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XIV
Wo von Carmelite die Rede ist

Wir haben gesagt, unter diesem ganzen Luststücke von Frauen seien nur vier bis fünf Männer gewesen. Benützen wir es, daß die Gesellschaft nicht zahlreicher ist, um uns in dieses Salongeschwätz zu mischen, das gewöhnlich so viel Worte gebraucht, um so wenig zu sagen.

Der Lärmendste von diesen fünf Privilegirten des Boudoir von Frau von Marande war ein junger Mann, den wir unter schmerzlichen oder unheilvollen Umständen gesehen haben. Es war Herr Lorédan von Valgeneuse, der von Zeit zu Zeit, an welchem Orte des Boudoir er auch war, und mit welcher Dame er auch sprach, einen Blick schnell wie der Blitz und von seltsamer Bedeutung mit seiner Schwester, Fräulein Susanne von Valgeneuse, der Pensionsfreundin der armen Mina, wechselte.

Herr Lorédan war ein wahrer Salonmensch; kein Mund wußte besser zu lächeln, kein Blick wußte besser zu komplimentieren; er besaß im höchsten Grade die Höflichkeit, welche an die Unverschämtheit grenzt, und von 1820 bis 1827, hatte ihn noch Niemand in der Kunst, seine Halsbinde anzulegen und daran, selbst ganz behandschuht, den Knoten nach der neusten Mode zu machen, ohne den Atlaß oder den Batist zu zerknittern, entthronen können.

Er plauderte in diesem Augenblicke mit Frau von Marande, deren Rococo- Fächer er als wahrer Liebhaber der Vanloo und Boncher vom Trödel bewunderte.

Derjenige, welcher nach Lorédan die Blicke der Frauen anzog, – weniger wegen seiner Schönheit und seiner Eleganz, als wegen seines schon durch drei bis vier Theatersuccesse und durch eine mehr noch originelle als geistreiche Conversation gegründeten Rufes, – war der Dichter Jean Robert. Unter der Zahl der gedruckten Einladungen, die seine ersten Triumphe um ihn regnen gemacht halten, und auf welche zu antworten er sich wohl hütete, hatten ein paar autographirte Einladungen der schönen Lydie, – welche aus ihrem Salon das literarische Rendez-vous machen wollte, wie ihr Gatte aus dem seinigen das politische Rendez-vous der großen Männer der Zeit zu machen beabsichtigte, – seine Bedenklichkeiten überwunden. Ohne einer der emsigsten Besuche von Frau von Marande zu sein, war er doch einer ihrer Habitués, und bei jeder Sitzung, die sie seit drei Wochen seinem Freunde Petrus gegeben hatte, war er gewissenhaft gegenwärtig gewesen, in der Absicht, mit der reizenden jungen Frau plaudernd ihrem Portrait Belebtheit zu geben. Man muß sagen, daß es auch diesmal Jean Robert geglückt war, und daß nie der Blick und das Lächeln den Lydie, der eine glänzender, das andere belebter gewesen waren.

Herr von Marande machte hierüber an diesem Abend, – das Portrait war erst seit zwei Tagen im Hotel zurück, – Herr von Marande, sagen wir, machte hierüber an demselben Abend Jean Robert sein Compliment und dankte ihm für die Gefälligkeit, mit der er für Frau von Marande das Langweilige des Sitzens abgekürzt habe.

Jean Robert wußte Anfangs nicht, ob Herr von Marande im Ernste sprach oder spottete; rasch auf das Gesicht des Banquier zurückgeworfen, glaubte sein Blick sogar einen Moment auf diesem Gesichte einen ironischen Ausdruck zu ertappen.

Doch die Augen der zwei Männer hefteten sich auf einander mit einem gewissen Ernste, und sich verbeugend wiederholte nun Herr von Marande die Worte:

»Herr Jean Robert, ich spreche im Ernste, und Frau von Marande vermöchte mir kein größeres Vergnügen zu machen, als wenn sie die Bekanntschaft eines Mannes von Ihrem Verdienste kultivieren würde.«

Und er reichte ihm so treuherzig die Hand, daß ihm Jean Robert die seinige mit gleicher Treuherzigkeit gab, obschon diese Treuherzigkeit von Seiten des jungen Dichters nicht ganz von einem gewissen Zögern frei zu sein schien.

Die dritte Person, mit der wir uns beschäftigen werden, ist unser Einführer Petrus. Wir wissen, welches Gestirn ihn anzieht. Nachdem die üblichen Complimente Frau von Marande, Jean Robert, seinem Oheim, dem alten General Herbel,– der in einer Ecke so mühsam verdaute, daß ihm seine Verdauung eine würdige und ernste Miene gibt, – gemacht und die Damen in Masse gegrüßt sind, hat er nach einem Augenblicke Mittel gefunden, sich auf die Causeuse zu stützen, auf der die schöne Regina, halb liegend, einen Strauß von parmesanischen Veilchen entblätterte, sicher, es werden, wenn sie aufgestanden sei und den Platz geändert habe, die von ihr enthaupteten Veilchen nicht verloren sein.

Die fünfte Person ist ganz einfach ein Tänzer.

Er gehört zu der von den Gebieterinnen des Hauses sehr geschätzten Race, mit denen sich aber die Poesie, der Roman und die Malerei nur zu beschäftigen haben, wie sich ein Inscenirer mit einem Comparsen beschäftigt.

Wir sagten, Lorédan habe mit Frau von Marande geplaudert; auf den Marmor des Kamins gestützt, habe sie Jean Robert angeschaut; Petrus habe mit Regina gesprochen, lächelnd bei jedem Veilchen, das den schönen Händen seiner Gottheit entfiel; der General Herbel habe mühsam auf einem Sopha verdaut; der Tänzer endlich habe seine Contretänze eingeschrieben, um chronologisch auf seine Tänzerin zuzustürzen, so oft das Orchester, das sich erst um Mitternacht sollte hören lassen, in die duftende Atmosphäre der Salons seine Roten der Aufforderung zu einer neuen Quadrille werfen würde.

Um genau zu sein, müssen wir sagen, daß das Bild, das wir zu malen versucht haben, keine Beständigkeit hatte. Von Minute zu Minute meldete man einen neuen Namen; die durch den Namen bezeichnete Person trat ein: war es eine Frau, so ging ihr Madame de Marande entgegen, und je nach dem Grade der Vertraulichkeit, in dem sie mit dieser Frau stand, küßte sie dieselbe oder beschränkte sie sich darauf, daß sie ihr die Hand drückte; war es ein Mann, so nickte sie mit dem Kopfe, begleitete dieses Nicken mit einem anmuthigen Lächeln und sogar mit ein paar Worten, bezeichnete sodann der Frau einen freien Sitz, dem Manne die Gewächshausgallerie, und ließ aus den Neuangekommenen werden, was sie wollten, gefiel es Ihnen nun, die Schlachten von Horace Vernet, die Seestücke von Gudin, die Aquarellen von Decamps zu betrachten, oder zogen sie es vor, eine Privatconversation anzuknüpfen, oder einen Fetzen an jene Art von allgemeiner Conversation zu nähen, welche immer in einem Salon umherflattert, und an die sich die Leute anhängen, welche weder zu zwei zu plaudern, noch, – was bedeutend schwieriger ist, – zu schweigen wissen!

Einer, der ein Interesse gehabt hätte, dies wahrzunehmen, hätte bemerken können, daß trotz aller Ortsveränderungen, welche die Ankunft der neuen Gäste der Gebieterin des Hauses auferlegte, wo sich auch Frau von Marande, nachdem sie ihre Reverenz gemacht, nachdem sie ihren Kuß gegeben hatte, oder ihr Händedruck vollendet war, wiederfand, Herr Lorédan von Valgeneuse das Talent besaß, sich auch wieder bei ihr zu finden.

Lydie bemerkte diese Beharrlichkeit, und mißfiel sie ihr nun wirklich, oder befürchtete sie, eine andere Person könnte sie auch bemerken, sie versuchte es, ihr zu entgehen; ein erstes Mal, indem sie sich an die Seite von Regina setzte und für einige Augenblicke das süße Gespräch der zwei jungen Leute unterbrach, – ein Egoismus, den sie sich sehr schnell zum Vorwürfe machte: – ein zweites Mal, indem sie sich unter die Fittige des alten Voltairianers flüchtete, den wir als einen so strengen Beobachter der Data bei seiner Unterredung mit der Marquise de la Tournelle gesehen haben.

Diesmal wollte Frau von Marande hartnäckig aus dem Herzen des alten Grafen das Geheimniß ziehen, das ein gewöhnlich lächelndes, mehr als lächelnd, spöttisches Gesicht sorgenvoll machte.

Aber kam nun der Kummer des Grafen aus seinem Herzen oder, – was für ihn noch viel ernster war, – aus seinem Magen, er schien ganz und gar nicht entschlossen, Frau von Marande zur Vertrauten seines Geheimnisses zu machen.

Einige Worte von ihrem Gespräche gelangten bis zu Petrus und Regina und entzogen sie ihrer Entzückung.

Die zwei jungen Leute wechselten einen Blick.

Von Seiten Reginas bedeutete dieser Blick:

»Wir sind sehr unklug, Petrus! seit einer halben Stunde plaudern wir mit einander eben so rückhaltlos, als ob wir im Gewächshause des Boulevard des Invalides wären.«

»Ja,« antwortete der Blick von Petrus, »sehr unklug, es ist wahr, aber sehr glücklich, meine Regina!«

Sodann, als sie einen Blick gewechselt hatten, wechselten die zwei jungen Leute aus der Ferne und durch ein einfaches Schauern der Lippen einen von jenen Küssen, die das Herz dem Herzen schickt: und als würde er auf eine natürliche Art durch das Gespräch seines Oheims mit Frau von Marande angezogen, näherte sich Petrus diesen und sagte, das Lächeln der Sorglosigkeit auf den Lippen als ein verzogenes Kind, das sich berechtigt glaubt, Alles zu sagen:

»Mein Oheim, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß, wenn Sie nicht Frau von Marande, die Ihnen die Ehre erwiesen hat, Sie zweimal nach der Ursache Ihrer Sorgen zu fragen, – bei unserem Ahnherrn Josselin II., den man Josselin den Galanten nannte, anderthalb Jahrhunderte, ehe die Galanterie erfunden war, bei diesem auf dem Ehrenfelde der Liebe gestorbenen Ahnherrn schwöre ich Ihnen, mein Oheim, daß ich Sie Madame denunzieren und die wahre Ursache Ihres Kummers enthülle, so geheimnißvoll sie auch sein mag.«

»Enthülle, mein Junge,« sagte der General mit einer gewissen Miene von Traurigkeit, welche in Petrus Zweifel erregte, ob sein Oheim allein unter der Bangigkeit einer mühsamen Verdauung leide, »enthülle, doch willst Du mir glauben, so wirst Du vor der Enthüllung Deine Zunge siebenmal im Munde umdrehen, aus Furcht, Dich zu verirren.«

»Oh! ich fürchte nichts!« erwiderte Petrus.

»So sprechen Sie geschwinde, Herr Petrus, denn ich sterbe vor Unruhe,« sagte Frau von Marande, welche auch ihre Zunge siebenmal im Munde umzudrehen schien, ehe sie den wahren Gegenstand des Gespräches, der sie hierher geführt hatte, in Angriff nahm.

 

»Sie sterben vor Unruhe, Madame?« erwiderte der alte General; »nun wohl, das übersteigt ganz und gar meinen Scharfsinn! Sollte ich zufällig so glücklich sein, daß Sie irgend eine Gunst von mir zu verlangen hätten, und befürchten Sie, meine schlechte Laune könnte auf meine Antwort Einfluß üben?«

»O tiefe Philosophie!« sagte Frau von Marande, »wer hat Ihnen denn so die Geheimnisse des menschlichen Herzens geoffenbart?«

»Geben Sie mir Ihre schöne Hand, Madame.«

Lydie reichte dem alten General die Hand, nachdem sie die Artigkeit gehabt hatte, ihren Handschuh auszuziehen.

»Welch ein«Wunder!« sprach der General; »ich glaubte, es gebe keine solche Hände mehr.«

Er zog sie an seine Lippen; sodann inne haltend, sagte er:

»Oh! bei meiner Treue, es ist eine Ruchlosigkeit, wenn sechsundsechzigjährige Lippen einen solchen Marmor berühren!«

»Wie!« versetzte Frau von Marande, sich zierend, »Sie weigern sich, meine Hand zu küssen, General?«

»Diese Hand, gehört sie mir für eine Minute als volles Eigenthum?«

»Als volles Eigenthum, General.«

Der General wandte sich gegen Petrus um und sagte:

»Nähere Dich, Junge, und küsse mir diese Hand.«

Petrus gehorchte.

»Gut! und nun nimm Dich in Acht, denn nach einem solchen Geschenke glaube ich, daß es mir freisteht, Dich zu enterben.«

Dann sprach der alte Graf zu Frau von Marande:

»Geben Sie Ihre Befehle, Madame, Ihr unwürdiger Diener erwartet sie auf den Knieen.«

»Nein, ich bin Weib und halsstarrig. Ich will vor Allem wissen, was Sie sorgenvoll macht, mein lieber General.«

»Sie haben diesen Burschen, der es Ihnen sagen wird! Ah! Madame, in seinem Alter hätte ich mich tödten lassen, um eine solche Hand zu küssen! Oh! daß das Paradies nicht wieder zu verlieren ist, und daß ich nicht Adam bin!«

»Ah! General,« sagte Frau von Marande, »man kann nicht, zugleich Adam und die Schlange sein. – Nun, Herr Petrus, erzählen Sie uns, was Ihrem Oheim begegnet ist.«

»Madame, vernehmen Sie, wie sich die Sache verhält. Mein Oheim, der die Gewohnheit hat, sich durch die Meditation auf alle wichtige Arte seines Lebens vorzubereiten, pflegt zu diesem Ende eine Stunde vor seinem Mittagessen allein zu bleiben, und ich glaube . . . «

»Sie glauben?«

»Ich glaube, daß er heute in seiner theuren Einsamkeit gestört worden ist.«

»Das ist es nicht,« sagte der General, »Du hast die Zunge nur siebenmal gedreht, drehe sie vierzehnmal.«

»Mein Oheim,« fuhr Petrus fort, ohne sich darum zu bekümmern, daß ihn der alte General Lügen strafte, »mein Oheim hat heute zwischen fünf und sechs Uhr einen Besuch von der Frau Marquise Yolande Pontaltais de la Tournelle erhalten.«

Regina, welche nur auf eine Gelegenheit wartete, sich Petrus zu nähern, um keines seiner Worte zu verlieren, von denen jede Sylbe ihr Herz schlagen machte, – Regina, als sie den Namen ihrer Tante aussprechen hörte, glaubte, es sei dies eine Gelegenheit, am Gespräche Theil zu nehmen.

Sie stand also von ihrer Causeuse auf und näherte sich sachte der Gruppe.

Petrus sah sie nicht, hörte sie nicht, doch er fühlte sie kommen und schauerte an allen Gliedern.

Seine Augen schlossen sich, seine Stimme erlosch.

Regina begriff, was im Herzen ihres Herzens vorging, und sie empfand darüber eine seltsame Wollust.

»Nun,« sagte sie mit einer Stimme so sanft wie das Vibriren einer Aeolsharfe, »sprechen Sie nicht mehr, weil ich da bin, Herr Petrus?«

»O Jugend! Jugend!« murmelte der Graf Herbel.

Es erhob sich in der That rings um diese Gruppe ein Wohlgeruch von Jugend, von Gesundheit, von Glück und von Heiterkeit, dem es gelang, die Stirne des alten Grafen zu entrunzeln.

Nach dem Blicke, den er auf Petrus warf, hätte man denken sollen, er könne mit einem Worte Alles dies verschwinden machen, doch das Mitleid halte ihn, so egoistisch er war, ab, auf das Wolkenschloß zu blasen, wo sein Neffe wohnte. Er gab ihm dafür im Gegentheile die Flanke bloß.

»Vorwärts, Junge! Vorwärts!« sagte er ; »Du brennst!«

»Nun wohl, da es mein Oheim erlaubt,« fuhr Petrus fort, genöthigt, bei seiner erdichteten Erzählung zu beharren, »so sage ich Ihnen, daß die Marquise de la Tournelle wie alle . . . «

Petrus wollte sagen wie alle alte Weiber, doch vier Schritte von sich erblickte er zu rechter Zeit das verdrießliche Gesicht einer alten Witwe, und sich verbessernd, sprach er:

»Ich wollte Ihnen sagen, die Frau Marquise de la Tournelle habe wie alle Marquisen eine Carline, die man Croupette nennt.«

»Ein reizender Name!« rief Frau von Marande.

»Ich kenne den Namen nicht, doch ich kenne die Carline.«

»Dann können Sie die Wahrheit der Erzählung würdigen,« fuhr Petrus fort. »Es scheint, diese Carline riecht auf eine extravagante Art nach Moschus . . . Bin ich dabei, mein Oheim?«

»Ganz und gar,« erwiderte der alte General.

»Es scheint auch, daß der Moschusgeruch die Eigenschaft hat, die Saucen gerinnen zu machen, und da Mademoiselle Croupette sehr naschhaft ist; da, so oft die Marquise de la Tournelle meinen Oheim besucht, Mademoiselle Croupette den Koch besucht, so wollte ich wetten« daß mein theuerster Oheim heute ein abscheuliches Mittagsbrod gehabt hat, und daß ihn das so düster und schwermüthig macht.«

»Bravo, Junge, man kann unmöglich ein besserer Wahrsager sein: und gleichwohl glaube ich, daß ich, wenn ich gut suchen wollte, was Dich so heiter und zerstreut macht, noch richtiger treffen würde . . . Doch es drängt mich, zu erfahren, was diese schöne Sirene von mir will, und ich werde die Erklärung auf einen andern Tag verschieben.«

Alsdann, sich an Frau von Marande wendend:

»Madame, Sie sagten, Sie haben etwas von mir zu verlangen: ich warte.«

»General,« sprach Frau von Marande, indem sie den Greis mit ihren freundlichsten Augen anschaute, »Sie haben die Unvorsichtigkeit begangen, mehrere Male zu sagen, für meinen persönlichen Dienst gehören Ihre Arme, Ihr Herz, Ihr Kopf, kurz Alles, wobei Sie die freie Verfügung und den freien Gebrauch haben, mir. Nicht wahr, Sie haben mir das gesagt?«

»Das ist die Wahrheit, Madame,« antwortete der Graf mit der Galanterie, die man im Jahre 1827 schon nur noch bei den Greisen traf. »Ich sagte Ihnen, da ich nicht das Glück gehabt habe, für Sie zu leben, so wurde es mir eine große Freude machen, für Sie zu sterben!«

»Und Sie haben immer noch diese lobenswerthe Gesinnung, General?«

»Mehr als Je!«

»Nun wohl, jetzt bietet sich eine Gelegenheit, es mir zu beweisen, das schwöre ich Ihnen.«

»Madame, hatte Ihre Gelegenheit nur ein Haar, ich verspreche Ihnen, sie daran zu fassen.«

»Hören Sie mich also, General.«

»Ich bin ganz Ohr.«

»Gerade von diesem Theile Ihrer Person verlange ich von Ihnen die momentane Entäußerung zu meinen Gunsten.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Ich brauche Ihre Ohren für den ganzen Abend, General.«

»Warum sagten Sie dies nicht sogleich, schöne Dame? Geben Sie mir rasch eine Scheere, und ich bringe Ihnen das Opfer, ohne Furcht, ohne Bedauern, und sogar ohne Vorwurf . . . unter der einzigen Bedingung jedoch, daß Sie nach meinen Ohren nicht auch meine Augen verlangen.

»Ah! General,« erwiderte Frau von Marande, »beruhigen Sie sich! es ist nicht davon die Rede, sie von dem Stamme zu trennen, wo sie mir trefflich angebracht scheinen ; es handelt sich nur darum, sie nach der Seite, die ich Ihnen bezeichnen werde, eine Stunde lang mit ununterbrochener Aufmerksamkeit zu spannen; mit anderen Worten, ich werde die Ehre haben, Ihnen eine von meinen Pensionsfreundinnen, – von den besten, —vorzustellen, – ein Mädchen, das Regina und ich unsere Schwester nennen. Damit sage ich Ihnen, daß sie Ihre ganze Achtung verdient, wie sie unserer ganzen Freundschaft würdig ist. Dieses Mädchen ist Waise.«

»Waise,« wiederholte Jean Robert. »Sagten Sie nicht so eben, Madame, Sie und die Gräfin Rappt seien ihre Schwestern ?«

Frau von Marande dankte Jean Robert und fuhr dann fort:

»Waise von Vater und Mutter . . . Ihr Vater, ein braver Kapitän der Garde, Officier der Ehrenlegion, wurde 1814 bei Champaubert getödtet. – Darum erhielt sie ihre Erziehung mit uns in Saint-Denis. – Ihre Mutter starb vor zwei Jahren in ihren Armen: sie ist arm . . .

»Sie ist arm!« wiederholte der General. »Sagten Sie nicht vorhin, Madame, sie habe zwei Freundinnen?«

»Arm und stolz,« fuhr Frau von Marande fort, und sie will von der Kunst eine Existenz fordern, die ihre Nadelarbeiten ihr verweigern würden . . . Sodann hat sie einen ungeheuren Schmerz, nicht zu vergessen, sondern einzuschläfern.«

»Einen ungeheuren Schmerz?«

»Ah! ja, den größten, den tiefsten Schmerz, den das Herz einer Frau enthalten kann! . . . Sie wissen das nun, General, und Sie werden ihr die Traurigkeit ihres Gesichtes vergeben und ihre Stimme hören.«

»Und,« sagte der General, »verzeihen Sie die Frage, sie ist weniger indiscret, als sie von Anfang zu sein scheint: bei der Laufbahn, für welche sich Ihre Freundin bestimmt, ist die Schönheit nichts Unnützes; – und Ihre Freundin ist schön?«

»Wie die antike Niobe mit zwanzig Jahren, General.«

»Und sie singt?«

»Ich sage Ihnen nicht wie die Pasta, ich sage Ihnen nicht wie die Malibran, ich sage Ihnen nicht wie die Catalani; ich sage Ihnen wie sie selbst . . . Nein, sie singt nicht: sie weint, sie leidet, sie macht leiden und weinen.«

»Was für eine Stimme?«

»Eine herrliche Altstimme?«

»Hat sie sich schon öffentlich hören lassen?«

»Nie! . . . Sie wird heute Abend zum ersten Male vor fünfzig versammelten Personen singen.«

»Und Sie wünschen?«

»Ich wünsche, General, daß Sie, der Sie ein vollendeter Dilettant und besonders ein trefflicher Kenner sind, ich wünsche, daß Sie sie mit allen Ihren Ohren hören, und daß Sie, wenn Sie sie gehört haben, für sie thun, was Sie mich bei einer solchen Gelegenheit würden thun sehen; ich wünsche, daß Sie, wenn Sie mir erlauben, mich Ihrer eigenen Ausdrücke zu bedienen, für unsere geliebte Carmelite leben; – nicht wahr, Reginas – daß Sie nicht einen Augenblick von Ihren Tagen haben, der ihr nicht ausschließlich geweiht wäre; ich wünsche mit einem Worte, daß Sie sich zu ihrem Ritter erklären, und daß sie von dieser Stunde an keinen glühenderen Verteidiger und keinen leidenschaftlicheren Bewunderer habe als Sie. Ich weiß, daß Ihre Meinung das Gesetz in der Oper macht, General.«

»Oh! erröthen Sie nicht« mein Oheim, das ist bekannt.«

»Ich wünsche,« fuhr Frau von Marande fort, »daß Sie diesen Namen meiner Freundin – Carmelite – allen Echos, die Sie zu Freunden haben, wiederholen . . . nicht als wollte ich sie, gegenwärtig wenigstens, bei der Oper engagieren machen: meine Ansprüche gehen nicht so weit; da aber von Ihrer Loge . . . «

»Von der höllischen Loge,« fügte Petrus bei.

»Oh! sagen Sie das Wort, Madame.«

»Gut- . . . da von der höllischen Loge alle Trompeten des Rufes ausgehen; da in der höllischen Lage jeder zukünftige Ruf gerüstet oder jeder gegenwärtige Ruhm niedergerissen wird, so zähle ich auf Ihre wahre und ergebene Freundschaft, daß Sie das Lob von Carmelite an allen Orten singen, welche Sie Ihrer Besuche würdigen: im Clubb, bei den Wettrennen, im Caffé Anglais, bei Tortoni, in der großen Oper, bei den Italienern, ich würde sagen im Schlosse, wäre Ihre Gegenwart in meinem Winkel nicht die höchste Protestation Ihrer politischen Sympathien. Versprechen Sie mir also, meine schöne traurige Freundin so weit und so rasch, als Sie können, zu lanciren, – ist das nicht das geheiligte Wort? Ich werde hierfür eine ewige Dankbarkeit für Sie hegen.«

»Ich verlange einen Monat, um sie zu lanciren, schöne Dame, zwei Monate, um sie engagiren zu machen, und drei Monate, um zu machen, daß man sie hört; will sie nicht etwa in einer neuen Oper debutiren, in welchem Falle es die Sache eines Jahres sein wird.«

»Ah! sie wird in Allem, was man will, debutiren: sie kennt das französische und das italienische Repertoire.«

»In diesem Falle bringe ich Ihnen Ihre Freundin in drei Monaten von den Füßen bis zum Köpfe mit Lorbeeren bedeckt.«

»Sie werden also die Ihrigen mit ihr theilen, General,« sprach Frau von Marande, indem sie ihm ihre Hand reichte und herzlich die des Generals drückte.

»Und ich auch,« sagte eine sanfte Stimme, welche Petrus schauern machte, »ich werde Ihnen auch eine grenzenlose Dankbarkeit weihen.«

»Ich bezweifle es nicht einen Augenblick, Prinzessin,« erwiderte der General, der aus Höflichkeit der Gräfin Rappt ihren Mädchentitel zu geben fortfuhr, und während er antwortete, er zweifle nicht an der Dankbarkeit von Regina, seinen Neffen angeschaut hattet. »Wohl denn,« sagte er, sich an Frau von Marande wendend, »Sie haben mir nur noch die Ehre zu erweisen, Madame, mich Ihrer Freundin als ihren ergebensten Diener vorzustellen.«

 

»Das wird sehr leicht sein, General: sie ist hier.«

»Wie, hier?«

»Ja, hier in meinem Schlafzimmer . . . Ich wollte ihr eine Unannehmlichkeit ersparen; es ist immer verdrießlich für eine junge Frau, alle Salons zu durchschreiten und sich melden zu lassen. Darum sind wir hier in kleinem Comité; darum stand auf gewissen Einladungen von mir: Zehn Uhr, und auf andern: Mitternacht; ich wollte Carmelite einen Kreis von auserwählten und nachsichtigen Freunden machen.«

»Ich danke Ihnen, Madame,« sagte Lorédan, der hierin einen Vorwand fand, um sich in das Gespräch zu mischen, »ich danke Ihnen, daß Sie mich unter die Zahl der Auserwählten gesetzt haben; doch ich grolle Ihnen, daß Sie mich nicht für wichtig genug halten, um mir Ihrer Freundin zu empfehlen.«

»Oh!« erwiderte Frau von Marande, »Sie sind zu kompromittierend, Herr Graf, als daß man Ihnen eine junge Person von zwanzig Jahren empfehlen könnte. Überdies wird die Schönheit von Carmelite sie hinreichend bei Ihnen empfehlen.«

»Der Augenblick ist schlecht gewählt, Madame, und ich betheure Ihnen, daß zu dieser Stunde eine einzige Schönheit . . . «

»Verzeihen Sie,« unterbrach eine Stimme mit der größten Sanftmuth und mit ausnehmender Höflichkeit, »ich habe Frau von Marande ein Wort zu sagen.«

Lorédan wandte sich, die Stirne faltend, um; als er aber Herrn von Marande selbst erkannte, der, ein Lächeln auf den Lippen, seiner Frau den Arm reichte, trat er rasch zurück.

»Sie haben mir etwas zu sagen, mein Herr?« fragte Frau von Marande, indem sie liebevoll den Arm ihres Gatten drückte. »Reden Sie!«

Sodann sich umwendend:

»Sie entschuldige, General.«

»Glücklich, wer solche Rechte hat,« erwiderte der General Herbel.

»Was wollen Sie, Generals« sagte lachend Frau von Marande; »das sind die Herrenrechte.«

Und sie zog sich, aus den Arm ihres Gatten gestützt, sachte aus dem Kreise zurück.

»Ich bin nun zu Ihren Befehlen, mein Herr.«

»Wahrhaftig, ich weiß nicht, wie ich Ihnen das sagen soll. Es ist eine Sache, die ich völlig vergessen hatte, und der ich mich glücklicher Weise so eben erinnere.«

»Sprechen Sie.«

»Herr Thompson, mein Correspondent von den Vereinigten Staaten, hat mir einen jungen Mann und eine junge Frau von Louisiana empfohlen, die einen Creditbrief auf mich haben. Ich habe Ihnen eine Einladungskarte für Ihre Soirée zugeschickt, und nun sind mir ihre Namen entfallen.«

»Nun?«

»Ich verlasse mich auf Ihren Scharfsinn, daß Sie zwei fremde Gesichter erkennen, und auf Ihre Höflichkeit, daß Sie freundlich zwei von Herrn Thompson empfohlene Personen empfangen . . . Dies, Madame, ist Alles, was ich Ihnen zu sagen hatte.«

»Zählen Sie auf mich, mein Herr,« erwiderte mit einem reizenden Lächeln Frau von Marande.

»Meinen Dankt . . . Lassen Sie mich Ihnen nun alle meine Complimente machen; Sie sind immer schön, doch heute Abend sind Sie wahrhaft glänzend.«

Und seiner Frau galant die Hand küssend, führte sie Herr von Marande bis an die Thüre ihres Schlafzimmers; Lydie hob den Vorhang auf und sagte:«

»Wann Du willst, Carmelite . . . «