die Reihe, und als auch sie in Sicherheit waren, fuhr das Boot so rasch als möglich nach dem »Kent« zurück, um eine neue Ladung zu holen.

Als die Matrosen, Soldaten und Passagiere die leeren Boote zurückkommen sahen und die Ueberzeugung hatten, daß ihre Frauen und Kinder glücklich gerettet waren, vergaßen sie über die Freude, ihre Lieben in Sicherheit zu wissen, ihre eigene lebensgefährliche Lage und richteten, zwischen zwei gähnenden Abgründen schwebend, ein inbrünstiges Dankgebet zum Himmel.

Die Bote versuchten es jedoch vergebens, wieder dicht an den »Kent« heran zukommen; es war ihnen wegen der rasenden Wuth, mit der die Wellen die Flanken des Schiffes peitschten, geradezu unmöglich. Die Fahrzeuge mußten daher am Hintertheile bleiben und die Frauen und Kinder zu Zwei und Zwei an Tauen hinuntergelassen werden. Da aber das Schiff fortwährend heftig schwankte, und eine Weile das Boot zuweilen in dem Augenblicke, wo sie niedergelassen werden sollten, auf die Seite warf, wurden sie oft mehrere Male in's Wasser getaucht, ehe sie in das Fahrzeug gelangten.

Es kam indessen nicht eine einzige Frau um. Nicht so glücklich waren die Kinder, in deren schwacher Brust der Athem leichter erlosch, und es geschah mehr als einmal, daß nach diesem entsetzlichen Taufen die Mutter lebend und das Kind todt in der Schaluppe ankam.

Dies war der Anfang der Schreckensszenen.

Einige Soldaten ließen sich ihre Kinder, um sie rascher in Sicherheit zu bringen, oder ihren Frauen die Anstrengung zu erleichtern, auf den Rücken binden und sprangen in's Meer und fanden mit ihnen in den tobenden Fluthen ihr Grab.

Ein junges Mädchen wollte ihren Vater, einen alten Soldaten, der auf seinen Posten gefesselt war, nicht verlassen; sie mußte von seinen Knieen gerissen werden, die sie umklammert hatte, wurde trotz ihres Gejammers an das Tau gebunden und hinuntergelassen. Fünf Mal wurde sie durch das Wasser fast erstickt, und erst das sechste Mal kam sie ohnmächtig in der Schaluppe an. Man hielt sie für todt und wollte sie schon in's Meer werfen, als sie wieder Lebenszeichen gab; sie wurde gerettet.

Ein Mann kam in die entsetzliche Alternative, entweder seine Gattin, oder seine Kinder zu verlieren; ohne Zaudern entschied er sich für die Gattin, sie wurde gerettet; seine vier Kinder aber kamen um.

Ein Soldat, ein großer, starker Mann und vortrefflicher Schwimmer, der keine Familie hatte, erbot sich, drei von den Kindern seiner Kameraden zu retten, ließ sie sich auf den Rücken binden und sprang mit seiner kostbaren Bürde in's Meer. Aber vergebens strengte er sich an, das Boot zu erreichen; endlich warfen seine Kameraden, die ihn mit der Kraft der Verzweiflung gegen die Wogen kämpfen sahen, ein Tau zu, er ergriff es und wurde an Bord gezogen.

Ein Matrose fiel in eine Luke und wurde binnen wenigen Secunden von den Flammen verschlungen, als ob er in den Krater eines Vulkans gestürzt wäre.

Einem Andern wurde das Rückgrat zerschmettert und zwar dergestalt, daß er buchstäblich zusammen knickte und auf der Stelle todt blieb.

Ein Andrer gerieth bei der Ankunft zur Seite der »Cambria« mit dem Kopfe zwischen die Wände des Boots und der Brigg, und der Kopf wurde ihm zerquetscht.

Die Vorsicht, welche bei der Einschiffung der Frauen und Kinder beobachtet werden mußte, raubte indessen eine kostbare Zeit. Der Kapitain Cobb gab nun Befehl, daß mit den Frauen einige Soldaten aufgenommen werden sollten. Diese aber mußten selbst zusehen, wie sie in das Boot gelangten.

Diese Erlaubniß gereichte mehreren zum Verderben. Die Hälfte von ungefähr zwölf Mann, welche auf der Stelle in's Meer sprangen, fanden ihren Tod.

Die Launen des Schicksals sind zuweilen sonderbar. Einer von diesen Leuten hatte eine Gattin, die er zärtlich liebte, die aber zu den Frauen gehörte, denen es nicht gestattet worden war, das Regiment zu begleiten.

Sie beschloß, das Verbot zu umgehen.

Sie folgte dem Regiment heimlich nach Gravesend. Hier gelang es ihr unter dem Beistande ihres Gatten und einiger Kameraden desselben, die Wachsamkeit der Schildwachen zu täuschen und sich auf das Schiff zu schleichen, wo sie sich mehrere Tage so gut zu verbergen wußte, daß Niemand ihre Anwesenheit bemerkte. Bei Deal aber wurde sie entdeckt und an's Land zurückgeschickt, fand aber mit der Beharrlichkeit, der nur die Frauen fähig sind, abermals Mittel und Wege, um auf das Schiff zu kommen und hielt sich unter den andern Frauen bis zu dem Tage des Unglücks verborgen.

In der jetzt herrschenden Angst und Verwirrung achtete Niemand auf sie, und als die Reihe an sie kam, wurde sie ebenfalls an dem Taue in die Schaluppe hinuntergelassen. Kaum sah ihr Gatte, daß sie in Sicherheit war, so benutzte er die vom Kapitain ertheilte Erlaubniß, sprang in's Meer und hatte, da er ein vorzüglicher Schwimmer war, die Schaluppe bald erreicht.