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Neuntes Capitel.
Adler und Geier

Der Grund, aus welchem Championnet sich in Bezug auf den Bürger Faypoult und die Mission, womit derselbe von Seiten des Directoriums betraut war, so widerspenstig zeigte, lag darin, daß er in dem Augenblick, wo er das Commando der Armee von Rom übernommen, den elenden Zustand gesehen, in welchen die durch Contributionen und andere Bedrückungen aller Art ausgesogene alte Hauptstadt der Welt versetzt worden.

Er hatte die Ursachen dieses Elends erforscht und dabei erkannt, daß man dieselben den Agenten des Directoriums zuzuschreiben habe, welche unter verschiedenen Namen sich in der ewigen Stadt festgesetzt, und während sie selbst dem unerhörtesten Luxus fröhnten, es dem Rest jener schönen Armee an Brod, an Kleidern, an Schuhen und an Sold fehlen ließen.

Championnet hatte sofort an das Directorium geschrieben:

»Bürger Directoren! Die Hilfsquellen der römischen Republik sind schon erschöpft. Schelme und Schurken haben Alles verschlungen. Mit gierigen Augen lauern sie, um sich auch noch des Wenigen zu bemächtigen, was übriggeblieben ist. Diese Blutegel des Vaterlandes verbergen sich unter allen Gestalten, ich aber werde ohne Furcht, daß mein Verfahren Ihre Mißbilligung erfahre, nicht zugeben, daß diese ungestraften Räuber sich auch der Hilfsquellen der Armee bemächtigen. Ich werde dieses gräßlichen Harpyen, welche den durch unsere Opfer eroberten Boden so zu sagen verschlingen, verschwinden zu lassen wissen.

Dann hatte er seine Truppen versammelt und zu ihnen gesagt:

»Wackere Kameraden! Ihr habt viele und große Entbehrungen zu ertragen, das weiß ich. Wartet aber noch einige Tage und das Regiment der Verschwender ist zu Ende. Die Besieger Europas werden dann nicht mehr jener Erniedrigung des Mangels ausgesetzt sein, welcher von Ruhm umstrahlte Stirnen demüthigt.«

»Entweder war Championnet sehr unklug oder er kannte die Menschen, zu welchen er sprach, durchaus nicht hinlänglich. Die Verschwender verfolgen, hieß die Direktoren selbst angreifen, denn die Commission, eine von den Direktoren mit ihrer Vollmacht bekleidete neue Behörde, hatte von ihrer Amtsführung nur dem Direktorium Rechenschaft zu geben.

Um einen Begriff von der Verbindlichkeit zu geben, in welcher diese Beamten zu den fünf Majestäten des Luxemhourg standen, wollen wir blos erwähnen, daß dem Einnehmer der Contributionen ein Antheil von drei Centimes per Franc zugestanden war, was bei sechzig Millionen zum Beispiel für diese den Gefahren des Krieges völlig fernstehenden Beamten eine Summe von einer Million und achthunderttausend Franks ausmachte, während unsere Generale höchstens zwölf- bis fünfzehntausend Franks jährlich bezogen, wenn sie dieselben nämlich überhaupt bekamen.

Ebenso eifrig wie hiermit beschäftigte sich das Directorium, dessen Mitglieder zum Theil hohe Stellungen in der Armee eingenommen mit dem Uebergewicht, welches in Folge eines langen und siegreichen Krieges die von einer hellen Glorie umgebene Militärmacht gewinnen konnte.

Nachdem das Directorium auf diese Weise einmal die Bahn des Zweifels und der Furcht betreten, bestand, da es die Macht der Corruption, welche der Reichthum gibt, recht wohl kannte, eine der ersten Verfügungen, die es traf, darin, nicht zu gestatten, daß in den Händen der Generale sich allzustarke Summen aufhäuften.

Dennoch hatte es seine Vorkehrungsmaßregeln nicht vollständig getroffen. Während es dem Obergeneral das Recht nahm Contributionen zu erheben und zu verwalten, Iieß es ihm gleichwohl das Recht, den Betrag und die Art und Weise dieser Contributionen zu bestimmen.

Als Championnet sich überzeugt hatte, daß man ihm dieses Recht gelassen, erwartete er ruhig den Bürger Faypoult, der, wie man sich erinnert, den drittnächsten Tag zur selben Stunde wieder kommen sollte.

Der Bürger Faypoult, welcher Sorge getragen, seinen Schwiegervater zum Contributionseinnehmer ernennen zu lassen, verfehlte nicht sich pünktlich einzustellen, und fand Championnet noch aus demselben Platze, wo er ihn verlassen, gerade als ob der General seinen Lehnsessel sei achtundvierzig Stunden nicht verlassen hätte.

Der General begrüßte, ohne sich zu erheben, den Eintretenden durch eine Verneigung mit dem Kopfe und zeigte auf einen Sessel dem seinigen gegenüber.

»Nun und?« fragte der Civilcommissär, indem er Platz nahm.

»Wohlan, mein werther Herr,« antwortete der General, »Sie kommen zu spät.«

»Wie, zu spät, um die Contributionen zu erheben?«

»Nein, das nicht; wohl aber um die Sache auf denselben Fuß zu organisieren wie in Rom. Obschon der Antheil von drei Centimes von jedem Franc der Einnahme ein ungeheurer ist, so überlasse ich Ihnen denselben doch.«

»Weil Sie nicht anders können, General, Gestehen Sie es nur.«

»O, dies gestehe ich sehr gern. Wenn ich verhindern könnte, daß Sie auch nur einen Heller bekämen, so würde ich es thun. Bedenken Sie aber wohl, daß Ihre Arbeit sich blos auf die Erhebung der Contribution erstreckt. Auch dies wird Ihnen einen sehr hübschen Gewinn abwerfen, denn schon bei der bloßen Einnahme oder Erhebung fallen zwei Millionen in Ihre Tasche.«

»Wie so,« General? Die Contributionen, welche die französische Regierung von dem Königreich Neapel erheben wird, belaufen sich also auf nicht mehr als sechzig Millionen?«

»Auf fünfundsechzig Millionen. Ich sagte, es würden für Sie ein wenig über zwei Millionen abfallen. Da ich mit einem Rechnungsmenschen zu thun habe, so hätte ich sagen sollen, zwei Millionen einhundertfünfzigtausend Franks.«

»Ich verstehe Sie nicht, General.«

»Wie, Sie verstehen nichts und dennoch ist die Sache sehr einfach. Von dem Augenblick an, wo ich in dem Adel und dem Bürgerstand von Neapel nicht mehr Feinde, sondern Verbündete fand, erklärte ich feierlich, daß ich dem Recht der Eroberung entsage, und ich beschränkte mich darauf, eine Contribution von fünfundsechzig Millionen zur Unterhaltung der Armee zu verlangen. Sie werden einsehen, mein werther Herr, daß ich den König von Neapel nicht fortgejagt habe, um Neapel theurer zu stehen zu kommen, als ihm sein König zu stehen kam, und daß ich die Ketten der Neapolitaner nicht zerbrochen habe, um Sklaven der französischen aus ihnen zu machen. Nur ein Barbar – merken Sie sich das wohl, mein Herr Civilcommissär – nur ein Atilla oder ein Genserich kann einen Sieg wie den unsrigen, das heißt einen Sieg der Principien, dadurch entehren, daß er mit Waffengewalt sich das Eigenthum des Volkes anmaßt, bei welchem er eingezogen ist, indem er ihm die Freiheit und das Glück versprochen hat.«

»Ich bezweifle aber, General, daß das Directorium diese Bedingungen sanktioniert.«

»Es muß dieselben sanktionieren mein Herr,« sagte Championnet stolz, denn ich habe sie nicht blos gestellt, weil ich das Recht hatte, sie zu stellen, sondern ich habe sie der neapolitanischen Regierung vorgeschlagen und sie sind von derselben angenommen worden. Es versteht sich von selbst, daß ich Ihnen das Recht der Controlle zugestehe, Herr Commissär, und daß ich Sie, wenn Sie mich auf einer Ungehörigkeit ertappen können, von ganzem Herzen ermächtige, dies zu thun.«

»General, erlauben Sie mir Ihnen zu sagen, daß Sie sprechen, als ob Sie von den Instructionen der Regierung noch gar keine Kenntniß genommen hätten.»

»O doch! Aber Sie, mein Herr, sprechen als ob Ihnen das Datum dieser Instructionen unbekannt wäre. Dieselben sind vom 5. Februar, nicht wahr?«

»Ja.«

»Nun wohl, mein Tractat mit der neapolitanischen Regierung datirt vom l. Februar und ist daher um fünf Tage älter.«

»Dann weigern Sie sich also wohl, meine Instruktionen anzuerkennen?«

»O nein. Ich erkenne dieselben an, aber als willkürlich antirepublikanische, unbrüderlich und unfranzösisch weshalb ich Ihnen meinen Tractat entgegenstelle.«

»General,« sagte der Civilcommissär, »anstatt uns den Krieg zu erklären, wie Thoren wollen wir uns doch als Männer von Verstand, die wir sind, lieber verständigen. Neapel ist ein neues Land und es gibt hier Millionen zu verdienen.«

»Für Betrüger und Spitzbuben ja, das weiß ich. So lange ich aber in Neapel bin, sollen Spitzbuben und Betrüger hier nichts zu schaffen haben. Erwägen Sie meine Worte wohl, Herr Civilcommissär; wenn ich Ihnen rathen soll, so reisen Sie mit Ihrem Gefolge so bald als möglich nach Rom zurück. Sie haben auf den Knochen des Gerippes, welches das römische Volk war, noch einige Fetzen Fleisch zurückgelassen. Gehen Sie schnell, um dieselben vollends abzunagen, denn sonst lassen die Raben nichts die Geier übrig.«

Und sich erhebend wies Championnet dem Civilcommissär mit verächtlicher Geberde die Thür.

»Es ist gut,« sagte letzterer. »Sie wollen den Krieg, General, Sie sollen ihn haben.«

»Gut,« antwortete Championnet, »der Krieg ist mein Handwerk; dagegen ist es nicht mein Handwerk, auf die Zufälligkeiten zu speculiren, welche in Folge von Güterbeschlagnahmen, Waaren- und Lebensmittelrequisitionen, betrügerischen Verkäufen und simulierten oder fingierten Rechnungen sich herausstellen. Mein Handwerk ist nicht, die Bürger von Neapel die Brüder der Bürger von Paris nur unter der Bedingung zu beschützen, daß sie sich nur nach meinem Willen regieren lassen, oder die Güter der Emigrirten in einem Lande zu konfiszieren, wo es keine Emigrirten gibt. Mein Handwerk ist endlich nicht, die Depositenbanken um die Habe der Privatpersonen zu plündern, denn dies hieße, während selbst die grausamsten Barbaren Bedenken tragen, das Grab eines einzelnen Menschen zu verletzen, das Grab einer ganzen Stadt beleidigen, es hieße die Gruft von Pompeji aufreißen, um sie der Schätze zu berauben, welche sie seit beinahe zweitausend Jahren birgt. Dies ist nicht mein Handwerk, und wenn es das Ihrige ist, so sage ich Ihnen in voraus, mein Herr, daß Sie es, so lange ich hier bin, nicht ausüben werden. Und nun nachdem ich Ihnen Alles gesagt, was ich Ihnen zu sagen hatte, gehen Sie!«

 

Schon an demselben Morgen hatte Championnet in der Erwartung dessen, was zwischen ihm und dem Civilcommissär vorgehen wurde, seinen Vertrag mit der neapolitanischen Regierung an den Straßenecken anschlagen lassen, nämlich den Vertrag, welcher die von Neapel für die Bedürfnisse der französischen Armee jährlich zu bezahlende Contribution auf fünfundsechzig Millionen festsetzte.

Am nächsten Morgen fand der General alle seine Plakate mit denen des Civilcommissärs überklebt. Letztere verkündeten, daß kraft des Eroberungsrechtes das Directorium die Krongüter von Neapel, die Paläste und Häuser des Königs, die königlichen Jagden, die Dotationen des Malteserordens, die Klostergüter, die Allodialgüter, die Bauten die Porzellanfabriken und wie Championnet gesagt, sogar die noch in der Asche von Pompeji und in der Lava von Herkulanum begrabenen Alterthümer zum Eigenthum Frankreichs erkläre.

Der General betrachte diesen Erlaß nicht blos als einen Eingriff in seine Rechte, sondern auch als eine Beleidigung, und nachdem er Salvato und Thiébaut abgeschickt, um von dem Civilcommissär Genugthuung zu verlangen, ließ er, als dieser sich weigerte, ihn festnehmen und über die neapolitanische Grenze auf die nach Rom führende Heerstraße bringen.

Diese Maßregel ward von den Neapolitanern mit lautem Beifall begrüßt. Von den Edelleuten und Bürgern geliebt und gesuchter ward Championnet auch bis in die niedrigsten Classen der Gesellschaft herab populär.

Der Pfarrer der St. Annenkirche entdeckte in den schriftlichen Nachrichten seiner Kirche, daß ein gewisser Giovanni Championnet, welcher aber zu dem General in keinerlei Beziehung stand, in dieser Kirche getauft worden war. Er machte die betreffende Stelle des Kirchenbuches bekannt, reklamierte den General als seinen Gemeindeangehörigen und das Volk, welches er durch die Fertigkeit, womit er den neapolitanischen Dialekt sprach, schon mehrfach in Erstaunen gesetzt, fand in der Bekanntmachung des Pfarrers von St. Anna eine natürliche Lösung dieses Räthsels und betrachtete den französischen General von nun an durchaus als seinen Landsmann. Ein solcher Glaube konnte der Sache nützlich werden, und im Interesse Frankreichs ließ Championnet denselben nicht blos bestehen, sondern auch immer mehr überhandnehmen.

Gewitzit durch die blutigen Erfahrungen der französischen Revolution wollte Championnet, während er Neapel mit den unermeßlichen Wohlthaten, die sie erzeugt, beglückte, es doch auch zugleich vor ihren inneren Ausschreitungen und ihren äußeren Fehlern bewahren.

Seine Hoffnung war ein philanthropisches Utopien zu verwirklichen nämlich eine Revolution ohne Verhaftungen ohne Verbannungen, ohne Hinrichtungen zu Stande zu bringen.

Anstatt Saint-Just zu huldigen, welcher empfahl, mit der revolutionären Pflugschar recht tief zu pflügen, wollte er blos die Egge der Civilisation über die Gesellschaft hinwegführen, eben so wie später Fourier alle Fähigkeiten selbst die schlimmen, zu einem socialen Ziel zusammenwirken lassen wollte, eben so wollte auch Championnet die ganze Welt an der allgemeinen Wiedergeburt arbeiten lassen.

Die Geistlichkeit sollte den Einfluß ihrer dem Volke theueren Vorurtheile mäßigen, der Adel das Volk durch die Aussicht auf eine ruhmreiche Zukunft in der neuen Ordnung der Dinge anlocken, auf das Bürgerthum sollte ein Theil der Souveränität der Regierung übergehen, die freisinnigen Classen der Advocaten, der Aerzte, der Gelehrten der Künstler sollten ermuthigt und belohnt und den Lazzaroni endlich durch einen angemessenem ihnen bis jetzt unbekannten Erwerb Geschmack an der Arbeit beigebracht werden.

Dies war der Traum, welchem Championnet sich in der Zukunft von Neapel hingab, als die rauhe Wirklichkeit ihn in dem Augenblicke packte, wo er, friedlicher Herr von Neapel, um die Insurrection in den Abruzzen zu unterdrücken, einerseits die in Rom von dem General Sainte-Suzanne organisierten mobilen Colonnen in Bewegung setzte und Duhesme und Caraffa beauftragte, gegen den Abenteurer zu marschieren welchen man für den Kronprinzen hielt, und wo er, indem er sich anschickte, auf Reggio zu marschieren, sich vornahm, selbst eine starke Colonne nach Sicilien zu führen.

In der Nacht vom 15. zum 16. März erhielt jedoch Championnet vom Directorium Befehl, sich sofort in Paris beim Kriegsminister einzufinden. Oberster Herrscher in Neapel, von Allen geliebt und geachtet, mitten in der Macht, die er geschaffen, und in welcher es ihm ein Leichtes gewesen, sich zu erhalten, beugte dieser Mann, welchen man des Ehrgeizes und der Hartnäckigkeit beschuldigte, gleich einem Römer der Heldenzeit sich vor dem empfangenen Befehl, wendete sich zu Salvato, der eben in seiner Nähe war, und sagte:

»Ich gehe zufrieden. Ich habe meinen Soldaten den fünfmonatlichen Sold ausgezahlt, den sie zu fordern hatten. Ich habe ihre zerfetzten Uniformen durch gute Kleider ersetzt. Sie haben jeder ein Paar neue Schuhe und essen besseres Brod, als sie jemals in ihrem Leben gegessen haben.«

Salvato drückte ihn an sein Herz.

»Mein General,« sagte er zu ihm, »Sie sind ein Mann des Plutarch.«

»Und dennoch,« murmelte Championnet, »hatte ich noch Vieles zu thun, was mein Nachfolger wahrscheinlich nicht thun wird. Wer erlebte aber wohl je die vollständige Verwirklichung seiner Träume? Niemand.«

Dann setzte er, indem er seine Uhr zog, mit einem Seufzer hinzu:

»Es ist ein Uhr Morgens. Ich werde mich nicht erst schlafen legen, denn ich habe nun vor meiner Abreise noch viel zu besorgen. Seien Sie morgen um drei Uhr wieder bei mir, mein lieber Salvato, und beobachten Sie über das, was mir so eben begegnet ist, das unbedingteste Schweigen.«

Am nächstfolgenden Tage Schlag drei Uhr war Salvato im Palast Angri. Nirgends waren Anstalten zu bemerken, welche auf eine Abreise hingedeutet hätten.

Championnet arbeitete wie gewöhnlich in seinem Cabinet. Als er den jungen Mann eintreten sah, erhob er sich und bot ihm die Hand.

»Sie sind sehr pünktlich, mein lieber Salvator,« sagte er zu ihm, »und ich danke Ihnen dafür. Wenn Sie es zufrieden sind, so wollen wir jetzt eine kleine Promenade machen.«

»Zu Fuße?« fragte Salvato.

»Ja, zu Fuße,« antwortete Championnet. »Kommen Sie.«

An der Thür blieb Championnet stehen, warf einen letzten Blick auf das Cabinet, welches er seit zwei Monaten bewohnt, und worin er so große Dinge entschieden, decretiert und ausgeführt.

»Man versichert, daß die Wände Ohren haben,« sagte er. »Wenn sie vielleicht auch eine Stimme haben, so beschwöre ich diese, zu sprechen und zu bezeugen, oh sie jemals etwas sprechen gehört oder thun gesehen, was, seitdem ich als Obergeneral diese Thür geöffnet, die ich jetzt als Angeklagter hinter mir schließe, nicht zum Wohl der Menschheit gewesen wäre.«

Und er schloß die Thür und ging mit lächelnder Miene auf Salvato’s Arm gestützt die Treppe hinab.

Zehntes Capitel.
Der Angeklagte

Der General und sein Adjutant gingen die Toledostraße entlang bis zum bourbonischen Museum, dann die Strada dei Studi hinab, über den Largo delle Pigne, in die Strada Foria hinein, und erreichten auf diese Weise Poggioreale.

Hier wartete ein Wagen auf Championnet, dessen ganzes Gefolge aus seinem auf dem Bock sitzenden Kammerdiener Scipio bestand.

»Wohlan, mein lieber Salvato,« sagte der General, »die Stunde der Trennung ist da. Mein Trost ist, daß ich, während ich den schlimmen Weg einschlage, wenigstens Sie auf dem guten zurücklasse. Werden wir uns jemals wiedersehen? Ich bezweifle es. Aus alle Fälle sind Sie mir mehr Freund, beinahe Sohn gewesen. Bewahren Sie mein Andenken.«

»O, stets, stets!s murmelte Salvato. »Aber was sollen diese bangen Ahnungen? Sie sind ja blos abberufen, das ist Alles.«

Championnet zog ein Zeitungsblatt aus der Tasche und reichte es Salvato. Dieser faltete es aus einander. Es war der »Moniteur« Er las darin folgende Zeilen:

»In Erwägung, daß der General Championnet seine Autorität und Gewalt dazu gebraucht hat, die Ausübung der von uns dem Commissär Faypoult übertragenen Vollmacht zu verhindern, und sich folglich offen gegen die Regierung empört hat, wird der Bürger Championnet, Divisionsgeneral und Commandant der Armee von Neapel, zur Haft gebracht, vor ein Kriegsgericht gestellt und wegen Gesetzesbruch gerichtet werden.«

»Sie sehen, lieber Freund,« hob Championnet wieder an, »daß die Sache ernster ist, als Sie glaubten.«

Salvato seufzte, zuckte die Achseln und sagte :

»General, Eines kann ich versichern, nämlich, daß wenn Sie verurtheilt werden, es dann auf der Welt eine Stadt gibt, welche selbst Athen an Undankbarkeit übertrifft. Diese Stadt wird Paris sein.«

»Ach leider!« sagte Championnet. »Wenn ich Themisiokles wäre, so würde ich mich darüber trösten.«

Und nachdem er Salvato seinerseits ans Herz gedrückt, sprang er in den Wagen.

»Und Sie reisen so allein, ohne alle Escorte?« bemerkte Salvato.

»Die Angeklagten stehen blos unter der Obhut Gottes,« antwortete Championnet.

Die beiden Freunde wechselten einen letzten Gruß und der Wagen rollte davon.

– — —

Der General Championnet hat an den Ereignissen, welche wir bis jetzt erzählt, einen zu großen Antheil gehabt und in Neapel ein allzu lebhaftes Andenken zurückgelassen, als daß wir, indem wir ihn nach Frankreich begleiten, ihm nicht bis an das Ende seines ruhmreichen Lebens folgen möchten, welches übrigens nicht lange sein sollte.

Als er Rom passirte, erwartete ihn ein letzter Triumph. Das römische Volk, welches er freigemacht, schenkte ihm eine vollständige Ausrüstung, Waffen, Uniform und Pferd mit der Inschrift:

»Dem General Championnet

die Consuln der römischen Republik.«

Ehe er die ewige Stadt verließ, empfing er überdies von der neapolitanischen Regierung folgenden Brief:

»General!

»Nichts kann Ihnen den Schmerz der provisorischen Regierung malen, als sie die verhängnißvolle Nachricht von Ihrem Abgange erfuhr. Sie sind es, der unsere Republik gegründet hat; auf Ihnen ruhen unsere süßesten Hoffnungen. Tapferer General! Unser Bedauern, unsere Liebe, unsere Dankbarkeit begleiten Sie. Wir wissen nicht, von welcher Art die Absichten Ihres Nachfolgers in Beziehung auf uns sein werden. Wir hoffen, der Ruhm und seine Pflicht werden ihm theuer genug sein, um ihn zu veranlassen, Ihr Werk zu befestigen. Von welcher Art aber auch seine Handlungsweise sein möge, so können wir doch niemals die Ihrige, jene Mäßigung, jene Milde, jenen offenen, biedern Charakter und jene große, edelmüthige Seele vergessen, die Ihnen Aller Herzen zuwendeten. Diese Sprache ist nicht die der Schmeichelei. Sie sind fort und wir haben von Ihnen nichts weiter zu erwarten als freundliches Andenken.«

Wir haben gesagt, daß die Erinnerung, welche Championnet in Neapel zurückließ, eine nachhaltige war. Sein Abgang ward hier in der That als eine öffentliche Calamität betrachtet und zwei Jahre später schrieb der Historiker Cuoco in der Verbannung:

»O Championnet! Du hast jetzt aufgehört zu leben. Dein Andenken aber wird in diesem Buche die Huldigung empfangen, welche der Festigkeit und deiner Gerechtigkeit gebührt. Was schadet es Dir, daß das Directorium Dich unterdrücken wollte? Dich zu erniedrigen stand nicht in seiner Macht. Von dem Tage an welchem Du in Ungnade fielst, wurdest Du der Abgott unserer Nation.«

In Bologna überreichte der General Lemoine dem neuen Scipio, welcher eher das Capitol zu besteigen schien, um den Göttern Dank zu sagen, als nach dem Forum zu wandern, um hier angeklagt zu werden, einen Brief von Barras in dem er sich von der von seinen Collegen gegen Championnet gefüllten Entscheidung vollständig isolierte, ihn seinen Freund nannte und seiner Abberufung ein glorreiches Ende und eine glänzende Genugthuung voraussagte.

Championnets Ueberraschung war daher auch groß, als er in Mailand um Mitternacht geweckt ward und man ihm im Namen Scherer’s, Obergenerals der Armee in Italien, ein neues Decret des Directoriums bekannt machte, welches ihn der Widersetzlichkeit gegen die Regierung beschuldigte, weshalb er zu sechsjähriger Gefangenschaft zu verurtheilen sei.

Der Verfasser des Championnet mitgetheilten Decrets war der Director Merlin, derselbe, welcher nach dem Sturz der Behörde, welcher er angehörte, seine Carriere auf einer untergeordneten Stelle unter Bonaparte von Neuem beginnen mußte und später unter Napoleon Generalprocurator ward.

Wir brauchen nicht zu sagen« daß der General Scherer, welcher Championnet von Merlins Decret in Kenntniß setzte, derselbe Scherer war, der auf demselben Kriegsschauplatze, wo der Verbannte so viele Siege errungen, von dem österreichischen General Kray und dem russischen General Suwarow so grausam geschlagen werden sollte.

 

Gleichzeitig aber und indem Championnet das Opfer dieser beklagenswerthen, verkehrten Maßnahmen war, empfand er einen großen Trost.

Joubert, einer der eifrigsten Anhänger der Revolution und einer der ruhmreichsten Diener der Republik, gab, als er hörte, daß sein College in Anklagestand versetzt worden, seine Entlassung.

Erfüllt von Vertrauen zu dem Tribunal, vor welchem er erscheinen sollte, schrieb Championnet auch noch in derselben Nacht an Scheren um ihn zu fragen, in welcher Festung er sich als Gefangener stellen solle, und an Barras, um ihn zu bitten, daß man seine Verurtheilung beschleunigen möge.

Wenn man sich aber auch beeilt hatte, Championnet von Neapel zu entfernen, damit die Commissäre des Directoriums dort ihr Plünderrungssystem in Ausführung bringen könnten, so beeilte man sich doch keineswegs, ihn zu richten, denn man wußte recht wohl im Voraus, wie das Ende des Processes sein würde.

Scherer zog sich daher dadurch aus der Verlegenheit, daß er Championnet, anstatt ihn vor Gericht zu stellen, auf Reisen schickte. Er schickte ihn demgemäß von Mailand nach Modena, von Modena zurück nach Mailand und von Mailand endlich als Gefangenen nach Turin.

Hier wohnte Championnet in der Citadelle, als er eines Morgens, so weit sein Blick reichte, die ganze Straße, welche von Italien nach Frankreich führte, mit Fußgängern, Karten und Bagagewagen bedeckt sah. Es war unsere auf dem Rückzuge begriffene Armee, unsere Armee, die weit mehr durch Scherer’s Unerfahrenheit als durch Kray‘s Genie und Suwarow‘s Muth geschlagen worden.

Die Arrieregarde unserer siegreichen Armee, welche nun die Avantgarde unserer geschlagenen Armee bildete, bestand größtentheils aus Lieferanten, Civilcommissären und anderen dergleichen Beamten, welche, von den Oesterreichern und Russen gejagt, gleich Raubvögeln in einem Striche nach Frankreich zurückflohen, um hinter den Grenzen desselben ihre Beute in Sicherheit zu bringen.

Auf diese Weise sah Championnet sich gerächt. Leider war diese Rache zugleich die Schmach Frankreichs. Alle diese Unglücklichen flohen, weil Frankreich besiegt war.

Zu diesem schon so schmerzlichen moralischen Gefühl gesellte sich der noch weit schmerzlichere materielle Anblick der unglücklichen Soldaten, welche barfuß und mit zersetzter Kleidung die Gelder eskortirten, um welche man sie selbst beraubt und betrogen.

Championnet sah diese unglücklichen Soldaten, welche er zum Siege geführt, als Flüchtlinge wieder. Er sah die, welche er gekleidet, nackt und entblößt, die, welche er genährt, vor Hunger dem Tode nahe und die, denen er Vater gewesen, als Waisen wieder. Es waren die Veteranen seiner Armee von der Sambre und Maas.

Sobald sie erfuhren, daß der Mann, der ihr Anführer gewesen, jetzt sich als Gefangener hier befand, wollten sie die Thore seines Kerkers sprengen und ihn an ihre Spitze stellen, damit er sie von Neuem gegen den Feind führe. Diese Armee, eine durch und durch aus der Revolution hervorgegangene, war mit einer Intelligenz begabt, welche die Armeen des Despotismus nicht besitzen, und diese Intelligenz sagte ihr, daß, wenn der Feind gesiegt, er diesen Sieg mehr der Unerfahrenheit unserer Generale als dem Muth und dem Verdienst der seinigen verdanke.

Championnet weigerte sich das Commando zu übernehmen, ergriff aber eine Muskete, um als Freiwilliger zu kämpfen.

Zum Glück hielt sein Vertheidiger ihn davon zurück.

»Was wird Ihr Freund Joubert denken,«– sagte er, »wenn er erfährt, was Sie gethan – er, der seine Entlassung gegeben, weil man Ihnen Ihren Degen genommen. Wenn Sie fallen, ohne vorher vor dem Kriegsgericht gestanden zu haben, so wird man sagen, Sie hätten den Tod gesucht, weil Sie sich schuldig gefühlt.«

Championnet sah die Richtigkeit dieser Schlußfolgerung ein.

Einige Tage nach dem Rückzuge der französischen Armee, und als sie auf dem Punkte stand, Turin zu verlassen, zwang man den General Moreau, welcher Scherer in dem Commando der Armee von Italien gefolgt war, Championnet nach Grenoble zu schicken.

Es war dies beinahe sein Vaterland. In Folge eines eigenthümlichen Spiels des Zufalls war sein Reisegefährte derselbe General Mack, welcher in Caserta ihm einen Degen hatte zurückgeben wollen, den er durchaus nicht annehmen gewollt, und jener selbe Pius Vl., den die Revolution nach Valencia schickte, um dort zu sterben.

In Grenoble sollte über Championnet Gericht gehalten werden.

»Sie stellen Championnet vor die Schranken eines französischen Tribunals,« rief Maria Joseph Chénier auf der Rednerbühne des Rathes der Fünfhundert. »Ohne Zweifel wollen Sie ihn nöthigen, Abbitte dafür zu thun, da er den letzten Thron Italiens gestürzt.«

Der Erste, welcher von dem Kriegsgericht als Zeuge aufgerufen ward, war sein Adjutant Villeneuve.

Dieser trat mit festem Schritt vor den Präsidenten und nachdem er den Angeklagten ehrerbietig gegrüßt, sagte er:

»Warum rufen Sie nicht gleichzeitig mit mir sämtliche Genossen seiner Siege auf? Das Zeugniß derselben würde eben so einmüthig sein wie ihre Entrüstung. Hören Sie den Ausspruch eines berühmten Geschichtschreibers: »Eine ungerechte Macht kann einen rechtschaffenen Mann wohl mißhandeln, aber nicht entehren!«

Während der Proceß noch schwebte, kam der denkwürdige 30. Prairial, welcher Treilhard, la Revellière«,Lapaux und Merlin aus dem Directorium entfernte, um es durch Gohier, Roger-Ducos und den General Maulin zu ergänzen.

Cambacérès bekam das Portefeuille; der Justiz, François de Neuschateau das des Innern und Bernadotte das des Krieges.

Sobald Bernadotte ans Ruder gelangt war, ertheilte er Befehl, den gegen Championnet , seinen Waffengefährten in der Armee der Sambre und Maas, anhängig gemachten Proceß niederzuschlagen, und schrieb ihm folgenden Brief:

»Mein lieber Camerad!

Das Executiv-Directorium ernennt Sie mittelst Decret vom 17. d. M. zum Obercommandanten der Alpenarmee. Dreißigtausend Mann erwarten mit Ungeduld unter Ihren Befehlen wieder die Offensive aufzunehmen.

»Vor vierzehn Tagen waren Sie noch Gefangener; der dreißigste Prairial hat Sie in Freiheit gesetzt. Die öffentliche Meinung klagt gegenwärtig Ihre Unterdrücker an. Ihre Sache ist deshalb sozusagen eine nationale. Können Sie wohl ein glücklicheres Loos wünschen?

»Viele Andere finden in der Revolution einen Vorwand, um die Republik zu verleumden. Für Männer wie Sie ist die Ungerechtigkeit blos ein Grund, das Vaterland um so mehr zu lieben. Man hat Sie dafür strafen wollen, daß Sie Throne umgestürzt. Sie werden sich an den Thronen rächen, welche die Form unserer Regierung bedrohen. Gehen Sie, mein Herr, und bedecken Sie die Spuren Ihrer Ketten mit neuen Lorbeeren, verwischen Sie oder vielmehr bewahren Sie diese ehrenvolle Spur. Es ist für die Freiheit nicht nachtheilig, wenn wir die Attentate des Despotismus uns beständig vor Augen halten. Ich um- arme Sie, wie ich Sie liebe.

»Bernadotte.«

Championnet begab sich zur Alpenarmee, das Unglück Frankreichs aber hatte Zeit gehabt, über das Glück die Oberhand zu gewinnen. Joubert, welcher vierzehn kostbare Tage, die er seiner Armee hätte schenken sollen, seiner jungen Frau widmete, verlor die Schlacht bei Novi und suchte den Tod, den er auch fand.

Weniger glücklich als sein Freund verlor Championnet die Schlacht bei Fossano, und da er nicht wie Joubert dabei den Tod aus dem Schlachtfelde fand, so ward er krank und starb, indem er sagte:

»Glücklicher Joubert!«

In Antibes hauchte er seinen letzten Seufzer aus. Seine Leiche ward in dem Fort Carre beigesetzt.

In den Schubfächern seines Secretärs fand man wenig über hundert Franks, und sein Generalstab bestritt die Kosten seines Begräbnisses.