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La San Felice

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Fra Pacifico die beiden Kanonen, der noch übrige Munitionswagen und seine zwölf Mönche blieben bei Cesare’s Colonne. Die beiden Freunde umarmten einander und schlugen noch denselben Abend jeder den Weg ein, der ihn seiner Bestimmung entgegenführen sollte.

Siebentes Capitel.
Niccola Addone

Wir haben erzählt, wie Salvato von dem General Championnet nach Salerno geschickt worden war, um daselbst eine Colonne zu organisieren und auf Potenza zu dirigieren, wo man eine Reaction und die furchtbaren Leiden fürchtete, von welchen eine solche stets in einem halbwilden Lande begleitet ist, wo die Bürgerkriege nur der Vormund für persönliche Rachegelüste sind.

Obschon die Ereignisse von Potenza mehr der allgemeinen Geschichte von 1799 als der besonderen Erzählung angehören, mit welcher wir es hier zu thun haben und die den Augen unserer Leser nur die Thaten der Personen, welche darin eine Rolle spielen, vorführen soll, so werden wir doch, da diese Ereignisse sowohl die Zeit, in der sie geschehen, als auch das Volk, unter welchem sie vorfielen, auf furchtbare Weise kennzeichnen, ihnen ein Capitel widmen, aus welches sie ein doppeltes Recht haben, sowohl wegen der Größe der Katastrophe, als auch wegen des unheilvollen Einflusses, den die Reise, welche Micheles Verrath des Backerschen Complotts herbeiführte, auf das Leben der Heldin unserer Geschichte äußerte.

Als der General Championnet aus jener Soirée bei der Herzogin Fusco zurückkehrte, wo Monti‘s Verse vorgelesen, wo der »Parthenopäische Moniteur« gegründet worden und wo der Papagei der Herzogin Dank seinen beiden Lehrern Velasco und Nicolino genesen hatte: »Es lebe die Republik! Nieder mit den Tyrannen!« hatte er in dem Palaste Angri einen reichen Grundbesitzer aus der Basilicata, Namens Niccola, angetroffen.

Don Niccola Addone, wie man ihn in dortiger Gegend, wo noch theilweise spanische Gebräuche herrschten, nannte, wohnte in Potenza und der Bischof Monsignore Serrao war sein intimer Freund.

Monsignore Calao, ein geborener Calabrese, hatte sich während seines Episcopats den Ruf eines gelehrten Mannes von exemplarischem Lebenswandel erworben.

Der Grund hiervon lag einerseits in den von ihm veröffentlichten geschätzten Werken und andererseits in seiner wahrhaft evangelischen Mildthätigkeit und Menschenliebe. Mit Gerechtigkeitsgefühl und edlem Sinn begabt, hatte er die Freiheit als den von dem Evangelium versprochenen Engel des Volkes begrüßt und die liberale Bewegung ebenso wie die neue Doktrin gefördert.

Dieser schöne republikanische Himmel begann aber kurz nach der ersten Morgenröthe sich bereits zu trüben. Ueberall organisieren sich Banden von Sanfedisten. Die Anhänglichkeit an die Bourbons war der Verwand, Plünderung und Mord waren das eigentliche Ziel.

Monsignore Serrao, welcher seine Mitbürger durch seinen Eifer und sein Beispiel compromittirt hatte beschlossen, wenigstens für ihre persönliche Sicherheit zu sorgen.

Er kam auf den Gedanken, aus Calabrien, das heißt aus seiner Heimat, eine Garde jener bewaffneten Männer, die unter dem Namen der Campieri bekannt sind, kommen zu lassen.

Es waren dies Ueberreste jener Söldnerschaaren des Mittelalters, welche sich jedem Edelmanne verdungen, der sie am besten bezahlte. Ihre Abstammung kannte man nicht. Vielleicht waren es Nachkommen der alten Condottieri.

Der arme Bischof glaubte an diesen Leuten, seinen Landsleuten, besonders wenn er sie gut bezahlte, muthige und hingebende Vertheidtger zu haben.

Unglücklicherweise hatte Monsignore Serrao vor einiger Zeit die Handlungsweise eines jener schlechten Priester getadelt, deren es in den südlichen Provinzen so viele gibt, und welche allemal den Blicken ihrer Vorgesetzten dadurch zu entrinnen hoffen, daß sie sich unter die große Menge mischen. Dieser Priester hieß Angelo Felice Vinciguerra.

Er war aus demselben Dorfe wie einer der beiden Anführer der Campieri, der Falsetta hieß.

Der zweite Anführer hieß Capriglione.

Der Priester war schon als Knabe ein intimer Freund von Falsetta gewesen und schloß sich jetzt aufs Neue an ihn an. Er machte ihm begreiflich, daß der Sold, welchen Monsignore Serrao ihm zahlte, so hoch derselbe auch sei, doch keinen Vergleich aushalte mit dem, was ihm die Contributionen, die er auflegen, und die Beute, die er machen könnte, einbringen würden, wenn Capriglione und er, anstatt sich der Aufrechtbaltung der Ordnung zu widmen, sich mit Hilfe der unter ihren Befehlen stehenden Leute zu Meistern der Stadt machten.

Falsetta, welcher Vinciguerras Rathschlägen Gehör gab, theilte dieselben Capriglione mit, welcher ebenfalls sofort darauf einging.

Daß die Mannschaften die Ansichten ihrer Anführer theilten, versteht sich fast von selbst.

Eines Morgens sah Monsignore Serrao der noch im Bett lag, seine Thür sich öffnen, und Capriglione erschien mit der Muskete in der Hand auf der Schwelle, indem er ohne weitere Einleitung jagte:

»Monsignore, das Volk will Ihren Tod.«

Der Bischof erhob die rechte Hand, machte die Geberde eines Mannes, der seinen Segen ertheilt, und sagte:

»Ich segne das Volk.«

Ohne ihm Zeit zu lassen, diesen evangelischen Worten noch etwas hinzuzufügen schlug der Bandit an und gab Feuer.

Der Prälat, welcher sich erhoben, um seinen Mörder zu segnen, sank, die Brust von einer Kugel durchbohrt, todt zurück.

Auf den Knall des Schusses kam der Vicar des Bischofs herbeigeeilt, und da er seine Entrüstung über diesen Mord aussprach, so tödtete Capriglione ihn durch einen Messerstich.

Auf diesen Doppelmord folgte beinahe unmittelbar der Tod zweier der reichsten und angesehensten Gutsbesitzer der Stadt. Sie hießen Gerardangolo und Giovanni Liani. Es waren Brüder.

Das Gerücht, daß die Ermordung des Bischofs durch Capriglione, aber auf Anstiften des Priesters, verübt worden, erhielt dadurch Bestätigung daß am Morgen nach dem Verbrechen der genannte Vinciguerra sich mit der Bande Caprilione’s vereinigte, um die Stadt Potenza in Blut und Trauer zu stürzen.

Liberale, Patrioten, Republikaner, kurz Alle, welche in irgend einer Beziehung den neuen Ideen angehörten, wurden nun von tiefem Schrecken ergriffen und dieser stieg noch höher, als das Gerücht sich verbreitete, daß an dem Tage wo das Fest des Blutes Christi gefeiert werden sollte, das heißt am Donnerstage nach Ostern, die Meister der Stadt gewordenen Briganten mitten unter der Procession nicht blos alle Patrioten, sondern auch alle Reichen niedermetzeln würden.

Der Reichste von Denen, welche von diesem Gerücht bedroht wurden und gleichzeitig einer der rechtschaffensten Bürger der Stadt, war jener Niccola Addone, der Freund des Bischofs, welcher den französischen General bei dessen Rückkunft von der Soirée der Herzogin von Fusco in seinem Quartier erwartete.

Es war ein wackerer, entschlossener Mann und hatte sich in Übereinstimmung mit seinem Bruder Basilio Addone vorgenommen, die Stadt von dieser Mörderbande zu befreien.

Er ließ deshalb diejenigen seiner Freunde zu sich rufen, welchen er den meisten Muth zutraute. Unter der Zahl dieser befanden sich drei Mann, deren Namen, welche sich in keiner Geschichte aufgezeichnet finden, durch die mündliche Tradition bewahrt worden sind.

Diese drei Männer hießen Giuseppe Scafanelli, Jorio Mandiglia und Gaetano Massi.

Noch sieben oder acht andere schlossen sich ebenfalls der Verschwörung an, doch habe ich die ältesten Bewohner von Potenza, von welchen ich ihre Namen erfahren zu können hoffte, vergebens befragt.

In Niccola Addones Hause bei verschlossenen Thüren und Fenstern versammelt, kamen diese Patrioten darin überein, daß man Capriglione, Falsetta und ihre ganze Bande vom Ersten bis zum Letzten mit einem Schlage vernichten müsse.

Um zu diesem Ziele zu gelangen, galt es, sich bewaffnet theils in Addone’s, theils in dem benachbarten Hause zu versammeln.

Die Banditen selbst lieferten, als ob sie mit den Patrioten einverstanden gewesen wären, diesen die Gelegenheit, welche ihnen noch fehlte.

Sie erhoben von der Stadt Potenza eine Contribution von dreitausend Dukaten, wobei sie es den Bürgern überließen, die Art und Weise zu regeln, auf welche diese Contribution auf die einzelnen Bürger vertheilt und wie sie bezahlt werden sollte, dafern die Zahlung nur binnen drei Tagen erfolgte.

Die Contribution ward erhoben und öffentlich in Niccola Addone’s Hause deponirt.

Ein Mann aus dem Volke Namens Gaetano Scoletta, seines Zeichens ein Schuhmacher und unter dem Spitznamen Sarcetta bekannt, übernahm es, den Banditen die Aufforderung zu überbringen, sich bei Addone einzufinden und jeder den ihm zukommenden Antheil in Empfang zu nehmen.

Die deshalb bezeichneten Stunden waren für jeden der Banditen verschieden, damit nicht etwa die ganze Bande in Masse sich einfände, was die Ausführung des Projerts schwierig gemacht haben würde.

Scoletta war beauftragt, während er mit den Banditen plauderte, sie von der innern Einrichtung des Hauses in Kenntniß zu setzen und ihnen unter Anderem zu sagen, daß die Casse aus Furcht vor Dieben in dem abgelegensten Gemach des Hauses verwahrt werde.

An dem bestimmten Tage ließ Niccola Addone zwei kräftige in seinem Dienste stehende Maulthiertreiber, welche der eine Loreto, der andere Surraceno hießen, sich in einer Art Cabinet verstecken, aus welchem man in das Zimmer gelangte, worin, wie Scoletta sagte, der Cassierer sich befand.

Diese beiden Männer standen mit einem Beil in der Hand zu beiden Seiten einer niedrigen Thür, welche man nicht passiren konnte, ohne sich zu bücken. Die beiden mit festen Stielen versehenen Beile waren am Abend vorher zu diesem Zwecke gekauft und geschliffen worden.

Alles war bereit und jeder eine Viertelstunde vor der bestimmten Zeit auf dem ihm angewiesenen Posten.

Die ersten Banditen kamen einer nach dem andern an und wurden sofort nach ihrer Ankunft eingelassen. Nachdem sie einen langen Corridor durchschritten, gelangten sie in das Zimmer, wo Loreto und Sarraceno hinter der Thür standen.

 

Diese handhabten ihre Beile mit derselben Schnelligkeit und Präcision, womit der Fleischer in seinem Schlachthofe einen Ochsen niederschlägt.

In demselben Augenblick, wo der Bandit niederstürzte warfen zwei andere Diener Addone’s, Namens Piscione und Musano, den Cadaver durch eine Fallthür in einen Stall hinab.

Sobald der Cadaver verschwunden war, trat eine alte Frau, starr wie eine Parze, mit einem Eimer Wasser in der einen und einem Schwamm in der andern Hand, aus einem Nebenzimmer heraus, wusch den Fußboden und zog sich dann wieder stumm und steif wie ein Automat in ihr Zimmer zurück.

Endlich fand auch der Anführer Capriglione sich ein. Basilio Addone, Niccola’s Bruder, folgte ihm, wie um ihm den Weg zu zeigen.

Mitten in dem Corridor aber erwachte in dem unruhigen, mißtrauischen Banditen ohne Zweifel eine bange Ahnung. Er wollte umkehren.

Ohne ihn erst zum Weitergehen bewegen zu wollen, und ohne erst sich in eine Diskussion mit ihm einzulassen, stieß ihm in dem Augenblicke wo er sich umdrehte, Basilio Addone seinen Dolch bis an den Griff in die Brust.

Capriglione stürzte nieder, ohne einen Schrei auszustoßen.

Basilio schleppte ihn in das erste Zimmer, welches sich darbot, schloß ihn, nachdem er sich überzeugt, daß er wirklich todt sei, darin ein und steckte den Schlüssel ruhig in die Tasche.

Was Falsetta betraf, so war er einer der Ersten gewesen, welchen der Kopf gespalten ward.

Sechzehn der Banditen mit Einschluß der beiden Anführer waren schon getödtet und in den Stall hinabgeworfen, als die anderen, die ihre Cameraden wohl hineingehen, aber nicht wieder herauskommen sahen, einen kleinen Trupp bildeten und, von Gennarino, Falsettas Sohn, angeführt, Addones Haus sich näherten, um an die Thür zu pochen.

Sie hatten aber nicht einmal Zeit genug, an dieser Thür zu pochen.

In dem Augenblick, wo sie nur noch etwa fünfzehn Schritte von dem Haus entfernt waren, schoß Basilio Addone, welcher an einem Fenster Schildwache stand, mit derselben festen Hand und mit demselben sichern Blick, womit er Capriglione niedergestochen, Gennarino mitten in die Stirn.

Dieser Schuß war das Signal zu einem furchtbaren Handgemenge. Die Verschworenen, welche einsahen, daß jetzt der Augenblick da war, wo jeder mit seiner eigenen Person eintreten mußte, stürzten auf die Straße hinaus und fielen mit solcher Wuth über die Banditen her, daß alle vom ersten bis zum letzten auf dem Platze blieben.

Man zählte zweiunddreißig Leichen.

Während der Nacht wurden diese zweiunddreißig Leichen eine nach der andern in einer Reihe auf den Marktplatz gelegt, so daß bei Tagesanbruch die ganze Stadt dieses blutige Schauspiel vor Augen haben konnte.

Schon am Abend vorher aber war Niccola Addone abgereist, um Championnet von diesem ganzen Vorgange in Kenntniß zu setzen und ihn zu bitten, eine französische Colonne nach Potenza zu schicken, um daselbst die Ordnung aufrecht zu erhalten und der Reaction Widerstand zu leisten.

Championnet hatte, nachdem er Niccola Addones Bericht angehört, die Dringlichkeit dieses Verlangens eingesehen und Salvato beauftragt, in Salerno die Colonne zu organisierte deren Commando er dann seinem Adjutanten Villeneuve übertrug.

Achtes Capitel.
Der Geier und der Schakal

Als Salvato von Salerno zurückkehrte und in das Cabinet des Generals Championnet trat, dem er die Nachricht von der Landung des Cardinals Ruffo in Calabrien brachte, traf er darin zwei Personen, welche ihm vollständig unbekannt waren und in deren Mitte der Obergeneral, nach seiner gerunzelten Stirn und seiner verächtlich emporgezogenen Lippe zu urtheilen, sich ziemlich unbehaglich zu fühlen schien.

Der eine dieser beiden Unbekannten trug das Costüm der höheren Civilbeamten, das heißt den blauen Frack ohne Epauletten und ohne Stickereien, den dreifarbigen Gürtel, die weißen Beinkleider, Stulpenstiefel und Säbel; der andere die Uniform eines Adjutant-Majors.

Der erste war der Bürger Faypoult, Oberhaupt einer Civilcommission, welche von Paris nach Neapel geschickt worden, um dort Contribution zu erheben und sich dessen zu bemächtigen, was die Römer spolia opima nannten.

Der zweite war der Bürger Victor Mejean, welchen das Directorium kürzlich an Thiébauds Stelle ernannt, der von Championnet vor der Porta Capuana zum Generaladjutanten gemacht worden.

Der General hatte dem Directorium vorgeschlagen, den erledigten Posten seines Adjutanten durch Villeneuve zu besetzen, welcher in diesem Augenblick beschäftigt war, die Patrioten von Potenza und ganz besonders Niccola und Basilio Addone, die beiden Haupturheber der letzten Katastrophe, zu schützen.

Das Directorium war aber auf den Wunsch des Generals nicht eingegangen, sondern hatte, wie bereits bemerkt, ,Mejean zu seinem Adjutanten ernannt.

Der Bürger Faypoult war ein Mann von fünfundvierzig Jahren, lang, hager, mit gekrümmter Haltung, wie die Schreibe- und Rechenmenschen gewöhnlich haben. Seine Nase glich dem Schnabel eines Raubvogels, die Lippen waren dünn, der Kopf vorn schmal, hinten dich das Kinn hervorragend, das Haar kurz und die Finger an ihren Spitzen abgeplattet.

Der Bürger Mejean war ein Mann von zweiunddreißig Jahren, mit senkrechten Falten auf der Stirn, welche von der Nasenwurzel ausgehend, einen mürrischem sich leicht schlimmen Gedanken hingebenden Menschen verrathen.

Sein Auge, aus welchem in gewissen Augenblicken ein Schimmer des Neides, des Hasses und stiller Wuth leuchtete, hatte gewöhnlich einen stampfen, erloschenen Ausdruck, der durch die Willenskraft hervorgerufen ward.

Dabei nahm er sich in seiner Uniform ziemlich linkisch und unbeholfen aus, worüber man sich auch nicht wundern konnte, sobald man wußte, daß er eines schönen Morgens seine Adjutanten-Epauletten unter dem Kopfkissen einer der zahlreichen Maitressen des Directorialmitgliedes Barras gefunden, welcher sich genöthigt gesehen, ihn wegen einer Regelwidrigkeit in seinen Rechnungen aus seinem Bureau fortzuschicken und zur Armee zu versetzen, nicht als einen braven, redlichen Diener, welchem man ein ehrenvolles Avancement zu Theil werden läßt, sondern als einen unredlichen Beamten, den man durch die Verbannung bestraft.

Als Championnet die Thür seines Cabinets durch eine bekannte Hand öffnen hörte, drehte er sich herum, und als er das gleichzeitig freimüthige und strenge Gesicht Salvatos gewahrte, ging der Ausdruck in seinen Zügen von dem der Verachtung in den des Spottes über.

»Mein lieber Salvato, sagte er »ich habe die Ehre, Ihnen den Herrn Oberst Mejean vorzustellen, den Nachfolger unseres wackeren Thiébaut, den ich, wie Sie wissen auf dem Schlachtfeld zum Generaladjutanten ernannt habe. Ich hatte diesen Posten für unsern lieben Villeneuve gewünscht, die Herren Direktoren haben ihn aber nicht für würdig dazu erachtet. Sie hatten an diesem Herrn hier ganz besondere Dienste zu belohnen und haben ihm daher den Vorzug gegeben. Wir werden indessen für Villeneuve etwas Besseres finden. Hier ist Ihr Patent, Bürger Mejean. Ich kann und werde mich nicht den Bestimmungen des Directoriums widersetzen, sobald dieselben nicht das Interesse der Armee, die ich commandire, und das Frankreichs gefährden. Merken Sie wohl, daß ich nicht sage: und das der Regierung, sondern: und das Frankreichs, dem ich diene, denn ich diene vor allen Dingen Frankreich. Die Regierungen gehen vorüber und ich habe, Gott sei Dank, seit zehn Jahren deren keine kleine Anzahl vorübergehen sehen, diejenigen ungerechnet, die ich wahrscheinlich noch vorübergehen sehen werde, Frankreich aber bleibt. Gehen Sie, mein Herr, gehen Sie Ihren Posten anzutreten.«

Der Oberst Mejean runzelte seiner Gewohnheit gemäß die-Stirn, ward ein wenig bleich, verneigte sich, ohne ein Wort zu sprechen, und verließ das Zimmer.

Der General wartete, bis sich hinter dem Hinausgehenden die Thür geschlossen, gab Salvato einen nur von diesem zu bemerkenden Wink, drehte sich nach dem andern Abgesandten des Directoriums herum und sagte:

»Jetzt, mein lieber Salvato, stelle ich Ihnen den Bürger Jean Baptist Faypoult, Chef der Civilcommission, vor. Er hat sich mit Selbstverläugnung dazu verstanden, eine Mission zu übernehmen, welche schwer und unbequem ist besonders in diesem Lande. Er ist beauftragt Contribution zu erheben und überdies darauf zu sehen, daß ich mich weder zum Cäsar noch zum Cromwell mache. Nach den von ihm bereits gegen mich ausgesprochenen Ansichten glaube ich nicht, daß wir lange einig bleiben. Wenn wir uns ganz veruneinigen – und ein wenig veruneinigt haben wir uns schon – so muß Einer von uns Beiden Neapel verlassen.«

Salvato machte eine Bewegung der Ungeduld, Championnet aber fuhr lächelnd fort:

»Beruhigen Sie sich, mein lieber Salvato. Ich werde nicht derjenige sein, welcher Neapel verläßt – es müßten denn, wohlverstanden, höhere Befehle eintreffen. Mittlerweile,« setzte Championnet sich zu Faypoult wendend hinzu, »haben Sie die Güte, mir die Instruktion der Herren Direktoren dazulassen. Ich werde sie mit Ruhe und Muße studieren. Ich werde Sie bei der Ausführung derjenigen unterstützen, welche ich richtig und angemessen finde, sage Ihnen aber zugleich im Voraus, daß ich mich der Ausführung derer, die ich für ungerecht halte, mit meiner ganzen Macht widersetzen werde. Und nun Bürger,« sagte Championnet, indem er die Hand ausstreckte, um die Instruktionen von dem Chef der Civilcommission zu empfangen, »glauben Sie, daß ich zu viel verlange, wenn ich Sie bitte, mir zum Studium Ihrer Instructionen eine Frist von achtundvierzig Stunden zu bewilligen?«

»Mir,« antwortete der Bürger Jean Baptist Faypoult, »kommt es nicht zu, dem General Championnet die die Zeit vorzuschreiben welche er auf dieses Studium verwenden soll. Dennoch aber werde ich mir erlauben, ihm zu sagen, daß das Directorium eilig hat und daß es wünschenswerth sein wird, wenn er mir erlaubt, die Absichten meiner Regierung so bald als möglich in Ausführung zu bringen.«

»Damit bin ich vollkommen einverstanden. Es liegt keine große Gefahr im Verzuge und achtundvierzig Stunden Verzögerung werden das Wohl des Staates nicht in Frage stellen. Wenigstens hoffe ich das.«

»Nun also, General?«

»Also, übermorgen zu derselben Stunde werde ich Sie erwarten, Bürger Commissär,wenn Sie es so zufrieden sind!«

Faypoult verneigte sich, und verließ das Zimmer, nicht demüthig und stumm wie Mejean, sondern lärmend und mit drohenden Geberden wie Tartüffe, wenn er Orgon bedeutet, daß sein Haus ihm gehört.

Championnet begnügte sich die Achsel zu zucken.

Dann sagte er zu seinem jungen Freund:

»Meiner Treu, Salvato, Sie haben mich nur einen Augenblick verlassen, und bei Ihrer Rückkehr finden Sie mich gleichwohl zwischen zwei garstigen Thieren, zwischen einem Geier und einem Schakal – pfui!«

»Sie wissen aber doch, mein lieber General,« sagte Salvato lachend, »daß Sie nur ein Wort zu sagen brauchen, um mich zu veranlassen, den einen durch einen Faustschlag, den andern durch einen Fußtritt zu entfernen.«

»Nichts wahr, mein lieber Salvato, Sie bleiben bei mir, damit wir den Augiasstall gemeinschaftlich untersuchen? Ich glaube allerdings nicht, daß wir ihn säubern werden; wenigstens aber werden wir verhindern, daß sein Unrath uns überschwemme.«

»Sehr gerne,« antwortete Salvato, »und Sie wissen, daß ich ganz zu Ihren Befehlen stehe. Ich habe Ihnen aber zwei Nachrichten von der größten Wichtigkeit mitzutheilen.«

»Wenn Ihnen ein großes Glück widerfahren wäre, mein lieber Salvato, so würde mich dies freuen, aber nicht in Erstaunen setzen. Ihr Gesicht strahlt förmlich.«

Salvato reichte Championnet lächelnd die Hand.

»Ja, in der That,« sagte er, »ich bin ein glücklicher Mensch; die Nachrichten aber, die ich Ihnen mitzutheilen habe, sind politische Nachrichten die mit meinem Glück oder Unglück nichts zu schaffen haben. Se. Eminenz der Cardinal Ruffo hat die Meerenge passirt und ist in Catona gelandet. Ueberdies hat, wie es scheint, der Herzog von Calabrien den Stiefel umschifft und ist, während Se. Eminenz an der Spanne landete, am Absatz, das heißt in Brindisi, gelandet.«

»Teufel!« rief Championnet. »Das sind allerdings sehr wichtige Neuigkeiten mein lieber Salvato. Halten Sie dieselben für gegründet?«

»Die erste wenigstens ist vollkommen sicher, denn ich habe sie von dem Admiral Caracciolo, welcher heute Morgen in Salerno landete und von Catona kam, wo er den Cardinal Ruffo selbst in der Mitte von drei- bis vierhundert Mann und mit der königlichen Fahne auf dem Hause, welches er bewohnt, wehend, und bereit gesehen, nach Palmi und Mileto zu gehen, wo sich die Sammelplätze für seine Rekruten befinden. Was die zweite Nachricht betrifft, so habe ich sie ebenfalls von ihm. Nur hat er sie nicht bestätigt sondern zweifelt selbst daran, weil er den Herzog von Calabrien eines so energischen Schrittes nicht fähig glaubt. Auf alle Fälle ist aber so viel gewiß, daß, wer auch der Mund sei, welcher den Brand anfacht, doch Untercalabrien und die ganze Terra d‘Otrante in Flammen stehen.«

 

In diesem Augenblick trat der Ordonnanzsoldat ein und meldete den Kriegsminister.

»Ich lasse ihn bitten, einzutreten,« rief Championnet lebhaft.

Wenige Minuten später trat Gabriel Monthonnet ein.

Der berühmte Patriot hatte wenige Tage vorher wegen der in dem Waffenstillstand von Sparanisi stipulierten zehn Millionen, die noch nicht bezahlt waren, mit dem Obergeneral einen ziemlich ernsten Wortwechsel gehabt. Angesichts der wichtigen Nachrichten aber, welche er empfangen, hatte er seinerseits jeden Groll aufgegeben und kam jetzt zu Championnet wie zu einem militärischen Vorgesetzten und wie zu einem Meister der Politik, um ihn um guten Rath, im Nothfalle selbst um Befehle zu bitten.

»Kommen Sie schnell,« sagte Championnet, indem er ihm mit der ihm eigenthümlichen Offenheit und Freimüthigkeit die Hand bot. »Sie sind willkommen. Eben stand ich im Begriff, Sie holen zu lassen.«

»Dann wissen Sie also, was vorgeht?«

»Ja. denn ich glaube, Sie wollen von der doppelten Landung in Calabrien und in der Terra d’Otranto, mit andern Worten von der Landung des Cardinals Ruffo und des Herzogs von Calabrien sprechen.«

»Ja, ganz recht; diese Kunde ist es, was mich zu Ihnen führt, mein lieber General. Der Admiral Caracciolo, von welchem ich diese Nachricht habe, kommt eben von Salerno und sagt mir, daß er dort den Bürger Salvato getroffen und diesem Alles erzählt habe.«

Salvato verneigte sich.

»Und der Bürger Salvato,« sagte Championnet, »hat mir schon Alles wiedererzählt. Es gilt also, rasch Leute und zwar zuverlässige Leute der Insurrection entgegen zusenden, um dieselbe in Untercalabrien und in der Terra d’Otranto einzuschließen. Wenn wir sie in ihrem eigenen Kessel kochen lassen können, so kann es uns gleich sein, was für eine Brühe dabei herauskommt. Wir müssen jedoch daraus bedacht sein, daß sie nicht einerseits Calabrien und andererseits Altamura überschreite. Ich werde Duhesme Befehl ertheilen, daß er mit sechstausend Mann Franzosen sich zum Ausrücken bereit halte. Wollen Sie vielleicht einen Ihrer Generale und ein neapolitanisches Corps beigeben?«

»Ja, General Ettore Caraffa mit tausend Mann, wenn es Ihnen recht ist,« antwortete Manthonnet. »Nur sage ich Ihnen im Voraus, daß Ettore Caraffa mit der Avantgarde wird marschieren wollen.«

»Um so besser! Er wird lieber unsere Neapolitaner unterstützen, als von ihnen unterstützt sein wollen,« antwortete Championnet lächelnd. »Das wäre für Apulien.«

»In der Basilicata haben Sie wohl schon eine Colonne?«

»Ja, Villeneuve steht mit sechshundert Mann in Potenza. Ich bekenne Ihnen jedoch offen, daß mir durchaus nichts daran liegt, meine Franzosen sich gegen einen Cardinal schlagen zu lassen. Setzen wir einen Sieg voraus, so wird dieser doch ein ruhmloser sein; setzen wir aber eine Niederlage voraus, so ist diese jedenfalls eine schimpfliche. Schicken Sie Neapolitaner und Calabresen hin, wenn Sie können. Besitzen diese auch nicht viel Muth, so besitzen sie doch Haß.«

»Ich kenne einen Mann, General, der für Sie oder vielmehr für uns paßt. Es ist Schipani.«

»Ich habe zweimal mit ihm gesprochen Er scheint mir ein muthiger und patriotischer Mann, aber dabei noch sehr unerfahren zu sein.«

»Das ist allerdings wahr; in Revolutionszeiten aber improvisiren sich die Generale. Hoche, Marceau, Kleber und wie die andern noch alle heißen mögen, sind auch improvisierte Generale, aber deswegen durchaus keine schlechten. Wir wollen zwölfhundert Mann Neapolitaner unter Schipani‘s Befehl stellen und ihm auftragen, alle Patrioten, welche vor dem Cardinal und seinen Banditen fliehen werden, zu sammeln und zu organisieren. Das erste Corps,« setzte Manthonnet hinzu, »das heißt Duhesme mit seinen Franzosen und Caraffa mit seinen Neapolitanern, wird, nachdem es Apulien unterworfen, in Calabrien eindringen, während Schipani mit seinen Calabresen sich darauf beschränken wird, Ruffo und seine Sanfedisten im Schach zu halten. Caraffa‘s Ziel wird sein, zu siegen; das Schipani‘s dagegen, blos Widerstand zu leisten. Nur, General, werden Sie Duhesme befehlen, recht schnell zu siegen, und wir verlassen uns in dieser Beziehung auf ihn, denn wir müssen vor allen Dingen unsere Ernährerin, Apulien, wiedererobern, welches jetzt durch die Bourbonisten zu Lande und die Engländer zur See verhindert wird, uns sein Getreide und sein Mehl zu schicken. Wann werden Sie uns Duhesme und seine sechstausend Mann geben können, General?«

»Morgen, diesen Abend, heute noch. Ganz so wie Sie sagen, wird es am besten sein, wenn so schnell als möglich verfahren wird. Was die Abruzzen betrifft, so machen Sie sich deswegen keine Sorge. Diese werden durch die französischen Posten der Operationslinie zwischen der Romagna und Neapel, sowie durch die Castelle Civitella und Pescara im Zaum gehalten.«

»Nun, dann wird Alles gut gehen. Wie steht es mit dem General Duhesme?«

»Salvato,« sagte Championnet, »Sie werden Duhesme in meinem Namen melden, daß er sich sofort mit dem Grafen von Ruvo zu verständigen und sich bereit zu halten habe, noch diesen Abend aufzubrechen. Sie werden hinzufügen, daß er mir vorher seinen Feldzugsplan vorlegen und nicht meine Befehle, wohl aber meine Rathschläge empfangen wird.«

»Und ich,« sagte Manthonnet« »werde meinerseits Ettore zu ihm schicken.«

»Apropos,« hob Championnet wieder an, »noch ein Wort!«

»Sprechen Sie, General.«

»Sind Sie der Meinung, daß man diese Vorgänge geheimhalte, oder daß man das Volk von Allem in Kenntniß setze?«

»Meine Meinung ist, daß man das Volk von Allem in Kenntniß setzen müsse. Die Regierung, welche wir gestürzt, war eine Regierung der Hinterlist und der Lüge, die unsrige dagegen muß eine Regierung der Offenheit und der Wahrheit sein.«

»Nun, dann handeln Sie nach Ihrer Ansicht, mein Freund, Sie werden sich dabei vielleicht als eben kein guter Politiker zeigen, jedenfalls aber als ein guter wackerer und ehrlicher Bürger bewähren.«

Und die eine Hand Salvato, die andere Manthonnet reichend, folgte Championnet den Beiden mit den Augen, bis die Thür sich hinter ihnen geschlossen hatte.

Dann gewann sein Gesicht wiederum den Ausdruck des Ekels und Widerwillens.

Er streckte sich in einen Sessel, öffnete Faypoult‘s Instructionen, zuckte die Achseln und begann mit gespannter Aufmerksamkeit zu lesen.