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La San Felice

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Neuntes Capitel.
Die Goelette »der Renner«

Drei Monate waren seit den soeben erzählten Ereignissen verflossen. Vieles hatte sich in Neapel geändert. Die englische Flotte war fort und der Cardinal Ruffo hatte sich ebenfalls entfernt, nachdem er seine Armee aufgelöst und seine Vollmachten zurückgegeben, um nach Venedig zu gehen und als einfacher Cardinal im Conclave Pius dem Sechsten einen Nachfolger zu geben.

Eine der wichtigsten Veränderungen war die Ernennung des Fürsten von Cassero Statella zum Vicekönig von Neapel und die des Marquis Malaspina zum zweiten Geheimsecretär.

Da die Restauration des Königs Ferdinand von nun an gesichert war, so wurden die Belohnungen ausgeheilt.

Für Nelson noch mehr zu thun, als man bereits gethan, war beinahe unmöglich. Er hatte den Degen Philipps des Fünften, er war Herzog von Bronte, er bezog von seinem Herzogthum fünfundsiebzigtausend Livres Rente.

Der Cardinal Ruffo erhielt eine Leibrente von fünfzehntausend Ducati oder fünfundsechzigtausend Francs von den Einkünften von San Giorgio la Malara, einem Lehen des Fürsten von Riccia, welches in Ermanglung von Erben der Regierung anheimgefallen war.

Der Herzog von Baranello, ältester Bruder des Cardinals, bekam die Abtei San Sofia Benevento, eine der reichten des Königreiches.

Francesco Ruffo, der seinen Bruder zum Kriegsinspector ernannt – derselbe, den wir von Nelson halb als Boten, halb als Geißel an den Hof von Palermo schicken gesehen – erhielt eine lebenslängliche Pension von dreitausend Ducati.

Der General Micheroux ward zum Marschall ernannt und erhielt einen diplomatischen Vertrauensposten.

Cesare, der falsche Herzog von Calabrien, bekam dreitausend Ducati Rente und ward zum General ernannt.

Fra Diavolo ward Oberst und Herzog von Cassano.

Pronio, Mammone und Sciarpa wurden zu Obersten und Baronen ernannt, erhielten Pensionen und Landgüter und wurden mit dem Orden des heiligen Georg decorirt.

Ueberdies stiftete man zur Belohnung der Dienste einen neuen Orden, welcher den Namen: »Orden des heiligen Ferdinand und des Verdienstes bekam und die Devise führte: Fidei et Merito.

Nelson war der erste Ritter dieses Ordens, denn den des heiligen Januarius, den ersten des Staates, konnte man ihm als einem Ketzer nicht geben.

Endlich nachdem Ferdinand die ganze Welt belohnt, meinte er, es sei nicht mehr als recht, daß er sich auch selbst belohne.

Er ließ deshalb Canova von Rom kommen und befahl ihm – die Sache ist wirklich so seltsam, daß wir zögern sie zu erzählen, weil wir fürchten müssen, daß man uns nicht glaube, – und befahl ihm, seine eigene Statue als Minerva zu fertigen.

Sechzig Jahre lang sah man das groteske kolossale Meisterwerk in einer Nische über den ersten Stufen der großen Treppe des bourbonischen Museums, wo sie noch stehen würde, wenn ich zur Zeit meiner Ernennung zum Honorardirector der schönen Künste sie nicht von diesem Standpunkt hätte entfernen lassen, nicht weil es eine lächerliche Reproduction Ferdinands, sondern weil es ein Flecken für den Genius des größten Bildhauers Italiens und ein Beweis von der Erniedrigung war, zu welcher der Meißel eines Künstler herabsteigen kann, welcher, wenn er nur einen Grad von Selbstachtung besessen, sich gewiß nicht dazu verstanden hätte, sein Talent durch Ausführung einer solchen Caricatur zu prostituieren.

Hierzu kam, daß, da die neapolitanische Dynastie einmal im glücklichen Zuge war, die schöne melancholische Erzherzogin, welche wir auf der königlichen Galeere gesehen, nachdem sie kurz zuvor jene Tochter geboren, die, wie wir ebenfalls bereits bemerkt, später einmal die Herzogin von Berry werden sollte, im Monat Februar oder März 1800 wieder in gesegneten Umständen war.

Trotz aller von uns erzählten Ereignisse, welche nachtheilig auf ihre Schwangerschaft hätten einwirken können, war diese glücklich bis zum neunten Monate gediehen, so daß man blos auf ihre Entbindung wartete, um, besonders wenn sie einen Prinzen zur Welt brächte, in Palermo eine Reihe von Festen zu veranstalten, welche der doppelten Veranlassung, welche den Grund dazu gegeben, würdig wären.

Auch noch eine andere Frau sah, freilich nicht in einem Palast und nicht von Sammt und Seite umgeben, sondern auf dem Stroh des Kerkers, einer verhängnißvollen und tödtlichen Entbindung entgegen, denn sie sollte dieselbe nicht lange überleben.

Diese andere Frau war die unglückliche Molina Luisa San Felice, welche, wie wir gehört, von ihrem Gatten für schwanger erklärt worden und auf Befehl des in seiner Rache hartnäckigen Königs Ferdinand nach Palermo geführt und einer ärztlichen Untersuchung unterzogen worden, bei welcher sich die Schwangerschaft als unzweifelhaft herausgestellt hatte.

Der König aber, der selbst für das Mitleid so wenig zugänglich war, hatte seinen eigenen Arzt Antonio Villari rufen lassen und ihm unter Androhung der härtesten Strafe befohlen, ihm über den Zustand der Gefangenen die Wahrheit zu sagen.

Antonio Villari erkannte eben so wie seine Collegen die Schwangerschaft, und versicherte sie dem König auf Ehre und Gewissen.

Nun erkundigte der König sich genau, von welcher Zeit an wohl die Schwangerschaft datiere, um zu wissen, wann, nachdem das Kind geboren worden, man die Mutter dem Henker überantworten könne.

Zum Glück war sie gerichtet und verurtheilt und konnte noch an demselben Tage, wo das Kind, das bis jetzt ihr Schutz war, ihrem Leibe entrissen sein würde, ohne weiteren Aufschub hingerichtet werden.

Ferdinand gab seinen eigenen Arzt Antonio Villardem Dienste der Gefangenen bei und wollte, damit Niemand seine Rachepläne durchkreuze, nicht blos zuerst, sondern auch allein von der stattgehabten Entbindung in Kenntniß gesetzt werden.

Diese beiden Entbindungen, die der Prinzessin, welche dem Thron einen Erben, und die der Verurtheilten, welche dem Henker ein Schlachtopfer schenken sollte, standen binnen wenigen Wochen nacheinander zu erwarten und zwar so, daß die der Prinzessin der der Verurtheilten voranging.

Dieser Umstand war es, auf welchen den Chevalier San Felice seine letzte Hoffnung gebaut hatte.

In der That war er, nachdem er seine barmherzige Mission in Neapel erfüllt, nachdem er durch seine Erklärung vor dem Tribunal und durch seine Achtung vor der Gefangenen die Ehre des Weibes sichergestellt, wieder nach Palermo zurückgekehrt, um bei dem Herzog von Calabrien, welcher den Palast des Senats bewohnte, seinen gewohnten Posten wieder aufgenommen.

Noch am Tage seiner Ankunft, und als er noch zögerte, vor dem Prinzen zu erscheinen, ließ dieser ihn rufen, reichte ihm die Hand, welche der Chevalier küßte, und sagte:

»Mein lieber San Felice, Sie haben mich um die Erlaubniß gebeten, nach Neapel zu reisen, und ohne Sie zu fragen, was Sie dort zu thun hätten, habe ich Ihnen diese Erlaubniß gegeben. Gegenwärtig haben sich verschiedene Gerüchte, wahre oder falsche, über die Ursache Ihrer Reise verbreitet. Nicht als Fürst, sondern als Freund erwarte ich, von Ihnen von dem, was Sie dort gemacht haben, unterrichtet zu werden. Ich habe Sie sehr lieb, das wissen Sie, und an dem Tage, wo ich Ihnen einen großen Dienst werde leisten können, werde ich der glücklichste Mensch von der Welt sein, ohne deswegen zu glauben, daß ich mich meiner Schuld gegen Sie entledigt habe.«

Der Chevalier wollte sich auf ein Knie niederlassen, der Prinz wehrte es ihm aber, schloß ihn in seine Arme und drückte ihn an sein Herz.

Nun erzählte der Chevalier Alles, seine Freundschaft gegen den Fürsten Caramanico, das Versprechen, welches er demselben an seinem Sterbebett gegeben, seine Vermälung mit Luisa; kurz, er erzählte ihm Alles, ausgenommen Luisas Geständnisse, so daß in den Augen des Prinzen die Vaterschaft des Chevaliers keinem Zweifel unterworfen sein konnte.

Der Chevalier endete damit, daß er Luisas politische Unschuld betheuerte und den Prinzen bat, ihre Begnadigung auszuwirken.

Der Prinz dachte einen Augenblick nach. Er kannte den grausamen rachsüchtigen Charakter seines Vaters; er wußte, welchen Schwur dieser gethan und wie schwer es sein würde, ihn von diesem Schwur zurückzubringen.

Plötzlich aber durchzuckte ein leuchtender Gedanke sein Hirn.

»Erwarten Sie mich hier, sagte er zu dem Chevalier.

»In einer Angelegenheit von dieser Bedeutung muß ich meine Gemahlin zu Rathe ziehen und diese ist überdies eine sehr gute Rathgeberin.«

Mit diesen Worten ging er in das Schlafzimmer der Prinzessin.

Fünf Minuten später öffnete sich die Thür wieder und der Prinz rief, den Kopf durch die Oeffnung steckend, den Chevalier hinein.

In dem Augenblick, wo die Thür des Schlafzimmers der Prinzessin sich hinter San Felice schloß, steuerte eine kleine Goelette, welche durch die Höhe und Biegsamkeit ihrer Masten amerikanische Bauart verrieth, um den Berg Pelegrino, folgte dem langen Hafendamm des Schlosses des Molo, welcher mit der Batterie endet, fuhr mit derselben Leichtigkeit, wie in unseren Tagen ein Dampfschiff zu thun pflegt, zwischen den englischen Kriegsschiffen und den Kauffahrteischiffen aller Länder, welche den Hafen von Palermo füllten, hindurch und ging eine halbe Kabellänge vor dem seit langer Zeit in ein Staatsgefängniß verwandelten Schlosse Castellamare vor Anker.

Wenn das Merkmal, an welchem man, wie wir gesagt, die Nationalität des kleinen Schiffes erkennen konnte, für wenig geübte Augen nicht hinreichend gewesen wäre, so hätte doch die sich an der Spitze des großen Mastes entfaltende Flagge, auf welcher man die Sterne der amerikanischen Union erblickte, bestätigt, daß es auf dem von Christoph Columbus entdeckten Boden gebaut war und daß es, so gebrechlich es auch zu sein schien, kühn und glücklich das atlantische Meer überschifft hatte, gerade wie ein Dreidecker oder eine Fregatte.

Sein mit goldenen Buchstaben am Spiegel angeschriebener Name »The Runner«, das heißt »der Renner«, verrieth, daß es einen Namen seinem Verdienst gemäß, aber nicht von der Laune eines Eigenthümers erhalten hatte.

 

Kaum war der Anker geworfen, so sah man das Quarantänenboot mit Beobachtung der gewohnten Formalitäten und Vorsichtsmaßregeln auf den »Renner« zusteuern, und dann wurden die herkömmlichen Fragen und Antworten gewechselt.

»Goelette, ahoi!« rief man; »wo kommt Ihr her?«

»Von Malta.«

»Direct?«

»Nein, wir sind in Marsala angelaufen.«

»Zeigt euer Patent.«

Der Capitän, welcher alle diese Fragen auf italienisch, aber mit sehr hörbarem Yankee-Accent beantwortete, reichte das verlangte Papier dar, welches man ihm mit einer Zange aus den Händen nahm und welches, nachdem man es gelesen, ihm auf dieselbe Weise zurückgegeben ward.

»Gut,« sagte der Beamte, »Ihr könnt in das Boot steigen und mit uns nach der Quarantäne kommen.«

Der Capitän ließ eines seiner Boote aussetzen, nahm vier Ruderer mit und passierte, von dem Quarantäneboot begleitet, die ganze Rhede, um das auf der andern Seite des Hafens liegende Quarantänegebäude, die Salute genannt, zu erreichen.

Zehntes Capitel.
Die Nachrichten, welche die Goelette »der Renner« mitbrachte

Noch am Abend des Tages, wo wir den Chevalier San Felice in das Schlafzimmer der Herzogin von Calabrien gehen und den Capitän der Goelette »der Renner« sich nach der Salute haben begeben sehen, war die ganze königliche Familie bei der Sicilien in demselben Zimmer des Palastes versammelt, wo wir gesehen haben, wie Ferdinand mit dem Präsidenten Cardillo seine Partie Reversis machte, wie Emma Lyonna dem Bankier an Pharotische mit Händen voll Gold die Spitze bot, und die Königin, mit den jungen Prinzessinnen in einen Winkel zurückgezogen, die Fahne stickte, welche der treue und kluge Lamarra dem Cardinal Ruffo überbringen sollte.

Nichts hatte sich verändert. Der König spielte immer noch Reversis; der Präsident Cardillo riß sich immer noch die Knöpfe ab; Emma Lyonna bedeckte den Tisch immer noch mit Gold, während sie zugleich leise mit dem auf ihren Sessel sich stützenden Nelson plauderte, und die Königin und die Prinzessinnen stickten allerdings nicht mehr eine Fahne für den Cardinal, wohl aber ein Danksagungsbanner für die heilige Rosalie, diese sanfte Jungfrau, deren Namen man zu besudeln versuchte, indem man sie zur Beschützerin dieses Thrones machte, welcher jetzt im Begriff stand, sich wieder durch Blut zu befestigen.

Dennoch aber hatten sich seit dem Tage, wo wir unsere Leser zum ersten Mal in dieses selbe Zimmer einführten, die Dinge bedeutend geändert.

Aus einem Verbannten und Besiegten war Ferdinand, Dank dem Cardinal, ein Eroberer und Sieger geworden. Auch wäre die Ruhe dieses majestätischen Antlitzes, welches Canova, wie wir bereits erwähnt, beschäftigt war als Minerva, nicht aus dem Haupte des Jupiter, sondern aus einem herrlichen Marmorblock von Carrara springen zu lassen, noch ganz dieselbe gewesen, wenn nicht einige soeben aus Frankreich eingetroffene Nummern des »Moniteur republicain« ihren Schatten auf die neue Aera geworfen hätten, in welche das sicilische Königthum eintrat.

Die Russen waren nämlich durch Massena bei Zürich und die Engländer durch Brune bei Allmacker geschlagen worden. Die Engländer hatten sich genöthigt gesehen, sich wieder einzuschiffen und Suwarow, welcher zehntausend Mann auf dem Schlachtfelde zurückließ, war nur dadurch entronnen, daß er einen Abgrund, auf dessen Boden die Reuß strömte, auf zwei mit den Gürteln seiner Officiere aneinandergebundenen Fichtenstämmen überschritt und dann, nachdem er den Abgrund passiert, die Brücke, auf welcher er ihn überschritten, in die Tiefe hinabschleudern ließ.

Ferdinand hatte sich mitten unter dem Aerger, welchen diese Nachrichten ihm verursachten, einige Minuten Vergnügen gemacht und zwar dadurch, daß er Nelson mit der Wiedereinschiffung der Engländer und Bailly mit der Flucht Suwarow’s neckte.

Was sollte man hierauf einem Manne entgegnen, der unter gleichen Umständen sich auf so grausame und zugleich so lustige Weise selbst verspottet hatte?

Nelson begnügte sich deshalb blos auf die Lippen zu beißen und Bailly, welcher Irländer, aber von französischer Abkunft war, empfand über die Schlappe, welche die Truppen des Czaar Paul des Ersten davongetragen, nicht allzugroßes Bedauern.

Allerdings war in dem Stande der Angelegenheiten, welche Ferdinand direct interessierten, das heißt an den Angelegenheiten Italiens, nichts geändert. Oesterreich stand in Folge seiner Siege in Deutschland und Italien am Fuße der Alpen, und der Var, die alte französische Grenze, war bedroht.

Hierzu kam, daß Rom und das römische Gebiet durch Burkard und Pronio, die beiden Generale Seiner sicilichen Majestät wiedererobert worden, und daß kraft des zwischen dem General Burkard, Commandanten der neapolitanischen Truppen, der die britischen Truppen commandierende Commodore Truebridge und der Commandant der französischen Truppen General Garnier unterzeichneten Vertrages letztere mit allen Kriegsehren abziehen, aber bis zum 4. Oktober die römischen Staaten verlassen haben sollten.

In Allem diesen gab es, wie der König Ferdinand jagte, »zu essen und zu trinken.« Dann warf er mit seiner neapolitanischen Sorglosigkeit das bekannte Sprichwort, welches die Neapolitaner noch öfter in moralischem als in physischem Sinne anwenden: »Nun, was nicht erstickt, wird fett,« in die Luft, auf die Gefahr hin, daß es ihm wieder auf die Nase fiele.

Seine Majestät machte daher, ohne sich sehr durch die Ereignisse beunruhigen zu lassen, welche in der Schweiz und in Holland vor sich gingen, und sehr ruhig in Bezug auf die, welche in Italien geschehen waren, noch geschahen und geschehen sollten, seine Partie Reversis und neckte gleichzeitig Cardillo, seinen Mitspieler, und Nelson und Bailly, seine Bundesgenossen, als der Kronprinz in den Salon trat, sich gegen den König und die Königin verneigte, mit den Augen den in Palermo beim König gebliebenen und wegen seiner Treue zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernannten Fürsten von Castelcicala suchte, gerade auf diesen zuging, und sofort ein mit leiser Stimme geführtes Gespräch mit ihm begann.

Nach Verlauf von fünf Minuten durchschritt der Fürst von Castelcicala den Salon seiner ganzen Länge nach, ging seinerseits gerade auf die Königin zu und sagte zu ihr leise einige Worte, welche sie bewogen, rasch den Kopf emporzurichten.

»Melden Sie es Nelson,« sagte die Königin, »und folgen Sie mir dann mit dem Prinzen von Calabrien in das Nebenzimmer.«

Mit diesen Worten erhob sie sich und ging in ein an den großen Salon stoßendes Cabinet.

Einige Sekunden später führte der Fürst von Castelcicala den Prinzen ein, und Nelson folgte, um dann die Thür hinter sich zu schließen.

»Kommen Sie her, Franz,« sagte die Königin zu ihrem Sohn, »und erzählen Sie uns, woher Sie diese ganz schöne Geschichte haben, welche Castelcicala mir soeben erzählt hat.«

»Madame,« sagte der Prinz, indem er sich mit jener Mischung von Furcht und Respekt verneigte, welche er seiner Mutter gegenüber, von der er sich nicht geliebt wußte, stets empfand, »Madame, einer meiner Leute, ein Mann, auf den ich mich verlassen kann, hat, als er sich heute gegen zwei Uhr Nachmittags auf der Polizei befand, sagen hören, der Capitän eines kleinen amerikanischen Schiffes, welches heute in dem Hafen eingelaufen ist und beim Absegeln von Malta durch einen Sturm nach der Richtung des Cap Bon getrieben worden war, sei zwei französischen Kriegsschiffen begegnet, auf deren einem, wie er vollen Grund hat zu glauben, sich der General Bonaparte befand.«

Nelson, welcher sah, mit welcher Aufmerksamkeit Alle die Mittheilung des Prinzen anhörten, ließ sich dieselbe durch den Minister der auswärtigen Angelegenheiten ins Englische übersetzen und begnügte sich dann, die Achseln zu zucken.

»Und haben Sie,« fragte die Königin ihren Sohn, »auf diese, wenn auch nur unsichere und unbestimmte Nachricht hin nicht gesucht jenen Capitän zu sprechen und selbst zu ermitteln, was wohl an diesem Gerücht Wahres ist? In der That, Franz, Sie besitzen eine unverzeihliche Sorglosigkeit.«

Der Prinz verneigte sich.

»Madame,« antwortete er, »mir, der ich mit der Regierung nichts zu schaffen habe, kam es nicht zu, Geheimnisse von dieser Wichtigkeit durchdringen zu wollen, wohl aber habe ich den Mann, der mir dieses Gerücht überbracht, selbst an Bord der amerikanischen Goelette geschickt und ihm befohlen, sich unmittelbar an der Quelle zu erkundigen, und wenn der Capitän ihm ein glaubwürdiger Mann zu sein schiene, denselben mit in den Palast zu bringen.«

»Nun und?« fragte die Königin ungeduldig.

»Nun, Madame, der Capitän wartet im rothen Salon.«

»Castelcicala,« sagte die Königin, »gehen Sie und führen Sie ihn durch die Corridors hierher, damit er nicht durch den Salon komme.«

Es trat unter den drei wartenden Personen tiefes Schweigen ein.

Nach Verlauf einer Minute öffnete sich die Thür wieder und ein Mann trat ein, welcher fünfzig bis fünfundfünfzig Jahre alt sein mochte und eine Phantasieuniform trug.

»Der Capitän Skinner,« sagte der Fürst von Castelcicala, indem er den amerikanischen Touristen einführte.

Der Capitän Skinner war, wie wir eben gesagt, ein Mann, welcher den Mittag des Lebens bereits hinter sich hatte, von etwas über Mittelgröße, vortrefflichem Wuchs und einem ernsten, aber empfänglichen Gesicht mit im Ergrauen begriffenen Haar, welches zurückgestrichen war, als ob der in das Gesicht wehende Sturm sie so gelegt hätte. Er trug keinen Schnurrbart, ein dicker Kinnbart aber tauchte bis in die Cravatte von untadelhaft weißem feinen Battist hinab.

Er verneigte sich ehrerbietig vor der Königin und vor dem Herzog von Calabrien. Nelson begrüßte er wie eine ganz gewöhnliche Person und verrieth dadurch, daß er ihn entweder nicht kannte oder nicht kennen wollte.

»Mein Herr,« sagte die Königin zu ihm, »man versichert mir, daß Sie der Ueberbringer von wichtigen Nachrichten sind. Dies erklärt Ihnen, weshalb ich gewünscht habe, daß Sie sich hierher in den Palast bemühen möchten. Wir haben Alle das größte Interesse daran, diese Nachrichten kennen zu lernen. Damit Sie wissen, mit wem Sie sprechen, bemerke ich, daß ich die Königin Marie Caroline bin; dies da ist mein Sohn, der Herzog von Calabrien, dies da mein Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Fürst von Castelcicala, und dies hier mein Freund, meine Stütze, mein Retter, Mylord Nelson, Herzog von Bronte, Baron vom Nil.«

Der Capitän Skinner schien mit den Augen eine fünfte Person zu suchen, als plötzlich die in den Salon führende Thür des Cabinets sich öffnete und der König eintrat.

Es war augenscheinlich, daß diese fünfte Person es war, welche der Capitän Skinner mit den Augen gesucht hatte.

»Madonna!« rief der König, sich zu seiner Gemahlin wendend, »wissen Sie, theure Freundin, was für Nachrichten sich so eben in Palermo verbreiten?«

»Nein, ich weiß es noch nicht, aber ich werde es sogleich erfahren, denn hier ist der Herr, welcher diese Nachrichten gebracht hat und im Begriff steht, mir sie mitzutheilen.«

»Ah! ah!« sagte der König.

»Ich erwarte, daß die Majestäten mir die Ehre erzeigen, mich zu befragen,« sagte der Capitän Skinner.

»Ich stehe zu Befehl.«

»Man sagt, mein Herr,« hob die Königin an, »daß Sie uns Nachrichten über den General Bonaparte geben können.«

Ein Lächeln umspielte die Lippen des Amerikaners.

»Ja, und zwar sichere, Majestät,« sagte er, »denn vor nur erst drei Tagen bin ich ihm auf der See begegnet.«

»Auf der See!« wiederholte die Königin.

»Was sagt der Herr?« fragte Nelson.

Der Fürst von Castelcicala übersetzte die Antwort des amerikanischen Capitäns ins Englische.

»Wo denn?« fragte Nelson.

»Zwischen Sicilien und dem Cap Bon,« antwortete der Capitän Skinner in vortrefflichem Englisch.

»Also,« bemerkte Nelson, »ungefähr unter dem siebenunddreißigsten Grade nördlicher Breite?«

»Ja, ungefähr unter dem siebenunddreißigsten Grade nördlicher Breite und etwa neun Grad zwanzig Minuten östlicher Länge.«

Der Fürst von Castelcicala übersetzte dem König, was gesprochen ward; für die Königin und den Herzog von Calabrien war keine Uebersetzung nöthig, denn beide sprachen und verstanden englisch.

»Das ist unmöglich,« sagte Nelson. »Sir Sidney Smith blockiert den Hafen von Alexandrien und würde zwei französische Schiffe auf dem Wege nach Frankreich nicht haben passieren lassen.«

»O,« sagte der König, welcher niemals die Gelegenheit versäumte, Lord Nelson einen Hieb zu versetzen, »Sie haben ja die ganze französische Flotte auf dem Wege nach Alexandrien passieren lassen.«

 

»Blos um sie bei Abukir desto besser zu vernichten,« antwortete Nelson.

»Nun denn, sagte der König, »dann setzen Sie doch den beiden Schiffen, welche der Capitän Skinner gesehen hat, nach und vernichten Sie dieselben auch.«

»Würde,« fragte der Herzog von Calabrien mit ehrerbietiger Geberde gegen seinen Vater und seine Mutter, wie um sich zu entschuldigen, daß er in ihrer Gegenwart das Wort zu nehmen wagte, »würde der Capitän uns wohl sagen, in Folge welcher Umstände er sich unter jenen Breitegraden befand und aus welchen Gründen er glaubt, daß auf einem der beiden französischen Schiffe, denen er begegnete, der General Bonaparte sich befand?«

»Sehr gern, Hoheit,« antwortete der Capitän, sich verneigend. »Ich war von Malta abgesegelt, um die Meerenge von Messina zu passiren, als ich in der Entfernung von einer Meile südlich vom Cap Passaro von einem Sturme ereilt ward. Ich steuerte demgemäß in der Richtung der Insel Maritimo und mit demselben Winde nach dem Cap Bon, obschon ich immer die hohe See zu halten suchte.«

»Und hier?« fragte der Herzog.

»Hier sah ich mich zwei Schiffen gegenüber, in welchen ich französische erkannte und die in mir den Amerikaner erkannten. Uebrigens hatte auch ein Kanonenschuß ihre Flagge in Gewißheit gesetzt und mich aufgefordert, die meinige zu entfalten. Eines der beiden Schiffe forderte mich auf näher zukommen, und als ich dies bis auf Sprechweite gethan, rief ein Mann in Generalsuniform mir zu:

»Goelette, ahoi! habt Ihr englische Schiffe gesehen?«

»Nein, General, antwortete ich; »wir haben keines gesehen.«

»Was macht die Flotte des Admirals Nelson?«

»Ein Theil blockiert Malta, der andere liegt in dem Hafen von Palermo.«

»Wo geht Ihr hin?«

»Nach Palermo.«

»Wohlan, wenn Ihr den Admiral seht, so sagt ihm, daß ich in Italien Revanche für Abukir nehmen werde.«

»Und damit setzte das französische Schiff seinen Weg weiter fort.

»Wissen Sie wie der General heißt, der Sie soeben befragte?« fragte mich mein Lieutenant, welcher während des kurzen Gespräches neben mir gestanden hatte. »Es war Niemand Anderer, als der General Bonaparte selbst.«

Man übersetzte dem Admiral Nelson die ganze Erzählung des amerikanischen Capitäns, während der König, die Königin und der Herzog von Calabrien einander mit unruhigen Blicken ansahen.

»Und,« fragte Nelson, »wissen Sie vielleicht auch den Namen dieser beiden Schiffe?«

»Ja, denn ich war denselben so nahe, daß ich die Namen lesen konnte, antwortete der Capitän. »Das eine hieß der »Muiron«, das andere der »Carère«.

»Was sollen diese Namen heißen?« fragte die Königin den Herzog von Calabrien auf deutsch. »Ich begreife die Bedeutung nicht.

»Es sind zwei Männernamen, Majestät,« antwortete der Capitän Skinner ebenfalls auf deutsch und sprach diese Sprache eben so rein wie die beiden anderen, in welchen er sich bereits ausgedrückt.

»Diese verteufelten Amerikaner!", sagte die Königin auf französisch; »sie reden alle Sprachen.«

»Das müssen wir auch, Majestät,« antwortete der Capitän Skinner in gutem Französisch. »Ein Handelsvolk muß alle Sprachen können, in welchen man nach dem Preise des Ballens Baumwolle fragen kann.«

»Nun, Mylord Nelson,« fragte der König, was sagen Sie zu dieser Mittheilung?«

»Ich sage, daß es eine sehr wichtige und ernste ist, daß man sich deswegen aber nicht allzusehr beunruhigen lassen darf. Lord Keith kreuzt zwischen Corsica und Sardinien, und Sie wissen, das Meer und die Winde sind für England.«

»Ich danke Ihnen, Herr Capitän, für die Nachrichten, die Sie uns gebracht, sagte die Königin zu Mr. Skinner. »Gedenken Sie lange in Palermo zu verweilen?«

»Ich bin ein Tourist, der zu einem Vergnügen reist, Majestät,« antwortete der Capitän, »und dafern Sie nicht etwas Anderes wünschen, so gedenke ich gegen Ende nächster Woche wieder unter Segel zu gehen.«

»Wo würde man Sie finden, Capitän, im Falle man abermaliger Mittheilungen bedürfte?«

»An Bord meines Schiffes. Ich bin dem Fort Castellamare gegenüber vor Anker gegangen, und werde, dafern mir nicht etwas Anderes befohlen wird, dort bleiben, weil ich den Platz sehr bequem finde.«

»Franz,« sagte die Königin zu ihrem Sohne, »Sie werden dafür sorgen, daß der Capitän von dem Platze, den er gewählt hat, nicht verdrängt werde. Man muß wissen, wo man ihn augenblicklich finden kann, im Falle man seiner bedürfte.«

Der Prinz verneigte sich.

»Wohlan, Mylord Nelson,« fragte der König, »was ist jetzt nach Ihrer Ansicht zu thun?«

»Sire, Sie können Ihre Partie Reversis wieder aufnehmen, als ob nichts Außergewöhnliches geschehen wäre. Selbst wenn man annimmt, daß der General Bonaparte in Frankreich landet, so ist dann blos ein Mann mehr da.«

»Wenn Sie nicht bei Abukir gewesen wären, Mylord,« sagte der Capitän Skinner, »so wäre dann auch nur ein Mann weniger da gewesen, dennoch aber ist es wahrscheinlich, daß eben in Folge dieses Mannes weniger die französische Flotte sich gerettet hätte.«

Nachdem der amerikanische Capitän diese Worte, in welchen gleichzeitig ein Compliment und eine Drohung lag, gesprochen, verneigte er sich tief vor den erhabenen Personen, die ihn gerufen, und zog sich zurück.

Dem ihm von Nelson gegebenen Rathe gemäß ging der König, seinen Platz wieder an dem Tische einzunehmen, wo der Präsident Cardillo ihn ungeduldig erwartete, während der Herzog von Ascoli und der Marquis Cirillo geduldig harrten, wie es gut dressierten Höflingen geziemt.

Die Letzteren waren auch mit den Gesetzen der Hofetikette zu genau bekannt, als daß sie sich erlaubt hätten, den König zu befragen. Der Präsident Cardillo dagegen war ein weniger strenger Beobachter des Decorum, als diese beiden Herren.

»Nun, Sire,« fragte er, »verlohnte es denn der Mühe, unsere Partie zu unterbrechen und uns eine Viertelstunde lang mit dem Schnabel im Wasser zu halten?«

»Nein, gewiß nicht, wenigstens dem zufolge, was der Admiral Nelson behauptet,« sagte der König.

»Bonaparte hat Egypten verlassen, und ist, ohne gesehen zu werden, durch die Flotte des Admirals Sidney Smith hindurchgesegelt. Vor vier Tagen befand er sich auf der Höhe des Cap Bon. Er wird durch Mylord Keiths Flotte ebenso hindurchschlüpfen, wie er der Sir Sidney Smiths entschlüpft ist, und binnen drei Wochen in Paris sein. Sie sind am Kartenmischen, Präsident. Wer weiß, ob Bonaparte nicht auch bald ein Spiel mischt.«

Und mit diesem vermeinten Witze, von welchem er selbst ganz entzückt zu sein schien, nahm der König seine Partie wieder auf, als ob in der That das, was er erfahren, nicht der Mühe verlohnt hätte, sie zu unterbrechen.