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La San Felice Band 9

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Drittes Capitel.
Das Königthum in Palermo

Wir haben gesehen, daß das Allererste, was der König noch vor seinem Cabinetsrath und gleich bei seiner Ankunft in Palermo reorganisiert hatte, seine Partie Reversi war.

Zum Glücke hatte, ganz wie Ferdinand gedacht, der Herzog von Ascoli, um den er sich nicht bekümmert, Mittel gefunden, um nach Sicilien zu gelangen. Der Herzog ward hierbei von jener naiven und unverbrüchlichen Anhänglichkeit getrieben, welche seine Haupttugend war, eine Tugend, welche ihm der König nicht mehr Dank wußte als dem Hunde Jupiter seine Treue.

Der Herzog von Ascoli hatte Caracciolo ersucht, ihn mitzunehmen. Da Caracciolo wußte, daß der Herzog von Ascoli der beste und uneigennützigste aller Freunde des Königs war, so hatte er dem Wunsche desselben sofort entsprochen.

Der König fand demgemäß unter der Zahl der Personen, welche schon am Abende seiner Ankunft sich bei ihm einfanden, um ihm ihre Aufwartung zu machen, den Herzog von Ascoli.

Seine Anwesenheit setzte jedoch den König nicht in Erstaunen und das Compliment, welches er ihm deswegen machte, bestand blos in den Worten:

»Ich wußte wohl, daß Du Mittel finden würdest zu kommen.«

Man erinnert sich überdies, daß unter der Zahl der Magistratspersonen, welche sich eingefunden hatten, um dem König ihre Aufwartung zu machen, sich ein alter Bekannter von ihm, der Präsident Cardillo, befand, welcher niemals nach Neapel kam, ohne die Ehre zu haben, einmal an der Tafel des Königs zu speisen, wogegen der König, so oft er nach Palermo kam, ihm die Ehre erwies, wenigstens einmal auf seinem prachtvollen Landgute Ilice zu jagen.

Zu Gunsten des Präsidenten Cardillo machte der König in Bezug auf seine Sympathien und Antipathien eine Ausnahme. Sehr aristokratisch gesinnt, obschon im höchsten Grade populär, haßte Ferdinand doch sämtliche adelige Beamte.

Der Präsident Cardillo hatte ihn jedoch durch zwei mächtige Verlockungen verführt. Der König liebte die Jagd, und der Präsident Cardillo war seit Nimrod und nächst dem König Ferdinand einer der gewaltigsten Jäger vor Gott, welche jemals existiert.

Der König verabscheute die Titusköpfe, so wie die Schnurr- und Backenbärte; der Präsident Cardillo aber hatte kein Haar, weder auf dem Kopf noch auf den Wangen oder dem Kinne.

Die majestätische Perrücke, unter welcher der würdige Beamte seine Kahlheit verbarg, besaß daher das seltene Vorrecht, von dem Könige gnädig empfangen zu werden.

Auch warf er sofort ein Auge auf ihn, um ihn nebst Ascoli und Malaspina zu den gewohnten Mitspielern seinen Partie Reversi zu machen.

Die andern Spieler ohne Karte, wie man von Ministern ohne Portefeuille sagen könnte, waren der Fürst von Castelcicala der Einzige der drei Mitglieder der Staatsjunta, welcher von der Königin gewürdigt worden war, ihren Schutz zu genießen und mit nach Sicilien genommen zu werden, der Marquis von Circello, welchen der König so eben zu einem Minister des Innern gemacht, und der Fürst von San Cataldo, einer der reichsten Grundbesitzer des südlichen Siciliens.

Dieses Gespann des Königs, wenn wir mit diesem Ausdrucke die drei Höflinge bezeichnen dürfen, welche die Ehre hatten, zu seinen Spielpartien auserwählt zu werden, war die seltsamste Sammlung von Originalen, die man sehen konnte.

Den Herzog von Ascoli, dem wir eigentlich mit Unrecht den Namen eines Höflings geben, kennen wir. Er war eine jener heiter ruhigen, muthigen und loyalen Persönlichkeiten, wie man sie bei Hofe so selten trifft. Seine Anhänglichkeit an den König war frei von allem Ehrgeize. Nie war es ihm eingefallen, um Geld oder Ehrenstellen zu bitten, oder, wenn der König ihm eine solche Gunst angeboten, ihn, wenn er es vergaß, wieder daran zu erinnern. Er war das Urbild eines echten Edelmanns, er liebte das Königthum als eine geheiligte Institution, hatte sich freiwillig Pflichten gegen dasselbe aufgelegt, und verwandelte eben so freiwillig diese Pflichten in Obliegenheiten, die er gern erfüllte.

Der Marquis Malaspina dagegen war einer jener händelsüchtigen, starren Charaktere, welche sich gegen Alles auflehnen und zuletzt doch gehorchen, dann aber, worin auch der vom Herrn ertheilte Befehl bestanden haben möge, sich für diesen Gehorsam durch verletzende Worte oder mianthropische Bemerkungen rächen. Er war, wie Katharina von Medicis vom Herzoge von Guise sagte, eines jener als Eisen angemalten Rohre, welche sich biegen, wenn man darauf drückt.

Der vierte, Präsident Cardillo, ist schon flüchtig geschildert worden und wir haben, um sein Porträt vollständig zu machen, nur noch wenige Striche hinzuzufügen.

Der Präsident Cardillo war, ehe der König hierher kam, der heftigste Mensch und zugleich der schlechteste Spieler in ganz Sicilien. Nach Ankunft des Königs wäre er wie Cäsar, wenn ihm durchaus daran lag, der Erste bleiben zu wollen, genöthigt gewesen, irgend ein Dorf Sardiniens oder Calabriens aufzusuchen.

Gleich am ersten Abende, wo er zum Spieltische des Königs zugelassen ward, gab er durch ein Wort einen Maßstab für seine Unterwerfung unter die königliche Etikette.

Eine der hauptsächlichsten Aufgaben des Reversispielens ist, sich seiner Aß zu entledigen. Einmal bemerkte König Ferdinand nun, daß er, während er sich eines Aßes hätte entledigen können, dasselbe in der Hand behalten hatte, und rief:

»Wie dumm ich doch bin! Ich hätte jetzt mein Aß los werden können und hab' es behalten.«

»Ach,« antwortete der Präsident, »ich bin noch dümmer, als Ew. Majestät, denn ich hätte Quinola machen können und habe es auch nicht gethan.«

Der König fing an zu lachen und der Präsident, welcher in seiner Achtung schon hoch stand, stieg darin noch höher. Seine Freimüthigkeit erinnerte den König wahrscheinlich an die seiner jungen Lazzaroni.

Es war dies allerdings nur ein Wort, der Präsident aber blieb nicht bei Worten stehen. Er ging auch zu Thatsachen und Geberden über. Bei dem geringsten Widerspruch zum Beispiel, oder bei dem geringsten Verstoß seines Partners gegen die Regeln des Spiels warf er mit den Spielmarken, den Karten, dem Geld und den Leuchtern um sich herum. Sah er sich aber am Spieltische des Königs, so mußte er natürlich schweigen und seinen Ingrimm verbeißen.

Drei oder vier Abende ging Alles gut. Der König aber, welcher den Charakter des Präsidenten aus Erfahrung kannte und übrigens sah, welchen Zwang er sich anthat, machte es sich zum Vergnügen, ihn zum Aeußersten zu treiben. Wenn er dann nahe daran war loszubrechen, sah er ihn an, und richtete die erste beste Frage, die ihm einfiel, an ihn.

Der arme Präsident, welcher dann gezwungen war, höflich zu antworten, lächelte vor Wuth, setzte aber gleichzeitig und so graziös, als ihm möglich war, den Gegenstand, welchen er eben im Begriff gestanden an die Decke zu schleudern oder auf den Fußboden zu werfen, auf den Tisch und hielt sich an die Knöpfe seines Rockes, welche er einen nach dem andern abriß, und die man dann den nächstfolgenden Morgen auf dem Teppich umhergestreut fand.

Am vierten Tage jedoch konnte der Präsident sich nicht länger beherrschen. Er warf die Karten, die er nicht dem König ins Gesicht zu werfen wagte, dem Marquis von Malaspina ins Gesicht, und da er in der einen Hand sein Taschentuch und in der andern seine Perrücke hielt, und ihm der Zornschweiß vom Gesicht troff, irrte er sich in der Hand und begann damit, daß er sich das Gesicht mit der Perrücke abwischte und sich sodann in dieselbe schnäuzte.

Der König glaubte vor Lachen sterben zu müssen und nahm sich vor, sich diesen Spaß so oft als möglich zu machen.

Aus diesem Grunde hütete Ferdinand sich auch wohl, die erste Einladung zur Jagd, welche der Präsident Cardillo an ihn ergehen ließ, abzulehnen.

Der Präsident Cardillo besaß, wie wir bereits erwähnt, ein prachtvolles Landeigenthum, welches fünftausend Unzen Gold oder sechzigtausend Francs jährlich einbrachte. Mitten in diesem Besitzthum stand ein Schloß, würdig einen König zu beherbergen.

Hier langte der König am Vorabend der Jagd an, um daselbst zu dinieren und zu übernachten.

Ferdinand war neugierig und ließ sich das Schloß im in allen seinen Einzelheiten zeigen. Sein Zimmer, welches das Ehrenzimmer war, befand sich dem seines Wirthes gegenüber.

Am Abend, nachdem er wie gewöhnlich seine Partie Reversi gemacht, und ebenfalls wie gewöhnlich seinen Wirth geärgert, legte er sich nieder.

Obschon aber sein Bett einen Baldachin hatte wie ein Thron, so erwachte er, wenn es die Jagd galt, stets munter und jung, noch eine Stunde früher, als das Horn zum Appell blies.

Da er nicht wußte, was er in seinem Bett machen sollte, und auch nicht wieder einschlafen konnte, so kam er auf den Einfall, zu sehen, wie ein Präsident in seinem Bett ohne Perrücke und in der Nachtmütze sich ausnähme.

Die Sache war um so weniger indiscret zu nennen, als der Präsident Witwer war.

Der König stand demgemäß auf, zündete eine Kerze an, lenkte seine Schritte im Hemd nach der Thür des Zimmers seines Gastes, drehte den Schlüssel um und trat ein.

Wie grotesk der Anblick auch war, auf welchen der König sich gefaßt gemacht, so hatte er doch keine Ahnung von dem, welches sich seinen Augen in der Wirklichkeit darbot.

Der Präsident saß ohne Perrücke und ebenfalls im Hemd in der Mitte des Zimmers auf der Art Thron, worauf Herr von Vendôme den Cardinal Alberoni empfangen hatte.

Anstatt zu erstaunen und die Thür zu schließen, ging der König geraden Weges auf ihn zu, während der auf diese Weise überraschte arme Präsident unbeweglich und ohne ein Wort zu sagen sitzen blieb.

Der König hielt ihm nun ein Licht unter die Nase, um besser zusehen, was für ein Gesichter machte, und begann dann mit bewundernswürdigem Ernst um die Statue und deren Piedestal herumzugehen, während nur der Kopf des Präsidenten, der sich mit beiden Händen auf die Armlehnen seines Thrones stützte, Seine Majestät mit einer centralen Bewegung begleitete, welche der kreisförmigen Bewegung des Königs entsprach.

 

Endlich sahen die beiden Gestirne, welche so ihren Umlauf bewirkten, sich wieder einander gegenüber, und da der König sich aufgerichtet hatte, und stillstand, ohne zu sprechen, so sagte der Präsident mit der größten Kaltblütigkeit:

»Sire, da dieser Fall in der Etikette nicht vorgesehen ist, so frage ich, ob ich sitzen bleiben oder aufstehen soll.«

»Bleib sitzen! Bleib sitzen!« sagte der König. »Eben aber schlägt es vier Uhr. Laß uns nicht warten.«

Und mit demselben Ernst, wie Ferdinand das Zimmer betreten, verließ er dasselbe wieder.

Wie groß die Ernsthaftigkeit, die der König affectirt hatte, aber auch war, so gehörte dieses Abenteuer nichtsdestoweniger zu denen, welche er in der Folgezeit stets mit vielem Vergnügen wieder erzählte, obschon nicht lieber als das seiner Flucht mit Ascoli, einer Flucht, auf welcher, wie er erklärte, Ascoli die augenscheinlichste Gefahr lief, gehängt zu werden.

Die von dem Präsidenten veranstaltete Jagd war großartig. Welcher Tag aber wäre selbst im glückseligen Sicilien sicher zu verfließen, ohne daß sich auch nur das kleinste Wölkchen am Himmel zeigte?

Der König war, wie wir schon früher erwähnt, ein bewundernswürdiger Schütze, der kaum seinesgleichen fand. Er schoß niemals anders als aus freier Hand und traf stets das Blatt, was bei der Eberjagd von großer Wichtigkeit ist, weil das Thier nur an dieser Stelle tödtlich verwundbar ist. Seltsamerweise aber verlangte er von Denen, welche mit ihm jagten, dieselbe Geschicklichkeit, die er besaß.

Als am Abend dieser ersten und famosen Jagd, welche er bei dem Präsidenten Cardillo abhielt, sämtliche Jäger um einen aufgethürmten Haufen von erlegten Wildschweinen versammelt waren, sah er darunter eines, welches in den Bauch geschossen war.

Sofort stieg ihm die Röthe auf die Stirn und einen wüthenden Blick um sich werfend fragte er:

»Wer ist der Esel, der einen solchen Schuß gethan?«

»Ich, Sire,« antwortete Malaspina. »Soll ich mich deswegen aufknüpfen?«

»Nein, das nicht, antwortete der König; »künftig aber werdet Ihr, wenn wir auf die Jagd gehen, zu Hause bleiben.«

Der Marquis Malaspina blieb von diesem Augenblicke an an den Jagdtagen nicht blos zu Hause, sondern ward auch bei dem Kartenspiel des Königs durch den Marquis von Circello ersetzt.

Die Spielpartie des Königs war übrigens nicht die einzige, welche in dem großen Salon des königlichen Palastes stattfand. Wenige Schritte von dem Reversitische des Königs stand der Pharotisch, an welchem Emma Lyonna thronte, sei es nun daß die Bank hielt oder pointierte.

Ganz besonders beim Spiel konnte man in den beweglichen Zügen der schönen Engländerin Ebbe und Flut der Leidenschaften studieren. In allen Dingen dem Extrem huldigend, spielte Emma mit einer förmlichen Wuth, und liebte es, ihre schönen Hände in die Fluten von Gold zu tauchen, welche sie auf ihrem Schooße anhäufte und in funkelnden Strömen von ihren Knieen auf den grünen Teppich rollen ließ.

Lord Nelson, welcher niemals spielte, saß hinter Ihr oder stand, auf die Lehne ihres Sessels gestützt, verschlang ihre schönen Schultern mit einem ihm noch übriggebliebenen Auge und sprach mit Niemanden als mit ihr und zwar stets mit leiser Stimme und auf englisch.

Hier spielte man, während der König an seinem Tische höchstens tausend Ducaten gewinnen oder verlieren konnte, so hoch, daß zwanzig-, dreißig-, ja vierzigtausend verloren oder gewonnen werden konnten.

Um diese Tafel herum standen die reichsten Cavaliere Siciliens und unter denselben einige jener glücklichen Spieler, welche während ihres unverbrüchlichen Glückes im Spiel bekannt sind.

Wenn Emma an einem derselben einen Ring oder eine Nadel sah, die ihr gefiel, so machte sie Nelson darauf aufmerksam, welcher dann den nächstfolgenden Tag bei dem Eigenthümer des Diamantes, des Rubins oder des Smaragds erschien, und welcher Preis auch gefordert werden mochte, so ging dann der Smaragd, der Rubin oder der Diamant von dem Finger oder Halle eines zeitherigen Besitzers an den Finger oder den Hals der schönen Favoritin über.

Was Sir William, der stets mit seiner Archäologie oder mit Politik beschäftigt war, betraf, so sah er nichts und hörte nichts, sondern besorgte seine politische Correspondenz mit London oder classificirte eine geologischen Exemplare.

Wenn man uns vielleicht der Uebertreibung dieser ehelichen Blindheit des würdigen Gesandten beschuldigen sollte, so antworten wir darauf durch nachstehenden Brief Nelsons vom 12. März 1799, welcher, an Sir Spencer Smith adressiert, unter den nach dem Tode des berühmten Admirals in London veröffentlichten Briefen und Depeschen zu finden ist:

»Mein werther Herr!

»Ich wünsche zwei oder drei schöne ostindische Shawls, mögen dieselben kosten, was sie wollen. Da ich in Constantinopel Niemanden kenne, den ich mit diesem Einkauf beauftragen könnte, so nehme ich mir die Freiheit, Sie zu bitten, mir diesen Dienst zu leisten. Ich werde den Preis dafür mit tausend Dank wieder bezahlen, sei es in London oder irgendwo, sobald man mich von dem Betrag in Kenntniß gesetzt haben wird.

»Die Erfüllung meiner Bitte wird Ihnen ein neues Anrecht auf meine Dankbarkeit geben.

»Nelson.«

Dieser Brief bedarf, unserem Bedünken nach, keines Commentars. Er beweist, daß Emma Lyonna, indem sie Sir William heiratete, die Gewohnheiten ihres früheren Handwerkes keineswegs ganz vergessen hatte.

Was die Königin betraf, so spielte diese niemals oder sie spielte wenigstens ohne Eifer und ohne Vergnügen.

Seltsamerweise gab es für diese Frau der Leidenschaften gleichwohl eine Leidenschaft, die ihr unbekannt war. Um den kleinen Prinzen Albert, der so schnell verschwunden und noch schneller vergessen worden, trauernd, saß sie mit den ebenfalls in Trauer gekleideten jungen Prinzessinnen in einer Ecke des Saales, mit irgendeiner Nadelarbeit beschäftigt.

Während des Spieles kam dreimal wöchentlich der Prinz von Calabrien, um mit seiner jungen Gemahlin dem König seinen Besuch zu machen. Er spielte ebenfalls nicht, ebensowenig als die Prinzessin Clementine.

Diese setzte sich neben die Königin, ihre Schwiegermutter, mitten unter die jungen Prinzessinnen, ihre Schwägerinnen, und beschäftigte sich mit Zeichnen oder mit einer Stickerei wie diese.

Der Herzog von Calabrien ging von einer Gruppe zur andern und mischte sich in die Conversation, um was dieselbe sich auch drehen mochte, mit jener leichten, oberflächlichen Beredsamkeit, welche in den Augen der Unwissenden für gediegenes Wissen gilt.

Ein Fremder, welcher in den Salon getreten wäre, ohne zu wissen, mit wem er es zu thun hätte, würde niemals errathen haben, daß dieser König, der in so heiterer Stimmung seine Partie Reversi machte, daß diese Frau, welche so kaltblütig eine Sessellehne stickte, daß endlich dieser junge Mann, welcher mit lachendem Gesicht Jedermann freundlich begrüßte, ein König, eine Königin und ein Kronprinz waren, die soeben ihr Königreich verloren und erst seit wenigen Tagen den Fuß auf den Boden des Exils gesetzt hatten.

Nur das Gesicht der Prinzessin Clementine trug die Spuren tiefen Kummers; man fühlte aber, daß dieser Kummer, in das entgegengesetzte Extrem verfallend, größer war als der, welchen man über den Verlust eines Thrones empfindet. Man errieth, daß die arme Erzherzogin ihr Erdenglück verloren, ohne Hoffnung es jemals wieder zu finden.

Viertes Capitel.
Neue Nachrichten

Obschon König Ferdinand, wie wir bereits gesagt, weniger Eifer entwickelt, sein Ministerium als eine Reversipartie zu organisieren, so hatte er gleichwohl nach Verlauf von zwei oder drei Tagen etwas hergestellt, was Aehnlichkeit mit einem Cabinetsrath hatte.

Dem anfangs in Ungnade gefallenen Ariola hatte er ein Kriegsministerium zurückgegeben, denn er hatte sehr bald einsehen gelernt, daß die Verräther diejenigen waren, welche ihm zum Kriege gerathen, aber nicht die, welche ihn davon abgeredet hatten.

Den Marquis von Circello hatte er zum Minister des Innern und den Fürsten von Castelcicale – dem er eine Entschädigung für den Verlust seines Postens als Gesandter in London und als Mitglied der Staatsjunta in Neapel schuldig war – zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernannt.

Der Erste, welcher Nachrichten aus Neapel und Palermo brachte, war der Generalvicar Fürst Pignatelli.

Dieser hatte, wie wir schon erzählt, die Flucht an demselben Abend ergriffen, wo er, nachdem man ihn auf gefordert, den Staatsschatz an die Municipalität auszuliefern und eine Vollmachten in die Hände der erwählten Bürger niederzulegen, zwölf Stunden Bedenkzeit verlangt hatte.

Vom König und besonders von der Königin ward er sehr schlecht empfangen.

Der König hatte ihm befohlen, um keinen Preis mit den Franzosen und den Rebellen – was in seinen Augen eins und dasselbe war – zu unterhandeln.

Gleichwohl hatte er den Waffenstillstand von Sparanisi unterzeichnet.

Die Königin hatte ihm befohlen, Neapel niederbrennen und von den Notaren und darüber an Alles niedermetzeln zu lassen.

Gleichwohl hatte er nicht das kleinste Palais in Brand gesteckt und auch nicht den unbedeutendsten Patrioten gemordet.

Aus diesen Gründen ward er nach Castanietta verbannt.

Allmälig und auf verschiedenen Wegen erfuhr man die Emeute gegen Mack und den Schutz, welchen dieser unter dem Zelt des französischen Generals gefunden, die Ernennung Maliterno's zum General des Volkes, die Rocca Romana‘s zu seinem Lieutenant und endlich den immer näherrückenden Marsch der Franzosen auf Neapel.

Eines Morgens langte nach vierthalbtägiger Ueberfahrt auf einer Tartane von Castellamare ein Mann in Palermo an, welcher erklärte, daß er der Ueberbringer höchst wichtiger Nachrichten sei. Den Jakobinern war er, wie er sagte, nur durch ein Wunder entronnen. Er zeigte seine von den Stricken, womit man ihn gebunden, noch wunden Handgelenke und verlangte mit dem König zu sprechen.

Der König ließ, als man ihn hiervon in Kenntniß gesetzt, fragen, wer er wäre.

Er antwortete, er hieße Roberto Brandi und wäre Gouverneur des Castells San Elmo.

Der König, welcher in der That glaubte, daß dieser Mann positive Nachrichten bringen müsse, befahl, ihn einzulassen.

Roberto Brandi erzählte nun dem König, daß in der Nacht vor dem Angriffe der Franzosen auf Neapel unter der Garnison des Castells San Elmo eine furchtbare Emeute zum Ausbruch gekommen sei.

Er wäre, erzählte er, mit einem Pistol in jeder Hand herausgetreten, die Meuterer hätten sich alle auf ihn gestürzt. Er habe verzweifelten Widerstand geleistet. Mit seinen beiden Kugeln habe er einen Mann getödtet und einen andern verwundet.

Was konnte er aber gegen fünfzig Mann ausrichten? Sie hatten sich über ihn hergeworfen, ihn geknebelt und in den Kerker Nicolino Caracciolos geworfen, den sie in Freiheit gesetzt und an seiner Statt zum Commandanten des Castells ernannt.

Er sei, setzte er hinzu, zweiundsiebzig Stunden in diesem Kerker eingesperrt gewesen, ohne daß es Jemanden eingefallen sei, ihm ein Glas Wasser oder ein Stück Brod zu bringen. Endlich habe einer der Schließer, der ihm seinen Posten zu verdanken habe, Mitleid mit ihm gehabt, sei am dritten Tag mitten unter der Verwirrung des Kampfes zu ihm hinuntergekommen und habe ihm eine Verkleidung gebracht, mit deren Hilfe er die Flucht bewerkstelligt.

Da es ihm aber im ersten Augenblicke nicht möglich gewesen, ein Transportmittel zu finden, so habe er sich genöthigt gesehen, sich zwei Tage lang bei einem Freund versteckt zu halten, so daß er noch dem Einzug der Franzosen in Neapel und dem Verrath des heiligen Januarius beigewohnt habe.

Endlich nach Proclamierung der parthenopäischen Republik habe er Castellamare gewonnen, wo gegen schweres Gold der Patron einer Tartane sich dazu verstanden habe, ihn an Bord zu nehmen und nach Sicilien zu bringen.

Er habe diese Ueberfahrt in vierthalb Tagen gemacht und käme nun, um das Anerbieten seiner ferneren Dienste seinem erhabenen Souverän zu Füßen zu legen.

Diese Erzählung war eine höchst rührende. Nachdem Roberto Brandi sie dem König mitgetheilt, wiederholte er sie der Königin, und da diese den Diensteifer anders zu würdigen wußte als der König, so ließ sie dem Opfer Nicolinos Caracciolo und seiner Jakobiner eine Summe von zehntausend Ducaten auszahlen.

Dann ernannte sie ihn zum Gouverneur des Schlosses von Palermo mit demselben Gehalt, den er in dem Castell San Elmo gehabt, und versprach an dem Tage, wo sie ihr Königreich wieder erlangt haben und in Neapel einziehen würden, noch mehr für ihn zu thun.

 

Unmittelbar darauf versammelte sich bei der Königin ein Cabinetsrath, zu welchem Acton, Castelcicala, Nelson und der Marquis von Circello berufen wurden.

Es handelte sich jetzt zunächst darum, die in Neapel triumphierende Revolution zu verhindern, daß sie die Meerenge überschreite und auch in Sicilien eindränge.

Es war allerdings schon wenig, wenn man eine Insel besaß, nachdem man eine Insel und einen Continent besessen und wenn man nur noch anderthalb Millionen Unterthanen zählte, nachdem man deren sieben Millionen gehabt.

Indessen eine Insel und anderthalb Millionen Unterthanen waren immer noch besser als gar nichts, und es lag dem König viel daran, Palermo zu behalten, wo er alle Abende seine Partie Reversi machte, wo der Präsident Cardillo ihm zu Ehren so schöne Jagden veranstaltete, und über seine fünfzehnhunderttausend Sicilianer zu herrschen.

Der Cabinetsrath kam, wie man sich leicht denken kann, zu keiner Einscheidung. Die Königin, welche nur die kleinen Einzelheiten erfaßte und nur die untergeordneten Räder einer Maschine zusammenstellen konnte, war unfähig, eine große Idee zu fassen und einen Plan von einer gewissen Bedeutung zu organisieren.

Der König begnügte sich damit, daß er sagte:

»Ich habe, wie Sie wissen, den Krieg nicht gewollt, ich wasche in dieser Beziehung meine Hände in Unschuld. Die, welche das Unheil angerichtet haben, mögen auch Abhilfe finden. Der heilige Januarius aber soll dies mir bezahlen, denn sobald ich wieder in Neapel bin, lasse ich dem heil. Franciscus von Paula eine Kirche bauen.«

Acton, der durch die Ereignisse und ganz besonders durch die Kenntniß, welche der König von seinem Antheil bei der Fälschung des Briefes von seinem Schwager, dem Kaiser von Oesterreich, gehabt, völlig niedergeschmettert war, und fühlte, daß seine Impopularität mit jedem Tage zunahm, scheute sich, einen Rath zu ertheilen, welcher den Staat vielleicht in noch tieferes Verderben stürzte, und erbot sich eine Entlassung zu Gunsten dessen zu geben, welcher mit diesem Rath hervortreten würde.

Der Fürst von Castelcicala, ein Diplomat untergeordneten Ranges, der die hohe Stellung, welche er in Frankreich und in England einnahm, nur der Gunst Ferdinands und der Belohnung seiner Verbrechen verdankte, war in extremen Situationen geradezu ohnmächtig.

Nelson, ein ausgezeichneter und genialer Krieger auf seinem Element, war gleichwohl eine pure Null, sobald es sich um eine Situation handelte, deren Ende nicht ein Kampf sein sollte.

Der Marquis von Circello endlich, welcher zehn oder elf Jahre lang bei dem König die ihm angewiesene Stellung behauptete, war das, was die Könige einen guten, Diener nennen, insofern er den Befehlen, die er empfing mochten dieselben auch absurd sein, ohne Widerspruch gehorchte.

Die Zukunft dagegen wird für ihn keinen Namen haben, denn sie wird vergebens in den Ereignissen jener Zeit die Spur seiner Thätigkeit suchen und weiter nichts finden als seine Unterschrift unter der des Königs.

Der einzige Mann, welcher unter den obwaltenden Umständen einen guten Rath hätte geben können und auch schon mehrmals dem König einen solchen gegeben hatte, war der Cardinal Ruffo. Sein kühner, an Hilfsquellen und Auskunftsmitteln so reicher Geist gehörte der Zahl derer, zu welchen die Könige ihre Zuflucht unter allen Umständen nehmen können.

Der König wußte das und hatte auch für seine Person diese Zuflucht gesucht.

Der Cardinal hatte ihm aber stets mit den Worten geantwortet:

»Man muß die Contrerevolution nach Calabriel tragen und den Herzog von Calabrien an die Spitze der selben stellen.«

Die erste Hälfte dieses Rathschlages war dem König ziemlich genehm; die zweite Hälfte dagegen erschien ihr geradezu unausführbar.

Der Herzog von Calabrien war der würdige Sohn seines Vaters und verabscheute jede politische Maßregel welche eine kostbare Existenz gefährden konnte. Noch niemals hatte er sich, selbst nicht auf die dringendsten Bitte des Königs, bewegen lassen, nach Calabrien zu gehen, denn er fürchtete dort das Fieber zu bekommen.

Man kann sich leicht denken, daß er jetzt noch viel weniger geneigt war, eine solche Reise zu machen, da er ja nun Gefahr lief, nicht blos das Fieber zu bekommen, sondern auch von einer Kugel getroffen zu werden.

Der König, der die Zwecklosigkeit einer solchen Eröffnung im voraus kannte, hatte daher auch seinem Sohn kein Wort von diesem Projekt gesagt.

Der Staatsrath ging demgemäß, wie wir bereits erwähnt, wieder auseinander, ohne etwas entschieden zu haben und fertigte sich selbst mit dem Vorwand ab, daß, da die Mittheilungen über den Stand der Dinge ungenügend wären man erst neue abwarten müsse.

Dennoch war die Situation so klar, daß sie kaum noch klarer werden konnte.

Die Franzosen waren Herren von Neapel, die parthenopäische Republik war proclamiert und die provisorisch Regierung sandte Repräsentanten ab, um die Provinz zu demokratisieren.

Da indessen der Staatsrath wenigstens, wenn er auch nichts Anderes thäte, sich den Anschein geben wollte, als beriethe er, so beschloß er, sich dem morgenden und die nächstfolgenden Tage wieder zu versammeln.

Dennoch hatte, wie man sogleich sehen wird, der Staatsrath sehr wohl daran gethan, zu beschließen, daß man noch andere Nachrichten abwarten müsse, denn am nächstfolgenden Tage lief eine Nachricht ein, auf welche Niemand gefaßt war.

Se. Hoheit der Kronprinz war in Calabrien gelandet, hatte sich in Brindisi und in Tarent anerkennen lassen, und die ganze südliche Spitze der Halbinsel bewogen, zu den Waffen zu greifen.

Bei dieser Nachricht, welche officiell von dem Marquis von Circello gemeldet ward, der sie von einem an demselben Tage von Reggio eingetroffenen Courier erhalten, sahen die Mitglieder des Staatsrathes einander erstaunt an und der König brach in lautes Gelächter aus.

Nelson, welcher ein solches Ereigniß begriff, weil es in seiner Natur lag es anzurathen oder auszuführen, machte bemerklich, daß der Prinz seit acht Tagen Palermo verlassen habe, um sich nach dem Schloß Favorita zu begeben, daß man ihn seit acht Tagen nicht gesehen und daß er möglicherweise, ohne Jemanden etwas zu sagen, von seinem Muthe getrieben, dieses Unternehmen, welches so gut gelungen zu sein schiene, ersonnen und in Ausführung gebracht habe.

Der König zuckte die Achseln. Da indessen das Unwahrscheinliche jedenfalls wenigstens möglich ist, so war der König damit einverstanden, daß man einen reitenden Boten nach der Favorita schicke und sich im Namen des über das lange Ausbleiben seines Sohnes unruhig gewordenen Königs nach ersterem erkundigen ließe.

Der Bote stieg zu Pferde, galoppierte davon und kam zurück, um zu melden, daß der Prinz seinen erlauchten Vater grüße und sich ganz vortrefflich befände. Er hatte ihn gesehen, er hatte ihn gesprochen, und die Dankbarkeit des Kronprinzen war groß für diese väterliche Besorgniß, an welche der König ihn ja nie gewöhnt hatte.

Der Staatsrath, welcher am Abend vorher auseinandergegangen, weil die eingegangenen Nachrichten nicht wichtig genug waren, trennte sich diesmal ebenfalls, ohne eine Entscheidung zu fassen, aber aus dem Grunde, weil die Nachrichten allzuwichtig waren.

Als der König den Mund öffnete, um zu befehlen, daß man den Cardinal Ruffo hole, meldete man ihm, daß dieser ihn bereits in seinem Gemach erwarte, denn er genoß, wie wir bereits früher erwähnt, das Vorrecht, bei dem König zu jeder Stunde einzutreten, ohne erst antichambrieren zu müssen.

Der Cardinal erwartete den König stehend und mit lächelndem Munde.

»Nun, Eminentissime,« sagte der König, »haben Sie die Neuigkeiten schon gehört?«

»Der Kronprinz ist in Brindisi gelandet, und die ganze Südspitze von Calabrien steht unter Waffen.«

»Ja; unglücklicherweise aber ist an der ganzen Geschichte kein wahres Wort. Der Kronprinz ist ebensowenig in Calabrien als ich, der ich mich wohl hüten werde hinzugehen. Er ist in der Favorita.«