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La San Felice

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Zehntes Capitel.
Wo St. Majestät damit beginnt, nichts zu begreifen, und damit endigt, nichts begriffen zu haben

Die Person, welche der König in seinem Cabinet erwartete und die sich, als er nach ihr gefragt, zufällig in San Leucio befunden, war der Cardinal Ruffo, das heißt der Mann, zu welchem der König in schwierigen Fällen stets seine Zuflucht genommen.

Zu dem schwierigen Falle, in welchem sich der König bei seiner Ankunft befand, hatte sich aber eine unerwartete Verwicklung gesellt, welche ihn noch eifriger wünschen ließ, die Meinung seines Rathgebers zu vernehmen.

Der König eilte daher sofort in sein Zimmer, indem er rief: »Wo ist er? Wo ist er?«

»Hier bin ich, Sire,« antwortete der Cardinal, indem er Ferdinand entgegenkam.

»Vor allen Dingen bitte ich Sie um Verzeihung, Herr Cardinal, daß ich Sie um zwei Uhr des Morgens habe wecken lassen.«

»Von dem Augenblicke an, wo mein ganzes Leben Euer Majestät gehört, stehen meine Nächte ebenso wie meine Tage zu Ihrer Verfügung.«

»Sie müssen wissen, Eminenz, daß ich der Hingebung meiner Freunde niemals mehr bedurft habe als in diesem Augenblicke.«

»Ich schätze mich glücklich und stolz, daß der König mich zu der Zahl derer rechnet, auf deren Hingebung er sich verlassen kann.«

»Als Sie mich auf so unerwartete Weise zurückkommen sahen, ahnten Sie wohl, was geschehen ist, nicht wahr?«

»Der General Mack hat sich wahrscheinlich schlagen lassen.«

»Ja, dies hat er sehr flink besorgt – mit einem einzigen Male und mit einem einzigen Schlage. Unsere vierzigtausend Neapolitaner haben, wie es scheint, nichts als Feuer gesehen.«

»Brauche ich Ihnen wohl zu sagen, Sire, daß ich dies erwartet habe?«

»Aber warum riethen Sie mir dann zum Krieg?«

»Euer Majestät werden sich erinnern, daß ich diesen Rath Ihnen nur unter einer Bedingung gab.«

»Was war das für eine Bedingung?«

»Es war die, daß der Kaiser von Oesterreich zu derselben Zeit, wo Euer Majestät gegen Rom marschieren würden, an den Mincio rückte. Wie es aber scheint, hat der Kaiser dies nicht gethan.«

»Da berühren Sie ein ganz anderes Geheimniß, Eminentissime.«

»Wie so?«

»Sie entsinnen sich wohl des Briefes, durch welchen der Kaiser mir meldete, daß er, sobald ich in Rom wäre, ins Feld rücken würde, nicht wahr?«

»Vollkommen. Wir haben diesen Brief mit einander gelesen und besprochen.«

»Ich muß ihn hier in meiner geheimen Mappe haben.«

»Nun und, Sire?« fragte der Cardinal.

»Wohlan, nehmen Sie Kenntniß von diesem anderen Briefe, den ich in Rom in dem Augenblick erhielt, wo ich den Fuß in den Steigbügel setzte und den ich erst heute Abend vollständig gelesen. Wenn Sie dann von der ganzen Sache etwas begreifen, so erkläre ich nicht blos, daß Sie klüger sind als ich, wozu nicht sonderlich viel gehört, sondern daß Sie geradezu ein Hexenmeister sind.«

»Sire, dies wäre eine Erklärung, die ich Sie bitten würde, für sich zu behalten. Ich stehe in Rom schon nicht sonderlich gut angeschrieben.«

»Lesen Sie! lesen Sie!«

Der Cardinal ergriff den Brief und las:

»Mein lieber Bruder und Cousin, Onkel und Schwiegervater und Bundesgenoß.«

»Ah,« sagte der Cardinal, indem er sich unterbrach, »dieser ganze Brief ist von der eigenen Hand des Kaisers.«

»Lesen Sie! lesen Sie!« sagte der König wieder.

Der Cardinal las:

»Gestatten Sie mir vor allen Dingen, Ihnen zu Ihrem siegreichen Einzuge in Rom Glück zu wünschen. Der Gott der Schlachten hat Sie beschützt und ich danke ihm für den Schutz, den er Ihnen gewährt. Es ist dies ein umso größeres Glück, als zwischen uns ein großes Mißverständnis obzuwalten scheint –«

Der Cardinal sah den König an.

»O, Sie werden sogleich sehen, Eminentissime. Sie sind noch nicht zu Ende.«

Der Cardinal las weiter:

»In dem Briefe, welchen Sie mir die Ehre erzeigen, mir zu schreiben, um mir Ihre Siege zu melden, sagen Sie, daß ich nun einerseits mein Versprechen, blos zu halten brauchte, wie Sie die Ihrigen gehalten, und Sie sagen mir zu deutlich, dieses Versprechen, welches ich Ihnen gegeben, wäre, sofort, ins Feld zu rücken, sobald Sie in Rom sein würden.«

»Nicht wahr, Eminentissime, Sie erinnern sich vollkommen, daß der Kaiser, mein Neffe, sich in dieser Weise verbindlich gemacht hatte?«

»Ich glaube, es steht in seiner Depesche mit dürren Worten geschrieben.«

»Uebrigens,« fuhr der König fort, welcher, während der Cardinal den ersten Theil des Briefes las, seine Mappe geöffnet und darin das erste Schreiben gefunden hatte, »werden wir die Sache sogleich genauer beurtheilen können. Hier ist der Brief meines lieben Neffen. Wir wollen ihn mit diesem vergleichen und werden bald sehen, wer Unrecht hat, ob der Kaiser oder ich. Lesen Sie weiter.«

Der Cardinal las weiter:

»Dies habe ich Ihnen aber nicht blos nicht versprochen, sondern Ihnen im Gegentheile positiv geschrieben, daß ich nicht eher als bis zum Eintreffen des Generals Suwaroff und seiner vierzigtausend Russen, das heißt gegen den nächstkünftigen Monat April, ins Feld rücken würde.«

»Sie sehen ein, Eminentissime, hob der König wieder an, »daß einer von uns beiden den Verstand verloren haben muß.«

»Ich möchte lieber sagen, einer von uns dreien,« bemerkte der Cardinal, »denn ich habe es eben so gelesen wie Eure Majestät.«

»Nun denn, fahren Sie fort.«

Der Cardinal heftete seine Augen wieder auf die Depesche und las:

»Ich bin dessen, was ich Ihnen sage, mein lieber Onkel und Schwiegervater, um so sicherer, als ich auf den Rath, den Sie mir gegeben, den Brief, den ich die Ehre gehabt an Sie zu richten, einem ganzen Inhalte nach mit eigener Hand geschrieben –«

»Sie hören! mit eigener Hand!«

»Ja, aber ich muß ebenso wie Euer Majestät sagen, daß ich die Sache absolut nicht begreife.«

»Sie werden sehen, Eminentissime, daß von der erhabenen Hand meines Neffen weiter nichts geschrieben ist, als die Adresse, die Ueberschrift und der Gruß.«

»Ich entsinne mich dessen vollkommen.«

»Nun, dann lesen Sie weiter.«

Der Cardinal fuhr fort:

»Und daß ich, um dem, was ich die Ehre gehabt, Euer Majestät zu sagen, streng treu zu bleiben, durch meinen Secretär eine Abschrift von jenem ersten Briefe habe abnehmen lassen.

Diese Abschrift sende ich Ihnen hierbei, damit Sie dieselbe mit dem Originale vergleichen und sich durch den Augenschein überzeugen, daß in den von mir gebrauchten Ausdrücken keine Zweideutigkeit gelegen hat, welche Sie zu einem solchen Irrthum hätte verleiten können.«

Der Cardinal sah den König an.

»Verstehen Sie hiervon etwas?« fragte Ferdinand.

»Eben so wenig als Sie, Sire, aber erlauben Sie mir, daß ich zu Ende lese.«

»Immer zu! immer zu! Wir sind da in ein schönes Labyrinth gerathen, mein lieber Cardinal!«

»Und wie ich die Ehre habe, Ew. Majestät zu sagen,« fuhr Ruffo fort zu lesen, fühle ich mich doppelt glücklich, daß die Vorsehung Ihren Waffen den Sieg verliehen hat, denn wenn Sie, anstatt zu siegen, geschlagen worden wären, so wäre es mir, ohne den von mir gegen die verbündeten Mächte übernommenen Verbindlichkeiten untreu zu werden, unmöglich gewesen, Ihnen zu Hilfe zu kommen, und ich hätte mich zu meinem großen Bedauern genöthigt gesehen, Sie Ihrem schlimmen Schicksal zu überlassen. Zum Glück hat die Vorsehung, indem sie Ihnen den Sieg verliehen, mir diesen großen Schmerz erspart –«

»Ja, den Sieg!«, sagte der König. »Ein schöner Sieg!«

»Empfangen Sie nun, mein geliebter Bruder und Cousin, Onkel, Schwiegervater –«

»Et caetera, et caetera!« unterbrach der König. »Jetzt, mein lieber Cardinal, wollen wir einmal die Abschrift des vorgeblichen Briefes ansehen, den ich zum Glück im Original aufbewahrt habe.«

Diese Abschrift lag wirklich dem Briefe bei. Ruffo hielt sie in der Hand, er las sie.

Es war dies die Abschrift der Depesche, welche von der Königin und Acton erbrochen, und weil dadurch ihre Wünsche nicht unterstützt wurden, von ihnen durch den gefälschten Brief vertauscht worden war, den der König jetzt in der Hand hielt und im Begriffe stand mit der Copie zu vergleichen, welche der Kaiser ihm übersendete.

Wenn wir – wie dies um der Klarheit unserer Erzählung willen nothwendig ist – unsern Lesern diese Abschrift des echten Briefes vorgelegt haben werden, wird man sich einen Begriff von dem Erstaunen machen, in welches der König versetzt werden mußte.

»Schloß Schönbrunn, am 28. September 1798.

»Geliebter Bruder, Cousin, Onkel und Bundesgenosse!

»Ich antworte Ew. Majestät eigenhändig, eben so wie Sie mir geschrieben haben. Meine Meinung lautet in Uebereinstimmung mit der meines Ministerraths dahin, daß wir den Krieg gegen Frankreich nicht eher beginnen dürfen, als wenn wir alle unsere Aussichten auf Erfolg beisammen haben. Eine dieser Aussichten, worauf ich ganz besonders rechne, ist die Mitwirkung von vierzigtausend Mann russischer Truppen unter Führung des Feldmarschalls Suwaroff, dem ich das Obercommando unserer Armeen zu übertragen gedenke. Diese vierzigtausend Mann werden aber erst gegen das Ende des Monats März hier sein.

»Ziehen Sie, mein geliebter Bruder, Cousin und Onkel, daher die Sache in die Länge und verzögern Sie die Eröffnung der Feindseligkeiten auf alle nur mögliche Weise. Ich glaube nicht, daß Frankreich mehr als wir von dem Wunsche beseelt ist, Krieg zu führen. Benutzen Sie diese friedliche Stimmung. Führen Sie für das, was geschehen, irgend einen beliebigen Grund an und im Monat April werden wir dann mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln den Feldzug beginnen.

»Da somit der Gegenstand meines jetzigen Schreibens erledigt ist, bitte ich, mein lieber Bruder, Cousin, Onkel und Bundesgenosse, daß Gott Sie in einen heiligen Schutz nehme.

Franz.«

»Und nun, nachdem Sie die angebliche Abschrift gelesen,« sagte der König, »lesen Sie das Original und Sie werden sehen, ob es nicht gerade das Gegentheil sagt.«

 

Mit diesen Worten reichte er dem Cardinal den von Acton und der Königin gefälschten Brief, welchen Ruffo eben so vorlas wie den ersten.

Wir wollen ihn eben so wie den ersten wiederholen, da unsere Leser sich wohl vielleicht des Inhalts entsinnen, sicherlich aber den Wortlaut vergessen haben.

»Schönbrunn, den 28. September 1798.

»Werthgeschätzter Bruder, Cousin, Onkel und Bundesgenosse!

»Nichts konnte mir angenehmer sein, als der Brief, welchen Sie mir geschrieben und in welchem Sie mir versprechen, sich in allen Dingen nach meinem Rathe zu richten.

»Die Nachrichten, welche ich aus Rom erhalten, melden mir, daß die französische Armee sich dort in dem erbärmlichsten Zustande befindet. Mit der Armee von Ober-Italien ist ganz dasselbe der Fall.

»Nehmen Sie, mein werthgeschätzter Bruder, Cousin, Onkel und Bundesgenosse, die eine auf sich, ich werde die andere auf mich nehmen. Sobald ich erfahren, daß Sie in Rom eingerückt sind, rücke ich mit hundertundvierzigtausend Mann ins Feld. Sie haben Ihrerseits sechzigtausend, ich erwarte vierzigtausend Mann Russen. Dies ist mehr, als nöthig ist, damit der nächste Friedensschluß, anstatt der Friede von Campo Formio, der Friede von Paris heiße.

»Da somit der Gegenstand meines jetzigen Schreibens erledigt ist, bitte ich, mein lieber Bruder, Cousin, Onkel und Bundesgenosse, daß Gott Sie in einen heiligen Schutz nehme.

Franz.«

Der Cardinal versank, nachdem er zu Ende gelesen, in tiefe Gedanken.

»Nun, Eminentissime, was meinen Sie dazu?« fragte der König.

»Daß der Kaiser Recht hat, aber daß Eure Majestät deswegen nicht Unrecht haben.«

»Was soll das heißen?«

»Daß, wie Eure Majestät schon bemerkt haben, hier irgend ein furchtbares Geheimniß, ja vielleicht mehr als ein Geheimniß, ein Verrath dahintersteckt.«

»Ein Verrath! Wer sollte ein Interesse daran haben, mich zu verrathen?«

»Das heißt mich nach den Namen der Schuldigen fragen, Sire, und diese kenne ich nicht.«

»Aber wäre es nicht möglich, sie kennen zu lernen?«

»Suchen wir sie. Ich verlange nichts Besseres, als der Spürhund Eurer Majestät zu sein. Jupiter fand Ferrari auch. Da ich gerade Ferrari erwähne, Sire, so fällt mir dabei ein, daß es vielleicht gut wäre, diesen zu befragen.«

»Dies war auch mein erster Gedanke und ich habe ihm sagen lassen, daß er sich bereithalten sollte.«

»Nun, dann bitte ich, daß Eure Majestät ihn rufen lassen.«

Der König klingelte und es trat derselbe Lakai ein, welcher ihm die Meldung bei Tafel gemacht.

»Wo ist Ferrari?« fragte der König.

»Er wartet im Vorzimmer, Sire.«

»Er soll hereinkommen.«

»Eure Majestät haben mir gesagt, daß Sie dieses Mannes sicher wären,« bemerkte Ruffo.

»Das heißt, Eminentissime, ich habe Ihnen gesagt, daß ich einer sicher zu sein glaubte.«

»Wohlan, ich gehe weiter als Eure Majestät; ich bin seiner sicher.«

Ferrari erschien an der Thür gestiefelt, gespornt und bereit aufzubrechen.

»Komm her, wackerer Freund,« sagte der König.

»Ich stehe zu den Befehlen, Eure Majestät. Meine Depeschen, Sire.«

»Heute Abend handelt es sich nicht um Depeschen, mein Freund,« sagte der König.

»Es handelt sich blos um Beantwortung unserer Fragen.«

»Ich bin bereit, Sire.«

»Fragen Sie, Cardinal,« sagte der König.

»Mein Freund,« sagte Ruffo zu dem Courier, »der König hat das größte Vertrauen zu Euch.«

»Und dieses Vertrauen glaube ich durch fünfzehnjährige gute und treue Dienste verdient zu haben, Monseigneur.«

»Deshalb ersucht der König Euch, eure Gedanken zu sammeln und will Euch durch meinen Mund bedeuten, daß es sich um eine sehr wichtige Angelegenheit handelt.«

»Ich erwarte das Weitere, Monseigneur,« sagte Ferrari.

»Nicht wahr, Ihr erinnert Euch noch der geringfügigsten Umstände, von welchen eure letzte Reise nach Wien begleitet war?« fragte der Cardinal.

»So genau, als ob ich soeben erst davon zurückkäme, Monseigneur.«

»Gab der Kaiser den Brief, den Ihr dem König gebracht, Euch wirklich selbst?«

»Ja wohl, er selbst, Monseigneur, und ich habe bereits die Ehre gehabt, dies dem König zu sagen.«

»Der König wünscht aber diese Versicherung noch einmal aus eurem Munde zu hören.«

»Ich habe die Ehre, die ihm hiermit zu geben.«

»Wo thatet Ihr den Brief des Kaisers hin?«

»In diese Tasche hier,« sagte Ferrari, indem er seine Jacke öffnete.

»Wo habt Ihr Halt gemacht?«

»Nirgends weiter, als wo ich die Pferde gewechselt habe.«

»Wo habt Ihr geschlafen?«

»Ich habe nicht geschlafen.«

»Hm!« sagte der Cardinal, »aber ich habe gehört, – Ihr habt es selbst gesagt – es sei Euch ein Unfall begegnet.«

»Ja, im Schloßhofe, Monseigneur. Ich wendete mein Pferd zu kurz, es glitt mit allen Vieren aus, ich schlug mit dem Kopfe gegen einen Eckstein und verlor die Besinnung.«

»Wo erlangtet Ihr dieselbe wieder?«

»In der Apotheke.«

»Wie lange waret Ihr ohne Besinnung?«

»Das ist leicht zu berechnen, Monseigneur. Als mein Pferd stürzte, war es ein oder halb zwei Uhr Morgens, und als ich die Augen wieder aufschlug, begann eben der Tag zu grauen.«

»In den ersten Tagen des Monats Oktober beginnt es gegen halb sechs, vielleicht erst um sechs des Morgens hell zu werden, und eure Ohnmacht hätte sonach ungefähr vier Stunden gedauert.«

»Ja, ungefähr, Monseigneur.«

»Und wer war bei Euch, als Ihr die Augen wieder aufschlugt?«

»Der Secretär Sr. Excellenz des Generalcapitäns, Herr Richard, und der Chirurg von Santa-Maria.«

»Habt Ihr keinen Verdacht, daß man den Brief berührt habe, welcher sich in eurer Tasche befand?«

»Als ich erwachte, war es mein Erstes, daß ich danach fühlte. Er war noch immer an Ort und Stelle. Ich untersuchte das Siegel und das Couvert. Beides schien mir unversehrt zu sein.«

»Dann hattet Ihr also doch Grund zu zweifeln?«

»Nein, Monseigneur, ich that es unwillkürlich.«

»Und dann?«

»Dann, Monseigneur, reichte man mir, da der Wundarzt von Santa-Maria mich während meiner Ohnmacht verbunden hatte, eine Tasse Fleischbrühe. Ich machte mich wieder auf die Füße und überbrachte dem König meinen Brief. Uebrigens waren Sie ja dabei selbst zugegen, Monseigneur.«

»Ja, mein lieber Ferrari, und ich glaube dem König versichern zu können, daß Ihr Euch in dieser ganzen Angelegenheit als ein guter, treuer Diener benommen habt. Dies ist Alles, was man von Euch zu wissen wünschte; nicht wahr, Sire?«

»Ja,« antwortete Ferdinand.

»Der König gestattet, daß Ihr Euch entfernt, mein Freund und die Ruhe genießet, deren Ihr so sehr bedürft.«

»Darf ich Se. Majestät fragen, ob ich mich in irgend etwas Ihrer Güte unwürdig gemacht habe?»

»Nein, im Gegentheile, mein lieber Ferrari,« sagte der König, »Du bist mehr als jemals der Mann meines Vertrauens.«

»Weiter wünschte ich nichts zu wissen, Sire, denn dies ist der einzige Lohn, nachdem ich trachte.«

Und der Courier entfernte sich hocherfreut über die Versicherung, welche der König ihm gab.

»Nun?« fragte Ferdinand.

»Nun, Sire, wenn eine Vertauschung oder Fälschung des Briefes stattgefunden hat, so ist es während der Ohnmacht dieses Unglücklichen geschehen.«

»Aber er sagte Ihnen ja, Eminentissime, das Siegel und das Couvert wären unverletzt gewesen.«

»Ein Abdruck von einem Siegel ist sehr leicht zu nehmen.«

»Dann hätte man also die Unterschrift des Kaisers nachgemacht? Auf alle Fälle müßte der, welcher den Streich ausgeführt, ein sehr geschickter Fälscher sein.«

»Die Unterschrift des Kaisers nachzumachen hat man nicht nöthig gehabt, Sire.«

»Wie aber hat man es denn angefangen?«

»Bemerken Sie wohl, Sire, daß ich nicht sage, was man gemacht hat.«

»Was sagen Sie denn?»

»Ich sage Ew. Majestät, was man machen gekonnt hätte.»

»Und dies wäre?«

»Nehmen Sie an, Sire, daß man sich ein Siegel verschafft oder fertigen lassen, welches den Kopf des Kaisers Marcus Aurelius vorstellt.«

»Und dann?«

»Dann hat man vielleicht das Siegellack erweicht, indem man es über die Flamme eines Lichtes gehalten, den Brief geöffnet, auf diese Weise gefaltet –»

Und Ruffo faltete den Brief in der That gerade wie Acton gethan.

»Warum hätte man den Brief so falten sollen?« fragte der König.

»Um die Ueberschrift und die Unterschrift zu schützen, dann mittelst irgend einer Säure die Schrift zu entfernen und anstatt dessen, was erst auf dem Papier stand, das darauf zu schreiben, was gegenwärtig darauf steht.«

»Halten Sie dies für möglich, Eminentissime?«

»Nichts ist leichter als dies und ich sage sogar, daß, wie Sie selbst zugeben werden, Sire, auf diese Weise allein es sich erklären läßt, daß zwischen einer Ueberschrift und einer Schlußformel von der Hand des Kaisers ein Brief von anderer Hand niedergeschrieben worden ist.«

»Cardinal! Cardinal!« rief der König, nachdem er den Brief nochmals aufmerksam betrachtet, »Sie sind ein sehr gescheiter Mann.«

Der Cardinal verneigte sich.

»Und was ist nun nach Ihrer Meinung zu thun?« fragte der König

»Gestatten mir Ew. Majestät, den noch übrigen Theil der Nacht darüber nachzudenken.« entgegnete der Cardinal. »Morgen werden wir dann weiter davon sprechen.«

»Mein lieber Ruffo,« sagte der König, »vergessen Sie nicht, daß, wenn ich Sie nicht zum ersten Minister mache, der Grund davon darin liegt, daß es nicht in meiner Macht steht.«

»Davon bin ich so fest überzeugt, daß ich, obschon ich nicht Minister bin, gegen Ew. Majestät doch von derselben Dankbarkeit mich beseelt fühle, als ob ich es wäre.«

Und den König mit gewohnter Ehrfurcht begrüßend, entfernte sich der Cardinal, während der König, durchdrungen von Bewunderung, ihm nachschaute.

Elftes Capitel.
In welchem Vanni das Ziel erreicht, nach welchem er so lange gestrebt

Man erinnert sich der Mahnung, welche der König Ferdinand in einem seiner Briefe an die Königin ausgesprochen.

Diese Mahnung lautete dahin, daß man Nicolino Caracciolo nicht lange im Gefängniß schmachten, sondern den Fiscalprocurator Marquis Vanni auffordern solle, den Proceß des Angeklagten so schnell als möglich zu instruieren.

Unsere Leser haben sich hoffentlich in der Absicht dieser Mahnung nicht geirrt und dieselbe nicht etwa auf Rechnung der Menschenliebe gebracht.

Nein, der König hatte eben so wie die Königin seine Gründe, den Angeklagten zu hassen. Er erinnerte sich, daß der elegante Nicolino Caracciolo, als er von dem Pausilippo herabgekommen, um in dem Golf von Neapel Latouche Tréville und seine Seeleute zu feiern, einer der Ersten gewesen, welcher sein Auge dadurch beleidigt, daß er dem Puder entsagte, seinen Zopf den neuen Ideen opferte und sich den Backenbart wachsen ließ, und daß er endlich eben so einer der Ersten gewesen, welche einen ganz verwerflichen Weg einschlugen, indem sie insolenterweise die kurzen Beinkleider gegen Pantalons vertauschten.

Uebrigens war Nicolino, wie man weiß, Bruder des schönen Herzogs von Rocca Romana, der mit Recht oder Unrecht für den Gegenstand einer jener zahlreichen und rasch vorübergehenden Launen der Königin gegolten, welche von der Geschichte, die dergleichen Einzelheiten verschmäht, nicht aufgezeichnet, wohl aber von der Lästerchronik der Höfe, die davon lebt, bestätigt werden.

An dem Herzog von Rocca Romana, welcher an seinem Kostüm keinen Knopf geändert, der sich nichts abgeschnitten, der sich nichts stehen gelassen hatte und folglich innerhalb der strengsten Regeln der Etiquette geblieben war, konnte aber der König sich nicht rächen und es war ihm daher nicht unlieb – so gutmüthig ein Ehemann auch sein mag, so hegt er gegen die Liebhaber seiner Frau doch immer einigen Groll – es war ihm daher nicht unlieb, da er keinen plausiblen Vorwand hatte, um sich an dem ältesten Bruder zu rächen, einen zu finden, der ihm gestattete, den jüngeren zum Gegenstand seiner Rache zu machen.

Uebrigens war Nicolino Caracciolo – was ihm einen ganz besonderen Anspruch auf die Antipathie des Königs verlieh – mit dem Erbfehler behaftet, eine Französin zur Mutter zu haben, und überdies, während er schon von Geburt halb Franzose war, es in Bezug auf die Meinung ganz zu sein.

Uebrigens aber hat man gesehen, daß der Argwohn des Königs, so unbestimmt und instinktartig derselbe auch in Bezug auf Nicolino Caracciolo war, doch nicht alles Grundes entbehrt hatte, denn Nicolino gehörte jener großen Verschwörung an, welche sich bis nach Rom erstreckte und den Zweck hatte, indem sie die Franzosen nach Neapel rief, mit denselben Aufklärung, Fortschritt und Freiheit einziehen zu lassen.

 

Man erinnert sich, in Folge welcher Verkettung von unerwarteten Umständen Nicolino Caracciolo sich veranlaßt gesehen, dem vom Meerwasser durchnäßten Salvato Kleider und Waffen zu leihen, wie ein Brief von Frauenhand, den er in der Tasche seines Ueberrocks gelassen und welcher von Pasquale de Simone gefunden ward, von diesem der Königin und von der Königin dem Minister Acton zugestellt worden.

Wir haben beinahe dem chemischen Experiment beigewohnt, welches, indem es das Blut entfernte, die Schrift unversehrt gelassen, und eben so haben wir wirklich dem poetischen Experiment beigewohnt, welches dadurch, daß es die Dame verrieth, gestattet hatte, sich ihres Liebhabers zu bemächtigen.

Dieser, wie man sich erinnert, festgenommene und nach dem Castell San Elmo gebrachte Liebhaber war aber Niemand anders als unser leichtsinniger, sorgloser, abenteuerlustiger Freund Nicolino Caracciolo.

Der Leser wird uns verzeihen, wenn wir hier Mehreres, was wir bereits erzählt, nochmals berühren. Wir wünschen so viel als möglich durch einige Zeilen – auch wenn dieselben überflüssig sein sollten – die größtmögliche Klarheit in unsere Erzählung zu bringen, welche, trotz unserer Bemühungen, durch die zahlreichen Personen, die wir auf der Bühne erscheinen lassen, verdunkelt werden könnte, besonders da ein Theil derselben zuweilen während mehrerer Capitel, zuweilen während eines ganzen Bandes genöthigt ist zu verschwinden, um andern Platz zu machen.

Man verzeihe uns daher einige Abschweifungen um des guten Vorsatzes willen und mache unsern guten Vorsatz nicht zu einem von denen, womit der Weg zur Hölle gepflastert ist.

Das Castell San Elmo, nach welchem Nicolino gebracht worden, war, wie wir schon gesagt zu haben glauben, die Bastille von Neapel.

Dieses Castell, welches in allen Revolutionen von Neapel eine große Rolle gespielt und folglich im Verlauf dieser Geschichte ebenfalls eine spielen wird, ist auf der Höhe des Berges erbaut, welcher die alte Parthenope beherrscht.

Wir wollen nicht, wie unser gelehrter Archäolog Sir William Hamilton that, untersuchen, ob der Name Erme, der erste Name des Castells San Elmo, von dem alten phönizischen Wort erme, welches hoch, erhaben bedeutet, herrührt, oder ob er ihm wegen der Priaptatuen gegeben ward, mit deren Hilfe die Bewohner von Nikopolis die Grenzen ihrer Felder und ihrer Häuser bezeichneten, und welche die Terme nannten.

Da der Himmel uns nicht den durchdringenden Blick verliehen hat, welcher in der tiefen Finsterniß der Etymologien sieht, so werden wir uns damit begnügen, daß wir diese Benennung auf eine Capelle des heiligen Erasmus zurückführen, welche dem Berg, auf dem sie stand, ihren Namen lieh.

Der Berg hieß demzufolge anfangs der Berg Sa Erasmo, später in Folge der gewöhnlichen Verstümmelung die ein Name im Munde des Volkes erfährt, San Erme bis endlich San Elmo daraus ward.

Auf dieser Höhe, welche die Stadt und das Meer beherrscht, ward zuerst auf dem Platze, wo früher die Capelle gestanden, ein Thurm erbaut, den man Belfort nannte. Dieser Thurm ward von Karl dem Zweiten von Anjou, mit dem Beinamen der Hinkende, in ein Schloß verwandelt. Die Befestigungen desselben wurden verstärkt als Neapel von Lautrec, nicht im Jahre 1518, wie Signor Giuseppi Galanti, Verfasser des Buches »Neapel und seine Umgebungen« sagt, sondern im Jahre 1528 belagert ward. Von dieser Zeit an ward es auf Befehl des Kaisers Karl des Fünften eine regelmäßige Festung.

Wie alle Festungen zunächst dazu bestimmt, die Bevölkerungen, in deren Mitte oder über deren Köpfen sie errichtet sind, zu vertheidigen, kam San Elmo allmälig da hin, daß es die Bevölkerung von Neapel nicht blos nicht mehr vertheidigte, sondern sie bedrohte.

Von diesem letzteren Gesichtspunkt aus ist das düstere Schloß heute noch der Schrecken der Neapolitaner, welche bei jeder Revolution, die sie machen oder vielmehr machen lassen, von der neuen Regierung, die auf die alte folgt, die Demolierung dieser Zwingburg verlangen.

Die neue Regierung, welche sich populär machen muß, beschließt auch sofort die Demolierung des Castells San Elmo, hütet sich aber wohl, es auch wirklich zu demolieren.

Beeilen wir uns jedoch in Anbetracht, daß man gegen die Steine eben so gerecht sein muß, als gegen die Menschen, hinzuzufügen, daß das ehrliche und friedliche Castell San Elmo, diese ewige Vernichtungsdrohung für die Stadt, sich bis jetzt stets darauf beschränkt hat, zu drohen, und daß es noch nie etwas vernichtet, wohl aber unter gewissen Umständen geschützt hat.

Wir sagten soeben, daß man gegen die Steine ebenso gerecht sein müsse, wie gegen die Menschen. Kehren wir diesen Ausspruch um und sagen wir jetzt, daß man gegen die Menschen ebenso gerecht sein müsse wie gegen die Steine.

Wenn der Marquis Vanni den Proceß Nicolino nicht thätiger betrieben hatte, so war dies, Gott sei Dank, weder aus Faulheit noch aus Nachlässigkeit geschehen.

Nein, der Marquis verlangte als echter Fiscalprocurator nur Schuldige, und da er deren selbst da zu finden wünschte, wo es keine gab, so war er weit entfernt, einen solchen Vorwurf zu verdienen.

Dabei aber war der Marquis von Vanni nach seiner Art ein gewissenhafter Mann. Er hatte den Proceß des Fürsten von Tersia sieben Jahre und den des Chevalier von Medici und Derer, die er hartnäckig die Mitschuldigen desselben nannte, drei Jahre dauern lassen. Diesmal hatte er einen wirklich Schuldigen in den Händen. Er hatte Beweise seiner Strafbarkeit; er war sicher, daß dieser der dreifachen Thür, welche seinen Kerker verschloß, und der dreifachen Mauer, welche das Castell Sam Elmo umgab, nicht entschlüpfen könne, und es kam ihm daher auf einen Tag, eine Woche und selbst einen Monat nicht an, um zu einem zufriedenstellenden Resultat zu gelangen.

Uebrigens gehörte er, wie wir bereits bemerkt, in Bezug auf Instinkt und Gewohnheiten zu den Thieren des Katzengeschlechts, und man weiß, daß der Tiger mit dem Menschen spielt, ehe er ihn in Stücke reißt, ebenso wie die Katze mit der Maus, ehe sie dieselbe frißt.

Der Marquis Vanni machte es sich daher ebenfalls zum Vergnügen, mit Nicolino Caracciolo zu spielen, ehe er ihm den Kopf abschlagen ließ.

Es darf hierbei jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß bei diesem tödtlichen Spiel, wo der mit dem Gesetz, der Tortur und dem Schaffot Gerüstete, mit dem nur mit seinem Geist Gerüsteten kämpfte, nicht allemal der siegte, welcher alle Aussichten auf Sieg für sich hatte. Dies war durchaus nicht der Fall.

Nach vier aufeinander folgenden Verhören, welches jedes über zwei Stunden gedauert, und in welchen Vanni versucht hatte, seinen Angeklagten auf alle mögliche Weise hin und her zu drehen, war der Richter nicht weiter gekommen und der Angeklagte nicht schwerer compromittiert als am ersten Tage, das heißt, der Verhörsrichter war so weit gekommen, daß er den Namen, die Vornamen, die Eigenschaften, das Alter, die gesellschaftliche Stellung Nicolino's ermittelt hatte, was ganz Neapel wußte, ohne deswegen erst von einer einmonatlichen Einkerkerung und einer dreiwöchentlichen Untersuchung Gebrauch zu machen, trotz seiner Neugier aber – und der Marquis Vanni war ganz gewiß einer der neugierigsten Criminalbeamten des Königreichs bei der Sicilien – hatte er nichts weiter zu erfahren vermocht.

Nicolino hatte sich nämlich das Dilemma gestellt: »Entweder bin ich schuldig, oder ich bin unschuldig. Wenn ich schuldig bin, werde ich nicht so dumm sein, Geständnisse zu thun, welche mich compromittieren. Bin ich dagegen unschuldig, so habe ich nichts zu gestehen und werde folglich nichts gestehen.

Das Resultat dieses Vertheidigungssystems war, daß Nicolino auf alle Fragen, welche Vanni stellte, um etwas Anderes zu erfahren, als was alle Welt wußte, das heißt den Namen, die Vornamen, das Alter, die Wohnung und die gesellschaftliche Stellung des Angeklagten, durch andere Fragen antwortete, indem er Vanni im Tone der lebhaftesten Theilnahme fragte, ob er verheiratet sei, ob eine Frau hübsch sei, ob er sie liebe, ob er Kinder von ihr habe, wie alt dieselben seien, ob er Brüder und Schwestern habe, ob sein Vater noch lebe, ob seine Mutter gestorben sei, wie viel ihm die Königin für das Handwerk, welches er triebe, bezahle, ob sein Marquistitel auf den ältesten Erben einer Familie übergehen würde, ob er an Gott, an die Hölle, an das Paradies glaube u.s.w.