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La San Felice

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Palmieri wollte aber erst so spät als möglich von seinem Sohne scheiden und, eben so wie er zehn Jahre früher gethan, geleitete er ihn Arm in Arm und sein Pferd am Zügel führend bis an die ersten Häuser von San Germano.

Dreizehntes Capitel.
Die Antwort des Kaisers

Mittlerweile ging die Zeit mit ihrer unverbrüchlichen Regelmäßigkeit ihren Gang und obschon durch Pronio‘s, Gaëtano Mammones und Fra Diavolo‘s Banden von allen Seiten geneckt und beunruhigt, verfolgte die französische Armee eben so unaufhaltsam wie die Zeit ihren dreifachen Weg durch die Abruzzen, die Terra di Lavoro und jenen Theil der Campania, deren Küsten das tyrrhenische Meer bespült.

In Neapel war man von allen Bewegungen der Republikaner unterrichtet und man wußte dort bereits am 20. December, daß das Hauptcorps, das heißt das, welches von dem General Championnet in eigener Person commandiert ward, am 18. Abends in San Germano campiert hatte und nun über Mignano und Calvi gegen Capua vorrückte.

Am 20., acht Uhr Morgens, hatten der Fürst von Malitermo und der Herzog von Rocca Romana, jeder an der Spitze eines Regiments Freiwilliger, die man unter der adeligen oder reichen Jugend Neapels und der Umgegend zusammengebracht, Abschied von der Königin genommen, um dann den Republikanern entgegen zu marschieren.

Je näher die Gefahr rückte, desto schroffer theilten sich die Parteien des Königs und der Königin in zwei verschiedene Lager.

Die Partei des Königs bestand aus dem Cardinal Ruffo, dem Admiral Caracciolo, dem Kriegsminister Ariola und allen Denen, welche, auf die Ehre des neapolitanischen Namens haltend, den Widerstand um jeden Preis und die bis aufs Aeußerte getriebene Vertheidigung Neapels verlangten.

Die Partei der Königin, welche aus Sir William, Emma Lyonna, Nelson, Acton, Castelcicala, Vanni und Guidobaldi bestand, verlangte die Aufgebung Neapels und schnelle Flucht ohne Kampf oder Aufschub.

Abgesehen hiervon war das Gemüth der Königin noch in anderer Beziehung von großer Unruhe erfüllt.

Sie fürchtete jeden Augenblick die Rückkehr Ferrari‘s. Der König konnte, wenn er sich auf freche Weise hintergangen sah und endlich erfuhr, an wen er sich all' des Unheils, wovon das Königreich heimgesucht ward, zu halten hatte, wie alle schwache Naturen eben aus seiner Furcht einen Augenblick der Energie und des Willens schöpfen und während dieses Augenblicks auf immer jenem Drucke entschlüpfen, den seit zwanzig Jahren sein Minister, den er niemals geliebt, und eine Gattin, die er nicht mehr liebte, auf ihn ausübten.

So lange Caroline jung und schön gewesen, hatte sie stets ein untrügliches Mittel, den König zu ihr zurückzuführen, zur Verfügung gehabt und hatte davon Gebrauch gemacht. Jetzt aber hatte sie, wie Shakespeare sagt, angefangen, das Thal des Lebens hinabzusteigen, und der König entzog sich, von jungen hübschen Frauen umgeben, ihren Bestrickungen mit leichter Mühe.

Am Abend des 20. December fand ein Cabinetsrath statt, in welchem der König sich offen und fest für die Vertheidigung aussprach.

Dieser Cabinetsrath ward erst um Mitternacht geschlossen.

Von Mitternacht bis ein Uhr blieb die Königin in ihrem dunklen Zimmer und ließ Pasquale de Simone kommen, welcher aus dem Munde Actons, der ihn bei der Königin erwartete, geheime Instructionen erhielt.

Halb zwei Uhr machte Dick sich auf den Weg nach Benevento, wohin schon vor zwei Tagen durch einen vertrauten Diener eins der raschesten Pferde aus Actons Ställen gebracht worden.

Der 21. December begann mit einem jener Orcane, welche in Neapel gewöhnlich drei Tage dauern und zu dem Sprichwort Nasce, pasce, mori – er wird geboren, nährt sich und stirbt – Veranlassung gegeben haben.

Trotzdem daß bald der Regen in Strömen herabgoß, bald der Wind mit ungeheurer Wuth raste, erfüllte das Volk, im unklaren Vorgefühl einer großen Katastrophe, die Straßen, Plätze und Durchfahrten.

Ein ganz besonderes Vorzeichen eines zu erwartenden außerordentlichen Umstandes war, daß das Volk sich nicht in den alten Stadttheilen drängte, und wenn wir sagen das Volk, so meinen wir jene Masse von Seeleuten, Fischern und Lazzaroni, welche in Neapel die Stelle des Volks vertritt.

Im Gegentheil bemerkte man zahlreiche, lebhafte, lautsprechende und wüthend gestikulierende Gruppen von der Strada del Molobis nach dem Palaisplatze, das heißt auf der ganzen Straße des Largo del‘ Castello, des Theaters San Carlo und der Straße Chiaja. Diese Gruppen schienen, während sie den königlichen Palast umgaben, die Toledostraße und die Strada del Piliero zu überwachen.

In der Mitte dieser Gruppen sprachen drei Männer, die sich schon bei vorhergegangenen Emeuten bemerkbar gemacht, ganz besonders laut und gestikulirten am lebhaftesten.

Diese drei Männer waren Pasquale de Simone, ferner der Beccajo mit der furchtbaren Narbe, welche sein Gesicht durchkreuzte und das Auge spaltete, und drittens Fra Pacifico, der, ohne in das Geheimniß eingeweiht zu sein, und ohne zu wissen wovon die Rede war, seinem heftigen lärmsüchtigen Charakter den Zügel schießen ließ und mit einem Lorbeerknüppel bald auf das Pflaster, bald auf die Mauer, bald auf den armen Giacobino, den Sündenbock der Leidenschaften des furchtbaren Franciscaners, losschlug.

Diese ganze Menge schien, ohne es selbst zu wissen, auf Jemanden oder auf etwas zu warten, und der König, der es eben so wenig wußte, den aber diese Zusammenrottung beunruhigte, betrachtete, hinter der Jalousie eines Fensters des Zwischenstocks versteckt, während er mechanich einen Hund Jupiter liebkoste, diese Menge, welche von Zeit zu Zeit, gleich dem Rollen des Donners oder dem Brüllen der Meereswogen, den doppelten Ruf: »Es lebe der König!« und »Nieder mit den Jakobinern!« hören ließ.

Die Königin, welche sich erkundigt hatte, wo der König sei, befand sich mit Acton im Nebengemach, bereit, den Umständen gemäß zu handeln, während Emma in dem Cabinet der Königin mit der Gräfin von San Marco die geheimsten Papiere und die kostbarsten Schmucksachen ihrer königlichen Freundin zusammenpackte.

Gegen elf Uhr kam ein junger Mann auf einem englischen Pferde in gestrecktem Galopp über die Magdalenenbrücke gesprengt, ritt die Marinella, die Strada Nuova, die Strada del Piliero den Largo di Castello, die Strada San Carlo entlang, wechselte mit Pasquale de Simone und dem Beccajo einige Zeichen, bog durch das große Thor in die Höfe des königlichen Palastes ein, sprang vom Pferde, warf den Zügel desselben einem Stallknecht zu und trat, als ob er im voraus gewußt, wo er die Königin finden würde, in das Cabinet, wo sie ihn mit Acton erwartete und dessen Thür, als er sich ihr näherte, sich wie auf einen Zauberschlag vor ihm öffnete.

»Nun?« fragte die Königin und Acton gleichzeitig.

»Er folgt mir,« sagte der junge Mann.

»Wann ungefähr wird er hier sein?«

»In einer halben Stunde.«

»Sind Die, welche ihn erwarten, in Kenntniß gesetzt?«

»Ja.«

»Wohlan; gehen Sie in mein Cabinet und sagen Sie Lady Hamilton, sie solle Nelson benachrichtigen.«

Der junge Mann stieg die Diensttreppen mit einer Schnelligkeit hinauf, welche verrieth, wie vertraut er mit allen Schlichen des Palastes war, und setzte Emma Lyonna von den Wünschen der Königin in Kenntniß.

»Haben Sie einen sichern Mann, um ein Billet an Mylord Nelson zu besorgen?«

»Ich werde selbst der Bote ein,« antwortete der junge Mann.

»Sie wissen doch, daß keine Zeit zu verlieren ist.«

»Ich kann es mir denken.«

» Dann – Sie ergriff die Feder und ein Blatt Papier auf dem Schreibtisch der Königin und schrieb folgende einzige Zeile:

»Wahrscheinlich muß es heute Abend geschehen, halten Sie sich bereit. »Emma.«

Der junge Mann eilte mit derselben Schnelligkeit, womit er die Treppen erstiegen hatte, dieselben wieder hinab, durchschritt die Höfe, lenkte seine Schritte den nach dem Kriegshafen führenden Abhang hinab, warf sich in eine Barke und ließ sich trotz Sturm und Regen nach dem »Vanguard« rudern, welcher mit abgenommenen Stangen, um dem Sturm weniger Anhalt zu bieten, fünf oder sechs Kabellängen von dem Kriegshafen, umringt von andern unter den Befehlen des Admirals Nelson stehenden englischen und portugiesischen Schiffen, vor Anker lag.

Der junge Mann, welcher, wie unsere Leser bereits errathen haben, kein Anderer als Richard oder Dick war, ließ sich bei dem Admiral anmelden, erstieg rasch die Fallreepstreppe, fand Nelson in einer Cajüte und überreichte ihm das Billet.

»Die Befehle der Königin sollen ausgeführt werden, entgegnete Nelson, »und damit Sie dies bezeugen können, sollen Sie selbst Ueberbringer derselben sein.«

Er wendete sich hierauf zu einem seiner Officiere und sagte:

»Henry, lassen Sie die Schaluppe aussetzen, und sich bereit halten, diesen Herrn an Bord der »Alkmene« zu bringen.«

Dann steckte er Emmas Billet in die Tasche und schrieb seinerseits:16

»(Ganz geheim und vertraulich.)

»Drei Barken und der kleine Kutter »Alkmene« werden sich, nur mit blanken Waffen versehen, pünktlich halb acht Uhr an der »Vittoria« einfinden.

»Eine einzige Barke wird anlegen, die andern werden sich mit gehobenem Ruder in gewisser Entfernung halten.

Das anlegende Boot wird das des »Vanguard« sein.

»Sämtliche Boote werden sich noch vor sieben Uhr unter dem Befehle des Commandanten Hope an der »Alkmene«– einfinden.

»Enterhaken in den Schaluppen.

 

»Sämtliche andere Schaluppen des »Vanguard« und der »Alkmene« werden sich mit Messern und die Canots mit ihren Carronaden bewaffnet an Bord des »Vanguard« unter dem Befehl des Capitäns Hardy versammeln, der Punkt acht Uhr aufbrechen wird, um auf der Hälfte des Weges von Molosiglio in See zu stechen.

»Jede Schaluppe muß mit vier bis sechs Soldaten bemannt sein.

»Im Falle man Unterstützung bedürfen sollte, ist dies durch Feuersignale anzuzeigen.

»Horaz Nelson.«

»Die »Alkmene« wird sich bereit halten, um, wenn es nöthig sein sollte, während der Nacht ebenfalls in See zu gehen.«

Während diese Befehle mit einer Ehrerbietung empfangen wurden, welche der Pünktlichkeit ihrer Vollziehung gleichkam, sprengte ein zweiter Courier über die Magdalenenbrücke, verfolgte denselben Weg wie der erste, ritt den Kai della Marinella hinauf, die Strada Nuova entlang und bog in die Strada del Piliero ein.

Hier begann er die Volksmenge dichter zu finden und trotz seines Kostüms, in welchem man sofort einen Cabinetscourier des Königs erkannte, ward es ihm schwierig, seinen Weg fortzusetzen und dabei sein Pferd in gleichmäßigem Gange zu erhalten.

Uebrigens ließen Leute aus dem Volke, als ob es absichtlich geschähe, sich von seinem Pferde stoßen und fingen dann an zu schimpfen.

Ferrari, denn dieser war es, antwortete, gewohnt, seine Uniform respektiert zu sehen, anfangs durch einige rechts und links geführte nachdrückliche Peitschenhiebe. Die Lazzaroni wichen aus Gewohnheit auf die Seite und schwiegen.

Als er aber an die Ecke des Theaters San Carlo kam, wollte ein Mann dem Pferde quer über den Weg laufen und that dies auf so ungeschickte Weise, daß er über den Haufen geritten ward.

»Freunde,« rief er niederstürzend, »das ist kein Courier des Königs, wie sein Kostüm Euch vielleicht glauben macht. Es ist ein verkappter Jakobiner, der sich aus dem Staube macht. Nieder mit dem Jakobiner! Nieder mit ihm!«

»Ein Jakobiner! Ein Jakobiner! Nieder mit ihm!« schrie die Menge.

Pasquale de Simone schleuderte sein Messer nach dem Pferde, so daß es diesem bis an das Heft in die Schulter drang.

Der Beccajo stürzte sich ebenfalls darauf, und öffnete, gewohnt, den Schafen und Hammeln das Blut abzuzapfen, ihm die Halsschlagader.

Das Pferd bäumte sich, wieherte vor Schmerz, und schlug mit den Vorderfüßen aus, während ein Blutstrom auf die Umstehenden spritzte.

Der Anblick des Blutes übt auf die Völker des Südens einen magischen Einfluß. Kaum fühlten sich die Lazzaroni von der rothen, lauen Flüssigkeit benetzt, kaum athmeten sie den herben Geruch, den es verbreitet, als sie sich auch sofort mit grimmigem Gebrülle auf den Mann und auf das Pferd stürzten.

Ferrari fühlte, daß er, wenn ein Pferd zusammenbräche, verloren sei. Deshalb hielt er es, so viel er konnte, mit dem Zügel und den Knieen aufrecht; das unglückliche Thier war aber zum Tode verwundet.

Es taumelte rechts und links, knickte mit den Vorderbeinen, raffte sich in Folge einer verzweifelten Anstrengung seines Herrn wieder auf und that einen Satz vorwärts.

Ferrari war jetzt nur noch fünfzig Schritte von der Hauptwache des Palastes entfernt. Er rief um Hilfe, aber seine Stimme ward übertäubt von dem hundertmal wiederholten Rufe: »Nieder mit dem Jakobiner!«

Er riß eine Pistole aus der Halfter, in der Hoffnung, daß der Knall des Schusses eher gehört werden würde, als sein Hilferuf.

Gerade in diesem Augenblicke brach das Pferd zusammen. In Folge dieses Stoßes ging das Pistol zufällig los und die Kugel traf einen acht- oder zehnjährigen Knaben, welcher sofort todt niederstürzte.

»Er mordet die Kinder!« rief eine Stimme.

Auf diesen Ruf stürzte Fra Pacifico, welcher sich bis jetzt ziemlich ruhig gehalten, unter die Menge, die er mit seinen spitzen harten Ellbogen wie mit Keilen von Eichenholz auseinanderdrängte.

So gelangte er bis in die Mitte des Gewirres, gerade in dem Augenblicke, wo der mit seinem Pferde gestürzte unglückliche Ferrari wieder auf die Füße zu kommen suchte.

Ehe ihm dies aber gelang, schmetterte die Keule des Mönches auf seinen Kopf herab und er stürzte wie ein von dem Hammer des Schlächters getroffener Stier.

Dies war es aber nicht, was man wollte.

Unter den Augen des Königs sollte Ferrari sterben.

Die fünf oder sechs in das Geheimniß des Dramas eingeweihten Sbirren umzingelten den Körper und vertheidigten ihn, während der Beccajo, ihn bei den Füßen zehrend, rief: »Platz, Platz für den Jakobiner!«

Den Cadaver des Pferdes ließ man, wo er war, nachdem man ihn nämlich geplündert, und dann folgte man dem Beccajo.

Nachdem man zwanzig Schritte zurückgelegt, sah man sich dem Fenster des Königs gegenüber.

Der König, welcher die Ursache dieses furchtbaren Tumults wissen wollte, öffnete die Jalousie.

Bei seinem Anblick ging das Geschrei in wildes Freudengebrüll über.

Als der König dieses Geheul hörte, glaubte er, es sei wirklich ein Jakobiner, dem die Volksjustiz den Garaus mache. Er hatte gegen diese Art, ihn von seinen Feinden zu befreien, durchaus nichts einzuwenden.

Deshalb verneigte er sich gegen das Volk mit lächelndem Munde, und das Volk, welches sich dadurch ermuthigt fühlte, wollte seinem König zeigen, daß es einer würdig wäre.

Es hob den unglücklichen, blutenden, zerrissenen, verstümmelten, aber noch lebenden Ferrari auf seinen Armen empor.

Der Cadaver hatte soeben wieder Bewußtsein erlangt.

Er öffnete die Augen, erkannte den König, breitete die Arme gegen ihn aus und rief:

»Hilfe! Hilfe! Sire, ich bin's! Ich, Ihr Ferrari!«

Bei diesem unerwarteten, entsetzlichen, unerklärlichen Anblick taumelte der König zurück und sank im Hintergrund des Zimmers halb ohnmächtig in einen Sessel, während dagegen Jupiter, der weder Mensch noch König war, und deshalb keinen Grund hatte undankbar zu sein, ein Schmerzensgeheul ausstieß und mit blutrünstigen Augen und schäumender Schnauze zum Fenster hinaus seinem Freunde zu Hilfe sprang.

In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür des Zimmers. Die Königin trat ein, faßte den König bei der Hand, zwang ihn, sich zu erheben, zog ihn an das Fenster, zeigte ihm dieses Volk von Cannibalen, welches den unglücklichen Ferrari in Fetzen riß, und sagte:

»Sire, da sehen Sie die Menschen, von welchen Sie erwarten, daß dieselben Neapel und uns vertheidigen. Heute erwürgt dieses Volk Ihre Diener, morgen wird es unsere Kinder und übermorgen uns selbst erwürgen. Beharren Sie immer noch auf Ihrem Wunsche, hier zu bleiben?«

»Lassen Sie alle Anstalten treffen,« rief der König. »Heute Abend reise ich ab.«

Und immer noch die Ermordung des unglücklichen Ferrari zu sehen, immer noch seine um Hilfe rufende sterbende Stimme zu hören glaubend, floh er, das Gesicht mit den Händen bedeckend, die Augen schließend, sich die Ohren zuhaltend, in das seiner Gemächer, welches von der Straße am weitesten entfernt war.

Als er zwei Stunden später wieder herauskam, war das Erste, was er sah, Jupiter, der, mit Blut bedeckt, auf einem Stück Tuch lag, welches, nach der noch daran ersichtlichen Verbrämung zu urtheilen, dem unglücklichen Courier gehört zu haben schien.

Der König kniete neben Jupiter nieder, überzeugte sich, daß sein Liebling keine ernste Wunde davongetragen, und zog, um zu wissen worauf das treue, muthige Thier sich gebettet, trotz seines Aechzens ein Stück von Ferraris Jacke hervor, welches der Hund seinen Henkern streitig gemacht und entrissen hatte.

In Folge einer Fügung der Vorsehung war dieses Stück Jacke gerade das, in welchem sich die Ledertasche befand, welche bestimmt war, die Depeschen zu verwahren.

Der König öffnete den Knopf, der sie verschloß, und fand den kaiserlichen Brief, welchen der Courier zur Antwort auf den Brief des Königs zurückgebracht, noch unversehrt.

Der König gab den Kleiderfetzen dem Hunde zurück, der sich, ein dumpfes Wehgeheul ausstoßend, wieder darauf niederstreckte. Dann kehrte er in sein Zimmer zurück, schloß sich in dasselbe ein, entsiegelte den Brief des Kaisers und las:

»An meinen werthgeschätzten Cousin, Onkel, Schwiegervater und Bundesgenossen.

»Den Brief, welchen Sie mir mit Ihrem Courier Ferrari übersenden, habe ich niemals geschrieben, sondern es ist derselbe vom ersten bis zum letzten Worte gefälscht.

»Der, welchen ich die Ehre hatte, Eurer Majestät zu schreiben, war seinem ganzen Inhalte nach von meiner Hand und rieth, anstatt zum Beginn der Feindseligkeiten aufzufordern, vielmehr nicht eher etwas zu unternehmen, als bis zum nächsten Monat April, weil ich nicht eher als bis dahin auf die Ankunft unserer guten und treuen Bundesgenossen, der Russen, rechnen kann.

»Wenn die Schuldigen zu der Zahl derer gehören, welche Eurer Majestät Gerechtigkeit erreichen kann, so verhehle ich nicht, daß es mir lieb sein würde, die so gestraft zu sehen, wie sie es verdienen.

»Ich habe die Ehre zu sein Eurer Majestät ergebener Bruder, Cousin, Neffe, Schwiegersohn und Bundesgenosse.

»Franz.«

Die Königin und Acton hatten ein überflüssiges Verbrechen begangen, doch nein, wir irren uns. Dieses Verbrechen hatte seinen Nutzen, denn es bestimmte Ferdinand, Neapel zu verlassen und sich nach Sicilien zu flüchten.

Siebenter Theil

Erstes Capitel.
Die Flucht

Von diesem Augenblicke an war die Flucht, wie wir gesagt haben, beschlossen und auf demselben Abend des 21. December festgesetzt.

Man kam überein, daß der König, die ganze königliche Familie – mit Ausnahme des Kronprinzen, seiner Gemahlin und seiner Tochter – Sir William, Emma Lyonna, Acton und die vertrautesten Diener des Palastes auf dem »Vanguard« die Ueberfahrt nach Sicilien machen sollten.

Der König hatte, wie man sich erinnern wird, Caracciolo versprochen, daß, wenn er Neapel verließe, dies nicht anders geschehen solle, als auf dem Schiffe dieses Admirals. Durch die Furcht aber wieder unter das Joch der Königin gebeugt, vergaß er sein Versprechen und faßte aus zwei Gründen einen andern Entschluß.

Der erste dieser Gründe, der von ihm selbst ausging, war die Scham, die er dem Admiral gegenüber empfand, Neapel zu verlassen, nachdem er versprochen, daselbst zu bleiben.

Der zweite, welcher von der Königin ausging, war, daß Caracciolo, die patriotischen Prinzipien des ganzen neapolitanischen Adels theilend, den König, anstatt ihn nach Sicilien zu führen, den Jakobinern ausliefern könnte, die, sobald sie sich im Besitze einer solchen Geißel sähen, ihn dann zwingen würden, die Regierung einzusetzen, welche sie wollten, oder die noch schlimmer, ihm vielleicht den Proceß machten, wie die Engländer mit Karl dem Ersten und die Franzosen mit Ludwig dem Sechzehnten gethan.

Als Trost und zur Entschädigung für die ihm entzogene Ehre beschloß man, daß der Admiral die haben solle, später den Herzog von Calabrien mit dessen Familie und Gefolge nach Sicilien zu bringen.

Man unterrichtete die alten Prinzessinnen von Frankreich von dem gefaßten Entschluß, forderte sie auf, mit Hilfe ihrer sieben Leibgarden nach eigenem Belieben für ihre Sicherheit zu sorgen, und schickte ihnen fünfzehntausend Ducati, um ihnen die zu ihrer Flucht nothwendigen Geldmittel zu gewähren.

Nachdem man diese Pflicht gegen sie erfüllt, bekümmerte man sich nicht weiter um sie.

Den ganzen Tag über schaffte man die Schmucksachen, das Geld, die kostbaren Geräthschaften, die Kunstwerke und Statuen, welche man mit nach Sicilien nehmen wollte, in den geheimen Gang hinab.

Der König hätte gern auch seine Känguruhs mitgenommen, aber dies war ein Ding der Unmöglichkeit und er begnügte sich damit, daß er sie durch einen eigenhändigen Brief der Fürsorge des Obergärtners von Caserta empfahl.

Der Verrath der Königin und Acton's, wovon der Brief des Kaisers ihm den Beweis geliefert, lag ihm schwer auf dem Herzen. Er blieb in seine Gemächer eingeschlossen und weigerte sich, irgend Jemand zu empfangen, möchte es sein wer es wollte.

Diese Instruction ward auch streng in Bezug auf Francesco Caracciolo befolgt, welcher, da er von seinem Schiffe aus das Kommen und Gehen und die Signale an Bord der englischen Schiffe gesehen, sogleich argwohnte, daß etwas im Werke sei, eben so auch in Bezug auf den Marquis Vanni, welcher, nachdem er die Thür der Königin verschlossen gefunden und durch den Fürsten von Castelcicala erfahren, daß die Abreise im Werke sei, verzweiflungsvoll an die Thür des Königs zu pochen kam.

Dieser hatte einen Augenblick lang die Idee, den Cardinal Ruffo kommen zu lassen und als Begleiter und Rathgeber auf der Reise mitzunehmen. Er hatte jedoch die feindselige Gesinnung, welche zwischen Ruffo und Nelson herrschte, recht wohl bemerkt.

 

Uebrigens ward, wie man weiß, der Cardinal von der Königin gehaßt, und Ferdinand gab, wie immer, seiner Ruhe vor den zarten Rücksichten der Freundschaft und der Dankbarkeit den Vorzug.

Dabei sagte er sich, daß der Cardinal als kluger Mann sich recht wohl allein aus der Affaire ziehen würde.

Die Einschiffung ward auf sieben Uhr Abends festgesetzt. Demgemäß ward verabredet, daß sämtliche Personen, welche sich in Gesellschaft der Majestäten auf dem »Vanguard« einschiffen sollten, sich um zehn Uhr in dem Gemache der Königin zu versammeln hätten.

Schlag zehn Uhr trat der König ein, seinen Hund an der Leine führend.

Es war dies der einzige Freund, auf dessen Treue er sich verlassen konnte, und deshalb nahm er ihn mit.

Er hatte auch an Ascoli und Malaspina gedacht, aber er hatte auch zugleich bei sich gemeint, daß diese ebenso wie der Cardinal sich allein aus der Affaire zu ziehen wissen würden.

Er sah sich in dem großen, nur schwach erleuchteten Raum um – man hatte nämlich gefürchtet, daß eine helle Erleuchtung die beabsichtigte Flucht verrathen könne – und er sah, daß sämtliche Flüchtlinge in verschiedene Gruppen vereinigt oder vielmehr zerstreut standen.

Die Hauptgruppe bestand aus der Königin, ihrem Lieblingssohne, dem Prinzen Leopold, dem jungen Prinzen Albert, den vier Prinzessinnen und Emma Lyonna.

Die Königin saß auf einem Sopha neben Emma Lyonna, die den Prinzen Albert, ihren Liebling, auf dem Schoße hielt, während der Prinz Leopold seinen Kopf an die Schulter der Königin lehnte.

Die vier Prinzessinnen saßen theils um ihre Mutter herum, theils lagen sie auf dem Teppich.

Acton, Sir William und der Fürst von Castelcicala standen miteinander sprechend in der Brüstung eines Fensters und hörten den Wind pfeifen und den Regen gegen die Fensterscheiben anschlagen.

Eine andere Gruppe von Ehrendamen, unter welcher man die Gräfin von San Marco, die intime Vertraute der Königin, bemerkte, stand um einen Tisch herum.

Fern von Allen und in dem Dunkel kaum sichtbar, zeigte sich die Gestalt des Secretärs Dick, welcher nur erst diesen selben Tag so geschickt und treu die Befehle seines Herrn und der Königin ausgeführt, welche er hinfort auch ein wenig als seine Herrin betrachten konnte.

Beim Eintritt des Königs erhoben sich Alle und wendeten sich nach ihm herum. Er gab jedoch ein Zeichen mit der Hand, daß Jeder an seinem Platze bleiben solle.

»Laffen Sie sich nicht stören,« sagte er. »Laffen Sie sich nicht stören. Es lohnt nicht mehr der Mühe.«

Und er setzte sich in einen Lehnstuhl in der Nähe der Thür, durch welche er eingetreten war, und nahm Jupiters Kopf zwischen seine Knie.

Der kleine Prinz Albert, welcher von der Königin nicht sonderlich geliebt, die jedem Kinde so kostbare und so nothwendige Liebe, die er von seiner Mutter vergebens erwartete, bei Andern suchte, glitt, als er die Stimme seines Vaters vernahm, von Emmas Schoß herab, kam auf den König zu und bot ihm seine bleiche, ein wenig krankhaft aussehende, von einem Wald blonden Haares umrahmte Stirn.

Der König strich das Haar des Knaben auf die Seite, küßte ihn auf die Stirn und schickte ihn, nachdem er ihn einen Augenblick lang an seine Brust gedrückt und gedankenvoll betrachtet, zu Emma Lyonna zurück, welche der Knabe seine »kleine Mutter« nannte.

Dumpfes Schweigen herrschte in dem düstern Gemach, und Diejenigen, welche sprachen, thaten dies in leisem Tone.

Es war halb elf Uhr, als der Graf von Thurn, der mit dem Marquis von Nizza, dem Commandanten der portugiesischen Flotte, unter Nelsons Befehle stand, durch das kleine Pförtchen und die Wendeltreppe sich in den Palast begeben sollte. Er hatte zu diesem Zwecke den Schlüssel zu einem der Gemächer des Königs erhalten, welches mittelst einer einzigen festen, beinahe massiven Thür mit diesem Ausgang in Verbindung stand, der in den Kriegshafen führte.

Die Pendule schlug mitten unter dem herrschenden Schweigen halb elf.

Unmittelbar darauf hörte man an die Verbindungsthür pochen.

Warum pochte der Graf von Thurn, anstatt zu öffnen, da er ja den Schlüssel hatte?

Unter den Umständen, in welchen man sich befand, ward Alles, was in einer andern Situation blos eine Ursache zur Unruhe gewesen wäre, zu einer Ursache der Furcht und des Schreckens.

Die Königin zuckte zusammen und erhob sich.

»Was gibt’s?« fragte sie.

Der König begnügte sich hinzuschauen. Er wußte nichts von den getroffenen Verfügungen.

»Nun,« sagte Acton immer ruhig und logisch, »es kann ja weiter Niemand sein als der Graf von Thurn.« »Aber warum pocht er, da ich ihm ja einen Schlüssel gegeben habe?«

»Wenn Eure Majestät erlaubt, sagte er, »so will ich gehen und nachsehen.«

»Ja, gehen Sie,« antwortete die Königin.

Acton zündete ein Licht an und ging hinaus in den Corridor.

Die Königin folgte ihm mit besorgten Blicken. Das bisher unheimliche Schweigen ging in Todtenstille über.

Nach Verlauf von einigen Augenblicken trat Acton wieder ein.

»Nun?« fragte die Königin.

»Die Thür,« antwortete er, »ist wahrscheinlich lange nicht geöffnet worden und der Schlüssel ist daher im Schlosse zerbrochen. Der Graf pochte, um zu erfahren, ob es ein Mittel gäbe, die Thür von innen zu öffnen. Ich habe es versucht, aber es ist nicht möglich.«

»Was sollen wir dann thun?«

»Wir müssen die Thür einschlagen lassen.«

»Haben Sie dem Grafen Befehl dazu gegeben?«

»Ja, Madame, und er führt ihn bereits aus.«

In der That vernahm man das Getöse von kräftigen, gegen die Thür geführten Streichen und dann das Krachen der brechenden Thür.

Dieser Lärm hatte etwas Unheimliches und Furchterregendes.

Tritte näherten sich, die Thüre des Salons öffnete sich und der Graf von Thurn trat ein.

»Ich bitte Eure Majestäten,« sagte er, »um Verzeihung für den Lärm, den ich gemacht, und für die Mittel, die ich gezwungen gewesen bin anzuwenden. Das Zerbrechen des Schlüssels war aber ein Unfall, den man unmöglich voraussehen konnte.«

»Es ist eine Vorbedeutung,« sagte die Königin.

»Wenn es eine Vorbedeutung ist,« entgegnete der König mit seinem natürlichen gesunden Verstand, »so ist es auf alle Fälle die, daß wir besser thun würden, zu bleiben als fortzugehen.«

Die Königin fürchtete, daß ihr erhabener Gemahl eine Anwandlung von Willenskraft haben könnte.

»Gehen wir,« sagte sie daher hastig.

»Es ist Alles bereit, Madame,« sagte der Graf von Thurn, »ich bitte jedoch um die Erlaubniß, dem König eine Ordre mitzutheilen, welche ich heute Abend von dem Admiral Nelson erhalten habe.«

Der König erhob sich und näherte sich dem Armleuchter, in dessen Nähe der Graf von Thurn ihn mit einem Papier in der Hand erwartete.

»Lesen Sie, Sire,« sagte der Graf.

»Die Ordre ist englisch geschrieben,« sagte der König, »und ich verstehe nicht englisch.«

»Ich werde es Eurer Majestät übersetzen. Die Ordre lautet:

»An den Admiral Grafen von Thurn.

»Golf von Neapel, am 21. December.

»Die neapolitanischen Fregatten und Corvetten sind zum verbrannt werden bereit zu machen.«

»Was sagen Sie?« fragte der König.

Der Graf von Thurn wiederholte:

»Die neapolitanischen Fregatten und Corvetten sind zum verbrannt werden bereit zu machen.«

»Wissen Sie gewiß, daß Sie sich nicht irren?«, fragte der König.

»Ich irre mich nicht, Sire.«

»Und warum sollen Fregatten und Corvetten verbrannt werden, die so viel Geld gekostet und zu deren Erbauung zehn Jahre Zeit erforderlich gewesen sind?«

»Damit sie nicht den Franzosen in die Hände fallen, Sire!«

»Aber könnte man sie nicht mit nach Sicilien führen?«

»Lord Nelsons Ordre lautet einmal so, Sire, und eben deswegen habe ich die Eurer Majestät mittheilen wollen, ehe ich sie an den Marquis von Nizza befördere, welcher mit der Vollziehung beauftragt ist.«

»Sire, Sire,« sagte die Königin, indem sie sich dem König näherte, »wir verlieren kostbare Zeit um einer Bagatelle willen.«

»Zum Teufel, Madame,« rief der König. »Sie nennen das eine Bagatelle! Sehen Sie das Budget der Marine während der letzten zehn Jahre nach und Sie werden finden, daß diese Bagatelle sich auf mehr als hundertundsechzig Millionen beläuft.«

»Jetzt schlägt es elf Uhr, Sire,« sagte die Königin, »und Mylord Nelson erwartet uns.«

»Sie haben Recht,« sagte der König, »und Mylord Nelson ist nicht der Mann, der gern wartet, wäre es selbst auf einen König oder eine Königin. – Sie werden die Befehle des Mylord Nelson befolgen, Herr Graf, Sie werden meine Flotte verbrennen. Was England nicht zu nehmen wagt, verbrennt es. Ach, mein armer Caracciolo, Du hattest wohl Recht, und ich habe sehr unrecht gethan, daß ich deinen Rathschlägen nicht gefolgt bin. Gehen wir, meine Herren; gehen wir, meine Damen; lassen wir Mylord Nelson nicht warten.«

16Wir brauchen nicht erst zu sagen, daß die Autographen dieser sämtlichen Billets in den Händen des Verfassers sich befinden.