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La San Felice

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Sechstes Capitel.
Der Rebell

Eines Morgens ward Neapel durch Kanonendonner aus dem Schlafe aufschreckt. Nur drei Schiffe waren, wie wir gesagt, beobachtend auf der Rhede von Neapel zurückgeblieben. Zur Zahl dieser drei Schiffe gehörte die »Minerva«, die früher von dem Admiral Caracciolo, jetzt von einem deutschen Capitän Namens Graf von Thurn geführt ward.

Die Nachricht von dem Erscheinen einer französischen Flotte in dem mittelländischen Meer war der republikanischen Regierung zugegangen und Eleonora Pimentel hatte in ihrem »Moniteur« laut verkündet, daß diese Flotte Neapel zu Hilfe käme.

Caracciolo, welcher nun offen die Partei der Republik ergriffen und der, wie alle Männer von Muth und Redlichkeit, sich nicht blos halb gab, Caracciolo beschloß die Abwesenheit des größern Theils der englischen Schiffe zu benutzen, um einen Versuch zur Wiedereroberung der Inseln zu machen, welche schon durch Speciale mit Galgen bedeckt-waren.

Er wählte einen schönen Maitag, wo das Meer ruhig war, und Neapel verlassen, durch die Batterien des Forts- von Baja und die von Milisoola, gedeckt, ließ er durch seinen linken Flügel die englischen Schiffe angreifen, während er persönlich den Grafen von Thurn angriff, welcher, wie wir bereits bemerkt, die »Minerva«, das heißt die vormalige Fregatte Caracciolo’s, commandirte.

Dieser Angriff auf ein Schiff, welches die königliche Flagge trug, lieferte später die Hauptanklage gegen Caracciolo.

Der Wind kam unglücklicherweise von Südost und war den Kanonenschaluppen und kleinen Fahrzeugen der Republik ganz entgegen. Caracciolo enterte zweimal die »Minerva«, die sich aber durch die Wucht ihrer Manövers allemal wieder losriß.

Sein linker Flügel unter dem Commando des früheren Gouverneurs von Castellamare, desselben, welcher der Republik drei Schiffe erhalten und der, obschon er Simone hieß, doch in keinem Verwandtschaftsverhältniß zu dem Sbirren der Königin stand, wollte sich eben Procida’s bemächtigen, als der Wind, der sich während des Kampfes erhoben, in einen förmlichen Sturm überging und die ganze kleine Flottille zwang, zu wenden und nach Neapel zurückzukehren.

Dieser Kampf, welcher unter den Augen der Neapolitaner stattgefunden, die aus der Stadt herausgreilt, das Gestade von Pausilippo, Pozzuolo und Missena bedeckten, während die Terrassen der Häuser mit Frauen angefüllt waren, welche sich nicht aus der Stadt herausgewagt hatten, gereichte Caracciolo zur größten Ehre, und war für seine Leute ein Triumph. Während er den Engländern einen ernsten Verlust zugefügt, waren ihm nur fünf Mann getödtet worden, was bei einem dreistündigen Kampfe ein wahres Wunder zu nennen war.

Allerdings machte man, da es unumgänglich nothwendig war, den Glauben zu verbreiten, daß man gegen die Engländer kämpfen könne, viel Lärm von diesem Scharmützel, welchem die Nationaleitelkeit und besonders der »parthenopäische Moniteur« weit mehr Wichtigkeit beilegten, als es hatte.

Die Folge hiervon war, daß die Kunde von diesem angeblichen Siege bis nach Palermo drang, den Haß der Königin gegen Caracciolo noch steigerte und ihr bei dem Könige eine Waffe gegen ihn lieh.

Und in der That war von diesem Augenblicke an Caracciolo wirklich ein Rebell, denn er hatte auf die Fahne seines Monarchen geschossen.

Ueberdies votirte die republikanische Regierung, zufrieden mit dem von ihrer jungen Marine unternommenen Versuch, Caracciolo ihren Dank, schenkte den Witwen der während des Kampfes gefallenen Seeleute jeder fünfzig Ducati, und befahl, daß ihre Söhne von dem Vaterlande adoptiert würden und denselben Sold bezögen, den ihre Väter erhalten hatten.

Dies war aber noch nicht Alles. Auf dem Nationalplatze, dem vormaligen Schloßplatze, gab man ein Bankett, zu welchem Alle, welche an der Expedition theilgenommen, mit ihren Familien eingeladen wurden.

Während des Banketts wurden unter den Zuschauern eine Sammlung und eine Subscription veranstaltet, um eine Beisteuer zu den Kosten für Erbauung neuer Schiffe zu erlangen, und schon am andern Morgen machte man mit den ersten bewirkten Einzahlungen sich an’s Werk.

Luisa erschien bei keinem dieser patriotischen Feste, bei keinem dieser Banketts, bei keiner der Versammlungen.

Sie hatte gänzlich aufgehört den Solon der Herzogin Fusco zu besuchen, sie blieb stets zu Hause. Ihr einziger Wunsch war, sich vergessen zu machen.

Uebrigens nagte auch Reue an ihrem Herzen. Jene gegen die Backer erhobene Anklage, eine Anklage, welche ihr beigemessen ward, jene Verhaftung, welche die Folge davon gewesen, jenes Damoklesschwert, welches über dem Haupte eines Mannes schwebte, der sich in’s Verderben gestürzt, weil er sie zu sehr geliebt – Alles dies war für sie von dem Augenblicke an, wo sie mit ihren Gedanken allein war, ein ewiger Gegenstand der Trauer und der Thränen.

Wir haben gesagt, daß eine letzte Anstrengung gemacht worden, und daß man, um gegen die Sanfedisten zu marschieren, Alles auf die Füße gebracht, was man an aufopferungsfähigen Patrioten auftreiben gekonnt hatte.

Der Abzug der Franzosen hatte jedoch der Republik einen fruchtbaren Schlag versetzt.

Auf sein Corps Neapolitaner reduziert, hatte Hektor Caraffa, der Held von Andria und Trani, sich zu schwach gefunden, um den zahlreichen Feinden zu widerstehen, die ihn umringten, und sich in Pescara eingeschlossen; wo er von Pronio blockiert ward.

Canetti, ehemaliger bourbonischer Officier, den man zum Brigadechef gemacht, war von Fra Diavolo und von Mammone geschlagen worden und verwundet noch Neapel zurückgekommen.

Schipani war mit einer wohl oder übel neuorganisirten Armee durch die Bevölkerungen von Cava, Castellamare und den benachbarten Dörfern angriffen und besiegt worden und hatte sich erst hinter dem Dorfe Torre del Greco wieder formiert.

Monthonnet endlich, welcher gegen Ruffo marschierte, konnte nicht bis zu diesem gelangen. Von allen Seiten durch die Bevölkerung gedrängt und bedroht, von den Sanfedisten abgeschnitten zu werden, hatte er sich genöthigt gesehen den Rückzug anzutreten, ohne weiter gekommen zu sein, als bis Terra di Bari.

Alle- diese Nachrichten erhielt Salvato, welcher beauftragt vor, Neapel zu hüten und hier mit seiner Calabresischen Legion die Ruhe zu erhalten.

Dieser schwierige Posten, der ihm aber gestattete, über Luisa zu wachen sie alle Tage zu sehen, sie zu ermuthigen, sie zu trösten, war ihm nicht auf seinen Wunsch, sondern wegen seiner Festigkeit und seines anerkannten Muthes übertragen worden, ebenso wie auch in Folge der innigen Anhänglichkeit, welche Michele zu ihm hatte, der als Volksführer der Republik, indem er ihr diente, oder indem er sie verrieth, großen Nutzen schaffen oder bedeutendes Unheil zufügen konnte.

Zum Glücke aber war Michele fest in seiner Treue. Aus Dankbarkeit Republikaner geworden, blieb er es aus Ueberzeugung.

Das Wunder des heiligen Januarius findet jährlich zweimal statt, abgesehen von den außergewöhnlichen Fällen.

Der Tag des officiellen Wunders nahte und alle Welt fragte sich, ob der heilige Januarius den Sympathien, welche er für die Republik zu erkennen gegeben, auch in dem Augenblicke treu bleiben würde, wo sie, von den Franzosen verlassen, von den Sanfedisten auf so grausame Weise bedroht ward.

Es galt, ob der heilige Januarius eine wichtige Stellung verlieren oder gewinnen würde. Wenn er, wie Rocca Romana, die Patrioten verrieth, so söhnte er sich augenscheinlich mit dem Könige aus und blieb im Falle einer Restauration der Beschützer von Neapel. Blieb er dagegen der Republik treu, so theilte er das Schicksal derselben und fiel oder stand mit ihr.

Alle anderen politischen Fragen wurden bei Seite geschoben, um Platz für die religiösen zu machen.

Salvato theilte, mit der Sorge für die Ruhe der Stadt beauftragt und seiner Calabresen sicher, dieselben strategisch ein, so daß er der Emeute die Spitze bieten konnte ließ aber dem Heiligen gänzlich seinen freien Willen.

Jung, feurig und tapfer bis zur Tollkühnheit hätte er es vielleicht nicht ungern gesehen, wenn er der reaktionären Partei mit einem einzigen Streiche ein Ende hätte machen können, denn es war leicht zu sehen, daß dieselbe aufgeregter und thätiger war als je.

Eines Abends war Michele gekommen, um Salvato zu melden, er habe von Assunta, die es von ihren Brüdern und dem alten Bosso Tomeo gehört, erfahren, daß die Contrerevolution den nächstfolgenden Tag stattfinden und ein Complott nach Art dessen der Backers zum Ausbruch kommen solle.

Salvato traf sofort alle nöthigen Vorkehrungen, befahl Michele, seine Leute unter die Waffen treten zu lassen, nahm fünfhundert Mann von seinen Lazzaroni, um gemeinschaftlich mit seinen Calabresen die aristokratischen Stadttheile zu bewachen, gab ihm tausend Calabresen, um mit seinen Lazzaroni die alten Stadttheile zu hüten, und wartete ruhig, bis die Reaction ein Lebenszeichen geben würde.

Die Reaction verhielt sich stumm, bei Tagesanbruch aber und ohne daß man es wußte, wie oder durch wen es geschehen, fand man über tausend Häuser mit einem rothen Kreuz bezeichnet.

Es waren dies die Häuser, welche man blos zur Plünderung bestimmt.

An den Thüren von drei- oder vierhundert Häusern war das rothe Kreuz noch mit einem schwarzen Zeichen versehen, welches fast aussah wie der Punkt über dem i.

Dies waren die Häuser, deren Bewohner niedergemetzelt werden sollten.

Diese Drohungen, welche auf einen unversöhnlichen Krieg hindeuteten, waren bei Salvato schlecht angewendet, denn feine wilde Tapferkeit ward durch Hindernisse allemal blos noch mehr angestachelt und zertrümmerte dieselben, selbst auf die Gefahr hin, von ihnen zertrümmert zu werden.

Er begab sich zu dem Directorium, welches auf seinen Antrag befahl, daß alle waffenfähigen Bürger, mit Ausnahme der Lazzaroni, gezwungen würden, in die Nationalgarde einzutreten, und erklärte, daß auch alle Beamte, mit Ausnahme der Mitglieder des Directoriums, welche genöthigt wären, auf ihrem Posten zu bleiben, und der vier Minister, ebenfalls in die Listen der Nationalgarde eingetragen werden würden, denn gerade diesen, welche durch ihr Amt an die Regierung gefesselt wären, käme es zu, in der ersten Reihe zu kämpfen und mit dem Beispiel des Muthes und des Patriotismus voranzugehen.

 

Dann ließ Salvato, nachdem ihm unbeschränkte Vollmacht zur Unterdrückung der Revolte ertheilt worden, über dreitausend Personen festnehmen, unter deren Zahl sich auch der dritte Bruder des Cardinals Ruffo befand.

Die dreihundert hervorragendsten dieser Gefangenen ließ er nach dem Castell Nuovo oder nach dem Castello d’Uovo bringen und diese Forts unterminieren, um sie, wenn es nicht mehr möglich wäre, sie zu vertheidigen, mit den Gefangenen in die Luft sprengen zu lassen.

Dann gab er zu verstehen, daß er die Absicht hätte, unter der Stadt mit Pulver gefüllte Röhren legen zu lassen, damit die Royalisten begriffen, daß es sich nicht um einen Kampf mit Galanteriewaffen, sondern um einen Vertilgungskrieg handle und daß für sie und die Republikaner in dem Falle, daß der Cardinal Ruffo hartnäckig versuchen solle, Neapel wiederzunehmen, keine andere Hoffnung bliebe als ein und derselbe Tod.

Endlich ergriffen abermals auf Antrieb Salvato’s, dessen glühende Seele sich in feurigen Zungen kundzugeben schien, sämtliche patriotische Gesellschaften zu den Waffen, wählten Officiere und zu ihrem Commandanten einen tapferen Schweizer Oberst Namens Joseph Weiß, der früher im Dienste der Bourbons gestanden, auf dessen Wort aber man sich verlassen konnte.

Mitten unter allen diesen Ereignissen nahte der Tag des Wunders heran.

Es war leicht zu begreifen, mit welcher Ungeduld dieser Tag von den Bourbonisten erwartet ward und mit welcher Angst die Patrioten von schwachem Gemüth ihn kommen sahen.

Branchen wir wohl erst zu sagen, von welcher Unruhe während aller dieser verschiedenen Vorgänge das Herz der armen Luise gemartert ward, die nur in Salvato und durch Salvato lebte, welcher selbst nur durch ein Wunder mitten unter den Dolchen, welchen er schon einmal auf so wunderbare Weise entronnen, am Leben war und welcher auf alle angstvollen Aeußerungen seiner Geliebten antwortete :

»Beruhige Dich, theure Luisa. Das Klügste in Neapel ist der Muth.«

Obgleich Luisa schon seit langer Zeit nicht mehr ausging, war sie doch an dem Tage, wo das Wunder geschehen sollte, mit Tagesanbruch in der Kirche Santa Chiara und betete am Geländer des Altars. Unterricht und Bildung hatten in ihr das neapolitanische Vorurtheil nicht auszurotten vermocht. Sie glaubte an den heiligen Januarius und an dessen Wunder.

Nur betete sie, indem sie um das Wunder betete, für Salvato.

Der heilige Januarius erhörte sie.

Kaum waren das Directorium, der gesetzgebende Körper und die öffentlichen Beamten, mit ihren Uniformen bekleidet, in die Kirche getreten, kaum hatte die Cavallerie und Infanterie der Nationalgarde sich an dem Portal aufgestellt, als das Wunder auch schon geschah.

Der heilige Januarius war sonach in seiner Meinung festgeblieben und immer nach Jakobiner.

Luisa kehrte nach Hause zurück, indem sie den heiligen Januarius segnete und mehr als je an seine Macht glaubte.

Siebentes Capitel.
Aus welchen Elementen die sanfedistische Armee bestand

Wir haben, wie man sich erinnern wird, den Cardinal Ruffo in Altamura zurückgelassen. Nach einer vierzehnstündigen Rast setzte er sich am 24. Mai wieder in Marsch und passierte nach der Reihe Gravina, Paggio, Ursino, Spinazzola, Venosa, die Vaterstadt des Horaz, dann Melsi, Ascoli und Bavino.

Man erlaube dem, welcher diese Zeilen schreibt, einen Augenblick bei einer Episode zu verweilen, in Folge deren die Geschichte seiner Familie mit der Geschichte von Neapel verflochten wird.

Während seines Verweilens in Altamura erhielt der Cardinal von dem gelehrten Dolomieu einen von Brindisi datierten Brief.

Der Schreiber des Briefes war Gefangener in der Festung dieser Stadt und zwar zugleich mit dem General Manscourt und dem General Alexander Dumas, meinem Vater.

Die Sache war folgendermaßen zugegangen:

Der General Alexander Dumas hatte in Folge seiner Veruneinigung mit Bonaparte um Erlaubniß nachgesucht, nach Frankreich zurückzukehren, und dieselbe auch erhalten.

Demgemäß ging er am 9. März 1799, nachdem er ein kleines Fahrzeug gemiethet und in dasselbe seine beiden Freunde, den General Manscourt und den gelehrten Dolomieu, als Passagiere aufgenommen, von Alexandrien ab.

Das Schiff hieß »die schöne Malteserin«. Der Capitän war ein Malteser und man segelte unter neutraler Flagge.

Der Capitän hieß Felix.

Das Schiff bedurfte einiger Reparaturen. Man war übereingekommen, daß dieselben im Namen dessen bewirkt würden, der es gemiethet. Die Sachverständigen schlugen dieselben aus sechzig Louisdor an, der Capitän Felix erhielt deren hundert, sagte, er habe die Reparaturen vornehmen lassen und auf diese Versicherung hin segelte man ab.

Die Reparaturen waren aber nicht bewirkt worden.

Ungefähr vierzig Meilen von Alexandrien hatte das Schiff angefangen Wasser zu ziehen. Unglücklicherweise war es in Folge des widrigen Windes unmöglich, in den Hafen zurückzukehren welchen man so eben verlassen. Man beschloß daher, so viel Segel als möglich beizusetzen, nur ward das Schiff, je schneller es ging, auch desto härter angegriffen.

Am dritten Tage war die Situation eine beinahe verzweifelte. Man begann damit, daß man die zehn Kanonen, welche die Vertheidigung des Schiffes bildeten, ins Wasser warf, dann neun arabische Pferde, welche der General Dumas mit nach Frankreich nehmen wollte, dann eine Ladung Kaffee und endlich sogar die Koffer der Passagiere.

Trotz dieser Erleichterung sank das Schiff immer tiefer. Glücklicherweise befand man sich am Eingange des adriatischen Meeres und man kam überein, in den nächsten Hafen, nämlich Tarent, einzulaufen.

Am zehnten Tage erblickte man endlich Land. Es war die höchste Zeit. Noch vierundzwanzig Stunden und das Schiff wäre unrettbar gesunken.

Die Passagiere welche seit ihrem Verweilen in Egypten von allen Nachrichten aus Europa abgeschnitten gewesen, wußten nicht, daß Neapel mit Frankreich in Krieg war.

Man ging an einer kleinen Insel vor Anker, welche ungefähr eine halbe Seemeile von Tarent entfernt war. Von dieser Insel hatte der General Dumas den Patron des Schiffes an den Gouverneur der Stadt abgeschickt, um ihn von der Bedrängniß der Passagiere in Kenntniß zu setzen und um Hilfe zu bitten.

Der Capitän brachte von dem Gouverneur von Tarent eine mündliche Antwort zurück, durch welche die Franzosen aufgefordert wurden, ohne alle Befürchtung aufs Land zu kommen.

Demzufolge setzte »die schöne Malteserin« sich wieder in Bewegung und lief eine halbe Stunde später in den Hasen von Tarent ein.

Die Passagiere stiegen einer nach dem andern ans Land, wurden visitiert, in ein und dasselbe Zimmer gepfercht und hier erklärte man ihnen endlich, daß sie Kriegsgefangene seien.

Am dritten Tage gab man den drei vornehmsten Gefangenen, das heißt dem General Manscourt, Dolomieu und dem General Dumas, ein besonderes Zimmer.

Nun schrieb Dolomieu sowohl in seinem Namen als in dem seiner Genossen an den Cardinal Ruffo, um sich bei ihm über die Verletzung des Völkerrechtes zu beschweren und ihn von dem Verrath in Kenntniß zu setzen, dessen Opfer sie geworden.

Der Cardinal antwortete, daß er, ohne sich weiter in eine Diskussion einzulassen, ob der König von Neapel das Recht habe, Dolomieu, die beiden Generale und ihre übrigen Genossen gefangen zu halten, ihm blos melden wolle, daß es ihm unmöglich sei, ihm freie Durchreise zu Lande zu bewilligen, denn es stünde ihm keine Escorte zu Gebote, welche stark und muthig genug wäre, zu verhindern, daß die Reisender auf dem Wege durch Calabrien, welches seinem ganzen Umfange nach sich gegen die Franzosen erhoben, ermordet würden. Was die Rückreise nach Frankreich zur See beträfe, so könne er diese ohne Erlaubniß der Engländer auch nicht verbürgen und es bliebe ihm daher weiter nichts übrig, als die Sache dem König und der Königin anheimzugeben.

Als guten Rath fügte er hinzu, daß er die Generale Manscourt und Alexander Dumas aufforderte, mit den Obergeneralen der Armer von Neapel und Italien wegen ihrer Auswechslung gegen den Oberst Boccheciampe, der soeben gefangengenommen worden, zu unterhandeln, und erklärte, es läge dem König von Neapel an dem Signor Boccheciampe weit mehr als an allen anderen in Frankreich oder Italien gefangengehaltenen neapolitanischen Generalen zusammengenommen.

Auf dieser Basis wurden demzufolge die Unterhandlungen eröffnet. Es dauerte jedoch nicht lange, so erfuhr man, daß Boccheciampe, der in dem Gefecht, bei welchem er gefangengenommen ward, verwundet worden, in Folge seiner Wunden gestorben war.

Diese Nachricht schnitt die Unterhandlungen mit einem Male ab.

Einen Monat später wurden der General Manscourt und der General Dumas nach dem Schloß von Brindisi gebracht.

Was Dolomieu betraf, so ward er, als Neapel wieder in die Gewalt des Königs fiel, in die Kerker von Neapel gebracht und daselbst mit der äußersten Strenge behandelt.

Eines Tages, als er seinen Kerkermeister um einige Erleichterung seiner traurigen Lage bat, weigerte dieser sich zu thun, was der berühmte Gelehrte von ihm begehrte.

»Aber,« sagte Dolomieu, sich fühle, daß, wenn diese 88 Behandlung so fortdauert, ich nur noch wenige Tage zu leben haben werde.«

»Was geht das mich an?« antwortete ihm der Kerkermeister. »Ich bin blos für eure Knochen verantwortlich.«

Bonapartes Bitten entrissen Dolomieu nach der Schlacht von Marengo seiner Gefangenschaft; er kam aber blos nach Frankreich zurück, um daselbst zu sterben.

Am zweiten Tage nach der Ankunft des Generals Dumas in dem Schlosse von Brindisi, während er ausruhend am offenen Fenster auf seinem Bett lag, kam ein kleines Paket durch das Eisengitter dieses Fensters geflogen und fiel mitten im Zimmer auf den Fußboden nieder.

Der Gefangene richtete sich empor und hab das Paket auf.

Es war mit Bindfaden umschnürt. Er durchschnitt diese Umschnürung und sah nun, daß das Paket zwei Bücher enthielt. Diese beiden Bücher führten den Titel: »Der Feldarzt« von Tissot.

Auf einem kleinen zwischen das erste und zweite Blatt hineingeschobenen Zettel standen die Worte. »Von den calabresischen Patrioten. Siehe das Wort Gift

Der General schlug das bezeichnete Wort auf; es war doppelt unterstrichen.

Er begriff, daß sein Leben bedroht war. Er versteckte die beiden Bände, weil er fürchtete, daß man sie ihm wegnehmen würde, las aber den ihm empfohlenen Artikel oft genug, um die auf die verschiedenen Arten von Vergiftung, welche man an ihm versuchen könnte, anwendbaren Mittel auswendig zu lernen.

Wir haben in unserer Erzählung bereits eine von dem General Dumas selbst geschriebene Geschichte seiner Gefangenschaft veröffentlicht. Nach neun gegen ihn unternommenen Vergiftungsversuchen gegen den General Mack, denselben, den wir in dieser Geschichte figurieren gesehen, ausgewechselt, kam er nach Frankreich zurück, um hier am Magenkrebs zu sterben.

Was den General Manscourt, den man durch seinen Tabak vergiftet, betraf, so ward er irrsinnig und starb in seinem Gefängniß.

Obschon diese Episode nur schwach mit unserer Geschichte zusammenhänge, so haben wir sie, doch miterzählt, weil wir sie für würdig halten, im dritten Felde unseres Gemäldes zu figurieren.

Bei der Ankunft in Spinazzola erhielt der Cardinal Ruffo Nachricht, daß vierhundertfünfzig Mann Russen unter den Befehlen des Capitäns Bailly in Manfredonia ans Land gestiegen seien. Sie hatten elf Stück Geschütze bei sich.

Der Cardinal schrieb augenblicklich, daß man es dieser kleinen Truppe, welche, so schwach sie auch war, doch ein großes Reich repräsentierte und engagirte, an nichts fehlen lassen solle und daß man sie mit aller der Rücksicht empfinge, welche den Soldaten des Kaisers Paul des Ersten gebühre.

Am 29. Mai Abends langte der Cardinal in Melsi an, wo er Halt machte, um das Fest des heiligen Ferdinand zu feiern und seine Armee einen Tag rasten zu lassen.

»Die Vorsehung wollte,« sagt sein Biograph, »die Vorsehung wollte, daß, um das Fest noch glänzender zu machen, in Melsi plötzlich der Capitän Achmet erschien, welcher durch Cadi Bey von Corfu abgesendet worden und Briefe von dem Commandanten der ottomanischen Flotte überbrachte, welche meldeten, daß der Großvezier definitiv Befehl gegeben habe, dem König beider Sicilien, dem Bundesgenossen der hohen Pforte, mit allen Streitkräften, über die man verfügen könnte, beizustehen.

 

Demzufolge kam er, um zu fragen, ob es nicht möglich sei, in Apulien einige tausend Mann an’s Land zu setzen, um sie dann in Verbindung mit den Russen gegen die neapolitanischen Patrioten marschieren zu lassen.

Die Vorsehung thut für den Cardinal fast zu viel. Obschon seine römische Erziehung ihn ziemlich frei von Vorurtheilen gelassen, so konnte er sich doch eines gewissen Bedenkens nicht erwehren, das Kreuz des Christenthums und den Halbmond des Islam neben einander marschieren zu lassen, abgesehen von den ketzerischen Engländern und den schismatischen Russen.

Seit Manfred war so etwas nicht wieder da gewesen, und man weiß, daß die Sache Manfred sehr übel bekommen war.

Der Cardinal antwortete daher, die angebotene Hilfe werde sehr nützlich vor Neapel in dem Falle sein, daß die rebellische Stadt hartnäckig in ihrer Religion beharrte. Der Weg zu Lande am Strande des adriatischen Meeres sei lang und unbequem, dagegen aber werde Alles sich leicht machen lassen, wenn die Türken den Seeweg einschlagen und sich von Corfu in den Golf von Neapel begeben wollten.

Dies würde sich binnen wenigen Tagen ausführen lassen, besonders im Monat Mai, welcher für die Schifffahrt im mittelländischen Meere die allergünstigste sei.

Im Vorüberfahren könne die türkische Flotte übrigens Palermo anlaufen und dort mit dem General Nelson und den König Ferdinand alles Weitere besprochen werden.

Diese Antwort ward dem Abgesandten überbracht, welchen der Cardinal zu Tische lud.

Hier aber trat ein anderes Hindernis oder vielmehr eine andere Verlegenheit zu Tage. Die zu dem Gefolge des Capitäns Achmet gehörenden türkischen Officiere tranken keinen Wein oder sollten vielmehr keinen trinken.

Der Cardinal kam auf die Idee, die Schwierigkeit dadurch zu heben, daß er ihnen Branntwein vorsetze, die Türken aber, welche wußten, um was es sich handelte, beseitigten die Schwierigkeit auf noch einfachere Weise, als der Cardinal, indem sie sagten, daß sie, da sie kamen um Christen zu vertheidigen, sie auch ebenso Wein trinken könnten, wie diese.

In Folge dieser Uebertretung, wir wollen nicht sagen der Gesetze, sondern der Rathschläge Mohammed’s – denn dieser verbietet den Wein nicht, sondern räth blos von dem Genusse desselben ab – war das Mahl ein sehr heiteres und man konnte gleichzeitig auf die Gesundheit des Sultans Selim und des Königs Ferdinand trinken.

Am 31. Mai mit Tagesanbruch marschierte die sanfedistische Armee von Melsi ab, passierte Ofunto und kam in Ascoli an, wo der Cardinal den Capitän Bailly, welcher die Russen commandirte, einen geborenen Engländer, empfing. Vierhundertfünfzig Mann Russen waren glücklich in Montecalvello angelangt und hatten sich hier sofort in einem verschanzten Lager festgesetzt, welchem sie den Namen des Fort Saint-Paul gegeben.

Man hielt eine Berathung und kam überein, daß der Commandant Bailly sofort nach Montecalvello zurückkehren, und daß der Oberst Carbone mit drei Bataillonen Linie und einer Abtheilung calabresischer Chasseurs den russischen Truppen als Avantgarde dienen sollte.

Ein Specialcommissär Namens Apa war mit der Lieferung der Lebensmittel beauftragt und ihm dabei ganz besonders eingeschärft, es den guten Bundesgenossen des Königs Ferdinand an nichts fehlen zu lassen.

Der Commandant seinerseits versprach, an der Brücke von Bovino, wo der Cardinal am 2. Juni ankommen sollte, eine Escorte von dreißig Mann russischer Grenadiere zurückzulassen, welche dem Cardinal als Ehrengarde dienen sollten. Dies geschah auch.

Der Cardinal nahm sein Absteigquartier in dem Palaste des Herzogs Bovino und traf hier den Baron Don Luis de Riseis, welcher in seiner Eigenschaft als Adjutant Pronio’s ihm entgegenkam.

Zum ersten Male erhielt der Cardinal nun genaue Nachrichten aus den Abruzzen. Erst jetzt erfuhr er die drei Siege, welche die Franzosen und die neapolitanische Legion in San Severo, in Andria und in Trani davongetragen; gleichzeitig aber erfuhr er auch ihren raschen Rückzug, welcher durch die Abberufung Macdonalds veranlaßt worden.

Die in den Abruzzen in den Provinzen Chieti und Teramo operierenden Royalistenchefs verlangten von dem Generalvicar weitere Befehle und Instructionen.

Diese, welche sie durch Vermittlung des Barons Don Luis de Riseis erhielten, lauteten dahin, daß Pescaro, wo der Graf von Ruvo sich eingeschlossen, eng blockiert werden solle. Diejenigen Truppen, über welche sie außer den zu dieser Blockade erforderlichen disponieren könnten, sollten gegen Neapel marschieren und ihre Bewegungen mit denen der sanfedistischen Armee vereinigen.

Was die Terra di Lavoro betraf, so befand sich dieselbe vollständig in der Gewalt Mammone’s, den der König in seinen Briefen »Mein lieber General und Freund« nannte und Fra Diavolo’s, dem die Königin einen Ring mit ihrer Namenschiffre und eine Locke von ihrem Haar schickte.