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La San Felice Band 4

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»Nehmen Sie, mein werthgeschätzter Bruder, Cousin, Onkel und Bundesgenosse, die eine auf sich, ich werde auf mich die andere nehmen. Sobald ich erfahren, daß Sie in Rom eingerückt sind, rücke ich mit hundertvierzigtausend Mann in’s Feld. Sie haben Ihrerseits sechzigtausend, ich erwarte vierzigtausend Mann Russen. Dies ist mehr, als nöthig ist, damit der nächste Friedensschluß, anstatt der Friede von Campo Formio, der Friede von Paris heiße.«

»Ist es so recht?« fragte die Königin.

»Ausgezeichnet!« sagte Acton.

»Dann gibt es also nun weiter nichts zu thun, als dieses Concept aufs Reine zu schreiben.«

Acton überzeugte sich, daß das Papier vollkommen trocken war, ließ mit Hilfe des Plätteisens den schützenden Bruch verschwinden, ging abermals nach der Thür und rief Dick.

Wie er vorausgesehen, hatte sich der junge Mann blos so weit entfernt, daß er es sofort hören mußte, wenn man ihn rief.

»Hier bin ich gnädiger Herr,« sagte er.

»Setzen Sie sich hierher, an diesen Tisch,« sagte Acton, »und schreiben Sie, was hier auf diesem Blatte steht, auf diesen Brief, wobei Sie jedoch bedacht sein müssen, Ihre Hand ein wenig zu verstellen.«

Der junge Mann setzte sich, ohne eine Frage zu thun, und ohne, wie es schien, sich zu wundern, an den Tisch, ergriff, als ob es sich um die einfachste Sache von der Welt handelte, die Feder, vollzog den ihm ertheilten Befehl und erhob sich, fernerweite Instructionen erwartend.

Acton betrachtete das Papier beim Schein der brennenden Kerzen. Nichts verrieth die mit dem Briefe vorgegangene Fälschung. Er steckte den Brief wieder in das Couvert hielt das Siegel über die Flamme, so daß es wieder weich ward, brachte dann um jede Spur von der stattgehabten Eröffnung des Briefes zu vertilgen, auf die erste Schicht Siegellack eine zweite und drückte dann das Petschaft darauf, welches er nach dem des Kaisers hatte stechen lassen.

Nachdem dies geschehen, steckte er den Brief wieder in die Ledertasche, knüpfte die Weste des Couriers zu, nahm dann ein Licht und untersuchte nun erst die Wunde des Mannes.

Er hatte eine bedeutende Contusion am Kopfe. Die Haut war unter dem Haar etwa zwei Zoll lang ausgerissen, der Hirnschädel selbst jedoch unversehrt.

»Dick,« sagte Acton, »hören Sie genau, was ich Ihnen jetzt auftrage.«

Der junge Mann verneigte sich.

»Schicken Sie jetzt nach Santa Maria nach einem Arzte. Bis derselbe kommt, was nicht unter einer Stunde wird geschehen können, flößen Sie diesem Manne löffelweise einen Absud von grünem Kaffee ein.«

»Zu! Befehl, Excellenz.«

»Der Arzt wird glauben, es seien die Salze, welche er, ihn wird athmen lassen, oder der Aether, womit er ihm die Schläfe reiben wird, was den Verwundeten wieder zum Bewußtsein gebracht hat. Sie werden ihn dies immerhin glauben lassen. Er wird den Verwundeten verbinden, der dann je nach dem Zustande seiner Kräfte seinen Weg zu Fuße oder zu Wagen weiter fortsetzen wird.«

»Ja, Excellenz.«

»Der Verwundete,« fuhr Acton jedes seiner Worte betonend fort,« ist nach seinem Sturze von den Leuten des Hauses aufgehoben, auf Ihren Befehl in die Apotheke getragen und von Ihnen und dem Arzte behandelt worden. Er hat weder mich noch die Königin gesehen, und die Königin und ich wir haben ihn nicht gesehen. Sie verstehen wohl?«

»Ja, Excellenz.«

»Und nun,« sagte Acton, indem er sich nach der Königin herumdrehte, »können Sie die Dinge ihren Gang gehen lassen, und ohne Besorgniß in den Solon zurückkehren. Alles wird ausgeführt werden, wie es angeordnet worden.«

Die Königin warf einen letzten Blick auf den Secretär. Sie fand, daß er die intelligente und entschlossene Miene eines Mannes besaß, welcher berufen ist, dereinst sein Glück zu machen.

Als die Thür sich geschlossen hatte, sagte die Königin:

»Sie haben da einen kostbaren jungen Mann, General.«

»Er gehört nicht mir, sondern Ihnen Madame, wie Alles, was ich besitze,« antwortete Acton.

Und er verneigte sich, indem er die Königin an sich vorbeigehen ließ.

Als er wieder in den Solon trat, ließ Emma Lyonna, in einen purpurrothen Kashemir mit goldenen Fransen gehüllt, sich mitten unter dem wahnsinnigen Beifall der Zuschauer, ganz nach Art einer Ballettänzerin, welche ihren schönsten Erfolg feiert, auf ein Sopha niedersinken.

In der That hatte nie eine Tänzerin des San Carlo-Theaters ihr Publikum in einen ähnlichen Rausch versetzt. Der Kreis, in dessen Mitte sie den Tanz begonnen, hatte sich ihr, allmälig der unwiderstehlichen Anziehungskraft folgend, genähert, so daß ein Augenblick eingetreten war, wo, weil ein jeder begierig war sie zu sehen und sie zu berühren, den von ihr ausströmenden Wohlduft zu athmen ihr nicht blos der Raum, sondern auch die Luft gemangelt hatte.

Mit halberstickter Stimme »Platz! Platz!« rufend, war sie daher unter wollüstigen Zuckungen auf das Sopha niedergesunken, wo die Königin sie jetzt fand.

Beim Anblick der Königin theilte sich die Menge, um sie zu ihrer Favoritin gelangen zu lassen. Der Beifall verdoppelte sich. Man wußte, daß man nur Emma’s Anmuth, Talent und Zauberkraft zu rühmen brauchte, um Karolinens Gunst zu erwerben.

»Nach dem was ich sehe und höre,« sagte die Königin, »hat Emma ihr Wort gehalten. Jetzt gilt es, sie ausruhen zu lassen. Uebrigens ist es ein Uhr Morgens und Caserta – ich bin Ihnen dankbar dafür, daß Sie es vergessen haben – ist mehrere Meilen von Neapel entfernt.«

Alle begriffen, daß es für sie eine Weisung war, sich zu entfernen, und daß in der That die Stunde des Abschieds gekommen sei. Man faßte alle Vergnügungen des Abends in einem letzten Ausdruck enthusiastischer Bewunderung zusammen, die Königin reichte vier oder fünf der am meisten Bevorzugten – der Fürst Maliterno und der Herzog von Rocca-Romana waren unter dieser Zahl – die Hand zum Kusse, hielt Nelson und seine beiden Freunde, welchen sie einige Worte allein zu sagen hatte, zurück, rief dann die Marquise von San Clemente und sagte:

»Liebe Elena, übermorgen haben Sie Dienst bei mir.«

»Morgen, wollen Ew. Majestät sagen, denn, wie Sie uns eben bemerklich gemacht haben, es ist ein Uhr Morgens. Ich schätze die mir in Aussicht gestellte Ehre zu hoch, als daß ich dieselbe um einen Tag verzögert sehen möchte.«

»Dann muß ich leider Ihre Erwartung täuschen, liebe Elena,« sagte die Königin mit einem Lächeln, dessen Ausdruck schwer zu errathen gewesen wäre. »Denken Sie sich, daß die Gräfin San Marco mich um die Erlaubniß gebeten hat – wohlverstanden mit Ihrer Zustimmung – Ihren Platz einzunehmen, indem sie Sie durch mich bitten läßt, den ihrigen einzunehmen, weil sie nächste Woche, ich weiß nicht was für eine wichtige Angelegenheit vorhat. Sind Sie mit diesem Tausch einverstanden?«

»Jawohl, Majestät; ich bedaure nur, wie gesagt, daß das Glück, in Ihrer Nähe zu sein, für mich sonach um einen Tag verzögert wird.«

»Nun gut, dann ist die Sache also abgemacht, den morgenden Tag haben Sie vollständig für sich, meine liebe Marquise.«

»Und ich werde diese Freiheit wahrscheinlich benutzen, um mit meinem Gemahl aufs Land zu gehen.«

»So ist’s recht,« sagte die Königin. »Das nenne ich musterhaft.«

Und sie begrüßte die Marquise, welche, von ihr zurückgehalten, die Letzte war, welche ihre Reverenz machte und den Solon verließ.

Die Königin sah sich nun mit Acton, Emma, den beiden englischen Officieren und Nelson allein.

»Mylord,« sagte sie zu Nelson, »ich habe Grund zu glauben, daß morgen oder übermorgen der König von Wien Mittheilungen erhalten werde, die in Bezug auf den Krieg mit Ihren Ansichten übereinstimmen, denn Sie sind doch immer noch der Meinung, daß man den Feldzug je eher desto lieber beginnen müsse?«

»Ich bin nicht blos dieser Meinung, Madame, sondern, wenn dieselbe Annahme findet, auch bereit, Ihnen die Mitwirkung der englischen Flotte zu leihen.«

»Wir werden von diesem Anerbieten Gebrauch machen, Mylord. Das, um was ich Sie jedoch in diesem Augenblick bitten möchte, ist etwas Anderes.«

»Eure Majestät haben nur zu befehlen. Ich bin bereit, zu gehorchen.«

»Ich weiß, Mylord, welches Vertrauen der König auf Sie setzt. Wie günstig auch für den Krieg die Antwort von Wien morgen lauten möge, so wird er doch immer noch zögern. Ein Brief von Ihnen dagegen in demselben Sinne wie der des Kaisers würde seiner Unentschlossenheit sofort ein Ende machen.«

»Soll dieser Brief an den König gerichtet werden, Madame?«

»Nein, ich kenne meinen erhabenen Gemahl. Er hat einen unüberwindlichen Widerwillen, den Rathschlägen zu folgen, welche ihm direct gegeben werden. Deshalb wünschte ich, daß dieselben lieber in einem vertraulichen Briefe an Lady Hamilton enthalten seien. Schreiben Sie daher gemeinschaftlich an diese und Sir William – an Emma als an die beste Freundin, die ich habe, an Sir William, als an den besten Freund des Königs. Wenn dieser so von zwei Seiten gefaßt wird, so wird dieses Mittel weit größere Wirkung haben.«

»Eure Majestät weiß,« sagte Nelson« »daß ich weder Diplomat noch Politiker bin. Mein Brief wird der eines Seemanns sein, welcher offen und selbst in rauher Weise sagt, was er denkt, und nichts Anderes.«

»Weiter verlange ich auch von Ihnen nichts, Mylord. Uebrigens begleiten Sie jetzt den Generalcapitän. Sie werden unterwegs sich mit einander besprechen. Da morgen früh ohne Zweifel etwas Wichtiges entschieden werden wird, so diniren Sie im Palast. Der Baron Mark wird auch mit da speisen und Sie können Ihre Bewegungen combiniren.«

Nelson verneigte sich.

»Es wird ein Diner im engeren Kreise sein,« fuhr die Königin fort. »Emma und Sir William werden auch da sein. Es gilt den König zu treiben und zu drängen. Ich würde selbst diese Nacht nach Neapel zurückkehren, wenn meine arme Emma nicht so müde wäre. Uebrigens wissen Sie,« setzte die Königin, die Stimme senkend, hinzu, »daß sie für Sie, und nur für Sie allein, mein lieber Admiral, alle jene schönen Dinge gesagt und gethan, welche Sie gesehen und gehört haben.«

 

Dann senkte sie die Stimme noch tiefer und sagte:

»Sie weigerte sich hartnäckig; ich sagte ihr aber, daß ich überzeugt wäre, sie würde Sie entzücken. Dieser Hoffnung gegenüber hat ihre Hartnäckigkeit nicht Stand zu halten vermocht.«

»O Madame, was sagen Sie!« rief Emma und schlug die Augen nieder.

»Nun, erröthen Sie nur nicht und reichen Sie lieber unserem Helden Ihre schöne Hand. Ich würde ihm gern die meinige geben, aber ich bin überzeugt, daß ihm die Ihrige lieber ist. Die meinige gehört daher diesen Herren.«

Und in der That reichte sie ihre beiden Hände den Officieren, welcher jeder eine küßte,« während Nelson, die Emmas vielleicht mit mehr Leidenschaft ergreifend, als die königliche Etikette gestattete, sie an seine Lippen drückte.

»Ist es wahr,« fragte er leise, »daß Sie, wie die Königin sagte, um meinetwillen sich dazu verstanden haben, zu declamiren, zu singen und jenen Tanz auszuführen, der mich vor Eifersucht fast wahnsinnig gemacht hätte?«

Emma sah ihn an, wie sie die Männer anzusehen verstand, wenn sie ihren Liebhabern den Rest von Verstand, den sie noch besaßen, vollends rauben wollte. Dann sagte sie mit einem Ausdrucke, der noch berauschender war als ihr Blick:

»Sie Undankbarer! Sie fragen noch!«

»Der Wagen Sr. Excellenz des Herrn Generalcapitäns ist bereit,« meldete ein Lakai.

»Meine Herren,« sagte Acton, »wenn es Ihnen beliebt.«

Nelson und die beiden Officiere verneigten sich.

»Haben Ew. Majestät mir noch besondere Befehle zu ertheilen?« sagte Acton in dem Augenblicke, wo sie sich entfernten, zu der Königin.

»Allerdings,« entgegnete diese, »heute Abend werden die drei Staatsinquisitoren in dem schwarzen Zimmer sein.«

Acton verneigte sich und verließ den Salon. Die beiden Officiere waren schon im Vorzimmer.

»Endlich!« sagte die Königin, indem sie ihren Arm um Emma’s Hals schlang und sie mit dem Ungestüm küßte, welches ihr ganzes Thun kennzeichnete. »Ich fürchtete schon, man würde uns nimmermehr allein lassen.«

Achtes Capitel.
Die Krippe des Königs Ferdinand

Die Ueberschrift dieses Capitels wird unsern Lesern ein wenig unverständlich erscheinen und wir wollen ihnen daher eine nähere Erläuterung darüber geben.

Eines der größten Feste in Neapel ist das Weihnachtsfest, – Natale, wie man es nennt. Drei Monate lang vorher legen sich die ärmsten Familien alle möglichen Entbehrungen auf, um einige Ersparnisse zu machen, wovon ein Theil der Lotterie anheimfällt, weil man hofft zu gewinnen und mit diesem Gewinne die heilige Nacht zuzubringen, während der andere Theil für den Fall reserviert wird, daß die Madonna der Lotterie – denn in Neapel gibt es Madonnen für Alles – unbeugsam sein sollte.

Diejenigen, welchen es nicht gelingt, einige Ersparnisse zu machen, tragen ihre armseligen Schmucksachen, ihre erbärmlichen Kleidungsstücke, ja sogar die Matratzen ihrer Betten aufs Leihhaus.

Diejenigen, welche weder Schmucksachen, noch Kleider, noch Matratzen zu versetzen haben, stehlen.

Man hat bemerkt, daß in Neapel die Zahl der Diebstähle während des Monats December allemal am bedeutendsten ist.

Jede neapolitanische Familie, wie arm sie auch sein möge, muß am Weihnachtsabende wenigstens drei Gerichte Fische auf dem Tische haben.

Am Tage nach Weihnacht leidet ein Drittel der Einwohner von Neapel an Verdauungsbeschwerden und dreißigtausend Personen lassen zur Ader.

Ueberhaupt läßt man in Neapel bei jeder Gelegenheit zur Ader.

Man läßt sich Ader, weil einem zu warm ist, weil man feiert, weil der Sirocco geht, weil der Nordwind oder Tramontane weht.

Ich habe einen kleinen, elfjährigen Laufburschen, welcher von den zehn Franks, die ich ihm monatlich gebe, sieben in die Lotterie setzt, einem Mönch, der ihm seit drei Jahren Nummern angibt, von welchen noch nicht eine einzige herausgekommen ist, eine Rente von einem Saus täglich zahlt und die noch übrigen dreißig Saus aufhebt, um sich dafür zur Ader zu lassen.

Von Zeit zu Zeit tritt er in mein Arbeitscabinet und sagt in ernstem Tone:

»Herr, ich muß zur Ader lassen.«

Und er läßt zur Ader, als ob der Schnitt der Lanzette in die Ader das größte Vergnügen von der Welt wäre.

Von fünfzig zu fünfzig Schritten stößt man in Neapel und stieß man besonders zu der Zeit, welche wir hier bemüht sind zu schildern, auf Buden von Barbieren, Salassatori, welche, wie zur Zeit Figaro’s, das Rasiermesser in der einen und die Lanzette in der andern Hand halten.

Man verzeihe uns diese Abschweifung. Der Aderlaß ist aber einmal ein Zug der neapolitanischen Sitten, den wir nicht mit Schweigen übergehen dürfen.

Kommen wir jetzt auf das Weihnachtsfest und besonders auf das zurück, was wir in Bezug auf Neapel sagen wollten.

Wir wollten sagen, daß eine der Hauptvergnügungen in Neapel bei Annäherung der Natale, ein Vergnügen, welches bei den Neapolitanern von altem Schrot und Korn sich nach bis auf den heutigen Tag erhalten hat, in der Anfertigung von Krippen besteht.

Im Jahre 1798 gab es in Neapel wenig große Häuser, die nicht ihre Krippen gehabt hätten, entweder eine kleine zum Ergötzen der Kinder, oder eine riesig große zur Erbauung der Erwachsenen.

Der König Ferdinand war ganz besonders berühmt wegen der Art und Weise, auf welche er seine Krippe zu machen verstand, und in dem größten Parterresaale des königlichen Palastes hatte er eine Bühne von der Größe des Théâtre français aufschlagen lassen, um seine Krippe aufzustellen.

Es war dies eine Unterhaltung, womit der Fürst von San Nicandro ihn in seiner Jugend beschäftigt, und an welcher er noch im reifen Alter mit ganz des anderer Vorliebe, ja mit einem gewissen Grad von Fanatismus hing.

In den Privathäusern bediente und bedient man sich heute noch derselben Gegenstände aus welchen die Krippen bei jeder Wiederkehr des Weihnachtsfestes zusammengesetzt werden. Der einzige Unterschied bestand blos in der Anordnung.

Bei dem König aber war es nicht so. Nachdem die königliche Krippe ein paar Monate lang der Bewunderung der Beschauer überlassen gewesen, ward sie auseinandergenommen, und der König machte aus den verschiedenen Gegenständen, woraus sie zusammengesetzt war, Geschenke für seine Günstlinge, welche dieselben als einen kostbaren Beweis der königlichen Huld betrachteten.

Die Krippen der Privatpersonen kosteten je nach den Vermögensumständen derselben fünfhundert bis zehntausend, ja sogar fünfzehntausend Francs, die des Königs Ferdinand aber kostete in Folge der Mitwirkung von Malern, Bildschnitzern, Architecten, Maschinisten und Handwerkern bis zu zwei- oder dreihunderttausend Francs.

Schon sechs Monate lang vorher beschäftigte sich der König damit und widmete die ganze Zeit, welche er nicht auf die Jagd und den Fischfang verwendete, seiner Krippe.

Die Krippe des Jahres 1798 sollte ganz besonders schön werden und der König hatte schon sehr bedeutende Summen darauf verwendet, obschon sie noch nicht ganz fertig war; deshalb hatte er den Abend vorher, weil es in Folge der Kosten, welche die Kriegsrüstungen verursacht, mit dem Gelde bei ihm sehr knapp stand, mit einem gewissen, seinem Charakter eigenthümlichen Ungestüm die Einzahlung des Antheiles verlangt, welchen das Haus Backer und Sohn bei Realisation des Wechsels aus fünfundzwanzig Millionen für seine eigene Rechnung machen wollte.

Die acht Millionen waren während des Abends gezählt und gewogen und Andreas Backer’s Versprechen gemäß während der Nacht aus den Kellern seines Bankhauses in die des königlichen Palastes transportiert worden.

Ferdinand hatte nun, heiter und guter Dinge und ohne Furcht, daß es ihm künftig an Geld fehle, seinen Freund, den Cardinal Ruffo, holen lassen, erstens um ihm seine Krippe zu zeigen und ihn zu fragen, was er dazu meine, zweitens um mit ihm die Rückkehr des Couriers Antonio Ferrari zu erwarten, welcher, pünktlich wie er war, im Laufe der Nacht in Neapel hätte ankommen sollen, und da dies nicht geschehen, höchst wahrscheinlich nicht länger als bis zum nächstfolgenden Morgen auf sich warten ließ.

Mittlerweile plauderte er mit Fra Pacifico, unserem alten Bekannten, dem seine besonders seitdem man um seinetwillen jene beiden Jacobiner geopfert, stets im Steigen begriffene Popularität die hohe Ehre verschafft, einen Platz in der Krippe des Königs Ferdinand einzunehmen.

Demzufolge standen in einer Ecke des Theiles des Saales, welcher bestimmt war, bei Eröffnung der Krippe der Zuschauerraum zu werden, Fra Pacifico und sein Esel Giacobino vor einem Bildschnitzer, der beide in Thonerde nachbildete, um die Gruppe dann in Holz auszuführen.

Wir werden sogleich sagen, welcher Platz ihnen in der großen Zusammenstellung angewiesen war, welche wir den Augen unserer Leser zu entrollen im Begriff stehen.

Versuchen wir daher, wie mühsam auch diese Aufgabe sei, eine Idee von dem zu geben, was die Krippe des Königs Ferdinand war.

Wir haben bereits gesagt, daß sie auf einem Theater von der Höhe und Tiefe des Théâtres français stand, das heißt sie war vierunddreißig Fuß lang, sechsunddreißig Fuß breit und fast eben so tief.

Dieser ganze Raum ward von den verschiedenen Figuren eingenommen, welche in mehrere Felder vertheilt, die hauptsächlichsten Scenen aus dem Leben Jesu vorstellten – von der Geburt in der Krippe in der ersten Abtheilung bis zur Kreuzigung in der letzten, welche, da sie die oberste war, beinahe die Decke berührte.

Ein Weg schlängelte sich über das ganze Theater hinweg und schien von Bethlehem nach Golgatha zu führen.

Die erste und wichtigste aller dieser Scenen, welche sich dem Auge darstellte, war, wie wir bereits gesagt haben, die Geburt Christi in der Grotte zu Bethlehem.

Die Grotte war in zwei Abtheilungen geschieden. In der einen, der größeren, befand sich die Jungfrau mit dem Jesuskind, welches sie in den Armen oder vielmehr auf den Knien hielt. Zu ihrer Rechten befand sich der Esel, welcher blökte, und zu ihrer Linken der Ochs, welcher die Hand leckte, die das Jesuskind nach ihm ausstreckte.

In der kleinen Abtheilung kniete der heilige Joseph und betete.

Ueber der großen Abtheilung standen die Worte geschrieben:

»Der Natur treu nachgebildete Grotte in Bethlehem, worin die Jungfrau gebar.«

Ueber der kleinen Abtheilung stand geschrieben:

»Höhle, in welche sich der heilige Joseph während der Geburt Christi zurückzog.«

Die heilige Jungfrau war reich in Goldbrocat gekleidet. Aus dem Kopf trug sie ein Diadem von Diamanten, Ohrringe und Armbänder von Smaragden, einen Gürtel von Edelsteinen und Ringe an allen Fingern.

Das Jesuskind hatte ein Blatt Gold um den Kopf, welches einen Heiligenschein vorstellte.

In der Abtheilung der heiligen Jungfrau und des Jesuskindes befand sich der Stamm eines Palmbaumes, welcher durch die Gewölbe ging und sich im hellen Tageslicht entfaltete. Es war dies der Palmbaum der Legende, welcher, seit langer Zeit todt und vertrocknet, in dem Augenblick, wo die Jungfrau ihn im Schmerz des Gebärens in die Arme geschlossen, wieder grüne Blätter und Früchte bekommen hatte.

An der Thür der Krippe knieten die drei Könige aus dem Morgenlande, welche dem göttlichen Kinde Schmucksachen, kostbare Gefäße und prachtvolle Stoffe darbrachten. Alle diese Schmucksachen, Gefäße und Stoffe waren echt und aus dem Schatze der Krone oder dem beurbonischen Museum entnommen.

Die drei Könige trugen den St. Januariusorden am Halse und eine große Anzahl Diener bildeten ihr Gefolge. Letztere führten sechs an eine prachtvolle Carrosse gespannte Pferde am Zaume,

Diese Grotte mit ihren Personen in halber Lebensgröße befand sich links vom Zuschauer, das heißt auf der Gartensseite, wie man in der Coulissensprache sagt.

Aus der Hofseite, das heißt rechts vom Zuschauer, sah man die drei Schäfer, welche dem Sterne folgten, und ein Seitenstück zu den drei Königen bildeten. Zwei von den drei Schäfern führten Schafe an bunten Bändern und der dritte trug in seinen Armen ein Lamm, welchem die Mutter blökend folgte.

Ueber den Schäfern im zweiten Felde sah man die Flucht nach Egypten. Die aus einem Esel sitzende heilige Jungfrau hielt das Jesuskind in den Armen, der heilige Joseph ging zu Fuße hinter ihr her, während über ihr vier in der Luft schwebende Engel sie vor der Sonnenhitze schützten, indem sie einen Mantel von blauem Sammet mit goldenen Fransen über ihrem Kopfe ausgebreitet hielten.

Ueber der Anbetung der Hirten sah man die Facade des Klosters von St. Ephraim.

Die Gruppe, welche bestimmt war, das Seitenstück zu der Flucht nach Egypten zu bilden, sollte aus Fra Pacifico und seinem Esel bestehen, die man, ebenso wie die Grotte von Bethlehem, treu der Natur nachbilden wollte. Damit diese Aehnlichkeit vollkommen sei, und Mann und Thier sofort auf den ersten Blick erkannt würden, hatte eben Fra Pacifico drei Tage vorher, als er am Largo Castello vorüber kam, einen Ruf in den Palast erhalten, wo der König ihn zu sprechen wünschte.

 

Fra Pacifico gehorchte, während er nachdachte, was der König von ihm wollen könne. Man hatte ihn in den Saal der Krippe geführt, und hier hatte er aus dem Munde Sr. Majestät selbst die große Ehre vernommen, welche der König dem Kloster der Kapuciner von St. Ephraim zu erzeigen gedachte, indem er den Bruder Almosensammler und seinen Esel mit in die Krippe stellte.

Fra Pacifico ward demgemäß bedeutet, daß er während der ganzen Zeit der Sitzungen, deren der Bildschnitzer bedurfte, nicht Almosen zu sammeln brauche, weil der Hausmeister des Königs seine Körbe füllen würde.

So war es schon seit drei Tagen gegangen, zur großen Befriedigung Fra Pacificos und Giacobinos, welche in ihren ehrgeizigsten Träumen niemals gehofft hatten, eines Tages die Ehre der unmittelbaren Nähe des Königs zu genießen.

Kaum kannte Fra Pacifico sich auch enthalten auszurufen: »Es lebe der König!« Giacobino, welcher seinen Bruder in der Krippe blöken hörte, mußte sich den größten Zwang anthun, um es nicht ebenso zu machen.

Die andern Scenen, welche an dem Auge des Zuschauers vorübergingen, waren: Jesus im Tempel, die Samaritanerin, der wunderbare Fischfang, Jesus auf dem Wasser gehend und den kleingläubigen Petrus stützend, Jesus und die Ehebrecherin, welche letztere, sei es nun aus Zufall oder in Folge einer cynischen Bosheit von Seiten des Königs, das blonde Haar der Königin und auch in ihren sonstigen Zügen auffallende Aehnlichkeit mit dieser hatte.

Ja der vierten Abtheilung sah man das Gastmahl bei Martha, bei welcher Gelegenheit Magdalena Christi Füße mit kostbarem Oel salbte, und mit ihrem Haar trocknete. Dann folgte der Einzug des Heilandes in Jerusalem am Palmsonntage. Leibgardisten in der Uniform des Königs bewachten die Thore der Stadt, und präsentieren vor Jesus das Gewehr.

Jerusalem bot übrigens hier noch die seltsame Erscheinung, daß es nach dem System Baudans befestigt und mit Kanonen armirt war, obschon es bekanntlich deswegen von Titus doch erobert ward.

Zu dem andern Thore Jerusalems sah man mitten unter Wachen und Leuten aus dem Volke Jesus mit dem Kreuze auf der Schulter herauskommen und nach dem Calvarienberge gehen, dessen aufeinanderfolgende Stationen mit Kreuzen bezeichnet waren.

Das Golgatha endlich schloß die Perspective links von dem Zuschauer, während die linke Seite der Krippe in derselben Abtheilung das Thal Josaphat vorstellte. Hier sah man die Todten aus ihren Gräbern mit hoffnungsvollen oder furchtsamen Geberden hervorkommen und das jüngste Gericht erwarten, zu welchem die Posaune des über ihnen schwebenden Engels sie zusammengerufen hatte.

In den Zwischenräumen und auf dem Wege, welcher durch die verschiedenen Abtheilungen hindurch von der Krippe nach dem Calvarienberge führte, sah man eine Menge Gruppen, welche mit der Archäologie nichts zu schaffen hatten – tanzende Pantaleoni, streitende Paglietti, Lazzaroni, welche sich darüber lustig machten, und endlich Polichinelle, welche ihre Maccaroni mit dem Wonnegenusse verzehrten, welchen dieses von dem Olymp auf die Erde gefallene Nahrungsmittel den Neapolitanern bereitet, bei welchen die Maccaroni die Stelle der mythologischen Ambrosia vertreten.

Kein Platz der geraden Flächen war unbenützt gelassen. Ohne Rücksicht auf den Monat, in welchem Jesus geboren ward, mähten die Schnitter ihre Ernte, während auf den schiefen Ebenen Weinlese gehalten ward oder Hirten ihre Herden weideten.

Alle diese Figuren, deren Zahl sich auf beinahe dreihundert belief, hatten, von geschickten Künstlern ausgeführt, genau die der Umgebung, in der sie sich befanden, angemessene Größe, so daß sie eine Perspective darboten, welche unermeßlich zu sein schien.

Der König ließ sich eben, während er dann und wann einen Blick auf seine Krippe warf, in welcher der Maschinenmeister des San Carlo-Theaters eben den verschiedenen Figuren ihre Platze anwies, von Fra Pacifico die Sage von dem Beccajo erzählen, welche jeden Tag riesigere Dimensionen gewann. In der That hatte der tapfere Bocktödter, nachdem er von einem, dann von zwei, dann von drei Jakobinern angefallen worden, zuletzt seine Gegner gar nicht mehr gezählt, und war, wenn man es glauben wollte, wie Fallstaff jetzt von einer ganzen Armee angegriffen worden, nur behauptete er nicht, daß dieselbe in grüne Steifleinwand gekleidet gewesen sei.

Mitten unter Fra Pacificos Erzählung trat der Cardinal Ruffo ein, welchen wie wir bereits gesagt, der König hatte rufen lassen.

Ferdinand unterbrach seine Conversation mit Fra Pacifico, um den Cardinal zu begrüßen, welcher den Mönch erkennend und wohl wissend, welches furchtbare Verbrechen derselbe veranlaßt, sich unter dem Vorwande, die Krippe des Königs zu bewundern, von ihm entfernte.

Fra Pacifico’s drei Sitzungen waren beendet. Außer den drei Ladungen Fischen, Gemüsen, Obst, Fleisch und Wein, die er aus den Vorrathskammern und Kellern des Königs erhalten und welche Giacobino, der Last fast erliegend, in das Kloster geschleppt hatte, erhielt er auf Befehl des Königs noch hundert Dukaten für jede Sitzung unter dem Titel eines Almosens. Dann verabschiedete Ferdinand ihn und bat ihn um seinen Segen. Während dann der Mönch mit vor Stolz hochklopfendem Herzen sich auf seinem Esel entfernte, näherte der König sich wieder dem Cardinal.

»Nun, Eminenz,« sagte er, »heute haben wir den vierten Oktober und von Wien noch immer keine Nachricht. Ferrari hat sich, ganz gegen seine Gewohnheit, um fünf bis sechs Stunden verspätet. Ich habe Sie auch schon holen lassen, weil ich überzeugt war, er könne nun nicht lange mehr ausbleiben.«

»Sie haben daran sehr wohl gethan, Sire,« antwortete Ruffo, »denn als ich durch den Hof schritt, sah ich ein von Schweiß triefendes Pferd in den Stall führen und bemerkte von weitem einen Mann, welchen man unter beiden Armen stützte. An seinen großen Stiefeln, an seinen ledernen Beinkleidern, an seiner mit Schnüren besetzten Jacke glaubte ich den armen Teufel zu erkennen, den Sie erwarten. Wahrscheinlich ist ihm ein Unfall zugestoßen.«

In diesem Augenblick zeigte sich ein Lakai an der Thür.

»Sire,« sagte derselbe, »der Courier Antonio Ferrari ist angekommen und erwartet in Eurer Majestät Cabinet, daß es Ihnen gefalle, die Depeschen, welche er bringt, in Empfang zu nehmen.«

»Eminenz,« sagte der König, »da kommt unsere Antwort.«

Und ohne sich erst bei dem Lakai zu erkundigen, ob Ferrari Schaden genommen oder verwundet worden sei, ging Ferdinand rasch eine geheime Treppe hinauf und befand sich mit Ruffo in seinem Cabinet, ehe der Courier, der in Folge seiner Wunde nur langsam gehen konnte und alle zehn Schritte einmal stehen bleiben mußte, dasselbe erreichte.

Einige Secunden später öffnete sich die Thür des Cabinets und Antonio Ferrari erschien, immer noch von den beiden Männern gestützt, welche ihn die Treppe hinaufgeführt, bleich und mit einer blutigen Binde um den Kopf auf der Schwelle.