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La San Felice

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Elftes Capitel.
Die parthenopeische Republik

Kaum hörte Championnet das Glockengeläute und die vierfache Freudensalven, so begriff er sofort, daß das Wunder geschehen sei, und verließ Capodimonte, um seinen feierlichen Einzug in Neapel zu halten.

Er durchzog die ganze Stadt, zunächst die Strada dei Cristallini, den Largo delle Pigne, den Largo San Spirito und den Mercatello entlang, mitten unter der lärmendsten Freude und dem tausendfach wiederholten Ruf:

»Es leben die Franzosen! Es lebe die französische Republik! Es lebe die parthenopeiche Republik!«

Dieses ganze Volk, welches drei Tage lang gegen ihn gekämpft, welches seine Soldaten verstümmelt, erwürgt und verbrannt, welches eine Stunde vorher noch bereit war, die abermals zu erwürgen, zu verstümmeln, zu verbrennen, war durch das Wunder des heiligen Januarius sofort bekehrt worden und von dem Augenblicke an, wo der Heilige für die Franzosen war, fand es keinen Grund mehr, gegen dieselben zu sein.

»Der heilige Januarius weiß besser als wir, was zu thun ist,« sagten sie. »Thun wir daher wie der heilige Januarius.«

Von Seiten des mezzo ceto und des Adels, welche durch die französische Invasion der bourbonischen Tyrannei entrissen wurden, waren die Freude und der Enthusiasmus nicht weniger groß.

Alle Fenster waren mit dreifarbigen französischen und dreifarbigen neapolitanischen Fahnen geschmückt, welche ihre Falten und Farben miteinander mischten.

Tausende von jungen Frauen standen an den Fenstern, schwenkten ihre Tücher und riefen:

»Es lebe die Republik! Es leben die Franzosen! Es lebe der Obergeneral!«

Die Kinder liefen vor seinem Pferde her, indem sie kleine gelb-roth-schwarze Fähnchen hin- und herschwenkten.

Allerdings waren noch einige Blutflecken auf dem Pflaster zu sehen und die Trümmer vieler niedergebrannten Häuser rauchten noch, in diesem Lande der Sensation des Augenblicks aber, wo die Gewitter vorüberziehen, ohne an dem azurblauen Himmel Spuren zurückzulassen, war die Trauer schon vergessen.

Championnet begab sich direct nach der Kathedrale, wo der Erzbischof Copece Zurlo ein Te Deum an dem Altare sang, worauf das Haupt und das Blut des heiligen Januarius den Blicken Aller ausgestellt waren.

Aus Dankbarkeit für den besondern Schutz, welchen der Heilige den Franzosen gewährt, beschenkte Championnet ihn mit einer mit Diamanten besetzten Mitra, welche der Heilige auch anzunehmen geruhte und sich ohne Widerstand aufsetzen ließ.

Wir werden später sehen, wie theuer dem Erzbischof diese Schwäche für die Franzosen zu stehen kommen sollte.

Während man in der Kirche das Te Deum sang, ward an allen Straßenecken folgende Proclamation angeschlagen:

»Neapolitaner!18

»Seid frei und wisset eure Freiheit zu benutzen. Die französische Republik wird in eurem Glück eine reichliche Entschädigung für ihre Mühen und Kämpfe finden. Wenn es unter Euch noch Anhänger der gestürzten Regierung gibt, so steht denselben frei, dieses Land der Freiheit zu verlassen. Sie mögen ein Land fliehen, wo es nur noch Bürger gibt, und als Sclaven zu Sclaven zurückkehren.

»Von diesem Augenblick an nimmt die französische Armee den Namen der neapolitanischen Armee an und macht sich durch einen feierlichen Schwur verbindlich, eure Rechte aufrecht zu erhalten, und so oft als die Interessen eurer Freiheit es verlangen werden, für Euch die Waffen zu ergreifen. Die Franzosen werden den Cultus und die geheiligten Rechte des Eigenthums und der Person achten. Von Euch ernannte Behörden werden durch eine weise, väterliche Verwaltung über der Ruhe und dem Glück der Bürger wachen, die Gräuel der Unwissenheit verschwinden machen, die Wuth des Fanatismus beschwichtigen und Euch mit einem Worte ebensoviel Liebe beweisen, als die gestürzte Regierung Euch Treulosigkeit und Verrath bewiesen hat.«

Ehe Championnet die Kirche verließ, errichtete er, indem er Salvato der Freiheit zurückgab, eine Ehrengarde, welche den heiligen Januarius nach dem erzbischöflichen Palast zurückgeleiten und unter der Parole: »Achtung dem heiligen Januarius« bewachen sollte.

Schon am Morgen war in der sichern Erwartung, daß der heilige Januarius die Gefälligkeit haben würde, sein Wunder zu verrichten – eine Gefälligkeit, an welcher Championnet nicht zweifelte – eine provisorische Regierung eingesetzt worden.

Gleichzeitig hatte man sechs Comités ernannt, nämlich das Centralcomité, das Comité des Innern, das Comité der Finanzen, das Comité der Justiz und Polizei und das Comité der Gesetzgebung.

Sämtliche Mitglieder dieser Comités gehörten auch der provisorischen Regierung an.

Cirillo und Manthonnet, die Verschwörer in den ersten Capiteln unserer Geschichte, waren ebenfalls Mitglieder der provisorischen Regierung und Manthonnet überdies Minister des Krieges. Ettore Caraffa ward zum Chef der neapolitanischen Legion ernannt. Schipani sollte eines der ersten Commandos der Armee übernehmen, sobald dieselbe wieder organisiert sein würde. Nicolino blieb Commandant des ersten Castells San Elmo. Velasco hatte weiter nichts sein wollen als Freiwilliger.

Aus der Kathedrale begab sich Championnet nach der Kirche des heiligen Laurentius.

Diese Kirche ist für die Neapolitaner, welche sich seit dem zwölften Jahrhundert nie selbst regiert haben, eine Art Municipalität, in welche sie sich in den Tagen der Unruhe oder Gefahr zurückgezogen haben, um die Gewählten und Anführer des Volkes zu befragen.

Der General war von den Mitgliedern der provisorischen Regierung begleitet, welche, wie wir bereits bemerkt, gleichzeitig die Mitglieder der Comités waren.

Hier nahm Championnet, inmitten einer unzähligen Menge, das Wort und sagte in vortrefflichem Italienisch Folgendes:

»Bürger, Ihr werdet provisorisch die neapolitanische Republik regieren. Die definitive Regierung wird durch das Volk ernannt werden, sobald Ihr selbst, als Wähler und Gewählte nach den Vorschriften regierend, welche das Ziel dieser Revolution gewesen sind, die Arbeit, welche die Abfassung neuer Gesetze nöthig macht, abgekürzt haben werdet. In dieser Hoffnung habe ich Euch die Aufgabe der Gesetzgebung und der Regierung vorläufig übertragen. Ihr besitzt demnach unbeschränkte Autorität; zugleich aber lastet auch eine unermeßliche Verantwortlichkeit auf Euch. Bedenket, daß das öffentliche Wohl oder das schwerste Unheil des Vaterlandes, euer Ruhm oder eure Schande in euren Händen liegt. Ich habe Euch ernannt, eure Namen sind mir weder durch Gunst noch durch die Intrigue vorgeschlagen, sondern blos durch euren guten Ruf empfohlen worden. Ihr werdet durch eure Werke dem Vertrauen entsprechen, welches in Euch nicht blos Männer von Genie, sondern auch warme und aufrichtige Freunde des Vaterlandes sieht.

»Bei der Einsetzung der neapolitanischen Republik werdet Ihr, soviel die Sitten und Gesetze es erlauben, die französische Constitution, die Mutter der neuen Republik und der neuen Civilisation, zum Vorbild nehmen. Machet, indem Ihr euer Vaterland regiert, die parthenopeiche Republik zur Freundin, Bundesgenossin, Gefährtin und Schwester der französischen Republik. Laßt sie eins und untheilbar sein. Hoffet kein Glück getrennt von ihr. Wenn die französische Republik wankt, dann ist auch der Sturz der neapolitanischen nahe.

»Die französische Armee, welche für eure Freiheit bürgt, wird, wie ich Euch schon gesagt, den Namen der neapolitanischen Armee annehmen. Sie wird eure Rechte aufrecht erhalten und Euch bei euren Arbeiten unterstützen. Sie wird mit Euch und für Euch kämpfen, und indem sie für eure Vertheidigung stirbt, keinen andern Preis von Euch verlangen, als eure Bundesgenossenschaft und Freundschaft.«

Diese Rede endete unter dem Beifalle, dem Freudenrufe und den Freudenthränen des Volkes.

Dieses Schauspiel war neu für das Land, diese Worte waren den Neapolitanern unbekannt. Es war das erste Mal, daß man unter ihnen das große Gesetz der Verbrüderung der Völker, den höchsten Wunsch des Herzens, das letzte Wort der menschlichen Civilisation verkündete.

Auch war dieser Tag, der 24. Januar 1799, ein Festtag für die Neapolitaner, gerade so wie der 14. Juli für die Franzosen.

Die Republikaner umarmten sich, wenn sie einander in den Straßen begegneten, und hoben dankend die Augen gen Himmel empor.

Zum ersten Male fühlten die Körper und die Seelen sich frei in Neapel. Die Revolution von 1647 war die Revolution des Volkes, eine durch und durch materielle und fortwährend drohende gewesen. Die von 1799 war die Revolution des Bürgerstandes und des Adels, das heißt eine durch und durch intellectuelle und humane.

Die Revolution Masaniellos war die Zurückforderung der Nationalität eines besiegten Volkes von einem siegenden, Championnets Revolution dagegen war die Zurückforderung der Freiheit von Seiten eines unterdrückten Volkes einem Unterdrücker gegenüber.

Es bestand demnach zwischen den beiden Revolutionen ein ungeheurer Unterschied und ganz besonders ein ungeheurer Fortschritt.

Ein rührender Vorgang kennzeichnete den Beginn der neuen Aera.

Wir haben schon von den drei ersten Märtirern der italienischen Freiheit, Vitagliano, Galiano und Emanuele de Deo, gesprochen.

Dieser Letztere hatte die Begnadigung, welche man ihm bot, wenn er seine Mitschuldigen verriethe, zurückgewiesen. Es waren blutjunge Leute, die alle drei zusammen zweiundsechzig Jahre zählten, zwei davon waren gehängt und dann der dritte, Vitagliano, − da die Hinrichtung der beiden ersten eine gewisse Bewegung unter dem Volke hervorgerufen – von dem Henker aus Furcht, daß der Verurtheilte ihn durch einen augenblicklichen Aufstand zu seinen Gunsten entrissen werden könne, erdolcht, und todt, mit der blutenden Wunde in der Seite, aufgeknüpft worden.

 

Jetzt organisierte sich freiwillig eine patriotische Deputation und zehntausend Bürger ungefähr begrüßten im Namen der erwachten Freiheit die Familien der edlen jungen Männer, deren Blut den Platz geweiht, auf welchem man jetzt im Begriffe stand, den Freiheitsbaum zu pflanzen.

Am Abend wurden in allen Straßen und auf allen Plätzen Freudenfeuer angezündet und wie um sich mit dem heiligen Januarius, einem Nebenbuhler in der Volksgunst, zu verbünden, schleuderte der Vesuv Flammen welche mehr eine Theilnahme an der allgemeinen Freude als eine Drohung zu sein schienen.

Diese stummen und von keinem Lavaerguß begleiteten Flammen waren eine Art feuriger Busch, ein politischer Sinai.

Und Michele, der Narr, der, mit seiner prachtvollen Uniform bekleidet, auf einem prachtvollen Pferde unter seiner Lazzaroni-Armee hin- und hersprengte und heute ebenso: »Es lebe die Freiheit!« schrie, wie er am Tage vorher: »Es lebe der König!« geschrien, sagte zu diesem ganzen Gesindel:

»Da seht Ihr es selbst. Heute Morgen erklärte der heilige Januarius sich für die Jakobiner, und heute Abend setzt der Vesuv die rothe Mütze auf.«

Zwölftes Capitel.
Ein kleiner Sturm

Der Leser hat hoffentlich nicht vergessen, daß Nelson, nachdem er vom 21. zum 23. Februar durch widrige Winde in dem Hafen von Neapel zurückgehalten worden, endlich, eine starke Brise von Nordwesten benutzend, gegen drei Uhr Nachmittags unter Segel gegangen und daß die englische Flotte denselben Abend auf der Höhe der Insel Capri in der Dämmerung verschwunden war.

Stolz auf den Vorzug, dessen Gegenstand er von Seiten der Königin war, hatte er Alles gethan, um diese Gunst anzuerkennen, und schon seit drei Tagen waren, als die erhabenen Flüchtlinge ihn um eine Gastfreundschaft baten, an Bord des »Vanguard« alle Vorkehrungen getroffen, damit diese Gastfreundschaft eine so umfassende und zufriedenstellende als möglich sei.

Demgemäß hatte er, indem er sein Zimmer in der Campanje für sich behielt, das große Officierszimmer hinter der oberen Batterie für den König, die Königin und die jungen Prinzen in Bereitschaft setzen lassen. Die Kanonen waren hinter Draperien verschwunden und jeder Zwischenraum ein mit der größten Eleganz ausgeschmücktes Gemach geworden.

Die Minister und die Höflinge, welchen der König die Ehre erzeigte, sie mit nach Palermo zunehmen, waren ihrerseits in dem sogenannten Officiersaal einquartiert, das heißt in dem Theile des Zwischendecks, um welchen herum sich die Cajüten befinden.

Caracciolo hatte noch mehr gethan. Er hatte dem Kronprinzen und der Prinzessin Clementine ein eigenes Zimmer und ihrem Gefolge den Officiersaal abgetreten.

Das Umspringen des Windes, mit dessen Hilfe Nelson hatte den Anker lichten können, war, wie wir bereits erwähnt, zwischen drei und vier Uhr Nachmittags erfolgt. Der Wind wehte jetzt anstatt aus Süden aus Westnordwest.

Kaum hatte Nelson diese Veränderung bemerkt, so hatte er Henry, seinem Flaggencapitän, den er mehr als einen Freund denn als einen Untergebenen betrachtete, Befehl gegeben, die Anker lichten zu lassen.

»Müssen wir uns weit auf der Höhe von Capri halten?« sagte der Capitän.

»Bei diesem Winde ist es nicht nöthig,« antwortete Nelson. »Wir werden geradeaus steuern.«

Henry studierte einen Augenblick lang den Wind und schüttelte dann den Kopf.

»Ich glaube nicht, daß dieser Wind aushält,« sagte er.

»Gleichviel; benutzen wir ihn so lange wir ihn haben,« entgegnete Nelson. »Obschon ich bereit bin, für den König und die königliche Familie zu sterben und meine Leute vom ersten bis zum letzten Mann tödten zu lassen, so werde ich doch die Majestäten nicht eher als in Sicherheit gebracht betrachten, als bis sie in Palermo sein werden.«

»Welche Signale sollen den andern Schiffen gegeben werden?«

»Sie sollen die Anker lichten wie wir, sich in unserm Fahrwasser halten, nach Palermo steuern, übrigens aber unabhängig manövrieren.«

Die Signale wurden gegeben und man hat gesehen, daß das Geschwader in See stach.

Auf der Höhe von Capri aber legte sich der Wind mit Einbruch der Nacht und es ergab sich, daß der Capitän Henry Recht gehabt hatte.

Diese augenblickliche Windstille verschaffte den seit drei Tagen von der Seekrankheit gemarterten vornehmen Flüchtlingen Gelegenheit, etwas Nahrung zu sich zu nehmen und ein wenig auszuruhen.

Wir brauchen nicht erst zu sagen, daß Emma Lyonna nicht ihrem Gemahl in den Officiersaal gefolgt, sondern bei der Königin geblieben war.

Sofort nach beendetem Souper ging Nelson, welcher demselben beigewohnt, wieder auf das Deck hinauf. Ein Theil der Prophezeiung Henrys war schon in Erfüllung gegangen, denn der Wind hatte sich gelegt, und er fürchtete für den übrigen Theil der Nacht, wenn auch nicht einen Sturm, doch wenigstens einen Windstoß.

Der König hatte sich auf sein Bett geworfen, konnte aber nicht schlafen. Ferdinand war ebenso wenig Seemann als Krieger. Alle jene erhabenen Schauspiele und großartigen Bewegungen des Meeres, welche den Traum poetischer Geister ausmachen, gingen für ihn gänzlich verloren.

Er kannte von dem Meere weiter nichts als die Krankheit, welche es verursacht, und die Gefahren, mit welchen es droht.

Gegen Mitternacht, als er sah, daß, obschon sonst der Schlaf ihm niemals fehlte, er sich hier vergebens hin- und herwälzte, stand er auf und stieg, von seinem treuen Jupiter gefolgt, welcher die Krankheit seines Herrn getheilt und noch theilte, eine der beiden Treppen der Companje hinauf.

In dem Augenblick, wo sein Kopf aus der Luke auftauchte, sah er drei Schritte vor sich Nelson und Henry, welche den Horizont mit Unruhe zu betrachten schienen.

»Du hattest Recht, Henry,« sagte Nelson. »Die alte Erfahrung hatte Dich nicht getäuscht. Ich bin ein Soldat des Meeres, Du dagegen bist ein Mann des Meeres. Der Wind hat nicht blos nicht ausgehalten, sondern wir werden auch einen kleinen Sturm bekommen.«

»Wozu noch kommt, Mylord,« antwortete Henry, »daß wir hier in einer sehr schlechten Lage sind, ihn auszuhalten. Wir hätten denselben Curs einhalten sollen wie die »Minerva«.

Nelson konnte sich nicht enthalten, seinen Verdruß durch eine Geberde zu verrathen.

»Ich liebe den stolzen, hochmüthigen Caracciolo, welcher die »Minerva« commandiert, ebensowenig, als Sie ihn lieben, Mylord; Sie werden aber zugeben, daß er auch das Compliment verdient, welches Sie die Güte hatten mir soeben zu machen. Er ist ein echter Seemann, und der Beweis davon ist, daß er, indem er zwischen Capri und das Cap Campanella hineingesteuert ist, Capri auf der Windseite und den ganzen Golf von Salerno unter dem Winde hat, so daß er der Heftigkeit des wahrscheinlich losbrechenden Sturmes weit weniger ausgesetzt sein wird als wir.«

Nelson wendete sich mit Ungeduld nach der schwarzen Masse, welche sich vor ihm emporthürmte, und gegen welche von Südosten her sich keinerlei Schutz darbot.

»Nicht übel!« sagte er. »Wir sind noch eine Meile von Capri entfernt.«

»Ich wollte wir wären deren zehn noch entfernt,« sagte Henry zwischen den Zähnen hindurch, aber doch nicht so leise, daß Nelson es nicht gehört hätte.

Plötzlich kam ein Windstoß aus Westen, der Vorläufer des Sturmes, von welchem Henry sprach.

»Laß die Stagsegel reffen und den Wind anholen,« sagte Nelson.

»Sie fürchten doch nichts für die Masten, Mylord?« fragte Henry.

»Ich fürchte die Küste, weiter nichts,« antwortete Nelson.

Henry wiederholte mit jener vollen, sonoren Stimme des Seemanns, welcher den Winden und den Wellen gebietet, das Commando, welches zugleich den Matrosen des Quarterdecks und dem Manne am Steuerruder galt.

Der König hatte das Gespräch und das Commando gehört, ohne etwas davon zu verstehen. Dennoch aber hatte er errathen, daß man von einer Gefahr bedroht ward, und daß diese Gefahr von Westen kam.

Er stieg deshalb vollends auf die Campanje hinauf und obschon Nelson eben so wenig die italienische als König Ferdinand die englische Sprache verstand, so fragte er doch:

»Ist vielleicht Gefahr vorhanden, Mylord?«

Nelson verneigte sich, wendete sich zu Henry und sagte:

»Ich glaube, Se. Majestät erzeigt mir die Ehre, mich zu befragen. Antworten Sie, Henry, wenn Sie verstanden haben, was der König gefragt hat.«

»Gefahr, Sire,« antwortete Henry, »ist auf einem von Mylord Nelson commandierten Schiffe niemals vorhanden, denn seine Voraussicht kommt allen Gefahren zuvor. Ich glaube blos, daß wir einen kleinen Sturm haben werden.«

»Dennoch aber finde ich die Witterung ziemlich schön,« sagte der König, indem er über seinem Kopf den Mond betrachtete, der an dem bewölkten, hie und da sichtbaren dunkelblauen Himmel hinglitt.

»Ueber uns dürfen wir nicht blicken, Sire,« bemerkte Henry. »Dort unten am Horizont vor uns – sieht Euer Majestät dort jene schwarze Linie, welche langsam am Himmel aufwärts steigt und von dem eben so schwarzen Meer nur durch einen Lichtstreifen getrennt ist, der ein Silberfaden zu sein scheint? Binnen zehn Minuten wird der Sturm über uns losbrechen.«

Ein zweiter mit Feuchtigkeit beladener Windstoß brauste einher und unter einem Druck legte der »Vanguard sich auf die Seite und ächzte.

»Das große Segel gerefft!« rief Nelson, indem er Henry die Conversation mit dem König fortsetzen ließ, und seine Befehle ohne Vermittlung direkt erheilte.

»Das große Focksegel gerefft!« Dieses Manöver ward mit einer Schnelligkeit ausgeführt, welche verrieth, daß die Mannschaft die Bedeutung desselben verstand, und das einesteils einer Leinwand entledigte Schiff steuerte unter Klüver-, Mars- und kleinem Focksegel weiter.

Nelson näherte sich Henry und sagte ihm einige Worte auf englisch.

»Sire,« hob Henry zum König gewendet wieder an, »Mylord ersucht mich, Euer Majestät bemerklich zu machen, daß in einigen Minuten der Sturm über uns losbrechen und daß, wenn Sie auf dem Deckbleiben, der Regen vor Ihnen nicht mehr Respekt haben wird als vor dem letzten unserer Seecadeten.«

»Kann ich die Königin beruhigen und ihr sagen, daß es keine Gefahr hat?« fragte der König, dem es nicht unlieb war, beiläufig selbst beruhigt zu werden.

»Ja, Sire,« antwortete Henry, »mit der Hilfe Gottes stehen Mylord und ich für Alles.«

Der König ging hinab, wieder gefolgt von Jupiter, welcher entweder in Folge der Seekrankheit oder in Folge einer banger Ahnung, wie die Thiere zuweilen bei Annäherung einer Gefahr haben, ächzend hinter seinem Herrn herschlich.

Ganz wie Henry vorhergesagt, waren kaum einige Minuten vergangen, so brach der Sturm über den »Vanguard« los und erklärte, von furchtbarem Donner und sündflutartigem Regen begleitet, der ganzen Flotte den Krieg.

Ferdinand war ein förmlicher Spielball des Unglücks. Nachdem er durch das Land verrathen worden, verrieth ihn auch das Meer.

Trotz der Versicherung, welche der König seiner Gemahlin, als er zu ihr hinunterkam, gegeben, begriff sie doch gleich bei den ersten Stößen, welche das Schiff empfing, und bei dem ersten Aechzen, welches es hören ließ, daß der »Vanguard« mit dem Orkan handgemein geworden. Da sie sich unmittelbar unter dem Verdeck befand, so hörte sie ganz deutlich jenes hastige, unregelmäßige Stampfen der Matrosen, welches die Gefahr durch die Bemühungen verkündet, welche man unternimmt, um sie zu bekämpfen.

Sie saß auf ihrem Bett mit ihrer ganzen Familie um sich herum, während Emma wie gewöhnlich sich zu ihren Füßen gelagert hatte.

Lady Hamilton, die von der Seekrankheit verschont geblieben, hatte sich gänzlich den Dienstleistungen gewidmet, deren die Königin, die Prinzessinnen und die beiden jungen Prinzen Albert und Leopold bedurften. Sie erhob sich von den Füßen der Königin nur, um dem einen eine Tasse Thee, dem andern ein Glas Zuckerwasser zu reichen, um ihre königliche Freundin auf die Stirn zu küssen und ihr einige jener Worte zu sagen, welche durch Betheuerung unverbrüchlicher Anhänglichkeit den gebrochenen Muth wieder aufrichten.

Nach Verlauf von einer halben Stunde kam Nelson ebenfalls in die Cajüte herunter.

Der Sturm war vorüber. Ein Sturm aber, der zuweilen ein bald vorübergehender Uebelstand und blos bestimmt ist, den Himmel zu säubern, ist zuweilen auch nur der Vorläufer eines noch furchtbareren Ungewitters. Nelson konnte daher der Königin auch nicht sagen, daß Alles vorüber sei, und ihr ebensowenig eine vollkommen ruhige Nacht versprechen.

 

Ihrer Einladung folgend setzte er sich und trank eine Taffe Thee. Die Kinder der Königin, mit Ausnahme des kleinen Prinzen Albert, waren eingeschlafen, und die Ermüdung und Sorglosigkeit hatten die Furcht besiegt, welche ebenso wie die Seekrankheit ihre Aeltern wach hielt.

Nelson befand sich seit ungefähr einer Viertelstunde in dem großen Gemach und schien schon seit fünf Minuten die Bewegungen des Schiffes genau zu beobachten, als leise an die Thür gepocht ward, und nachdem auf den Befehl der Königin die Thür geöffnet worden, ein junger Officier auf der Schwelle erschien.

Es war augenscheinlich, daß er zu Nelson wollte.

»Ah, Sie sind es, Mr. Parkenson,« sagte der Admiral; »was gibt es?«

»Mylord,« antwortete der junge Mann, »der Capitän Henry schickt mich, um Ihnen zu melden, daß seit fünf Minuten der Wind nach Süden umgesprungen ist und daß wir, wenn wir denselben Curs beibehalten, fürchten müssen, auf den Strand von Capri geworfen zu werden.«

»Nun gut, sagte Nelson, »dann ändert den Curs.«

»Mylord, das Meer geht hoch, das Schiff arbeitet sich nur mit Mühe vorwärts und hat seine ganze Schnelligkeit verloren.«

»Aha!« sagte Nelson; »Ihr glaubt, der Curs werde sich gar nicht ändern lassen.«

»Das Schiff rollt, entgegnete Mr. Parkenson.

Nelson erhob sich, grüßte lächelnd den König und die Königin und folgte dem Lieutenant.

Der König verstand, wie wir bereits bemerkt haben, nicht englisch; die Königin verstand es allerdings, da ihr aber die Seeausdrücke nicht geläufig waren, so verstand sie blos, daß eine neue Gefahr im Begriff stand aufzutauchen. Sie warf deshalb Emma einen fragenden Blick zu.

»Wie es scheint,« antwortete Emma, »gilt es ein schwieriges Manöver auszuführen und man wagt nicht es in Abwesenheit des Admirals vorzunehmen.«

Die Königin runzelte die Stirn und seufzte. Emma erhob sich und ging, über den beweglichen Fußboden hinwegtaumelnd, nach der Thür, um zu horchen.

Nelson, welcher die Gefahr begriff, war rasch wieder auf die Campanje hinaufgestiegen.

Der Wind war, wie der Lieutenant Parkenson gesagt, nach Süden umgesprungen. Es wehte jetzt ein förmlicher Sirocco und das Schiff war in der vollen Gewalt desselben.

Der Admiral warf einen raschen, unruhigen Blick um sich herum.

Der Himmel war, obschon noch umwölkt, doch stellenweise hell. Rechts sah man Capri und hatte sich dieser Insel schon so weit genähert, daß man bei dem matten, durch das Gewölk hindurchfallenden Mondlicht die weißen Punkte unterscheiden konnte, welche die Häuser bezeichnen.

Ganz besonders aber sah man eine breite weiße Schaumfranse, welche sich der ganzen Insel entlang streckte und verrieth, mit welcher Wuth die Wogen sich dort brachen.

Kaum hatte Nelson einen Blick um sich geworfen, so entwarf er sich auch sofort ein richtiges Bild von der Situation.

Der Südwind hatte sich in den Segeln gefangen und die Masten begannen zu knarren und zu knacken.

Mit seiner der Mannschaft so wohlbekannten Stimme rief der Admiral:

»Fertigmachen zum Wenden!«

Dieses Manöver war ein sehr gewagtes und es konnte dabei leicht geschehen, daß das Schiff auf die Seite geworfen ward.

Kaum hatte die Mannschaft begonnen den Befehl des Admirals auszuführen, als es war, als hätten der Wind und das Meer das Commando verstanden und sich vorgenommen, ihm gemeinschaftlich Widerstand zu leisten, Das Marsegel blähte sich, als ob es bersten müßte, der Mast bog sich wie ein dünnes Rohr und ließ ein furchtbares Knarren hören. Wenn er brach, so war das Schiff verloren.

In diesem Augenblick der Angst fühlte Nelson, wie er leicht am linken Arm berührt ward.

Es war Emma, die neben ihm stand. Er drückte seine Lippen mit fieberhafter Energie auf ihre Stirn, stampfte mit dem Fuße, als ob das Schiff es hören könnte, und murmelte:

»So wende doch! Wende doch!«

Das Schiff gehorchte. Es wendete und nach einigen Minuten des Zweifels steuerte es in westnordwestlicher Richtung.

»Gut,« murmelte Nelson aufathmend. »Nun haben wir hundertundfünfzig Meilen Wasser vor uns, ehe wir auf die Küste stoßen.«

»Meine werthe Lady Hamilton,« sagte eine Stimme, »haben Sie die Güte, mir das, was Mylord soeben gesagt hat, ins Italienische zu übersetzen.«

Die Stimme war die des Königs, welcher, als er Emma sich hatte entfernen sehen, ihr gefolgt und hinter ihr auf die Campanje gestiegen war.

Emma erklärte dem König die Worte des Admirals.

»Aber,« sagte der König, der von der Schifffahrtskunde keinen Begriff hatte, »wie mir scheint, steuern wir nicht nach Sicilien, sondern im Gegentheile nach Corsica.«

Emma übermittelte die Bemerkung des Königs dem Admiral.

»Sire,« antwortete Nelson mit einem gewissen Grade von Ungeduld, »wir machen einen Umweg, um lavieren zu können, und wenn Euer Majestät mir die Ehre erzeigen will, auf der Campanje zu bleiben, so werden Sie in zwanzig Minuten sehen, wie wir abermals wenden und die versäumte Zeit wieder einbringen.«

»Sie wollen wenden? Ja, jetzt versteh' ich,« sagte der König. »Sie wollen das, was Sie vorhin ausführten, noch einmal vornehmen lassen, aber ist es Ihnen nicht möglich, etwas weniger oft zu wenden? Vorhin war es mir, als wenn Sie mir die Seele ausrissen.«

»Sire,« antwortete Nelson, »befänden wir uns im atlantischen Meere und steuerte ich unter einem ähnlichen Winde von den Azoren nach Rio de Janeiro, so würde ich, um Euer Majestät ein Unwohlsein zu ersparen, welchem ich selbst unterworfen bin und welches ich folglich sehr wohl kenne, Wendungen von sechzig bis achtzig Meilen machen. Leider aber befinden wir uns im mittelländischen Meere, wir steuern von Neapel nach Palermo und müssen daher Wendungen von höchstens drei bis vier Meilen machen. Uebrigens,« fuhr der Admiral fort, indem er einen Blick auf Capri warf, wovon man sich jetzt immer weiter entfernte, »übrigens können Euer Majestät ruhig in Ihr Gemach zurückkehren und die Königin beruhigen. Ich stehe für Alles.«

Der König athmete nun einerseits auf, obschon er Nelson's Worte nicht direct verstanden hatte. Nelson hatte dieselben aber mit solcher Ueberzeugung ausgesprochen, daß diese sich Emma's Herzen und von diesem auch dem des Königs mitgetheilt hatte.

Ferdinand ging demgemäß wieder hinunter, verkündete, daß alle Gefahr vorüber sei und daß Emma ihm folge, um der Königin dieselbe Versicherung zu geben.

Emma folgte dem Könige in der That. Da sie aber, von der geraden Linie abweichend, den Weg durch Nelson's Cajüte nahm, so begann die Königin erst nach einer halben Stunde, vollständig beruhigt, den Kopf auf die Schulter ihrer Freundin lehnend, sich dem Schlafe zu überlassen.

Der Sturm, welcher Nelson beinahe an die Küste von Capri geworfen, hatte auch Caracciolo getroffen, obschon auf weniger empfindliche Weise. Erstens ward seine Gewalt theilweise durch die hohen Gebirge der Insel gebrochen und ferner hatte der neapolitanische Admiral, da er mit einem leichteren Schiffe manövrierte, eher damit zu Stande kommen können, als Nelson mit dem schwerfälligen »Vanguard«, der noch die Spuren der Kugeln von Abukir trug.

Als demgemäß Nelson, nachdem er zwei oder drei Stunden Ruhe genossen, bei Tagesanbruch wieder auf die Campanje seines Schiffes stieg, sah er, nachdem es ihm mit großer Mühe gelungen war, Capri zu umsegeln, daß Caracciolo und sein Schiff sich auf der Höhe des Cap Licosa, das heißt um fünfzehn bis zwanzig Meilen voraus befanden.

Dies war aber noch nicht Alles.

Während Nelson nur mit den drei kleinen Marsegeln, dem Klüver- und dem kleinen Focksegel steuerte, hatte Caracciolo seine sämmtlichen Segel beibehalten und kam mit jeder Wendung besser in den Wind.

Zum Unglücke bestieg in diesem Augenblicke der König seinerseits die Campanje und sah Nelson, welcher, mit dem Fernrohre in der Hand, den Lauf der »Minerva« mit eifersüchtigem Blick verfolgte.

»Wohlan,« fragte der König den Lieutenant Henry, »wo sind wir jetzt?«

»Sie sehen es, Sire,« antwortete Henry. »Wir haben so eben Capri umsegelt.«

»Wie,« sagte der König, »dieser Felsen ist immer noch Capri?«

»Ja, Sire.«

»Dann haben wir also seit gestern drei Uhr Nachmittags nur sechs- bis achtundzwanzig Meilen zurückgelegt?«

»Ja, ungefähr.«

»Was sagt der König?« fragte Nelson.

»Er wundert sich, daß wir keine größere Strecke zurückgelegt haben, Mylord.«

Nelson zuckte die Achseln.

Der König errieth die Frage des Admirals und die Antwort des Capitäns, und da Nelsons Geberde ihm ein wenig respectwidrig erschien, so beschloß er, sich dafür zu rächen und den Stolz des Admirals zu demüthigen.

18Wir citieren alle diese Originaldocumente, die sich in keiner Geschichte finden und von uns aus den Verstecken hervorgezogen worden sind, in welchen sie seit vierundsechzig Jahren vergraben lagen.