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»Ja . . . Ist es nicht zu verkaufen?«

»In der That, heute Morgen habe ich diesen Anschlagezettel an der Facade gesehen: doch der Teufel soll mich holen, wenn ich weiß, wer ihn angenagelt hat.«

Man begreift, daß diese Meinung des Coiffeur, die mit der meinen zusammentraf, meine Neugierde vermehrte, statt sie zu vermindern.

»Können Sie mir ein Mittel angeben, in dieses Haus hineinzukommen und es zu sehen?«

»Ei! klopfen Sie an diesen Keller und fragen Sie.«

Und so sprechend, deutete der Coiffeur aus eine Art von Aushöhlung, welche auf der Straße gähnte, und in die man aus einer Treppe von fünf bis sechs Stufen hinabstieg.

Auf die letzte Stufe gelangt, wurde ich von einem materiellen Hindernisse ausgehalten: dieses materielle Hinderniß war ein großer Hund, schwarz wie die Nacht: kaum konnte man ihn in der Dunkelheit unterscheiden: seine Augen und seine Zähne glänzten in der Finsternis, ohne daß man den Leib sah, dem sie angehörten: er schien das Schutzungeheuer dieser Höhle zu sein. Er lag, doch er richtete sich aus, stellte sich quer, knurrte dumpf und wandte den Kopf nach meiner Seite.

Das Knurren schien einen Menschen herbeizurufen . . . Es war wohl der Herr dieses fantastischen Hundes und der Bewohner dieser geheimnißvollen Höhle!

Das reelle Leben, die menschlichen Personen waren drei Schritte hinter mir: ich berührte sie noch mit der Hand, und dennoch war meine Einbildungskraft so lebhaft ergriffen, daß es mir schien, das Hinabsteigen dieser fünf Stufen habe genügt, um mich mit einer andern Welt als die unsere in Berührung zu setzen.

Der Mensch, wie der Hund, hatten in der That einen eigenthümlichen Charakter. Er war schwarz gekleidet und trug aus dem Kopfe einen schwarzen Filzhut, dessen ungeheure Krämpe sein schwarzes Gesicht umrahmte, in welchem, wie in dem des Hundes, die Augen und die Zähne glänzten.

»Was wollen Sie?« fragte er mit einer rauhen Stimme, indem er sich mir näherte.

»Das Haus sehen, das zu verkaufen ist,« antwortete ich.

»Zu dieser Stunde?« bemerkte der schwarze Mann.

»Ich begreife, welche Störung Ihnen dies verursachen muß . . . doch seien Sie ruhig!«

Und ich ließ majestätisch in meiner Tasche ein paar Geldstücke klingen, die einzigen, die ich besaß.

»Man kommt nicht zu dieser Stunde, um ein Haus zu besichtigen,« entgegnete der schwarze Mann zwischen seinen. Zähnen, indem er den Kopf schüttelte.

»Sie sehen wohl, daß dies doch geschieht, da ich da bin,« sagte ich.

Ohne Zweifel schien das Argument dem schwarzen Manne unwiderlegbar.

»Gut,« sprach er, »Sie sollen es sehen.«

Und er drang in die Tiefen der Höhle ein. Ich gestehe, ich hatte einen Augenblick des Zögerns, ehe ich ihm zu folgen mich entschloß; endlich aber entschloß ich mich.

Beim ersten Schritte fühlte ich mich aufgehalten: meine Brust hatte an die flache Hand des schwarzen Mannes gestoßen.

»Man tritt durch die Rue d’Enfer, und nicht hier ein,« sagte er.

»Die Hausthüre ist aber in der Rue de l’Est,« wandte ich ein.

»Das ist möglich,« erwiderte der schwarze Mann; »doch Sie werden nicht durch die Hausthüre eintreten.«

Ein schwarzer Mensch kann seine Fantasien haben wie ein weißer Mensch: ich beschloß also, die meines Führers zu achten.

Ich verließ den Keller, in dessen Innerem ich übrigens nur ein paar Schritte gemacht hatte, und befand mich wieder aus der Straße.

Der schwarze Mann folgte mir, selbst gefolgt von seinem Hunde und in seiner Hand seinen Stock haltend.

Beim Scheine der Laternen schien es mir, er werfe mir einen schlimmen Blick zu.

Dann sprach er zu mir mit düsterer Stimme, im dem er mit dem Ende seines Stockes aus die Rue du Val-de-Grace deutete: .

»Gehen Sie rechts.«’

Und er rief seinen Hund zurück, der, mich mit einer empörenden Indiskretion beriechend, – als ob das beste Stück meiner Person in einem gegebenen Momente ihm gehören sollte, – mir einen Blick zuwarf, welcher das Seitenstück zum Blicke seines Herrn bildete, und sich von mir entfernte; alsdann verschwanden Herr und Hund links, während ich mich gegen rechts wandte.

Vor dem Gitter angelangt, blieb ich stehen.

Durch die Gitterstangen tauchte mein Blick in die mysteriösen Tiefen dieses Gartens, welchen zu besichtigen mir endlich gestattet ward. Es war ein seltsames Schauspiel, melancholisch, anbetungswürdig, allerdings ein wenig düster, aber unaussprechlich ergreifend. Der Mond, der so eben ausgegangen war und in seiner ganzen Pracht glänzte, setzte aus die Stirne der großen Baume etwas wie eine Krone von Opal, von Perlen und von Diamanten; die hohen Gräser funkelten Smaragden ähnlich; die Glühwürmer sandten, da und dort in den Tiefen des Waldes zerstreut, den Veilchen, den Moosen und dem Epheu ihre bläulichen Scheine zu; bei jedem Winde kamen endlich, wie aus den Wäldern Asiens, tausend unbekannte Wohlgerüche und tausend geheimnißvolle Geräusche hervor, welche die Bezauberung der Augen durch die Wollust des Gehörs und des Geruchs vervollständigten.

Welche Glückseligkeit mußte es für den Dichter sein, der, Paris mitten in Paris entschlüpfend, das Recht hatte, Tag und Nacht in diesem Zauberlande zu lustwandeln!

Ich war in diese stumme Betrachtung versunken, als sich ein Schatten zwischen mich und das magische Schauspiel, das ich vor den Augen hatte, zu stellen schien.

Es war mein schwarzer Mann, der durch das Innere gegangen war und am Gitter erschien.

»Wollen Sie immer noch herein?« fragte er.

»Mehr als je!« antwortete ich.

Und nun entstand ein Geräusch von Riegeln, die man zog, von eisernen Stangen, die man aushob, von Ketten, die man entrollte, ein Geklirr von altem Eisenwerk, ziemlich ähnlich dem der eisenbeschlagenen Gefängnißthüren, die man schwerfällig hinter dem Gefangenen niederfallen läßt.

Doch das war nicht Alles: als der schwarze Mann diese verschiedenen Operationen, welche bei ihm ein tiefes Studium der Schlosserei beurkundeten, vollendet hatte; als er die Thüre von allem Geräth, das sie verbarricadirte, befreit hatte, und ich mich. indem ich mit meinen ungeduldigen Händen an die Gitterstangen drückte, anstemmte, um sie auf ihren Angeln rollen zu machen, da weigerte sich das Gitter völlig, trotz der Anstrengungen, die der schwarze Mann selbst vollbrachte, trotz des Gebells des Hundes, – den man hörte, ohne ihn zu sehen, und der wirklich unsichtbar blieb, so maßlos hoch waren die großen Gräser.

Der schwarze Mann wurde zuerst müde; ich, ich hätte bis zum nächsten Morgen fortgearbeitet.

»Kommen Sie an einem andern Tage,« sagte er zu mir.

»Warum dies?«

»Weil ein Berg von Erde vor der Thüre ist, und man diesen vorher wegräumen muß.«

»Räumen Sie ihn weg.«

»Wie, ich soll ihn heute Abend wegräumen?«

»Allerdings; da Sie früher oder später dieses Geschäft verrichten müssen, so ist es besser, sie thun es sogleich.«

»Sie haben also große Eile?«

»Ich reise morgen auf drei Monate ab.«


»Dann lassen Sie mir Zeit, eine Haue und einen Spaten zu holen.«

Und er verschwand mit seinem Hunde unter dem dichten Schatten, den die Riesenbäume um sich her verbreiteten.

In der That, hatte nun der Westwind seit langen Jahren an die Thüre Staubwolken getrieben und der fallende Regen einen Mörtel daraus gemacht, oder war es eine einfache Aufquellung des Bodens, es hatte sich jenseits des Gitters, auf der

Seite des Gartens, ein Hügelchen von ungefähr achtzehn Zoll Höhe gebildet, das durch das große, an den eisernen Gitterstangen emporsteigende Gras verborgen war.

Nach einem Augenblicke kam der schwarze Mann mit einer Haue zurück. Durch das Gitter und mit den riesigen Verhältnissen, die meine Einbildungskraft, in ihrer Exaltation, den gewöhnlichen Dingen gab, machte er auf mich den Eindruck eines mit seiner Framea bewaffneten Galliers; es war nur die rußschwarze Oberhaut, was der Aehnlichkeit schadete.

Er fing an die Erde aufzuhacken; so oft sein Werkzeug wieder niederfiel, stieß er eine Art von Seufzer aus, ähnlich denen, welche die Bäcker von sich geben, und von denen ihr Name geindres15 herrührt.

Das war die Zeit, wo Löwe Weimars Hoffmann übersetzt hatte; ich hatte den Kopf voll von den Geschichten: das Majorat, Kater Murr, die Cremoneser Geige; ich war überzeugt, ich schwimme mitten in einer Fantasiewelt.

Nach einigen Augenblicken hörte der schwarze Mann zu arbeiten auf, stützte sich auf seine Haue, und sagte zu mir:

»Nun ist es an Ihnen.«

»Wie, an mir?«

»Ja . . . Drücken Sie.«

Ich gehorchte dieser Aufforderung, und drückte und stieß mit den Händen und den Füßen an die Thüre; sie machte noch einen Augenblick Umstände, endlich aber entschloß sie sich und öffnete sich plötzlich, und zwar so heftig, daß sie den schwarzen Mann an die Stirne schlug und ins Gras niederwarf.

Der Hund, der ohne Zweifel diesen Unfall für eine Kriegserklärung nahm, fing an wüthend zu bellen und war ganz bereit, auf mich loszustürzen.

Ich schickte mich zu einer doppelten Vertheidigung an; denn ich bezweifelte nicht, sobald er aufgestanden, werde der schwarze Mann mich mit allem Ungestüm angreifen. Doch zu meinem großen Erstaunen gebot aus der Tiefe des Grases, wo er begraben lag, mein Führer dem wüthenden Thiere Schweigen, stand murmelnd: »Es ist nichts!« wieder auf und erschien an der Oberfläche des Grases.

 

Wenn ich sage an der Oberfläche, so sage ich die reine Wahrheit; denn als sich der schwarze Mann, mich einladend, ihm zu folgen, wieder in Marsch setzte, hatten wir das Gras bis am Halse. Der Boden krachte unter meinen Füßen, mir schien, ich gehe auf Kastanienhülsen; es war sicherlich über der Erde eine wenigstens einen Fuß dicke Lage von Moos, dürren Blättern und Epheu.

Ich wollte aufs Gerathewohl in das Dickicht eindringen, als mich mein Führer zurückhielt.

»Einen Augenblick Geduld!« sagte er.

»Was gibt es denn noch?« fragte ich.

»Man muß die Thüre schließen, wie mir scheint.«

»Unnöthig, da wir sogleich wieder hinausgehen werden.«

»Man geht nicht hier hinaus,« antwortete mir der schwarze Mann, indem er mir einen Blick zuwarf, der mich in meiner Tasche suchen machte, ob ich nicht irgend eine Waffe darin fände.

Natürlich fand ich keine Waffe.

»Und warum geht man nicht hier hinaus?« fragte ich.

»Weil das die Eingangsthüre ist.«

Dieses Argument, so unbestimmt es war, befriedigte mich: ich war entschlossen, das Abenteuer bis zum Ende zu verfolgen.

Nachdem die Thüre geschlossen war, setzten wir uns wieder in Marsch.

Er schien mir in jenen undurchdringlichen Urwald einzudringen, von dem man den Kupferstich aus den Boulevards sieht: nichts fehlte dabei, nicht einmal der liegende Baum, der als Brücke dient, um über die Schlucht zu passieren. Die Epheu schossen wie Furien vom Fuße der Bäume empor und fielen dann hängend und zerzaust wieder in den Raum. Zwanzig Windepflanzen umschlangen sich, krümmten sich, rollten sich in einander, hielten sich eng umschlossen unter dem Blicke des Mondes, in dieser großen grünen Hängematte, die der Wald bildete.

Hätte mir die Fee der Pflanzen, plötzlich aus einem Blumenkelche oder aus einem Baumstamme hervorkommend, den Vorschlag gemacht, mein Leben mit ihr in diesem anbetungswürdigen Wirrwarr zuzubringen, ich würde es wahrscheinlich angenommen haben, ohne mich darum zu bekümmern, was die andere Fee, die mich in der Grande Rue d’Enfer erwartete, sagen dürste.

Es war nicht die Fee, die aus ihrem grünen Palaste hervorkam: es war mein schwarzer Mann, der, während er seinen Stock sich drehen ließ und da und dort alle Köpfe der Pflanzen, die sich in seinem Bereiche fanden, unbarmherzig niederschlug, mich zu einem Gestrüppe führte, das dichter, als eines von denen, durch welche ich noch gedrungen, und mit rauher Stimme zu mir sagte:

»passieren Sie!«

Der Hund passierte zuerst, ich passierte nach ihm.

Der schwarze Mann folgte mir, und ich war nicht ohne Besorgniß hinsichtlich dieses neuen den Marsch unserer Karavane betreffenden Befehles: ich hatte mich als ein Käufer vorgestellt: ein Käufer ist reich, und ein Stockstreich aus das Hinterhaupt ist so schnell gegeben.

Ich schaute hinter uns: hinter uns war das Gebüsch schon wieder geschlossen.

Plötzlich fühlte ich mich am Kragen meines Ueberrocks gepackt und zurückgezogen . . . Ich glaubte, der Augenblick des Kampfes sei gekommen.

Ich drehte mich um.

»Halten Sie doch an!« sagte der schwarze Mann zu mir.

»Und warum soll ich anhalten?«

»Sehen Sie nicht diesen Brunnen vor Ihnen.«

Ich schaute nach dem bezeichneten Orte: ich sah einen aus dem Boden gezogenen schwarzen Kreis, und erkannte in der That der Erde gleich die Oeffnung eines Brunnens.

Ein Schritt mehr, und ich verschwand hinabgestürzt!

Ah! ich gestehe; diesmal durchlief ein Schauer meine Adern.

»Ein Brunnen?« wiederholte ich.

»Ja, der in die Katakomben geht, wie es scheint.«

Und der schwarze Mann suchte einen Stein, den er in den Schlund warf.

Einige Augenblicke, die mir endlos dünkten . . . zehn Secunden vielleicht . . . verliefen. Endlich hörte ich ein dumpfes Geräusch, ein unterirdisches Echo: der Stein hatte den Boden berührt.

»Es ist schon ein Mensch hinuntergefallen,« sprach mein Führer ruhig, »und Sie begreifen wohl, daß man ihn nie wiedergesehen hat . . . Vorwärts!«

Ich umging den Brunnen den weitesten Kreis beschreibend, welchen zu beschreiben mir möglich war.

Fünf Minuten nachher trat ich unversehrt aus dem Gestrüppe hervor; als ich aber an den Saum kam, fühlte ich mich kräftig beim Arme gepackt.

Ich fing übrigens an mich an die seltsamen Manieren meines Führers zu gewöhnen; sodann, statt in voller Finsternis zu sein, wie ich es fünf Minuten vorher war, befanden wir uns unter einem Mondstrahle.

»Nun?« fragte ich ziemlich ruhig.

»Nun,« antwortete der schwarze Mann, indem er mit dem Finger auf einen Maulbeerfeigenbaum deutete, »hier ist der Baum.«

»Welcher Baum?«

»Der Maulbeerfeigenbaum, bei Gott!« »Ich sehe wohl, daß dies ein Maulbeerfeigenbaum ist . . . Doch weiter?«

»Das ist der Ast.«

»Welcher Ast?«

»Der Ast, an den er sich gehängt hat.«

»Wer denn?«

»Der arme Georges.«

Ich erinnerte mich in der That dieser Geschichte eines Gehenkten, von der ich unbestimmt hatte reden hören.

»Ah! ah!« sagte ich. »Und wer war dieser arme Georges?«

»Ein armer Junge, den man so nannte.«

»Und warum nannte man ihn so?«

»Weil es ein armer Junge war.«

»Und warum war es ein armer Junge?«

»Wenn ich Ihnen sage, daß er sich gehenkt hat!«

»Warum hat er sich aber gehenkt?«

»Weil es ein armer Junge war.«

Ich sah, es wäre unnütz, das Verhör weiter zu treiben. Mein fantastischer Führer fing an mir unter seinem wahren Gesichtspunkte zu erscheinen, das heißt als, ein Idiot.

Nun packte ich ihn beim Arme, und ich fühlte, daß er zitterte.

Ich richtete ein paar neue Fragen an ihn, und ich bemerkte, daß das Zittern seines Körpers bis in seine Stimme übergegangen war.

Da begriff ich, daß sein Widerwille, mich den Garten und das Haus bei Nacht besichtigen zu lassen, nichts Anderes war als Furcht.

Es blieb mir die dunkle Farbe der Kleider, des Gesichtes und des Hundes zu erklären; ich wollte hierüber eine Erklärung verlangen, doch mein Führer ließ mir nicht Zeit, und als hätte er Eile gehabt, sich von dem verdammten Baume zu entfernen, stürzte er wieder in das Gehölze und sagte:

»Lassen Sie uns ein Ende machen: kommen Sie!«

Diesmal ging er voran.

Wir drangen abermals in das Gehölze ein: es war ein Wald von einem Morgen, doch die Bäume waren so dick und dergestalt an einander gedrängt, daß er eine Meile zu haben schien.

Was das Haus betrifft, das war das Ideal von seinem Genre: Alles war hier eingesunken, zerrissen, gespalten, in Trümmern: man stieg dazu aus einer Freitreppe von vier bis fünf Stufen hinaus: sodann gelangte man von dieser Art von Plattform in die aus die Rue de l’Est gehende Pièce aus einer zweiten steinernen Schneckentreppe: nur waren hier die Stufen getrennt, und an zwanzig verschiedenen Stellen mußte man das Licht dadurch sehen.

Ich war im Begriffe, hinaufzusteigen: doch zum dritten Male fühlte ich die Hand meines Führers mich zurückziehen.

»Ei! mein Herr,« sagte er, »was machen Sie denn?«

»Ich besichtige das Haus.«

»Hüten Sie sich wohl! es hält an nichts, das Haus, und bliese man ein wenig stark daraus, so würde man es einfallen machen.«

Und in der That, – mag nun Einer zu stark daraus geblasen haben, – der Nordwind zum Beispiel, – mag es des Daraufblasens gar nicht bedurft haben, ein Theil vom Gebäude ist heute eingestürzt.

Ich eilte nicht nur die zwei Stufen der Schneckentreppe, die ich erstiegen hatte, sondern auch die vier oder fünf Stufen der Freitreppe wieder hinab. Mein Besuch war beendigt, ich hatte nur noch wegzugehen . . . Doch wo hinaus ging man weg?

Man hätte glauben sollen, mein Führer errathe meinen Wunsch, und er theile ihn lebhaft: denn er wandte sich gegen mich um und sagte:

»Nicht wahr, Sie haben genug?«

»Habe ich Alles gesehen?«

»Durchaus Alles.«

»Nun, so lassen Sie uns gehen!«

Er öffnete eine in der Dunkelheit verborgene, wie es unter dem Gewölbe war, unsichtbare kleine Thüre, und wir befanden uns in der Rue de l’Est. Ich folgte maschinenmäßig meinem Manne bis zu seinem Keller: ich war begierig, Cacus in seine Höhle zurückkehren zu sehen.

In unserer Abwesenheit hatte sich der Keller er’leuchtet: ein Licht brannte bei der Thüre. Unten an der Treppe wartete ein Mann, so ähnlich demjenigen, mit welchem ich es zu thun hatte, daß man hätte glauben sollen, es sei sein Schatten: er war schwarz wie der Andere vom Kopfe bis zu den Füßen.

Die zwei Neger kamen einander entgegen und drückten sich die Hand: sie knüpften das Gespräch in einer Sprache an, die mir Anfangs fremd schien, bald aber, Dank sei es der Aufmerksamkeit, die ich darauf verwandte, erkannte ich, daß es auvergnatisch war.

Sobald ich auf der Fährte, war das Uebrige nicht schwer zu finden.

Ich hatte es ganz einfach mit einem Mitgliede der ehrenwerthen Brüderschaft der Kohlenbrenner zu thun; die Nacht und besonders meine Einbildungskraft hatten die Gegenstände vergrößert und poetisirt.

Ich gab meinem Führer drei Franken für die Mühe, die ich ihm verursacht; er nahm seinen Hut ab, und an der gestreiften Fleischfarbe, welche an dem Platze erschien, wo das Reiben des Filzhutes die Kohle weggenommen hatte, bestätigte ich die Genauigkeit meiner Entdeckung.

Und wenn ich nun mehr als zwanzig Jahre nachher diese Erinnerung in der Tiefe meines Gedächtnisses aufgesucht und auf eine vielleicht etwas ungewöhnliche Art hierher gestellt habe, so geschah dies, weil mir daran lag, den Leser mit der Oertlichkeit bekannt zu machen, in die wir ihn versetzen wollen.

Nach diesem öden Garten der Rue de l’Est, zu diesem einsamen, halb eingestürzten Hause bitten wir ihn also, uns in der Nacht vom 21. Mai 1827 zu folgen.

IX
Hilf Dir, und der Himmel wird Dir helfen

In der Nacht vom 21. Mai, um Mitternacht, in dem Gehölze, links, wenn man durch die Rue d’Enfer eintritt, – doch wir glauben, man kann heute nicht mehr dort eintreten, denn die Kette des Gitters hat uns, als wir das letzte Mal hier vorbeikamen und einen retrospectiven Blick auf die Ereignisse warfen, deren Schauplatz dieses Gehäge war, angenietet geschienen, – am Montag den 21. Mai also, in dem Gehölze links, wenn man durch die Rue d’Enfer eintritt, rechts, wenn man durch die Rue de Est eintritt, fanden sich16 fanden sich, sagen wir, zwanzig verlarvte Carbonari versammelt, das heißt eine besondere Venta.

Wie und warum hatte diese Venta diesen Ort gewählt, um sich zu versammeln? Das können wir leicht erklären.

Man erinnert sich der Nacht, wo Herr Jackal rittlings hinabsteigend, aus einem Seile, in der Rue du Puits-qui-parle das Geheimniß der Versammlungen der Carbonari in den Katakomben entdeckt hatte: man erinnert sich, daß in Folge hiervon Herr Jackal nach Wien abgereist war und das Complott, dessen Zweck es war, den Herzog von Reichstadt zu entführen, scheitern gemacht hatte.

Ungeschickte Agenten hatten diese Entdeckung ausgeplaudert, und der nächtliche Besuch von Herrn Jackal war für Keinen der Verschworenen mehr ein Geheimniß.

Dieser Besuch, während er das so mühsam erdachte Project des Generals Lebastard de Prémont umstürzte, hatte für die Verschworenen von Paris nicht die ganze Wichtigkeit gehabt, die er von Ansang zu haben schien. Wären zehn französische Regimenter in die Katakomben hinabgestiegen, sie hätten nicht einen einzigen Carbonaro festnehmen können, dergestalt führten die tausend Fußpfade der unter irdischen Grüste zu unzugänglichen Schlupfwinkeln, Überdies waren an fünf bis sechs Orten die Katakomben bewunderungswürdig unterminirt, und es genügte ein auf eine Lunte dieser Minen geschütteter Funke, um das ganze linke Ufer in die Luft zu sprengen.

Allerdings verschlang man sich, indem man Paris verschlang; war aber nicht Simson so gestorben?

Ehe man indessen zu dieser Extremität griff, war es besser, für den Augenblick die Katakomben zu verlassen, entschlossen, in den verzweifelten Fällen wieder dahin zu kommen. Es fehlte nicht an Versammlungsorten , und waren die Katakomben nicht mehr möglich als Vereinigungsplatz, so konnten sie immerhin als Weg dienen, um in der Dunkelheit zu demjenigen von den Freunden zu gehen, der seine Wohnung anbieten würde.

 

So und bei den Nachforschungen, die man bei dieser Gelegenheit anstellte, geschah es, daß Einer der Verschworenen, der in der Rue d’Enfer wohnte, in einer Nacht wahrnahm, der Keller, durch den er gewöhnlich in die Katakomben gelangte, stehe auf der Ostseite mit einem der Keller des öden Hauses in Verbindung; nur war es gefährlich, sich in einem Keller zu versammeln, und wäre es der eines öden Hauses gewesen.

Man machte also im Keller einen Durchbruch von ungefähr dreißig Fuß, sodann ein Loch, und man befand sich mitten im Walde; die Erde wurde durch Stützbalken festgehalten, weil man Einstürze befürchtete; man ließ am Ende dieses Erdganges eine Passage für einen einzigen Menschen, und man beschloß, bis auf neuen Befehl sich in dieser Einsamkeit zu versammeln, wobei Jeder den entschiedenen Vorsatz in sich trug, den Ersten, der sie stören würde, niederzuschießen.

Man wundere sich übrigens nicht über alle diese unterirdischen Zustände, die wir ausführlich beschreiben, um unserer Erzählung alle Wahrscheinlichkeit zu geben: über fünfzig Häuser des Quartiers, wo die Ereignisse vorfallen, die wir mittheilen, sind so durchbrochen, und wir könnten eben so viele wie Theaterböden maschinirte Keller anführen. Befragen Sie, zum Beispiel, einen wackern Cafetier der Rue Saint-Jacques, Namens Giverne, dem Val-de-Grace beinahe gegenüber; bitten Sie ihn, Sie seinen Keller besichtigen zu lassen und Ihnen die Legende dieses Kellers zu sagen: er wird Ihnen vorangehen und Ihnen sagen, dieser unterirdische Gang habe einst zum Garten der Carmeliterinnen gehört.

»Wozu ein unterirdischer Gang im Garten der Carmeliterinnen,« werden Sie fragen, »und wohin führte er?«

»Ei! zu den Carmeliterinnen, welche gegenüber waren, wo das Val-de-Grace ist! Fragen Sie Giverne.«

Man beschuldige uns also nicht, wir setzen Fallthüren und unterirdische Gänge dahin, wo es weder Fallthüren, noch unterirdische Gänge gibt. Das ganze linke Ufer, von der Tour de Nesle, die ihren nach der Seine führenden unterirdischen Gang hatte, bis zur Tombe-Issoire, die ihren Eingang bei Montrouge hat, das ganze linke User ist nur eine Fallthüre von oben bis unten.

Kommen wir auf unsere nächtliche Versammlung zurück.

Diese Versammlung bestand, wie gesagt, aus zwanzig Carbonari; denn, obgleich der Carbonarismus, nachdem er seit 1824 verschiedene successive Niederlagen erlitten, faktisch aufgelöst war und keine scheinbare Existenz mehr hatte, so hatten sich seine Hauptmitglieder doch wiedergefunden, und den Carbonarismus, wenn nicht unter demselben Namen, doch auf denselben Basen, reorganisiert.

Der Zweck der Versammlung in dieser Nacht war, den Grund zu der Gesellschaft zu legen, welche bald nachher den Titel Gesellschaft Hilf Dir, und der Himmel wird Dir helfen, annehmen sollte; ihre Stifter hatten hauptsächlich zur Absicht, die Wahlen zu leiten und den öffentlichen Geist zu lenken . und zu erleuchten.

Man schlug mehrere Arten der Bildung des Ausschusses vor, und man kam überein, diesen Ausschuß mittelst vierteljährlicher Wahlen zu konstituieren, welche stattfinden sollten, sobald die Zahl der Gesellschaftsmitglieder hundert erreicht hätte; man kam auch überein, sich streng in den Gränzen der Gesetzlichkeit zu halten, oder vielmehr, sich darein zu verschanzen.

Es genügte indessen nicht, Versammlungen in Paris zu halten und einen Ausschuß zur Leitung der Wahlen zu bilden, man mußte die Departements instruieren und sie zur Höhe der Hauptstadt heranführen. Man sprach also davon, Wahlausschüsse in jedem Arrondissement und so viel als möglich in jedem Canton zu schaffen, und mit diesen Ausschüssen einen fortwährenden Verkehr zu unterhalten, um sie funktionieren zu machen.

Dies war der Zweck dieser nächtlichen Versammlung, in der die ersten Absteckpfähle der furchtbaren Gesellschaft Hilf Dir, und der Himmel wird Dir helfen17 gesetzt wurden, welche einen so großen Einfluß auf die nächsten Wahlen üben sollte.

Man war so weit mit der Discussion, und es mochte ein Uhr Morgens sein, als man die dürren Zweige unter den Tritten eines Mannes krachen hörte und, einen schwarzen Schatten am Saume des Waldes erscheinen sah.

In einer Secunde hatte jeder Verschworene in seiner Hand den Dolch, den er in seiner Brust verborgen trug.

Der Schatten kam näher: es war Toussaint, der Concierge des öden Hauses, selbst Carbonaro und hierher gesetzt, um als Wächter nicht nur für das Haus, sondern auch für diejenigen zu dienen, welche sich hier versammelten.

»Was gibt es?« fragte einer der Chefs.

»Es ist ein fremder Bruder da, der eingeführt zu werden verlangt,« antwortete Toussaint.

»Ist es wirklich ein Bruder?«

»Er hat alle Erkennungszeichen gemacht.«

»Woher kommt er?«

»Von Triest.«

»Ist er allein oder in Begleitung?«

»Er ist allein.«

Die Carbonari beratschlagten, indem sie sich in einer einzigen Gruppe vereinigten, außerhalb welcher Toussaint blieb: nach einem Augenblicke der Berathung öffnete sich die Gruppe wieder, und eine Stimme sprach:

»Führen Sie den fremden Bruder ein, jedoch mit allen üblichen Vorsichtsmaßregeln.«

Toussaint verbeugte sich und verschwand.

Nach einem Momente hörte man die dürren Zweige aufs Neue krachen, und man sah durch die Bäume zwei Schatten statt eines herbeikommen.

Die Carbonari warteten stillschweigend.

Toussaint führte in den Mittelpunkt der von ihnen beschriebenen Linie den fremden und unbekannten Bruder, der sich von ihm geleitet und mit verbundenen Augen näherte: hier ließ er ihn allein und zog sich zurück.

Die Linie der Carbonari schloß sich wieder und bildete einen Kreis um den Ankömmling.

Dann wandte sich dieselbe Stimme, welche schon gesprochen hatte, an ihn und sagte:

»Wer sind Sie? woher kommen Sie? was verlangen Sie?«

»Ich bin der General Graf Lebastard de Prémont,« antwortete der Ankömmling: »ich lange von Triest an, wo ich mich eingeschifft habe, nachdem ich bei meinem Unternehmen in Wien gescheitert bin, und ich komme nach Paris, um Herrn Sarranti, meinen Freund und Genossen, zu retten.«

Es entstand ein starkes Gemurmel unter den Carbonari.

Dann sprach die Stimme, die sich schon hatte vernehmen lassen, die einfachen Worte:

»Nehmen Sie Ihre Binde ab, General, Sie sind unter Brüdern.«

Der General Graf de Prémont nahm seine Binde ab, und sein edles Gesicht erschien entblößt.

Sogleich streckten sich alle Hände, wie ein freundschaftlicher Bündel, gegen ihn aus; Jeder wollte seine Hand berühren, wie bei einem im Enthusiasmus ausgebrachten Toast Jeder das Glas von demjenigen, welcher ihn ausgebracht hat, berühren will.

Endlich trat wieder Stille ein; der Schauer, der durch die Luft lief, erlosch.

»Brüder,« sprach der General, »Ihr wißt, wer ich bin. Im Jahre 1812 von Napoleon nach Indien geschickt, sollte ich dort ein militärisches Reich organisieren, das im Stande wäre, uns und den Russen entgegenzukommen, wenn wir, durch das caspische Meer, in Nepaul vordringen würden. Ich habe es organisiert, dieses Königreich, es ist Lahore . . . Als Napoleon gefallen war, glaubte ich, das Project sei mit ihm gefallen . . . Eines Tags kam Herr Sarranti an; er suchte mich, immer im Namen des Kaisers, auf; doch es handelte sich nicht mehr darum, das Werk Napoleons I. zu verfolgen, sondern Napoleon II. auf den Thron zu setzen. Ich nahm mir nur die Zeit, die ich brauchte, um Verbindungen in Europa anzuknüpfen, und reiste an dem Tage ab, wo ich erfuhr, sie seien angeknüpft; ich kam über Dschedda, Suez und Alexandrien; ich erreichte Triest, wo ich mich mit unsern italienischen Brüdern affilierte; dann begab ich mich nach Wien . . . Sie wissen, wie unser Project scheiterte . . . Nach Triest zurückgekehrt, verbarg ich mich bei einem unserer Brüder, und hier erfuhr ich, daß man Herrn Sarranti zum Tode verurtheilt hatte. Ich schiffte mich sogleich nach Frankreich ein aus die Gefahr dessen, was mir widerfahren könnte, und schwor dabei, das Loos meines Freundes zu theilen, das heißt zu leben, wenn er lebte, zu sterben, wenn er sterben würde: Mitschuldige desselben Verbrechens müssen wir dieselbe Strafe erleiden.«

Ein tiefes Stillschweigen empfing diese Worte.

Herr Lebastard de Prémont fuhr fort:

»Einer unserer Brüder in Italien gab mir einen Brief an einen unserer Brüder in Frankreich, Herrn von Marande: es war ein Creditbrief, und keine politische Empfehlung. Herr von Marande empfing mich: ich gab mich Ihm zu erkennen, nannte ihm den Zweck meiner Reise, sagte ihm von dem Entschlusse, den ich gefaßt, von meinem Wunsche, mit den Hauptmitgliedern einer hohen Venta in Verbindung gebracht zu werden. Herr von Marande theilte mir mit, es sei gerade heute Versammlung, machte mich mit dem Orte der Versammlung bekannt, und bezeichnete mir, durch welches Mittel ich in diesen Garten gelangen und bis zu Ihnen kommen könne. Ich benützte die mir gegebenen Instructionen . . . Ich weiß nicht, ob Herr von Marande unter Ihnen ist: ist er unter Ihnen, so danke ich ihm . . . «

Keine Bewegung ließ vermuthen, Herr von Marande sei unter der Zahl der Anwesenden.

Dieselbe Stille, welche schon einmal geherrscht hatte, entstand abermals.

Der General de Prémont fühlte etwas wie einen Schauer in sich, er fuhr aber nichtsdestoweniger fort:

»Ich weiß, Brüder, daß unsere Ansichten nicht dieselben sind; ich weiß, daß sich unter Euch Republikaner und Orleanisten finden; doch Republikaner und Orleanisten wollen, wie ich, die Befreiung des Vaterlandes, den Ruhm Frankreichs, die Ehre der Nation, nicht wahr, Brüder?«

15Le geindre heißt der Oberbäckerknecht; geindre heiß ächsen, wimmern.
16eingeführt durch den Kohlenbrenner, Führer und Wächter, den wir vor den Augen unserer Leser haben passieren lassen, und der kein Anderer war, als unser Freund Toussaint-Louverture
17Aide toi, le ciel t’aidera