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La San Felice

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Er hatte bei dem großartigen Kriegsspiel endlich einen Gegner gefunden, der glücklicher oder geschickter war als er. Auf dem riesigen Schachbrett des Nil, wo Obelisken die Bauern, Sphinxe die Springer, Pyramiden die Thürme sind, wo die Läufer Kambytes, die Könige Sesostris und die Königinnen Kleopatra heißen, war er auf einmal mattgesetzt.

Die Furcht, welche die vereinten Namen Frankreich und Bonaparte den Souveränen Europas eingejagt, läßt sich am besten nach den Geschenken beurtheilen, welche Nelson von diesen Souveränen empfing, die außer sich vor Freude waren, als die Frankreich gedemüthigt sahen und Bonaparte verloren glaubten.

Die Aufzählung dieser Geschenke ist leicht. Wir brauchen zu diesem Zwecke blos eine von Nelsons eigener Hand geschriebene Notiz zu copiren.

Von Georg dem Dritten empfing er die Würde eines Pairs von Großbritanien und eine goldene Medaille.

Von dem Unterhaus für sich und seine zwei nächsten Erben den Titel eines Baronets vom Nil und von Barnham-Thorpes nebst einer Rente von zweitausend Pfund Sterling, deren Auszahlung vom 1. August 1798, dem Tage der Schlacht, beginnen sollte.

Von dem Oberhause eine gleiche Rente unter denselben Bedingungen und von demselben Tage an beginnend.

Von dem Parlament von Irland eine Pension von tausend Pfund Sterling.

Von der ostindischen Compagnie ein einmaliges Geschenk von zehntausend Pfund.

Von dem Sultan eine Diamantenagraffe, welche auf zweitausend, und einen kostbaren Pelz, der auf eintausend Pfund Sterling geschätzt ward.

Von der Mutter des Sultans eine mit Diamanten besetzte Schatulle, zwölfhundert Pfund im Werthe.

Von dem Könige von Sardinien eine mit Diamanten besetze Tabatière, an Werth zwölfhundert Pfund.

Von der Insel Zante einen Degen mit goldenem Griff und einen Stock mit goldenem Knopf

Von der Stadt Palermo eine Tabatière und eine goldene Kette auf einem silbernen Teller.

Endlich von seinem Freunde Benjamin Hallowell, Capitän des »Swiftsure«, ein echt englisches Geschenk, welches wir durchaus nicht mit Stillschweigen übergehen dürfen.

Wir haben gesagt, daß das französische Schiff, der »Orient«, in die Luft geflogen war. Hallowell ließ den großen Mast aus dem Wasser fischen und an Bord eines Schiffes bringen. Dann ließ er durch einen Schiffszimmermann und Schiffsschlosser aus diesem Mast und dessen Eisenbeschlägen einen Sarg fertigen, mit einer Platte verziert, auf welcher folgendes Ursprungszeugniß eingraviert war:

»Ich bezeuge hiermit, daß dieser Sarg ausschließlich aus dem Holze und Eisen des Schiffes der »Orient« gefertigt ist, von welchem das unter meinem Befehle stehende Schiff Sr. Majestät einen großen Theil in der Bai von Abukir rettete.

»Benj. Hallowell.«

Diesen auf diese Weise hinsichtlich seines Ursprunges legitimierten Sarg machte er Nelson zum Geschenk und fügte folgenden Brief bei:

»An den ehrenwerthen Nelson C. B.

»Geehrter Herr!

»Ich schicke Ihnen beifolgend einen aus dem Maste des französischen Schiffes der »Orient« gefertigten Sarg, damit Sie, wenn Sie einmal aus diesem Leben scheiden, vor allen Dingen in Ihren eigenen Trophäen ruhen können. Die Hoffnung, daß dieser Tag noch fern sei, ist der aufrichtige Wunsch Ihres ergebenen Dieners

»Benj. Hallowell.«

Von allen Geschenken, welche dem glücklichen Sieger dargebracht wurden, schien dieses letztere das zu sein, welches ihn am meisten rührte. Er empfing es mit unverhohlener Freude, ließ es in seine Cajüte bringen und dicht hinter dem Sessel, in welchem er bei Tische saß, an die Wand lehnen.

Ein alter Diener, den der Anblick dieses ominösen Möbels allemal traurig stimmte, brachte den Admiral endlich dahin, daß er es in das Zwischendeck bringen ließ.

Als Nelson den furchtbar zerschossenen »Vanguard« mit dem »Fulminant« vertauschte, blieb der Sarg, der auf dem neuen Schiffe noch keinen geeigneten Platz gefunden, einige Monate auf dem Vorderdeck stehen.

Eines Tages, als die Officiere des »Fulminant« das Geschenk des Capitäns Hallowell bewunderten, rief Nelson ihnen von seiner Cajüte aus zu:

»Bewundern Sie so viel Sie wollen, meine Herren. Für Sie ist er doch nicht gemacht.«

Endlich schickte Nelson ihn, sobald sich Gelegenheit darbot, nach England an seinen Tapezierer mit dem Auftrage, ihn sofort mit Sammet auszuschlagen, weil er ihn bei dem Handwerke, welches er triebe, jeden Augenblick nöthig haben könne und ihn daher unverweilt in vollständige Bereitschaft gesetzt zu sehen wünschte.

Wir brauchen nicht erst zu erwähnen, daß Nelson, nachdem er sieben Jahre später bei Trafalgar gefallen, wirklich in diesem Sarge zur Gruft bestattet ward.

Kommen wir jetzt auf unsere Erzählung zurück.

Wir haben gesagt, daß Nelson mit einem leichten Fahrzeuge die Nachricht von dem Siege bei Abukir nach Neapel und London entsendet hatte.

Gleich nach dem Empfang von Nelsons Briefe eilte Emma Lyonna zu der Königin Caroline und überreichte ihr denselben geöffnet.

Die Königin warf einen Blick darauf und stieß einen lauten Freudenschrei aus. Sie rief ihre Söhne, sie rief den König, sie lief wie eine Wahnsinnige in den Gemächern umher, küßte jeden, der ihr in den Weg kam, schloß die Ueberbringerin der frohen Neuigkeit in die Arme und ward nicht müde zu rufen:

»Nelson! tapferer Nelson! O Retter und Befreier Italiens! Gott schütze Dich! Der Himmel behüte Dich!«

Ohne sich dann weiter um den französischen Gesandten Garat zu kümmern, denselben, welcher Ludwig dem Sechzehnten das Todesurtheil vorgelesen und welchen das Directorium ohne Zweifel als eine Warnung für die neapolitanische Monarchie an diesen Hof gesendet, befahl sie, in der Meinung daß nun nichts mehr von Frankreich zu fürchten stehe, offen, unverhohlen und am hellen lichten Tage alle nothwendigen Anstalten zu treffen, um Nelson in Neapel zu empfangen, wie man einen Sieger empfängt.

Um nicht hinter den andern Souveränen zurückzubleiben, ließ sie, welche ihm mehr schuldig zu sein glaubte, als die andern, weil sie doppelt bedroht war, nämlich durch die Anwesenheit der französischen Truppen in Rom und durch die Proclamation der römischen Republik, durch ihren Premierminister Acton ein Patent ausfertigen, durch welches Nelson mit dreitausend Pfund Sterling jährlicher Rente zum Herzog von Bronte ernannt ward, während der König, als man ihm dieses Patent zur Unterschrift vorlegte, sich vorbehielt, ihm selbst den Degen zu verehren, welchen Ludwig der Vierzehnte seinem Sohn Philipp dem Fünften, als derselbe abreiste, um über Spanien zu regieren, und Philipp der Fünfte seinem Sohn Don Carlos geschenkt, als dieser auf brach, um Neapel zu erobern.

Abgesehen von seinem historischen Werth, welcher unschätzbar war, ward dieser Degen, der den Instructionen des Königs Carl des Dritten gemäß nur dem Vertheidiger und dem Retter der Monarchie der beiden Sicilien gehören sollte, wegen der Diamanten, womit er besetzt war, auf fünftausend Pfund Sterling oder hundert und fünfundzwanzigtausend Francs geschätzt.

Was die Königin betraf, so hatte sie sich vorbehalten, Nelson ein Geschenk zu machen, welches in seinen Augen durch alle Gunstbezeigungen, durch alle Schätze sämmtlicher Könige der Erde nicht aufgewogen werden konnte. Sie hatte sich nämlich vorbehalten, ihm jene Emma Lyonna zu geben, die seit fünf Jahren der Gegenstand seiner glühendsten Träume war.

Demzufolge hatte sie am Morgen jenes 22. September 1798 zu Emma Lyonna, indem sie das kastanienbraune Haar auf die Seite strich, um diese falsche Stirn zu küssen, die anscheinend so rein war, daß man sie für die eines Engels hätte halten können, gesagt:

»Meine vielgeliebte Emma, damit ich König bleibe und damit Du folglich Königin bleibst, muß dieser Mann uns gehören, und damit dieser Mann uns gehöre, mußt Du ihm gehören.«

Emma hatte die Augen niedergeschlagen und ohne zu antworten die beiden Hände der Königin ergriffen und leidenschaftlich geküßt.

Wir wollen nun sagen, wie Marie Caroline eine solche Bitte aussprechen oder vielmehr der Lady Hamilton, der Gemahlin des Gesandten Englands, einen solchen Befehl ertheilen konnte.

Drittes Capitel.
Die Vergangenheit der Lady Hamilton

Bei der kurzen, ungenügenden Schilderung, die wir von Emma Lyonna zu entwerfen gesucht, haben wir gesagt: »die seltsame Vergangenheit dieser Frau.« und in der That war wohl auch selten das Lebensschicksal eines Menschen außerordentlicher als das ihrige. Nie war eine Vergangenheit gleichzeitig düsterer und blendender als die ihrige.

Sie kannte niemals genau das Alter oder den Ort ihrer Geburt. So weit ihre Erinnerung zurückreichte, sah sie sich als Kind von drei oder vier Jahren mit einem armseligen Leinwandröckchen bekleidet, mit nackten Füßen unter Nebel und dem Regen eines nördlichen Landes eine Gebirgsstraße wandernd und sich mit ihrer erstarrten kleinen Hand an die Kleider ihrer Mutter festhaltend, einer armen Bäuerin, von welcher sie, wenn sie zu müde war, oder es den Weg durchschneidende Bäche zu durchwaten gab, auf die Arme genommen ward.

Sie entsann sich auch, daß sie auf dieser Wanderung viel gehungert und gedürstet. Sie erinnerte sich auch ferner, daß, wenn sie durch eine Stadt kamen, ihre Mutter vor der Thür eines reichen Hauses oder vor dem Laden eines Bäckers stehen blieb; daß sie hier entweder um ein Stück Geld bettelte, welches man ihr oft verweigerte, oder um ein Stück Brod, welches man ihr fast allemal gab.

Abends machten Mutter und Tochter in irgend einem einsamen Gehöfte Halt und nahmen die Gastfreundschaft desselben in Anspruch, welche man ihnen entweder in der Scheune oder in dem Stalle gewährte.

 

Die Nächte, wo man den beiden armen Wanderinnen erlaubte, in einem Stalle zu schlafen, waren festliche Nächte.

Die Kleine erwärmte sich dann rasch durch den milden Hauch der Thiere und empfing am Morgen, ehe sie sich wieder auf den Weg machten, fast immer entweder von der Bäuerin oder von der Magd, welche die Kühe zu melken kam, ein Glas laue schäumende Milch, eine Delicatesse, für welche sie um so dankbarer war, als ihr dieselbe nicht oft geboten ward.

Endlich erreichten Mutter und Tochter die kleine Stadt Flint, das Ziel ihrer Wanderung. Hier waren Emmas Mutter und John Lyons, ihr Vater, geboren.

Dieser letztere hatte, um Arbeit zu suchen, die Grafschaft Flint verlassen, und hatte sich nach Chester begeben; die Arbeit war aber hier sehr schlecht bezahlt worden. Jung und arm war John Lyons gestorben und seine Witwe kehrte in ihre Heimat zurück, um zu sehen, ob dieselbe sie gastfrei oder stiefmütterlich empfangen würde.

Drei oder vier Jahre später hatte Emma, wie sie sich erinnerte, am Abhange eines grasigen, blumigen Hügels für eine Bäuerin in der Umgegend, bei welcher ihre Mutter als Magd diente, eine kleine Schafherde gehütet und vorzugsweise gern in der Nähe einer durchsichtigen Quelle geweilt, in welcher sie sich selbstgefällig betrachtete, nachdem sie sich mit den um sie herum wachsenden wilden Blumen geschmückt.

Zwei oder drei Jahre später und als sie eben nahe daran war, ihr zehntes Jahr zurückzulegen, ereignete sich ein Glücksfall in der Familie.

Ein Lord Halifax, welcher ohne Zweifel in einer seiner aristokratischen Anwandlungen Emmas Mutter noch schön gefunden, schickte ihr eine kleine Summe, wovon ein Theil für sie selbst und das Uebrige für die Erziehung ihres Kindes bestimmt war.

Emma erinnerte sich, daß sie nun in eine Pensionsschule für junge Mädchen gebracht ward, deren gleichförmige Bekleidung in einem Strohhut, einem himmelblauen Kleid und einer schwarzen Schürze bestand.

In dieser Pensionsschule blieb sie zwei Jahre, lernte hier lesen und schreiben und studierte die ersten Elemente der Musik und des Zeichnens, in welchen Künsten sie in Folge ihrer bewunderungswürdigen Naturanlagen rasche Fortschritte machte, als eines Morgens ihre Mutter kam, um sie wieder abzuholen.

Lord Halifax war gestorben und hatte vergessen, seine beiden Schützlinge in seinem Testament zu bedenken.

Emma konnte daher nicht mehr in der Pensionsschule bleiben, sondern mußte sich entschließen, als Kinderwärterin in die Dienste eines gewissen Thomas Hawarden zu treten, dessen Tochter als junge Witwe gestorben war und drei verwaiste Kinder hinterlassen hatte.

Eine Begegnung, welche sie, während sie mit den Kindern am Strande des Meeres spazieren ging, machte, entschied über ihr Leben.

Eine berühmte Courtiane von London, Miß Arabell genannt, und ein sehr talentvoller Maler, ihr damalige Liebhaber, waren stehen geblieben, der Maler, um ein Bäuerin aus dem Fürstenthurm Wales zu skizzieren, um Miß Arabella, um ihm dabei zuzusehen.

Die Kinder, welche Emma führte, näherten sich neu gierig und stellten sich auf die Fußspitzen, um zu sehen, was der Maler machte.

Emma folgte ihnen. Der Maler drehte sich um, erblickt sie und stieß einen Ruf der Ueberraschung aus.

Emma zählte jetzt dreizehn Jahre und niemals hat der Maler etwas so Schönes gesehen.

Er fragte, wer sie wäre, was sie mache.

Die Schulbildung, welche Emma Lyonna erhalten befähigte sie, diese Fragen mit einer gewissen Eleganz zu beantworten.

Er erkundigte sich, wie viel sie mit der Abwartung dieser Kinder verdiene. Sie antwortete, sie bekäme dafür Kleider, Wohnung und Kost und außerdem monatlich zehn Schillinge.

»Kommen Sie nach London,« sagte der Maler zu ihr »und ich gebe Ihnen fünf Guineen für jedes Mal, wo Sie sich dazu verstehen werden, sich von mir skizzieren zu lassen.

Und er reichte ihr eine Karte, auf welcher die Wort standen: »Edward Romney, Cavendish Square Nr. 8.«

Gleichzeitig zog Miß Arabella aus ihrem Gürtel ein kleine Börse, welche einige Goldstücke enthielt, und bot sie ihr.

Emma erröthete, ergriff die Karte, steckte dieselbe in ihr Mieder, die Börse wies sie instinctartig zurück.

Da Miß Arabella auf ihrem Anerbieten beharrte und sagte, sie solle dieses Geld zur Bestreitung der Kosten ihrer Reise nach London verwenden, so sagte Emma:

»Ich danke Ihnen, Madame. Wenn ich nach London reise, so kann ich es mit den kleinen Ersparnissen thun, welche ich bereits gemacht und ferner machen werde.«

»Von Ihren zehn Schillingen monatlich?« fragte Miß Arabella lachend.

»Ja, Madame,« antwortete das junge Mädchen naiv.

Dabei hatte es vor der Hand sein Bewenden.

Einige Monate später kam Mr. Hawardens Sohn, Mr. James Hawarden, ein berühmter Wundarzt in London, auf Besuch zu seinem Vater. Auch er ward von Emma's Schönheit betroffen und war während der ganzen Zeit, die er in der kleinen Stadt Flint blieb, gut und liebreich gegen sie, nur forderte er nicht, wie Romney, sie auf, nach London zu kommen.

Nachdem er drei Wochen bei seinem Vater zugebracht, reiste er wieder ab und ließ zwei Guineen für die kleine Kinderwärterin zur Belohnung für die Sorgfalt zurück, womit sie eine Neffen abwarte. Emma nahm das Geld ohne Widerstreben.

Sie hatte eine Freundin. Diese Freundin hieß Fanny Strong und hatte ihrerseits einen Bruder, welcher Richard hieß.

Emma hatte nie darnach gefragt, was ihre Freundin triebe, obschon dieselbe besser gekleidet war, als ihre Vermögensumstände zu erlauben schienen. Ohne Zweifel glaubte sie, Fanny werde von ihrem Bruder unterstützt, der für einen Schleichhändler galt.

Eines Tages, als Emma – sie zählte damals ziemlich vierzehn Jahre – vor dem Kaufladen eines Glashändlers stehen geblieben war, um sich in einem großen Spiegel zu betrachten, welcher dem Laden als Schaufenster diente, fühlte sie sich plötzlich an der Schulter berührt. Es war ihre Freundin Fanny Strong, die sie auf diese Weise aus ihrer Extase aufrüttelte.

»Was machst Du da?« fragte Fanny.

Emma erröthete, ohne zu antworten. Wenn sie die Wahrheit hätte sagen wollen, so hätte sie antworten müssen:

»Ich betrachtete mich und fand mich schön.«

Fanny Strong bedurfte aber gar keiner Antwort, um zu wissen, was in Emma's Herzen vorging.

»Ach,« sagte sie, »wenn ich so hübsch wäre wie Du, so bliebe ich nicht lange in diesem abscheulichen Lande.«

»Wo würdest Du denn hingehen?« fragte Emma.

»Ich ginge nach London. Alle Welt sagt, daß man mit einem hübschen Gesicht in London sein Glück machen kann. Geh hin und wenn Du Millionärin geworden bist, so machst Du mich zu deinem Kammermädchen.«

»Wollen wir zusammen hingehen?« fragte Emma Lyonna.

»Ich ginge sehr gern mit, aber wie soll ich es möglich machen? Ich habe nicht sechs Pence im Vermögen und ich glaube auch nicht, daß mein Bruder Dick jetzt viel reicher ist als ich.«

»Ich,« sagte Emma, »ich habe beinahe vier Guineen.«

»Ach, das ist ja mehr, als wir – Du, ich und Dick – alle drei brauchen!« rief Fanny.

Und die Reise ward beschlossen.

Am nächsten Montag fuhren die drei Flüchtlinge, ohne einem Menschen etwas zu sagen, von Chester mit der Personenpost nach London.

Als sie an dem Bureau, wo die Personenpost von Chester Halt machte, ankamen, theilte Emma die zweiundzwanzig Schilling, die sie von ihrem Geld noch übrig hatte, mit Fanny.

Fanny Strong und ihr Bruder hatten die Adresse einer Herberge, wo gewöhnlich Schmuggler verkehrten. Diese Herberge befand sich in der kleinen Villiers Street, die einerseits an die Themse und andererseits an den Strand stößt.

Emma ließ Dick und Fanny dieses Quartier aufsuchen, sie selbst nahm eine Droschke und ließ sich nach Cavendish Square Nr. 8 bringen.

Edward Romney war abwesend. Man wußte auch nicht, wo er war, oder wann er wiederkommen würde. Man glaubte, er sei in Frankreich, und erwartete ihn nicht eher als nach etwa zwei Monaten zurück.

Emma war wie betäubt; an diese so natürliche Möglichkeit, daß Romney nicht da sei, hatte sie gar nicht einmal gedacht.

Plötzlich fiel ihr etwas ein. Sie dachte an Mr. James Hawarden, den berühmten Wundarzt, welcher, als er das Haus seines Vaters verlassen, ihr so freundlich die zwei Guineen geschenkt, welche dazu gedient, den größern Theil der Reisekosten zu bestreiten.

Er hatte ihr eine Adresse nicht gegeben; sie hatte aber zwei- oder dreimal die Briefe, die er an seine Frau geschriehen, auf die Post getragen.

Er wohnte Leicester Square Nr. 4.

Sie stieg wieder in den Miethwagen, ließ sich nach Leicester Square, was von Cavendish Square gar nicht weit entfernt ist, bringen und pochte zitternd an die Thür.

Der Arzt war zu Hause.

Sie fand den würdigen Mann ganz so, wie sie gehofft. Sie sagte ihm Alles und er hatte Mitleid mit ihr, versprach, ihr ein Unterkommen zu verschaffen, und nahm sie mittlerweile in sein eigenes Haus auf, ließ sie an einem Tische Platz nehmen und gab sie einer Frau zur Gesellschafterin.

Eines Morgens theilte er ihr mit, er habe für sie einen Platz in einem der ersten Bijouterieläden von London gefunden; am Vorabend des Tages aber, wo Emma diesen Dienst antreten sollte, wollte er ihr erst noch das Vergnügen machen, sie ins Theater zu führen.

Als im Theater von Drury Lane der Vorhang vor ihr aufging, zeigte sich ihr eine unbekannte Welt.

Man gab »Romeo und Julie,« jenen Liebestraum, der in keiner Sprache seinesgleichen hat.

Geblendet und berauscht kehrte Emma nach Hause zurück. Die ganze Nacht schlief sie nicht eine Secunde, sondern versuchte fortwährend sich einige Bruchstücke der beiden wunderbaren Balconscenen ins Gedächtniß zurückzurufen.

Am nächstfolgenden Tage trat sie ihren Dienst an, vorher aber fragte sie Mr. Hawarden, wo sie das Stück, welches sie am Abend vorher aufführen gesehen, zu kaufen bekommen könne.

Mr. Hawarden ging in seine Bibliothek, nahm hier eine vollständige Ausgabe von Shakespeare vom Brette und schenkte ihr dieselbe.

Ehe noch drei Tage um waren, wußte sie Julia's Rolle auswendig. Sie dachte nach, auf welche Weise sie noch einmal in das Theater gelangen und sich zum zweiten Mal in dem süßen Gift berauschen könne, welches in der magischen Mischung von Liebe und Poesie besteht.

Sie wollte um jeden Preis in jene bezauberte Welt zurückkehren, welche sie nur erst flüchtig gesehen, als plötzlich eine prachtvolle Equipage vor der Thür des Magazins Halt machte.

Eine Dame stieg aus und trat mit jenem gebieterischen Schritt ein, welcher dem Reichthum eigen zu sein pflegt.

Emma stieß einen Ruf der Ueberraschung aus. Sie hatte Miß Arabella erkannt.

Miß Arabella erkannte ihrerseits Emma auch wieder, sagte aber nichts, sondern kaufte für sieben- oder achthundert Pfund Sterling Schmucksachen und ersuchte den Verkäufer, ihr dieselben durch seine neue Ladendemoiselle zuzusenden, indem sie zugleich die Stunde nannte, zu welcher sie wieder nach Hause zurückgekehrt sein würde.

Die neue Ladendemoiselle war Emma.

Zur bestimmten Stunde ließ man sie mit den Schmucksachen in einen Wagen steigen und schickte sie nach Miß Arabella's Hotel.

Die schöne Courtisane erwartete sie. Ihr Glück hatte jetzt die Mittagshöhe erreicht. Sie war die Maitresse des Prinz-Regenten, der damals kaum siebzehn Jahre zählte.

Sie ließ sich von Emma Alles erzählen und fragte sie dann, ob sie bis zu Romneys Rückkehr nicht lieber bei ihr bleiben und ihr die Zeit vertreiben helfen, als wieder in den Kaufladen zurückkehren wollte.

Emma stellte nur eine Frage, nämlich die, ob es ihr erlaubt sein würde, ins Theater zu gehen.

Miß Arabella antwortete ihr, daß alle Tage, wo sie nicht selbst hineinginge, ihre Loge zur Verfügung ihrer Gesellschafterin stünde.

Dann sendete sie die Zahlung für die Schmucksachen und ließ sagen, daß sie Emma bei sich behielte.

Der Juwelier, welcher Miß Arabella als eine seiner besten Kunden betrachtete, hütete sich wohl, sich wegen einer solchen Kleinigkeit mit ihr zu veruneinigen.

In Folge welcher seltsamen Laune faßte aber die damals die flotte Männerwelt beherrschende Courtisane diesen unklugen, unbegreiflichen Wunsch, dieses schöne junge Wesen in ihrer Nähe zu haben?

Miß Arabellas Feinde – und ihr glänzendes Glück hatte ihr deren viele gemacht – gaben für diese Laune eine Erklärung an, welche die in eine Sappho verwandelte englische Phryne sich nicht einmal die Mühe nahm in Abrede zu stellen.

Zwei Monate lang blieb Emma bei der schönen Courtiane, las alle Romane, welche ihr in die Hände fielen, besuchte alle Theater und wiederholte, in ihr Zimmer zurückgekehrt, alle Rollen, die sie gehört, und ahmte alle Ballets nach, welchen sie beigewohnt.

 

Was für Andere blos eine Erholung war, ward für sie eine Beschäftigung aller Stunden.

Sie hatte nun ziemlich ihr fünfzehntes Jahr erreicht und stand in der ganzen Blüthe ihrer Jugend und Schönheit.

Ihre schlanke, harmonische Gestalt schmiegte sich allen Stellungen an und leistete durch ihre natürlichen Undulationen dasselbe, was die geschicktesten Tänzerinnen erst mühsam erlernt hatten.

Was ihr Gesicht betraf, welches trotz der Wechselfälle ihres Lebens immer noch die makellosen Farben der Kindheit und den jungfräulichen Sammethauch der Keuschheit, zugleich aber auch die ausdrucksvollste Beweglichkeit besaß, so war es eine namentlich in der Stimmung der Freude geradezu blendende Erscheinung. Es war als ob die Offenheit der Seele durch die Reinheit der Züge hindurchleuchtete, so daß ein großer Dichter unserer Zeit, um nicht diesen himmlischen Spiegel zu trüben, in Bezug auf ihren ersten Fehltritt sagt:

»Ihr Fall hatte seinen Entstehungsgrund nicht im Laster, sondern in Unklugheit und Herzensgüte.«

Der Krieg, welchen England damals gegen die amerikanischen Colonien führte, war im lebhaftesten Gange und die Matrosenpresse ward mit aller Strenge gehandhabt. Richard, Fannys Bruder, ward, um uns des geheiligten Ausdrucks zu bedienen, gepreßt und wider Willen zum Seemann gemacht.

Fanny kam herbeigeeilt, um den Beistand ihrer Freundin zu erbitten. Sie fand dieselbe so schön, daß sie überzeugt war, es könne Niemand ihrer Bitte widerstehen, und Emma ward deshalb aufgefordert, ihre Verführungskunst an dem Admiral John Payne zu erproben.

Emma willigte ein. Sie kleidete sich so elegant sie vermochte und ging mit ihrer Freundin zu dem Admiral. Sie erlangte, was sie begehrte, aber der Admiral begehrte ebenfalls und Emma bezahlte Dicks Freiheit, wenn auch nicht mit ihrer Liebe, doch wenigstens mit ihrer Dankbarkeit.

Emma Lyonna hatte nun, als Maitresse des Admiral Payne, ein eigenes Haus, eigene Dienerschaft, eigene Equipage.

Dieses Glück besaß aber nicht blos den Glanz eines Meteors, sondern auch die kurze Dauer desselben. Das Geschwader ging in See und Emma sah das Schiff ihres Geliebten, indem es am Horizont verschwand, sie aller ihrer goldenen Träume berauben.

Emma war aber nicht das Wesen, welches sich wie Dido um eines flatterhaften Aeneas willen das Leben nahm.

Ein Freund des Admirals, Sir Harry Fatherson, ein reicher schöner Gentleman, machte Emma das Anerbieten, sie in der Stellung, worin er sie gefunden, auch ferner zu erhalten.

Emma hatte nun den ersten Schritt auf der glänzenden Bahn des Lasters zurückgelegt. Sie nahm das ihr gemachte Anerbieten an und ward während einer ganzen Saison die Königin der Jagden, der Feste und der Tänze.

Als aber die Saison vorüber war, gerieth sie, von ihrem zweiten Liebhaber verlassen, allmälig in solches Elend, daß sie keine andere Hilfsquelle hatte, als das Troittoir von Haymarket, das schlimmste aller Trottoirs für die armen Geschöpfe, welche den Vorübergehenden ihre Liebe anbieten.

Zum Glücke führte die Kupplerin, an welche sie sich gewendet, um das Handwerk einer öffentlich Prostituierten zu treiben, betroffen von der distinguierten Miene und der Bescheidenheit ihrer Kostgängerin, anstatt sie zu demselben Zwecke zu verwenden wie ihre Genossinnen, sie zu einem berühmten Arzte, welcher ihr Haus oft zu besuchen pflegte.

Es war dies der bekannte Doctor Graham, eine Art mystischer, wollüstiger Charlatan, welcher sich vor der Jugend Londons zu der materiellen Religion der Schönheit bekannte.

Emma erschien vor ihm. Seine Venus Altarte war unter den Zügen der keuschen Venus gefunden.

Er bezahlte diesen Schatz theuer, für ihn aber konnte dieser Schatz keinen zu hohen Werth haben. Nachdem er in Emma's Besitz gelangt, legte er sie auf das Bett Apollos, bedeckte sie mit einem Schleier, der durchsichtiger war als das Netz, in welchem Vulcan seine Venus vor den Augen des Olymps gefangen gehalten, und verkündete in allen Journalen, daß er endlich jenes einzige und erhabenste Exemplar von Schönheit besitze, welches ihm bis jetzt gemangelt, um seinen Theorien den Sieg zu verschaffen.

Auf diesen an die Wollust und die Wissenschaft erlassenen Aufruf eilten alle Anhänger jener großen Religion der Liebe, die ihren Cultus über die ganze Welt ausdehnt, in das Cabinet des Doctors Graham.

Der Triumph war ein vollständiger. Weder die Malerei noch die Bildhauerkunst hatten jemals ein solches Meisterwerk hervorgebracht. Apelles und Phidias waren besiegt.

Die Maler und die Bildhauer drängten sich herbei Romney, der mittlerweile nach London zurückgekehrt war, kam wie die Andern und erkannte das junge Mädchen aus der Grafschaft Flint.

Er malte sie in allen Gestalten – als Ariadne, als Bacchantin, als Leda, als Armida und wir besitzen in der kaiserlichen Bibliothek eine Sammlung von Kupferstichen, welche diese Zauberin in allen wollüstigen Attitüden darstellen, welche das sinnliche Alterthum erfand.

Damals geschah es, daß, durch die Neugier angelockt, der junge Sir Charles Grenville, aus der berühmten Familie jenes Warwick, den man den Königsmacher nannte, und Neffe von Sir William Hamilton, Emma Lyonna sah, und durch ihre vollkommene Schönheit verblendet, sich leidenschaftlich in sie verliebte.

Er machte ihr die glänzendsten Versprechungen. Sie behauptete jedoch, durch das Band der Dankbarkeit an den Doctor Graham gefesselt zu sein, und widerstand allen Verführungskünsten, indem sie erklärte, daß sie diesmal ihren Liebhaber nur verlassen würde, um einem Gatten zu folgen.

Sir Charles gab ein Wort als Edelmann, Emma Lyonna's Gatte zu werden, sobald er das Alter der Mündigkeit erreicht hätte.

Mittlerweile willigte Emma in eine Entführung. Die Liebenden lebten in der That wie Mann und Frau und es wurden drei Kinder geboren, welche späterhin durch ein Ehebündniß legitimiert werden sollten.

Während dieses Verhältnisses verlor aber Grenville in Folge eines Ministerwechsels ein Amt, von welchem der größte Theil seiner Einkünfte abhing.

Dieses Ereigniß trat glücklicherweise ein, nachdem drei Jahre nach Emma's Entführung vergangen waren, und als sie mit Hilfe der besten Lehrer in London in der Musik und im Zeichnen bedeutende Fortschritte gemacht hatte.

Ueberdies hatte sie, während sie sich in ihrer eigenen Sprache vervollkommnete, französisch und italienisch gelernt.

Sie declamierte Verse so gut wie Mistreß Siddons und hatte es in der Kunst der Pantomime zu einem hohen Grade der Vollkommenheit gebracht.

Trotz des Verlustes seines Amtes hatte Grenville sich doch nicht entschließen können, seine Ausgaben einzuschränken. Er schrieb blos an seinen Onkel, um Geld von ihm zu verlangen.

Anfangs erfüllte auch sein Onkel jeden dieser Wünsche, endlich aber antwortete Sir William Hamilton, er gedenke in Kurzem selbst nach London zu kommen und werde diese Reise benutzen, um die Angelegenheiten seines Neffen zu studieren.

Dieses Wort »studieren« erschreckte die jungen Leute nicht wenig. Sie wünschten Sir Williams Ankunft vielleicht eben so sehr herbei, als sie dieselbe fürchteten.

Plötzlich trat er bei ihnen ein, ohne sie vorher von seiner Ankunft benachrichtigt zu haben.

Er war schon seit acht Tagen in London.

Diese acht Tage hatte er angewendet, um Erkundigungen über seinen Neffen einzuziehen, und die Leute, an welche er sich deshalb gewendet, hatten nicht verfehlt, ihm zu sagen, daß die Ursache der zerrütteten Finanzen seines Neffen eine Prostituierte sei, die ihm drei Kinder geboren habe.

Emma zog sich in ihr Zimmer zurück und ließ ihren Liebhaber allein mit ihrem Onkel, der ihm keine andere Wahl ließ, entweder auf Emma Lyonna sofort zu verzichten oder der Erbschaft zu entsagen, welche künftig eine einzige Zuflucht und sein alleiniges Vermögen war.

Dann entfernte er sich, indem er seinem Neffen drei Tage Bedenkzeit gab.

Die ganze Hoffnung der jungen Leute beruhte fortan auf Emma. An ihr war es, von Sir William Hamilton Verzeihung für ihren Geliebten zu erlangen, indem sie Exstrem zeigte, wie sehr Letzterer zu entschuldigen sei.

Anstatt sich ihrem neuen Stand gemäß zu kleiden, legte sie wieder das Costüm ihrer Jugend, den Strohhut und das grobe leinene Röckchen an.

Ihre Thränen, ihr Lächeln, das Spiel ihrer Physiognomie, ihre Liebkosungen und ihre Stimme sollten das Uebrige thun.