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Olympia von Clèves

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«Das ist in der Tat ein Gedanke,« sagte Olympia freudig.

»Sie begreifen, meins Liebe: statt von den ehrwürdigen Vätern reclamirt zu werden, wird dieser junge Mann von mir reklamiert werden. Das ändert die ganze Sache.«

»Sie sind ein Mann voll Herz und voll Geist,« sprach Olympia mit sanftem Tone, »und ich habe für Sie die Dankbarkeit, welche Banniére hätte. . .«

»Gut! gut! die Ihrige ist mir in der Tat lieber. Die Idee sagt Ihnen also zu?«

»Trefflich!«

»Sie haben Alles wohl überlegt?«

»Alles.«

»Es wird keine Rückkehr bei Ihnen stattfinden?«

»Nie.«

»Der Jesuiten-Noviz hat Sie In Versuchung geführt, der Dragoner-Noviz ist wenigstens ebenso verlockend.«

»Sie wissen, Herr von Mailly, wenn ich durch diese Torheit verführt worden bin, die beinahe mein Verderben zur Folge gehabt hätte, so ist es geschehen, nachdem Sie mich verlassen.«

»Ich weiß es, Olympia,«

»Sie wissen, daß ich Sie nie zu Lebzeiten Ihrer Liebe getäuscht habe.«

»Ich lasse Ihnen diese Gerechtigkeit widerfahren.«

»So zählen Sie also aus mich. Ich habe Ihnen versprochen, Banniére nicht mehr zu lieben. Es ist vorbei, ich werde ihn nicht mehr lieben.«

»Ich weiß aber, warum ich dies gesagt habe.«

»Warum?«

»Man muss diesen Jungen seine Anwerbung unterzeichnen lassen; dieser Schritt ist zarter Natur; Sie allein können das übernehmen und bei einer solchen Extremität kann das Herz der Mutigsten der Wortgeberinnen schwach werden. Sie sagten mir nun so eben, um mich zu beruhigen, Sie haben mich nicht getäuscht, so lange Sie mein gewesen; das ist wahr. Sie gehören nicht mehr mir, sondern Herrn Banniére.«

»Oh!« erwiderte sie, indem sie ihn mit Tränen in den Augen anschaute, »ob ich Herrn Banniére angehöre oder nicht, was ist Ihnen daran gelegen?«

»Sie sehen wohl, daß ich, wenn ich zurückgekommen bin, wenn ich einen Debüt-Befehl für Sie gebracht habe, Sie noch liebe.«

»Auf Ehre?«

»Auf Ehre.«

»wohl denn!« sprach Olympia, »ich werde Ihnen beweisen, daß ich ein männliches Herz habe, was die Entschlossenheit und das Vertrauen betrifft. Es ist auf den Tag ein Jahr, daß Sie mich verlassen.«

»Das ist wahr, Olympia.«

»Vergessen wir dieses vergangene Jahr, Graf. Sie lieben mich noch, und ich habe Ihnen zu beweisen, daß ich Sie immer geliebt.«

»Olympia!« rief der Graf, dessen Augen vor Freude glänzten. »Es gibt kein Weib, das mutig wie Sie täte, was Sie tun. Unter uns, Olympia, auf Leben und Tod!«

Er stand auf und küßte sie ehrerbietig.

»Sehen Sie,« sagte er zu ihr, »Sie machen mein Herz heute vielleicht mehr schlagen, als an jenem Tage, Sie erinnern sich? wo sie mir sagten, Sie lieben mich.«

»Sie haben nun nicht mehr bange, mich schwach werden zu sehen, wenn ich dem unglücklichen Gefangenen die Freiheit bringe.«

»Ich werde Sie selbst ins Gefängnis führen,« erwiderte der Graf.

Man hörte bald nachher die Dragoner von Herrn von Mailly auf der Straße laufen und dabei Reiterlieder trällern, welche die Commissäre und die Schützen, bei ihrer Rückkehr vom Gefängnis, in das man Banniére eingesperrt, beben gemacht hätten.

Der unglückliche Banniére vermutete auf seinem Stroh und unter seinem feuchten Gewölbe nicht, daß zwei edle Herzen an seiner Befreiung arbeiteten.

Das war indessen so wahr, als sein Unglück.

XXXV.
Die Anwerbung

Banniére war am andern Tage wirklich aus dem Stroh und in der Finsternis, als ein Gefangenenwärter eintrat und ihm ankündigte, es erscheine ein Besuch für ihn.

Wir vermöchten nicht auszudrücken, bis zu welchem Grade die Einsamkeit und das Vergessen Aller die Verzweiflung von Banniére gesteigert hatten.

Das war einer von den nervösen gefangenen, welche in acht Tagen delirieren und in sechs Wochen sterben, entkräfteter und abgezehrter sterben, als Andere mit sechzig Jahren.

Er hatte schon alle Grade von Hoffnung, Entmutigung und Verzweiflung durchgemacht, welche Andere nie vor der Gerichtsverhandlung, der Folter und dem Urteil durchlebten.

Seine grausamsten Leiden waren der Argwohn und die Eifersucht.

Er beargwöhnte Olympia, sie habe ihn ins Gefängnis werfen lassen.

Er beargwöhnte sie, sie habe dem Dragoner-Obersten Rendezvous gegeben.

Ferner hatte er während des Ganges, den er vollends mit den Schützen gemacht, sagen hören, dieser Oberste sei Herr von Mailly.

Man denke sich seinen Zorn und sein Misstrauen.

Dies waren seine Eindrücke, als man ihm den Besuch von Olympia ankündigte.

Er sprang, als er sie erblickte, auf sie zu, unleugbar mit einem Gefühle toller Freude, das alsbald durch das seiner persönlichen Würde und auch durch die eisige Miene, mit der sich Olympia bei ihrer Ankunft bewaffnet hatte, gemäßigt wurde.

»Ah!« sagte Banniére, »Sie sind da!«

»Erwarteten Sie mich nicht?«

»Ich glaubte nicht, mein Fräulein, Sie würden, nachdem Sie mich in den Abgrund gestürzt, den Mut haben, zu kommen, um mich zu beleidigen.«

»Machen wir keine unnütze Phrasen, Herr Banniére. Sie spielen unglücklich auf dieser Welt.«

»Und Sie helfen mir die Partie verlieren.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Verdanke ich es nicht Ihnen, daß ich im Gefängnis bin?«

»Werfen Sie mir vor, daß Sie mich geliebt haben und meinetwegen Ihrem Berufe entlaufen sind, so sprechen Sie wahr, ich bin die Ursache Ihrer Einkerkerung.«

»Das ist es nicht, was ich sagen will: ich will sagen, daß ich Sie liebte, und daß Sie mich angezeigt haben.«

»Eine solche Schändlichkeit! Sie wissen wohl, daß ich hierzu unfähig bin.«

»Ist er auch dazu unfähig, der Dragoner-Oberste, der Sie gestern Abend suchte und Sie ohne Zweifel gesunden hat?«

Olympia erbleichte. Obgleich sie diesen Schlag erwartete, fühlte sie doch, daß es keine gute Verteidigung für sie gab.

»Sie haben Herrn von Mailly gesehen, nicht wahr?« sagte sie mit einem Tone, aus dem das Mitleid hervordrang.

Banniére hielt diesen Schmerz für Reue oder für Furcht.

»Nun sind Sie also überwiesen,« sagte er. »Es ist bewahrheitet, daß Sie mit diesem alten Liebhaber meinen Untergang complottirt haben.«

»So wenig, Herr Bannlire, daß ich im Auftrage von Herrn von Mailly gekommen bin, um Ihnen die Freiheit zu bringen.«

»Die Freiheit! mir?« rief der junge Mann erstaunt.

«Sie unterliegen einer Reklamation der Jesuiten. Sie gehören ihnen; nun denn, Herr von Mailly hat den Einfall gehabt, Sie eine Anwerbung bei seinen Dragonern unterzeichnen zu lassen. Auf diese Art gehören Sie dem König, der Sie auch reklamieren wird, und er wird Sie wohl zurückzunehmen wissen.«

»Das ist edelmütig!« sagte Banniére ironisch.

»Sie haben Unrecht, von einer guten Handlung mit diesem höhnischen Tone zu sprechen. Es stand Herrn von Mailly frei, Ihnen nicht diesen Vorteil zu gewähren.«

«Ah! Sie verteidigen ihn gegen mich. Sie finden ihn mehr edel, als Sie mich unglücklich finden.«

»Ihr Unglück, Herr Banniére, Sie haben es wohl verdient,« sprach Olympia ernst; doch das ist nicht der Augenblick zu Beschuldigungen. Diese Anwerbung, welch Sie von den Jesuiten, das heißt von der Einsperrung errettet, ist hier ohne Namenseinschreibung. Wollen Sie dieselbe unterzeichnen?«

»Vor Allem sagen Sie mir, was Sie mit mir machen werden, denn Ihre Worte haben ein Aussehen von Entschlossenheit, das mich in Erstaunen setzt. Erklären Sie mir . .«

Nichts, ehe Sie dieses Papier unterzeichnet haben.«

»Es ist mir unmöglich, eine Gnade von einem Manne anzunehmen, den Sie vielleicht noch lieben.«

»Das geht Sie nichts an, Herr Banniére; unterzeichnen Sie vor Allem.«

»Welches Interesse haben Sie denn, daß Sie meine Anwerbung so wollen?«

»Das, Sie zu retten, das, Ihnen zu beweisen, daß ich nicht zu Ihrer Einkerkerung geholfen habe, da ich komme, um Ihnen die Thüren zu öffnen. Unterzeichnen Sie.«

Banniére nahm die Feder, die ihm Olympia reichte; sie hatte Alles vorbereitet. Er unterzeichnete, ohne die befreiende Anwerbung zu lesen.

Sie legte das Papier zusammen, nachdem sie die Unterschrift getrocknet hatte, und schloß es in ihr Portefeuille.

»Nun sagen Sie mir, daß Sie mich immer noch lieben,« sprach er Olympia die Hand küssend.

Doch ohne hierauf zu antworten, versetzte sie:

»Mit Ihrem Anwerbungsvertrag wird Sie Herr von Mailly noch diesen Morgen reklamieren; Sie werden um vier Uhr heute Abend frei sein: so viel Zeit braucht man gerade, um die nötigen Schritte zu tun und die unerlässlichen Förmlichkeiten zu erfüllen.«

»Sie haben mir nicht geantwortet,« unterbrach sie Banniére zärtlich; »ich fragte Sie, ob Sie mich immer noch lieben.«

»Werden Sie nicht unruhig, wenn Sie einigen Verzug erleiden, mein Herr,« fuhr Fräulein von Clèves in demselben Tone fort. »Der Official wird nur mit Schwierigkeiten seine Beute loslassen, doch Herr von Mailly ist entschlossen, mit Nachdruck zu handeln.«

»Olympia!« unterbrach Banniére abermals mit mehr Stärke.

»Ich habe sogar gedacht,« fuhr Olympia fort, ohne daß sie zu bemerken schien, wie sehr der gefangene vor Begierde, ein anderes Gespräch anzuknüpfen, brannte, »Sie müssen befürchten, es werde Ihnen an Beistand und Unterstützung fehlen. Ich habe Ihnen Geld gebracht, damit Sie bei Ihrem Abgang von hier sogleich mit der für einen Soldaten notwendigen äußern Haltung auftreten können.«

»Hören Sie, Olympia,« sagte Banniére aus das Äußerste getrieben, »Sie wollen mir also nicht antworten? Ich habe Sie gefragt, ob Sie mich immer noch lieben?«

»Ich wollte Ihnen in der Thai nicht antworten, Herr Banniére.«

»Aber ich will, daß Sie mir antworten.«

»Dann werde ich Ihnen meinen Gedanken sagen: Nein, Herr Banniére, ich liebe Sie nicht mehr.«

»Sie lieben mich nicht mehr rief Banniére erschrocken über die Worte von Olympia und besonders über den Ton, mit dem diese Worte ausgesprochen worden waren.

 

»Nein,« wiederholte sie.

»Warum nicht?« stammelte der Unglückliche.

»Weil Sie Faser um Faser den goldenen Faden dieser Liebe abgenutzt haben; weil Sie, ehe Sie ihn abgenutzt, die Farbe davon getrübt, beschmutzt, vertilgt haben, und weil bei einem Weibe die Illusion das ist, was vor Allem die Liebe erhält. Sie haben mich aber betrogen, dann verspottet, dann misshandelt; ich habe keine Illusion mehr bewahrt, folglich auch keins Liebe mehr.«

»Olympia!« rief Banniére, indem er sich ihr zu Füßen warf, »ich schwöre Ihnen, daß ich Sie nie betrogen habe.«

»Ich glaube Ihnen nicht!«

»Olympia! Ich schwöre Ihnen bei meinem Leben und dem Ihrigen, daß ich nie Ihren Ring der Catalane gegeben habe.«

»Ich glaube Ihnen nicht!«

»Hören Sie, Olympia, da ich frei sein werde, da ich handeln werde, so ist das sehr leicht: ich bitte Sie, mit mir zu ihr zu kommen, und sie wird erzählen, was zwischen uns vorgegangen ist; sagt sie, ich habe ihr Ihren Ring gegeben, so tun Sie Alles, was Sie wollen: tödten Sie mich! nein, tun Sie mehr, verlassen Sie mich!«

Der Unglückliche sprach diese Worte aus eine so kräftige und natürliche Art, er wälzte sich zu den Füßen von Olympia mit so tiefer Verzweiflung und so tödlicher Angst, daß diese erschüttert war; sie ließ es ihn sehen.

»Wie sollte ich,« fuhr er fort, »wie sollte ich, und wäre es auch nur einen Augenblick, eine andere Frau geliebt haben, da Sie Alles in meinem Leben, da Sie mein ganzes Herz sind. Eine vorübergehende Untreue, mein Gott! Sie würden das verzeihen: ich würde es Ihnen verzeihen! Oh! sehen Sie, ob ich Sie liebe. Hören Sie! kämen Sie und würden mir sagen, Herr von Mailly sei zurückgekehrt, er habe Sie angefleht, er habe Sie überredet, Olympia I ich bin sehr unglücklich, ich bin sehr feig! ich habe eine sehr niederträchtige und sehr elende Liebe! . . . ich würde Ihnen verzeihen, wenn Sie mir sagten, Sie lieben mich noch!«

Olympia fühlte, daß die Schläge ihres Herzens stille standen; sie befürchtete, zu schwanken, schwach zu werden, ihre Hand in den Küssen dieses Menschen zu lassen, dem die beredte, wahre Liebe so viel unwiderstehliche Macht verliehen.

Es blieb ihr nur noch die rohe Gewalt. Sie schöpfte aus ihrem Herzen jene unbändige Festigkeit, welche die Frauen, die nicht mehr lieben oder nicht mehr zu lieben glauben, darin zu finden wissen.

»Nun wohl.« sprach sie, »Sie ersparen mir, Ihnen zu sagen, was ich Ihnen verbergen wollte. Herr vor Mailly ist zurückgekehrt, ich gehöre nicht mehr mir.«

Während sie so sprach, sah man das Blut sich von den Wangen und den Lippen von Banniére zurückziehen und nach seinem Herzen fließen.

Er erschien schrecklich der Frau, die ihn kurz zuvor zittern machte.

»Ah! Olympia! Olympia!« stammelte er. Und dieses Zittern schüttelte alle seine Glieder und seine Beine schwanden unter ihm.

Bis jetzt kniend, sank er rückwärts, und er wäre seiner ganzen Länge nach gefallen, hätte er nicht den hölzernen Schemel, den einzigen Sitz der gefangenen des Official, getroffen.

Sie beobachtete ein düsteres Stillschweigen. Er suchte das Leben zurückzurufen, das ihn floh. Endlich sprach er mit Anstrengung:

»Sie werden nicht unbeugsam sein wegen eines Verbrechens, das ich nicht begangen, denn ich bin es nicht wegen des Fehlers, den Sie gestanden haben. Ich verzeihe Ihnen, Olympia, geben Sie mir Ihre Liebe zurück: nicht wahr, Sie sind das meiner Feigheit schuldig?«

»Banniére,« erwiderte sie mit dumpfem Tone, »hätte ich Sie nicht für schuldig gehalten, so würde ich die Treue, die ich Ihnen geschworen, nicht gebrochen haben. Lassen Sie mich vollenden . . . Sie bereuen, ich sehe es wohl. Sie fühlen nun, was ich bin, doch es ist zu spät.«

Banniére schaute sie mit einer verdutzten Miene an.

«Banniére,« fuhr sie, sich ermutigend, fort, »wir werden fortan getrennt sein; lassen Sie mich Ihnen sagen, daß ich, wenn Sie gewollt hätten, Ihre treue Freundin für die Ewigkeit gewesen wäre.«

»O mein Gott!« murmelte er wie am Tage vorher, als er Herrn von Mailly erblickte.

»Unterbrechen Sie mich nicht mehr; ich habe es Ihnen gesagt, ich gehöre nicht mehr mir. Leben Sie, arbeiten Sie, vergessen Sie, was Ihnen leicht sein wird, und bedenken Sie, daß von den zwei Losen, die uns zugefallen, das Ihrige das bessere ist. Heute fühlen Sie ein Leid, wer weiß, ob nicht morgen ich ein Leid fühlen werde.«

Nach diesen Worten, welche von der Zartheit und dem Adel ihres Herzens zeugten, machte Olympia einen Schritt gegen die Thür.

Banniére, als er sie weggehen sah, machte einen Sprung oder begann vielmehr diesen Sprung.

»Nein,« sprach er, »es ist unnütz! Sie ist nicht coquette. Wenn sie sagt, sie liebe mich nicht mehr, so liebt sie mich auch nicht mehr.«

Er sank niedergeschmettert zu Boden.

Olympia näherte sich ihm, und als sie ihn in diesem Zustand sah, der an den Stumpfsinn grenzte, reichte sie ihm die Hand; er bemerkte es nicht.

Sie schob ihm in seine Finger die mit Gold gefüllte Börse, welche sie mitgebracht hatte; er zeigte nicht, daß er es bemerkte.

Da wandte sie sich langsam wieder nach der Thür, und er machte keine Bewegung, um sie daran zu verhindern.

Eine entsetzliche Herzbeklemmung bemächtigte sich ihrer: das Auge auf den armen jungen Mann geheftet, den sie verließ, fühlte sie sich doch durch ihre Pflichten und durch ihre Redlichkeit hingezogen.

Ein Wort von Banniére, eine Träne, ein Seufzer, eine Gebärde vielleicht hätten bei ihr ein letztes Merkmal von Empfindung und Erinnerung hervorgerufen, aber der Mensch war todt und verlangte nicht mehr, daß man sich um ihn bekümmerte.

Olympia ließ sich die Thüren des Gefängnisses öffnen und entfernte sich erschrockener als je, rascher als der Blitz, denn sie befürchtete, wenn sie einmal außen, könnte die Gegenwirkung eintreten, und ein Schrei des Unglücklichen, eine Anrufung der Geliebten, eine Erschütterung der unbeugsamen Thüren könnten bis zu ihrem Ohr dringen, ihren Entschluss ihr vorwerfen und ihren Mut wanken machen.

Nichts! sie hörte nichts, als das Knistern des Papiers, auf welchem Banniére seine Kapitulation als Dragoner unterzeichnet hatte, und dessen Ecken sich gegen die dichte Seide ihres Kleides empörten.

XXXVI.
Wie das Pferd von Banniére lief, bis es stehen blieb, und mit welchen ehrlichen Personen unser Held in einem Flecken, dessen Namen wir vergessen, Bekanntschaft machte. 13

Das Pferd war ein guter Renner. Banniére fühlte das Bedürfnis, zu rennen. Dadurch erfolgte, daß Banniére dem Pferde, wenn es, zu sehr ermüdet, langsam ging, die Sporen in den Bauch stieß, wonach das edle Tier im Galopp weiter eilte.

Es erfolgte auch, daß das Pferd und der Mann in einem Zuge einen sehr langen Lauf machten.

Zwei Stunden nach seinem Abgange von Lyon war Banniére indessen genötigt, ein paar Augenblicke der Ruhe einmal sich und sodann seinem Rosse zu gönnen.

Diese Augenblicke der Ruhe benützte er für seine Person, um eine vortreffliche Flasche Burgunder in Angriff zu nehmen, und für sein Pferd, um ihm eins doppelte Ration Hafer geben zu lassen, in die er edelmüthig den Rest von seiner Flasche goß.

Während dieses zweistündigen Laufes hatte Banniére ungefähr acht Meilen gemacht.

Als der Mann erfrischt war und das Pferd gefüttert, stieg der Mann wieder zu Pferde und setzte seinen Lauf fort.

Der Wein und der Hafer taten Wunder: das Tier hatte den Teufel im Leibe; seine Füße berührten die Erde nicht. Man hätte glauben sollen, es sei das Ross von Faust, das zum Hexensabbat laufe.

Allerdings hätte man an der Seite von Faust vergebens Mephistopheles gesucht; doch sichtbar oder unsichtbar hat jeder Mensch seinen Mephistopheles, der an seiner Seite galoppiert.

Der Mephistopheles von Banniére war in diesem Augenblick ein Compositum von allen Leidenschaften; es war vor Allem für Olympia eine Liebe heftiger als je; es war gegen Herrn von Mailly ein tiefer Hass, der sich von Minute zu Minute mehr erbitterte; denn der arme Banniére dachte, diese Minuten, während welcher sein Hass sich immer, mehr erbitterte, bringe Herr von Mailly bei Olympia zu; dann verband sich von Zeit zu Zelt mit Allem dem ein Gefühl, das, wenn auch weniger erhaben, als die zwei Leidenschaften, mit denen man so viele schöne Tragödien und so viele herrliche Dramen gemacht hat, – die Liebe und der Hass – darum nicht minder heftig war: wir meinen die Angst.

Banniére hatte bange, verfolgt zu werden, Banniére hatte bange, eingeholt zu werden; es geschah zum zweiten Male, daß er so floh; das erste Mal vor den Jesuiten, das zweite Mal vor den Dragonern. Das erste Mal floh er aber mit Olympia, und diesmal floh er allein, abgesehen vom unsichtbaren Mephistopheles, der ihm zuflüsterte:

»Hurtig! Banniére, hurtig! und Du wirst Olympia einholen und wirst Herrn von Mailly einholen, und Du wirst den Dragonern entkommen, wie Du den Jesuiten entkommen bist. Hurtig! Banniére, hurtig!«

Und jede Eingebung dieses Gottes, der Banniére stachelte, übersetzte sich in Spornstichen für das arme Ross.

Erschöpft, blieb endlich das Pferd von selbst, ganz zitternd aus seinen Beinen, keuchend, vor Schweiß triefend, stille stehen.

Unser improvisierter Reiter hatte In fünf Stunden fünfzehn Landmeilen wohl gezählt gemacht, was nach der niedrigsten Rechnung immerhin fünf und zwanzig Postmeilen beträgt.

Banniére, als sein Pferd stehen blieb, war In einem so tiefen Gesprächs mit seinem Mephistopheles begriffen, daß er nicht einmal bemerkte, wie er in einem großen Flecken angekommen war, dessen Einwohner, auf der Schwelle ihrer Thüren stehend oder aus Bänken sitzend, welche an die Facade ihrer Häuser angefügt waren, mit einer Art von selbstsüchtigem Wohlbehagen, welches zu verbergen sie sich nicht einmal die Mühe nahmen, den von Staub so weißen Retter, das von Schaum so weiße Pferd, beide völlig abgemattet, betrachteten, während sie, die wackeren Landleute, damit zufrieden, daß sie die Erde sich drehen ließen, ohne sich aus ihrer Oberfläche zu rühren, nicht aufgehört hatten, vollkommen glücklich, ruhig und unbeweglich zu sein und jenes Wohlbehagen zu genießen, das die lateinischen Dichter, außerordentlich träge Leute, bewunderungswürdig begriffen haben.

Als das Pferd stille stand und Banniére seine vom Staube aufgeschwollenen und durch das Blut erschwerten Augen öffnen konnte, sah er zuerst den von uns erwähnten großen Flecken, welcher aus einer Straße bestand, an deren Ende man die Ebene erblickte. Dann, wie das oft geschieht, als er seinen Blick von den entfernten Gegenständen zu den näheren zurück gesenkt hatte, sah er einen Mann von gutem Äußeren, der den Zaum seines Pferdes hielt, und einen minder blühenden Mann, welcher den Steigbügel aus der linken Seite hielt.

Zu gleicher Zeit sprach eine Stimme, die einen freundlichen Ausdruck affektierte. zu seinen Ohren:

»Guten Morgen, Herr Dragoner!«

»Ho!, ho!« versetzte Banniére noch ein wenig betäubt, »spricht man zufällig mit mir?«

Doch ein Augenblick der Überlegung genügte ihm, daß er wahrnahm, die Stimme könne nicht die Ankunft irgend eines Andern begrüßen, aus dem doppelten Grunde, weil er allein aus der Straße war, und weil keine Dragoner wahrscheinlich aus zehn Meilen in der Runde existierten.

Er bemerkte auch, daß sein Pferd, als ein mit Instinkt, wenn nicht mit Vernunft begabtes Wesen, gerade vor der Thür von einem der großen Wirtshäuser Halt gemacht hatte, welche die Landstraßen unseres alten Frankreichs besprenkelten und aus eine Meile in der Runde nach Heu für die Vierfüßigen und nach Braten für die Zweifüßigen rochen.

Der Spieß drehte sich: junge Höhne und Rebhühner schmorten, während das duftende Heu durch den Flaschenzug herabkam und ein schöner, schwarzer Hafer unter den Zähnen von dreißig Pferden krachte, welche den Stall bevölkerten.

»Guten Morgen, Herr Dragoner,« hatte Jemand gesagt.

»Guten Morgen, meine Herren,« antwortete Banniére, indem er seiner Stimme den Ausdruck einer dankbaren Höflichkeit zu geben suchte, als er die zwei Männer sah, die sich um ihn beeiferten.

»Oh! der schöne Dragoner!« sagte eine dritte Person; daß diese dem weiblichen Geschlechte angehöre, er kannte Banniére sogleich an dem sanften Klang Ihrer Stimme.

 

»Teufel! Teufel!« dachte Banniére, während er mit den Augen die Eigentümerin dieses reizenden Klanges suchte, der, obgleich er ihn erschreckte, zugleich sanft seinem Ohre schmeichelte. »Teufel! ich muss mein Kostüm wechseln; ich bin ein wenig zu sehr Militär für Jedermann in dieser Gegend.«

Er beruhigte sich indessen, als er sah, daß die zwei Männer zwei bürgerliche Röcke und seine Lobrednerin eine junge Frau von zwanzig Jahren waren.

Die zwei bürgerlichen Röcke befanden sich, wie gesagt, der eine am Zaume, der andere an der linken Seite des Pferdes von Banniére. Die hübsche zwanzigjährige Frau stand aus der Schwelle des Gasthauses.

Banniére warf auf Alles, was ihn umgab, einen raschen Blick, und als er wahrnahm, daß nichts in dieser Herberge oder um diese Herberge nach den Gerichten roch, stieg er mit einer ganz entschlossenen Miene ab.

Kaum hatte er sich von seinem Pferde getrennt, als das Tier vom Hausknechte in den Stall geführt wurde, wonach er sich sachte nach dem Speisesaal führen ließ.

Es gibt bekanntlich unwiderstehliche Strömungen, die den Menschen immer dahin führen, wohin er zu gehen wünscht.

Das Thier aber wünschte in den Stall zu gehen und der Mensch in das Speisezimmer: Beide gelangten daher um dieselbe Zeit an das Ziel ihrer Wünsche.

Die zwei Männer mit dem beruhigenden Aussehen begleiteten Banniére, als wollten sie ihm die Honneurs des Hauses machen.

Banniére ließ sie, ziemlich erstaunt über ihre Zuvorkommenheit, gewähren.

Die hübsche Dame war, – Banniére wusste nicht wie, ohne Zweifel mit Hilfe von Sylphidenflügeln, – die hübsche Dame war von der Schwelle des Gasthauses verschwunden, um aus der Schwelle des Speisesaales wiederzuerscheinen.

Zugleich durch das Herz, die Augen und den Magen geführt, gab Banniére dieser dreifachen Anziehungskraft nach.

Und er musste sogleich einige Fragen aushalten, welche übrigens sehr natürlich bei Leuten, die ihn mit solchen Zuvorkommenheit überschütteten, Fragen, die sich im Ganzen auch alle in den folgenden zusammenfassten:

»Wohin gehen Sie, Dragoner?«,

»Wohin ich gehe?« antwortete Banniére. »Das ist, bei Gott! ganz einfach; ich gehe nach Paris.«

»Verzeihen Sie, Sie könnten anderswohin gehen.«

Banniére schaute denjenigen, welcher ihm dies erwiderte, mit erstaunter Miene an. Anderswohin, als wo sich Olympia und Herr von Mailly befanden, das war etwas Unmögliches.

Er schüttelte den Kopf und sagte:

»Nein, nein, ich gehe nicht anderswohin.«

»Es scheint, das ist der Weg des Herrn,« sprach Einer von den zwei Männern. »Ich sehe nichts Schlimmes darin, daß der Herr nach Paris geht; ich komme von dort her.«

Banniére dachte, es sei Zeit, sich Rechenschaft von den Personen zu geben, die er um sich sah, und während man den Tisch deckte, nahm er, zugleich seine Stiefel mit seinem Sacktuch abstaubend, eine detaillierte Prüfung derselben vor.

Der Eine, derjenige, welcher nicht wollte, daß Banniére nach Paris ging, war ein kleiner Bürgersmann von ungefähr fünfzig Jahren, mit hochrotem Gesicht, rundlich, behäbig; er war bekleidet mit einem grau«braunen Rock, ähnlichen Hosen und grau, blauen Zwickelstrümpfen.

Ziemlich groß, ziemlich mager um die Brust, hatte der Andere, der, trotz seiner bürgerlichen Kleidung, eine Feder aus dem Ohr trug, lange Arme, eine Nase wie die Arme, eine dürre Hand, ein kleines, rundes, ganz schwarzes Auge, und in dieser langen Nase, man erlaube uns, hieraus zurückzukommen, die Sache ist schon der Mühe wert, eine gewisse Abweichung von der geraden Linie, welche die mit dieser Unvollkommenheit behafteten Personen mit der größten Sorgfalt durch die Orthopädie müssten verbessern lassen, in Betracht, daß kein physiognomisches Anzeichen bündiger ist, um die Unregelmäßigkeit der Moralität zu beweisen.

Leider war Lavater, bei dem wir uns über solche Dinge unterrichten, noch nicht geboren, oder, wenn er geboren war, hatte er noch nicht geschrieben; Banniére konnte folglich Lavater nicht gelesen haben.

Er dachte, der Mann mit der langen und schrägen Nase habe die Gewohnheit angenommen, sich von rechts nach links zu schnäuzen, und aus dieser unglücklichen Gewohnheit sei das erwähnte Gebrechen hervorgegangen.

Vielleicht sah er gar nichts, dachte er gar nichts und gab er durchaus nicht, so sehr war er in seinem Innern mit dem hübschen Näschen von Olympia beschäftigt, aus die große, abscheuliche Quernase des Mannes mit der Feder Achtung.

Dieser Mann warf sich übrigens aus eine sehr hoffärtige Art in die Brust und streichelte zugleich seine Hüfte, die er kavaliersmäßig vorwärts warf, und den einst vergoldeten Knopf eines langen Degens.

Zuweilen senkte er mit Wohlgefallen sein kleines Auge auf die hübsche Frau, seine Gefährtin, deren Portrait es wohl verdient, daß wir ihm auch ein Dutzend Zeilen widmen.

Wir Romanendichter rechnen übrigens nie mit den hübschen Frauen, und die Frau des Mannes mit der Feder, denn es war sichtbar seine Frau, war, wir wiederholen es, hübsch.

Wir geben also ihr Portrait: man schaue es wohl an.

Klein, blond und frisch; großes, entschieden blaues Auge; fleischiger, sein gezeichneter Mund, oft lächelnd, zuweilen schön tuend und dann das Herz erregend; zierliche Hände, reizend anzuschauen.

Sie sah, daß die Reihe, prüfend betrachtet zu werden, an sie kam, und machte Banniére einen artigen Knix.

Das Gespräch bewegte sich im Allgemeinen, wie dies unter Leuten, die sich nicht kennen, gewöhnlich ist, aus Gemeinplätzen.

Der Weg, das Wetter und das Pferd des Reisenden trugen die Kosten der Unterhaltung.

Banniére war einsilbig in Betreff des ersten Punktes: er hatte alle Arten von Ursachen, nicht zu sagen, woher er kam.

Er war gefällig in Betreff des zweiten; er gestand, es herrsche eine Teufelshitze, gab aber zu, es sei minder heiß, als in den Abruzzen, wie der Mann mit der Feder behauptete.

Warum: Als in den Abruzzen? Wir werden es sogleich sagen.

Doch beim dritten Punkte, bei dem des Pferdes,, war er weitschweifig, weitschweifig wie Ovid.

Das läßt sich begreifen; Banniére hatte drei Gründe, um so zu handeln.

Den ersten haben wir genannt: er wollte nicht wissen lassen, woher er kam.

Was den zweiten betrifft, so konnte er nicht verhindern, daß das Wetter war, was es war: sehr heiß. Er konnte jedoch den Grad der Hitze bestreiten und behaupten, es sei so heiß, als in den Abruzzen; er tat es nicht, mochte er nun über diesen Punkt der Ansicht seines Gegenredners sein, oder war ihm die Sache gleichgültig.

Sein dritter Grund aber war, daß er sein, wie die Cavaleriepferde, mit einer Lilie auf dem Kreuze bezeichnetes und erkennbares, folglich aus dem ganzen Wege gefährdendes Pferd, verkaufen wollte.

Der Mann mit den grau-blauen Strümpfen und der Mann mit der Feder fingen nun an das Pferd zu analysieren.

Der mit der Feder versiegte nicht über seine Schönheit.

»Erlauben Sie, Herr Marquis, daß ich Ihnen widerspreche,« sagte der kleine Mann.

»Ho! Ho!« dachte Banniére, »ich habe es mit einem Marquis zu tun. Teufel! lass einmal sehen.«

Und je mehr er sah, desto mehr fand er, der Liebhaber des Schönen, diese Quernase unangenehm,

»In welcher Hinsicht können Sie dieses Pferd tadeln?« erwiderte der Marquis. »Es ist, was es ist.«

»Es ist reh, mein Herr.«

»Ei!« rief Banniére, »wenn es nicht zu unhöflich wäre, dies Ihnen zu sagen, so würde ich Ihnen antworten, Sie verstehen sich nicht darauf.«

«Oh! was das betrifft,« entgegnete der Marquis, »ich werde nicht Ihrer Ansicht sein. Ich verteidige das Tier, das mir ein vortreffliches Tier zu sein scheint, und für das ich eine Sympathie habe; doch sollte ich sagen, der Herr verstehe sich nicht aus Pferde, oh! nein! Oh! nein! Oh! nein! ich würde das nie sagen.«

»Aber . . .« versetzte Banniére.

»Lieber Dragoner,« sprach der Mann mit der Feder mit einem kleinen Protectorstone. der für Banniére einen widrigen Klang hatte, »dieser Herr ist ein großer Seidenhändler, der mehr Pferde aus seinen Reisen getödtet hat, als Ihr Regiment und das meinige je im Kriege getödtet haben, und hätten sie den Krieg gegen Prinzen Eugen und Herrn von Malborough mitgemacht.

»Ah! Sie haben ein Regiment?« sagte der Drogoner.

»Das heißt, mein Herr, ich bin Kapitän in einem Regiment,« antwortete der Marquis.

»Der Herr Marquis,« sagte der kleine Mann mit den blau-grauen Strümpfen Banniére ins Ohr, »der Herr Marquis ist Kapitän beim Regiment der Abruzzen.«

»Ah!« versetzte Banniére, »darum bemerkte er vorhin, als ich sagte, es sei heiß aus dem Wege nach Paris: Nicht so heiß als in den Abbruzzen?«

»Ganz richtig.»

»Ich begreife das nun.«

»Ein furchtbarer Cavalier,« fuhr der Seidenhändler fort, »Sie haben sicherlich von ihm reden hören?«

13Der Leser wird hier eine scheinbare Lücke finden, Al. Dumas füllt sie in einem späteren Kapitel aus. d, Übersetzer.]