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Olympia von Clèves

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XLVI.
Herr von Mailly wird eifersüchtig auf seine Geliebte

Es geschah nun, was immer geschieht. Da Olympia weniger liebte, so liebte Herr von Mailly mehr. Diese Erscheinung ist gewöhnlich, weil die meisten Herzen gewöhnlich sind. Für jede wohl beschaffene und solid verliebte Seele verursacht die Verdoppelung der Liebe bei dem geliebten Gegenstand einen Zuwachs an Liebe; das ist der ungeschwächte Reflex, das ist die physische Percuission auf die moralischen Gesetze angewandt.

Herr von Mailly, ein Mann von Geist, ein braver Offizier, ein vortrefflicher Edelmann, ein vollkommener Höfling, war im Ganzen nur ein gewöhnliches Herz.

Das war nicht seine Schuld, man kann seine Seele nicht wechseln; man lebt mit derjenigen, welche mau vom Himmel empfangen hat.

Herr von Mailly, dem die Feinheit seiner Erziehung und sein natürliches Zartgefühl als Dolmetscher dienten, Herr von Mailly fühlte, er dürfe seinen Schatz nicht aus den Augen lassen, unfähig, wie er war, ihn selbst zu bewahren. Er wurde eifersüchtig.

Wohin Olympia ging, mochten es Proben oder Promenaden sein, fand er Mittel, zu erscheinen. Frei von seiner Frau, lebte er nicht im Hotel de Nesle, sondern bei Olympia; er empfing bei ihr seine Freunde, er bewirthete hier seine Bekannten, er machte hier seine dringendsten Geschäfte ab. Von eifersüchtig wurde er verdrießlich.

Die Eifersucht ist ein Laster, das nur mit Geduld von den Frauen ertragen wird, wenn sie weinen, daß sie nicht genug geliebt werden; sonst erzeugt die Eifersucht, welche die Wirkung eines Übels sein müsste, stets die Ursache davon. Der eifersüchtige Mann hat dann am Ende immer Recht, daß er eifersüchtig ist.

Allerdings ist dies in der Regel in dem Augenblick der Fall, wo er es zu sein aufhört.

Man begreift wohl, daß Herr von Mailly, der in seiner Eigenschaft als Eifersüchtiger bei den Proben erschien und die Promenaden kreuzte, aus dem Theater den Debüts von Olympia beiwohnte; aus der Bank der Edelleute sitzend, hatte er dem Triumphe halb entzückt, halb in Verzweiflung beigewohnt.

Ehe der Vorhang aufgezogen worden, war er in ihre Loge hinausgegangen und hatte ihr Komplimente über Ihre Toilette und über ihre Schönheit gemacht.

Die Toilette von Junis war ein herrliches Kleid von weißem Damast, das sich über einem Unterkleid von Silberbrocat öffnete; es war eine gepuderte Perücke, wie man sie zu tragen anfing, mit einem glänzenden Strauß von Federn, welche zierlich aus das rechte Ohr herabfielen.

Das nannte man am Ansang des achtzehnten Jahrhunderts den einfachen Anzug.

Olympia trat auf.

Als sie den Fuß aus die Bühne setzte, als sie diese Lichter, diesen Glanz, diesen Putz, diese mit Federbüschen geschmückten Frauen wiedersah, deren Köpfe, wenn sie schwankten, die Diamanten spiegeln machten, diese Männer lächelnd und voll Begehrlichkeit, diese von vornehmen Herren gefüllten Logen, die Loge endlich, wo allein im leuchtenden Raume der junge König, die Sonne aller dieser Trabanten, glänzte, als sie das Gemurmel hörte, das ihre Schönheit erregte, als sie die Bravos hörte, welche ihr Talent hervorbrechen machte, wurde Olympia gerührt, statt sich zu begeistern wie ein Streiter im Treffen.

Woran dachte sie denn, die Frau, welche so sich selbst vergaß?

Ach! sie dachte an Banniére, an die schönen Abende von einst, die er schön durch seine Gegenwart machte; sie dachte an das Feuer, das er um sich her anfachte, an diese glühende Liebe, welche die Bretter und die Kulissen in Flammen zu setzen schien; sie dachte an die Rolle des Nero, welche er allerdings ziemlich schlecht gespielt, aber doch am Ende mit ihr gespielt hatte. Wo war Banniére? wo war die Liebe? wo war das Glück? wo war das Leben?,

Ach! sie vermuthete entfernt nicht, derjenige, welcher ihre Liebe entstehen gemacht und ihr Glück mitgenommen, habe sie an der Thür des Theaters gestoßen, er habe die Schützen geschlagen, er sei in das Fort I'Evêque geführt und als Narr nach Charenton transportiert worden.

Oh! wenn sie das gewußt hätte, wie würde sie Alles verlassen haben! wie hätte sie diesen Saal verlassen, diese Frauen mit dem von Diamanten beladenen Kopfputz, diese von Bewunderung ergriffenen vornehmen Herren, Alles, bis aus den jungen König, den Gegenstand der Blicke aller Frauen, um nach Charenton zu gehen und mit beiden Fäusten an die Zelle zu klopfen, wo Banniére war!

Olympia wusste aber nichts; Olympia war nicht bei der Gegenwart, sondern bei der Vergangenheit, nicht bei der Wirklichkeit des Augenblicks, sondern beider Erinnerung, und diese Erinnerung war es, was sie traurig mitten unter ihrem Triumphe machte.

Die traurige Olympia war nicht mehr einfach eine Schönheit, es war etwas Glänzendes. Überdies gab die Rolle von Olympia Anlass zur Melancholie, etwas Seltenes bei Racine, etwas Seltenes im Jahrhundert Ludwig XIV.; die Erscheinung von Junis ist nicht naiv, sie ist träumerisch: es ist eher ein Schatten, als eine Frau.

Eine Folge dieser Traurigkeit von Olympia war, daß sie bewunderungswürdig schön, allen denjenigen, welche sie sahen, schien. Sie dünkte dem König schön, und er neigte sich zurück und fragte nach ihrem Namen.

König Ludwig XV. hatte weder vor seiner Heirat, noch seit derselben die Blicke auf eine andere Frau als die seinige geworfen. Er pflegte bekanntlich, wenn man mit ihm von irgend einer berühmten Schönheit sprach, zu fragen: »Ist sie so schön als die Königin?«

Was die Herren vom Oeil, de-Boeuf lächeln gemacht hätte, während sie weniger Höflinge gewesen; denn es fehlte viel, daß die Königin eine Schönheit war.

Und war es den Höflingen gelungen, aus diese berühmte Schönheit die Blicke Seiner Majestät zu lenken, so verzog der König verächtlich die Lippen, schüttelte den Kopf und sagte: »Die Königin ist schöner.«

Eine große Anzahl schon unter den Führern festgestellter Intrigen war aus diese Art gescheitert.

Gewohnt, aus die Skandale der Regentschaft zu spekulieren, fingen die jungen Höflinge an über die Beständigkeit von Ludwig XV. ungeduldig zu werden.

Gewohnt, aus den schwermütigen Launen von Ludwig XIV. Nutzen zu ziehen, lauerten die alten Herren auf den Augenblick, wo sein Enkel in seinen Adern das stürmische Blut der Bourbons von der älteren Linie erwachen fühlen würde.

Denn es fand, wie man weiß, ein großer Unterschied zwischen dem Blute der älteren Linie und dem der jüngeren Linie statt. Dieser Unterschied, der sich zwischen dem König und Monsieur fühlbar zu machen angefangen hatte, bestand fort zwischen Ludwig XV., dem zukünftigen Liebhaber von Frau von Chateauroux, Frau von Pompadour und Madame Dubarry, und Monsieur Louis von Orleans, welcher im Palais-Royal ein Auto da Fe mit den Bildern von Carracci und Albano machte, deren Anblick seine devoten Augen nicht ertragen konnten.

Ludwig XV., der Gegenstand von so vielen Spekulationen, schaute übrigens Olympia an, ohne daß ihn sein Geist zur Königin durch Vergleichung zurückführte, und ohne daß die Vergleichung der mit dieser so sehr geliebten Königin in Parallele gestellten Frau ungünstig war.

Nachdem er lange Olympia angeschaut, neigte sich der König also, wie gesagt, zurück und fragte nach dem Namen dieser reizenden Schauspielerin.

Derjenige, welcher sie dem König antwortend nannte, war der Kapitän-Lieutenant der Chevaulegers der Garde Seiner Majestät.

Ludwig XV. liebte diesen Herrn sehr und hatte denselben genug Herrschaft über ihn gewinnen lassen, daß man in diesem Günstling einen Stern ähnlich dem begrüßte, welcher hundert Jahre früher unter den Namen Chalais und Cing-Mars geglänzt hatte.

Der Kapitän war ein heiterer, in seinem Wesen sehr offener Mann, der mehr darnach trachtete, der Freund des Königs, als sein Günstling zu sein.

Sehr vertraut mit dem König, war der Kapitän erstaunt über den Reiz, den Ludwig in diesem Augenblick am Theater fand.

Olympia spielte so anmuthig, daß sie auf dem König den aufmerksamsten Zuschauer machte. Diese außer allen Zweifel gesetzte Aufmerksamkeit ging natürlich von der königlichen Loge in die andern Logen über.

Als der letzte Vers von Junia gesprochen war, dieser letzte Vers, den Banniére, an welchen, Junia ausgenommen, Niemand dachte, durchaus hatte hören wollen, neigte sich der Kapitän auch gegen den König und sprach zu ihm:

»Wahrhaftig, Sire, es würde mir leid tun, wäre ich einer andern Ansicht, als Eure Majestät; dennoch wage ich zu sagen, daß es aus der Welt keine reizendere Person gibt, als diese Olympia.«

»Sie täuschen sich, Herzog,« erwiderte der König sehr befangen, »die Königin ist schöner.«

Der Kapitän verbeugte sich mit einem Lächeln, welches besagen wollte:

»Sire, wir wissen das, die Königin ist schöner, als alle Frauen, doch nach der Königin kommt Olympia.«

Und er schritt beim Abgang des Königs voran.

Doch während er an Mailly, der mit andern Edelleuten am Wege Seiner Majestät das Spalier bildete, vorbeistreifte, sagte er Ihm ins Ohr:

»Ei! Mailly, Du bist nicht unglücklich, der König ist für Deine Geliebte eingenommen.«

Und er ging mit dem König, welcher Herrn von Mailly freundlichst grüßte, weiter.

Dieses Wort konnte nur leicht sein, doch der Graf nahm es nicht so.

Er wie die Andern und besonders mehr als die Andern, der arme Verliebte, hatte die tiefe Aufmerksamkeit des Königs wahrgenommen und die ganz strahlende Schönheit von Olympia hatte ihn noch mehr nachdenken gemacht, als sie den König ergriffen.

Es gibt Schläge, bei denen ein Eifersüchtiger begreift, daß es unmöglich ist, sie zu parken, und würde er selbst von der Liebe der edelsten Frau begünstigt.

Ein König von Frankreich, zum Beispiel, steht so außer andern Menschen, daß man die Liebe eines Königs von Frankreich nicht verachtet. Keine Französin hätte dies im Jahre 1726 zu tun gewagt.

Und Herr von Mailly befürchtete, Olympia wäre in diesem Punkte nur zu sehr Französin.

 

Das Wort des Kapitäns, statt den Grafen zu erfreuen, wie der Günstling, der Mailly nach sich selbst beurteilte, gedacht hatte, öffnete daher Mailly düstere Horizonte. Er bildete sich ein, der König habe einen Willen geäußert.

Sein Entschluss war alsbald gefasst. Da er, in die Tiefe seines Herzens hinabsteigend, wahrnahm, daß er diese Frau leidenschaftlich liebte, da er wusste, nicht Einer von seinen Freunden würde ihn wegen ihres Verlustes beklagen, Alle würden sich im Gegenteil beeifern, dem König sie ihm nehmen zu helfen, so beschloss er, die arme Olympia abzuschließen.

Nach dem Schauspiel kehrte er deshalb aus das Theater ganz betrübt über das Wort, das ihm der Kapitän gesagt, und über den freundlichen Gruß, den der König an ihn gerichtet, zurück.

Olympia legte ihr Theaterkostüm vollends ab. Sie war immer traurig. Mailly war immer düster.

XLVII.
Herr von Mailly schlägt einen falschen Weg ein

Statt diese Schwermut zu bemerken und der wahren Ursache davon nachzuforschen, indem er sie in dem Kreise neuer oder alter Ideen, welche gewöhnlich die Frauen quälen, gesucht hätte, liest sich Herr von Mailly, wie alle Eifersüchtige, von den Gedanken, die ihn besangen hielten, hinreißen.

Er nahm eine freundliche Miene an, näherte sich ihr lächelnd und sagte:

»Meine liebe Olympia, Sie haben heute einen ungeheuren Succeß gehabt.«

»Sie glauben?« versetzte Olympia, ihre Schminke abwischend.

»Sie haben auch zum Entzücken gespielt, liebe Schöne.«

»Ah!« erwiderte sie nachlässig, »desto besser.«

»Wissen Sie, daß Sie von sich sprechen machen?« fuhr Herr von Mailly fort.

»Wahrhaftig,« sagte Olympia mit demselben Tone, »und das macht Ihnen Vergnügen?«

»Oh! nein, im Gegenteil.«

»Warum im Gegenteil?«

»Weil das nichts Angenehmes hat.«

»Wie! es hat nichts Angenehmes für Sie, daß ich Talent besitze und daß man es sagt? Das fordert eine Erklärung.«

»Die Erklärung ist leicht zu geben.«

»Sprechen Sie.«

»Wenn man zum Beispiel eifersüchtig wäre?«

»Man hätte Unrecht.«

»Man hätte vielleicht Unrecht, aber man würde darum nicht minder leiden.«

»Ja, doch Sie sind nicht eifersüchtig.«

»Ich weiß es nicht bestimmt.«

»Bah! auf was sollten Sie eifersüchtig sein?«

»Ei! mein Gott! ich weiß, daß Sie mich lieben,« erwiderte der Graf mit jenem erschrecklichen Aplomb, der immer einen völligen Mangel an Gleichgewicht bezeichnet.

Olympia wandte sich um und machte ihrem Spiegel eine Art von Miene, welche bei einer minder gut erzogenen Frau für eine Grimasse hätte gelten können.

Der Graf sah weder Olympia, noch den Spiegel, noch die Miene.

»Wie dem sein mag,« fuhr er fort, »ich bin nicht völlig beruhigt.«

»Und was soll ich tun, Graf?«

»Ah! meine gute Olympia, Dinge, welche Sie leider nicht tun werden.«

»Oh! ich kann viele Dinge tun.«

»Nein, nein, Dinge, welche zu tun Sie sich schon geweigert haben.«

»Das Weib ist launenhaft.«

»So darf ich die Hoffnung nicht ganz verlieren?«

»Sie werden zugeben, mein lieber Graf, daß ich nicht im Stande bin, Ihnen zu antworten, ehe ich weiß, um was es sich handelt. Ist es eine Sache, oder sind es mehrere Sachen, was Sie wünschen?«

»Wenn man bei Ihnen wünscht, Olympia, ist es nicht der Muhe wert, wegen einer Kleinigkeit zu wünschen.«

»Wohl, so fangen Sie an.«

»Wo soll ich ansangen?«

»Bei der wichtigsten oder bei der schwierigsten Sache unter den Sachen, die Sie wünschen. Fassen Sie den Stier bei den Hörnern an.«

»Gut also, meine liebe Olympia: wollen Sie mich zum glücklichsten Menschen machen?«

»Ich verlange nichts Anderes.«

«Verlassen Sie das Theater.«

Olympia richtete den Kopf auf.

Es war in ihrem Blicke ein zurückgehaltenes Flammen, das den Grafen schauern machte.

»Wie!« sagte sie, »Sie holen mich in Lyon mit einem Debüt-Befehl ab; Sie führen mich nach Paris, um mich debütieren zu lassen; ich debütiere mit dem günstigsten Erfolg, und Sie verlangen von mir, daß ich die Bühne am Abend meines Debüt verlasse? Wenn ich das täte, wäre ich toll; wenn Sie es mich tun ließen, wären Sie toll. Von der Bühne getrennt, würde ich mich langweilen und würde ich Sie langweilen; das wäre zum Sterben für Beide. Glauben Sie mir, bestehen Sie nicht hierauf; es hieße unser Verderben herbeiführen.«

Herr von Mailly wollte beharrlich bleiben.

»Meine liebe Olympia,« sagte er, »Sie wissen, daß es nicht das erste Mal ist . . .«

»Ganz richtig, ich weiß, es ist nicht das erste Mal, daß Sie das von mir verlangen, und ich weiß folglich auch, daß es nicht das erste Mal ist, daß ich es Ihnen abschlage. Nun denn, ich bitte Sie, lassen Sie es das letzte Mal sein.«

»Aber . . .«

»Oh! brechen wir ab; hierbei beharren, mein Herr, wäre ein Beweis, daß Sie zu wenig Achtung für mich haben.«

»Ach! theure Olympia, die Gelegenheiten beim Theater sind so häufig.«

»Die Gelegenheiten wozu?«

»Ei!« versetzte Herr von Mailly niedergeschmettert durch die Kaltblütigkeit, mit der Olympia diese seltsame Frage an ihn stellte, »die Gelegenheiten, geliebt zu werden und zu lieben.«

»Ich nehme an, nicht in Beziehung auf mich sagen Sie das, was Sie so eben gesagt haben, Graf?« sprach Olympia.

Und sie heftete aus Herrn von Mailly den klaren, furchtbaren blauen Blick, der die Herzen durchdringt wie eine Klinge von unbiegsamem Stahl.

Er war gewöhnlich hochmütig, und überdies hatte er an diesem Abend einen bösen Sauerteig im Herzen, der gute Graf.

Auch trieb ihn sein Unstern an.

»Meine Teure,« sagte er, »erlauben Sie mir, daß ich gegen Ihr stolzes Wesen protestiere.«

»Warum?«

»Weil es, zu meinem Unglück, nicht das erste Mal wäre, daß Sie eine von diesen Gelegenheiten gefunden hätten.«

»Ich glaube, Sie verlieren den Verstand, Herr Graf,« sagte Olympia. »Diese Gelegenheit, ist es nicht Herr Banniére, was Sie damit meinen?«

»Ja.«

»Wohl denn! diese Gelegenheit haben Sie gemacht, und ich habe sie ergriffen.«

»Nun, meine Freundin, das ist ein Unglück, dem ich Sie fortan nicht ausgesetzt wissen möchte.«

»Sie täuschen sich abermals, Herr Graf: Herr Banniére ist kein Unglück für mich; ich war im Gegenteil sicherlich ein Unglück für Herrn Banniére.«

Der Graf sah, daß das Gespräch die Wendung eines Duells nahm.

Er hielt inne, doch es war zu spät.

Die Wunde wurde, der der Wespen ähnlich, allmählich giftig in der Haut von Olympia.

«Sie wollen mir dieses Opfer nicht bringen?« fragte der Graf.

»Nein, mein Herr!«

»Wenn ich Sie bäte, wenn ich Sie anflehen würde?«

»Das wäre unnütz.«

Er seufzte.

«Ei! mein Gott,« fügte er bei, »ich erkläre Ihnen, daß ich nicht die geringste Besorgnis habe: ich weiß, daß Sie die edelste der Frauen sind; aber wenn Ihre Seele edel ist, so ist Ihr Herz doch fähig, Eindrücke zu empfangen.«

»Gewiss.«

Dieses Wort machte Herrn von Mailly beben.

»Nun denn,« sagte er, »das ist es, was ich befürchte.«

»Oh! wenn das kommt,« erwiderte sie, »seien Sie überzeugt, ich werde Sie davon unterrichten.«

Ein neuer Schlag für den armen Liebhaber.

»Wissen Sie, meine liebe Olympia, daß das, was Sie mir da sagen, sehr redlich, aber zugleich sehr wenig angenehm ist,« versetzte Herr von Mailly mit einer gewissen Affectation; »denn Sie lassen doch am Ende eine Veränderung zu?«

»Man muss Alles zulassen.«

«Wie! Alles zulassen? selbst Ihre Veränderung?«

»Kennen Sie etwas Unerschütterliches?«

»Ich lasse also zu. Nun wohl! ich sage, es sei sehr ärgerlich, daß Sie mir nicht die Fähigkeit geben, meine schlimmen Chancen zu bekämpfen.«

»Ich werde sie Ihnen alle geben, mein Herr,« erwiderte Olympia, »außer derjenigen, welche Sie von mir verlangen.«

»Also,« rief Herr von Mailly lebhaft, »außer dem Theater überlassen Sie mir Alles!«

»Alles.«

»Meinen Dank! ich fange an.«

»Was tun Sie?«

»Ich mache einen Haufen aus Ihren Juwelen, welche Ihre Kammerfrau mitnehmen wollte.«

»Was machen Sie damit?«

»Ich gebe sie meinem Lackei, und dieser trägt sie. . .«

»Wohin?«

»In mein kleines Haus der Grange-Bateliére.«

»In Ihr kleines Haus?«

»Wo Sie sich, ich bitte Sie inständig darum, einquartieren werden.«

»Aber die Wohnung, die ich gemietet?«

»Sie würde bald überströmt von der Menge der Bewunderer, die Sie sich gemacht haben, während man, um zu mir zu kommen, sich besinnen wird.«

»Sie verurteilen mich also zum Gefängnis?«

»Beinahe.«

Sie schwieg einen Augenblick.

»Sie zögern?« rief der Graf.

»Ei! das Gefängnis!« versetzte Olympia.

»Sie haben gesagt: Alles.«

«Aber das Gefängnis!«

»Man wird den Käfig vergolden, meine schöne Klausnerin. Man wird danach trachten, daß die Freiheit das Gut ist, dessen Verlust Sie am wenigsten beklagen.«

»Die Freiheit!« murmelte Olympia mit einem Seufzer.

»Man sollte glauben, sie liege Ihnen am Herzen.«

»Ob sie mir am Herzen liegt!« rief Olympia.

»Ah! Madame, es gibt schlimme Tage und ich bin in einem solchen Tag.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Ich will damit sagen, daß ich heute Abend Unglück habe, denn ich entdecke in Ihnen eine Kälte, die ich zu mutmaßen vielleicht nicht das Recht hatte.«

Olympia, die in eine tiefe Träumerei versunken war, schien plötzlich daraus zu erwachen.

»Streiten wir nicht,« sagte sie, »das ermüdet mich. Sie verlangen von mir, daß ich das Theater verlasse?«

«Oh! nein, nein; ich wage es nicht.«

»Sie verlangen wenigstens von mir, daß ich die Gesellschaft verlasse, nicht wahr?«

»Ich bitte Sie nur inständig, mir in mein kleines Haus zu folgen und sich dort mit Ihren Leuten einzurichten.«

»Wohl an! das ist abgemacht,« sprach Olympia, während sie ausstand. »Ich gehe nach dem kleinen Hause.«

»Überlegen Sie Indessen,« sagte der Graf.

»Überlegen! daß ich überlege! Sprechen Sie nicht hiervon, Graf. Abgemacht, sage ich Ihnen, doch gerade unter der Bedingung, daß ich nicht überlege.«

»Ich gehe nicht tückisch gegen Sie zu Werke, Olympia. Wenn ich Sie bitte, in dem kleinen Hause zu wohnen, so geschieht es, weil ich Sie dort verbergen will.«

»Abgemacht.«

»Weil ich die Menschen wählen will, die Sie dort werden empfangen können.«

»Abgemacht, immer abgemacht. Graf, beliebt Ihnen, daß ich nie ausgehe? Graf, beliebt Ihnen, daß ich Niemand sehe? Reden Sie, Befehlen Sie, oder vielmehr, nein, ich werde zu errathen wissen.«

»Olympia, Sie entzücken mich, und Sie erschrecken mich zugleich.«

»Es ist gut. Geben Sie mir Ihren Arm und lassen Sie uns gehen.«

Ganz entzückt, ließ der Graf Olympia in seinen Wagen steigen, der beim Ausgange der Schauspieler wartete, und befahl, nach seinem kleinen Hause der Grange-Bateliére zu fahren.

Olympia sagte kein Wort mehr; sie schaute, ohne sie zu sehen, die kostbaren Gegenstände an, von denen sie umgeben war, und die von diesem Augenblick, wie ihr Herr von Mailly sagte, ihr Eigentum wurden; dann setzte sie sich zu Tische, um zu Nacht zu speisen, und speiste nicht, lächelte, wenn der Graf mit ihr sprach, kam aber nie dazu, daß sie lachte. Kurz, sie strengte sich an, um sich in einer gewissen Liebenswürdigkeit zu erhalten, bis Herr von Mailly von ihr Abschied genommen hatte.

Dann aber, als sie sich allein sah, sank sie in einen Lehnstuhl beim Feuer und sagte:

»Oh! wie langweile ich mich!«

Ein erschreckliches Wort, dessen Tragweite die Menschen erst begreifen, wenn es sein Ziel erreicht hat.

Herr von Mailly aber begab sich nach Hause, sehr glücklich, daß er Olympia dahin gebracht hatte, sich vom Geräusche und der Welt zu scheiden. Der Unglückliche hatte keine Ahnung von dem Todfeinde, mit dem er sie im Kampfe ließ.

»Oh!« sagte er, »die Schlacht ist heftig gewesen, doch der Sieg ist mein, ich habe sie dort unter der Hand. Der König wird sie nur noch im Theater sehen, und wenn er sie im Theater zu viel sieht, so werde ich sie wohl verhindern, zu spielen; meine Freunde von der Kammer werden mich hierbei unterstützen.«

Der unglückliche Herr von Mailly, er war bis die Knie in das Geleise der Liebe getreten, wo sich Banniére bis zu drei Vierteln ertränkt hatte.