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La San Felice

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Viertes Capitel.
Die Hinrichtungen

Der König verließ Neapel oder vielmehr die Spitze des Pausilippo, da er, wie wir gesagt haben, es nicht gewagt hatte, wenigstens einmal während seines achtundzwanzigtägigen Aufenthaltes im Golfe sich nach Neapel zu begeben, am 6. August gegen Mittag.

Wie man aus dem folgenden an den Cardinal gerichteten Brief sehen kann, war die Ueberfahrt gut, und kein Leichnam wie der Caracciolos stieg vor seinem Schiffe aus dem Meere auf.

Folgendes war der Brief des Königs:

»Palermo, am 6. August 1799.

»Eminentissime!

»Ich will keinen Augenblick zögern, und Ihnen meine glückliche Ankunft in Palermo melden. Wir erfreuten uns der glücklichsten Ueberfahrt von der Welt, denn am Dienstag Früh um elf Uhr waren wir noch am Pausilippo, und heute um zwei Uhr haben wir im Hafen von Palermo bei ausgezeichnetem Winde geankert, während das Meer einem See glich. Ich habe meine ganze Familie in vollkommener Gesundheit angetroffen, und bin empfangen worden, wie Sie es sich denken können. Geben Sie mir Ihrerseits gute Nachrichten über unsere Angelegenheiten. Schonen Sie sich, und seien Sie versichert, daß ich stets bleibe

»Ihr wohlgeneigter

»Ferdinand B.«

Der König aber hatte nicht abreisen wollen, ohne die Junta ihr Amt ausüben und den Henker thätig zu sehen. Am 6. August, also am Tage seiner Abreise, hatten die Hinrichtungen schon lange begonnen, und bereits waren sieben Opfer auf dem Altar der Rache gefallen.

Wir wollen hier die Namen dieser sieben ersten Märtyrer nennen und sagen, wo sie hingerichtet wurden:

An der Porta Capuana:

Am 6. Juli. – Domenico Perla.

Am 7. Juli. – Antonio Tramaglia.

Am 8. Juli. – Giuseppe Lotella.

Am 13. Juli. – Michelangelo Ciccone.

Am 14. Juli. – Nicola Carlomagno.

Auf dem Altmarkt:

Am 20. Juli. – Andrea Vitagliano.

Im Castello del Carmine:

Am 3. August. – Gaetano Rossi.

Ich habe Domenico Perlas Namen nur auf der Liste der Verurtheilten gelesen, und mich vergebens bemüht, zu erfahren, wer er war, und welches Verbrechen er begangen. Die Undankbarkeit des Schicksals erstreckte sich sogar so weit, daß sein Name nicht einmal im Buch der »Märtyrer der italienischen Freiheit« von Otto Vanucci verzeichnet steht.

Ueber den Zweiten, also Tramaglia, haben wir weiter nichts als die einfachen Worte gefunden: »Antonio Tramaglia, Officier.«

Der Dritte, Giuseppe Lotella, war ein armer Speisewirth, welcher sich nahe am Theater der Florentiner etabliert hatte.

Der Vierte, Michelangelo Ciccone, ist ein alter Bekannter von uns; man wird sich des patriotischen Priesters erinnern, welchen Domenico Cirillo holen ließ, damit er die Beichte des Häschers hören möge. Er hatte sich, wie wir gesagt zu haben glauben, durch seine freisinnigen Predigten unter freiem Himmel berühmt gemacht. Er hatte fast neben allen Bäumen der Freiheit Kanzeln errichten lassen, und mit dem Crucifix in der Hand erzählte er im Namen des ersten Märtyrers der Freiheit, für die auch er sterben wollte, die entsetzlichen Gräueltaten des Despotismus, indem er seine Predigten besonders auf das stützte, was Christus und die Apostel stets in Bezug auf Freiheit und Gleichheit verkündigt.

Der Fünfte, Nicola Carlomagno, war Commissär der Republik gewesen. Als er das Schaffot bestiegen, und während man den Strick zurechtlegte, womit er erwürgt werden sollte, warf er noch einen Blick auf die fröhliche und dichtgedrängte Menschenmenge, welche ihn umgab, indem er mit lauter Stimme rief:

»Verblendetes Volk, Du freust Dich heute über meinen Tod, aber es wird der Tag kommen, wo Du ihn mit bitteren Thränen beweinen wirst, denn mein Blut wird über Euch Alle, und wenn Euch das Glück des Todes zu Theil geworden, über eure Kinder kommen!«

Andrea Vitagliano, der Sechste, war ein schöner, liebenswürdiger junger Mann von achtundzwanzig Jahren, den man nicht mit jenem anderen Märtyrer der Freiheit verwechseln darf, welcher vor vier Jahren auf demselben Schaffot starb, wo Emmanuele de Deo und Galiano starben.

Als er das Gefängniß verließ, um die Todesstrafe zu erleiden, sagte er zum Kerkermeister, indem er ihm das wenige Geld gab, welches er bei sich trug:

»Ich empfehle Dir meine Gefährten, sie sind Männer wie Du, und vielleicht bist Du eines Tages auch so unglücklich, wie sie es sind.«

Und lächelnd ging er dem Tode entgegen, lächelnd bestieg er das Schaffot, und lächelnd starb er.

Der Siebente, Gaetano Rossi, war Officier, aber da er im Innern des Castello del Carmine hingerichtet ward, so hat man nichts Näheres über seinen Tod erfahren.

In einer einzigen Bibliothek hätten wir seltsame Einzelheiten über unbekannte Hinrichtungen erhalten können, nämlich im Archiv der »Bianchi, welche, wie wir bereits gesagt, die Verurtheilten auf das Schaffot begleiten, da aber diese Brüderschaft gänzlich der gefallenen Dynastie ergeben ist, so hat sie uns jede Auskunft verweigert.

Nachdem diese ersten Häupter gefallen, und diese ersten Körper auf den Galgen gehängt waren, fand elf Tage lang keine Hinrichtung in Neapel statt. Vielleicht erwartete man Nachrichten aus Frankreich.

Unsere Sache war in Italien noch nicht ganz verloren. Wie wir gesagt haben, war Championnet, in Folge der Revolution vom 20. Prairial wieder an die Spitze der Armee der Alpen gestellt worden, und hatte einen glänzenden Sieg errungen. Nun aber war der Name Championnet’s der Schrecken Neapels, und man hatte ihn so schnell von Civita Castellane nach Capua kommen sehen, daß man glaubte, er würde kaum das Doppelte der Zeit brauchen, um von Turin nach Neapel zu gelangen.

Einige Stimmen nannten bereits den Namen Bonaparte.

Die Königin sagte selbst in einem ihrer Briefe, den wir angeführt zu haben glauben, in Bezug auf die französische Flotte, welche Sicilien bedrohte, daß diese ohne Zweifel den Zweck hätte, Bonaparte aus Egypten zu holen. Die Königin hatte Recht. Nicht das Directorium allein dachte an Bonapartes Rückkehr, sondern auch sein Bruder Joseph schrieb ihm, um ihm den Zustand unserer Armeen in Italien zu schildern, und ihn zur Rückkehr nach Frankreich anzutreiben.

Dieser Brief war Bonaparte bei der Belagerung von Saint-Jean-Acre von einem Griechen Namens Barbaki überbracht worden, dem man dreißigtausend Francs versprochen, wenn er diesen Brief Bonaparte persönlich zustellte. Nun aber erhielt Bonaparte diesen Brief, welcher ihm die erste Anregung zur Rückkehr nach Frankreich gab, im Monat Mai 1799, also in demselben Augenblick, wo der reactionäre Marsch des Cardinals stattfand.

Alle diese Verhältnisse, wie auch der Umstand, daß die Abwesenheit des Königs dem Cardinal einige Macht zurückgegeben, riefen dem Tode ein Halt zu. Ganz besonders schwer kam es dem Cardinal an, Männer hinrichten zu lassen, die er durch seine Capitulation für geschützt erkannte, und unter diesen Männern besonders diesen Stärksten der Starken, jenen tollkühnen Anführer, welcher, eine Leiter auf der Schulter, den Degen zwischen den Zähnen, das Banner der Unabhängigkeit in der Hand, die Mauern der Stadt erstiegen, welche ein Lehngut seiner Familie war, nämlich Hector Caraffa, den er selbst in einem eigenhändigen Brief aufgefordert, sich zu ergeben.

Während dieses Waffenstillstandes zwischen den Henkern und den Verurtheilten empfing der Cardinal jedoch von dem König den folgenden Brief, den wir in einer ganzen Naivetät hier wiedergeben.

»Palermo, am 10. August 1799.

»Eminentissime!

Ich habe Ihren Brief erhalten, und mich sehr über das gefreut, was Sie mir darin über den Frieden und die Ruhe mittheilen, deren man sich in Neapel erfreut:

»Ich billige es, daß Sie Fra Diavolo nicht erlaubt haben, in Gaeta einzuziehen, wie er es wünschte. Während ich aber Ihnen Recht gebe, wenn Sie sagen, daß er weiter nichts als ein Räuberhauptmann sei, so erkenne ich nichtsdestoweniger doch auch an, daß wir ihm große Verbindlichkeiten schuldig sind. Man muß daher fortfahren, sich seiner zu bedienen, und sich wohl hüten, ihn vor den Kopf zu stoßen. Gleichzeitig muß man ihn auch von der Nothwendigkeit überzeugen, vor allen Dingen sich selbst und dann seinen Leuten den Zügel der Disciplin anzulegen, wenn er in meinen Augen ein neues Verdienst erwerben will.

»Gehen wir nun zu etwas Anderem über.

»Als Pronio in Pescara einzog, schickte er einen Adjutanten an mich ab, um mich zu benachrichtigen, daß er den berüchtigten Grafen von Ruvo, dem er Sicherheit des Lebens versprochen, wozu er aber nicht ermächtigt war, wohlbewacht in seiner Gewalt habe. Ich schickte ihm sofort denselben Adjutanten mit dem Befehle zurück, den genannten Ruvo nach Neapel zu schicken und mit seinem Kopfe für ihn zu haften. Thun Sie mir zu wissen, ob Pronio meine Befehle ausgeführt hat.

»Sehen Sie zu, daß Sie bei guter Gesundheit bleiben und glauben Sie, daß ich stets bin Ihr wohlgeneigter

»Ferdinand B.«

Ist es nicht ein seltsamer Umstand, welcher allgemein bekannt zu werden verdient, daß dieser Brief eines Königs die Belohnung eines Räubers und gleichzeitig die Bestrafung eines großen Bürgers anbefiehlt?

Noch merkwürdiger aber ist die Nachschrift:

»Zu Hause angelangt, empfange ich durch zwei von Neapel kommende Schiffe eine Menge Briefe, aus diesen Briefen erfahre ich, daß es Lärm auf dem Altmarkt gegeben hat, weil keine Hinrichtungen mehr vollzogen werden. Ich erhalte über diesen Punkt weder von Ihnen noch von der Regierung irgend welche Nachricht, obschon es Ihre Pflicht wäre, mir dergleichen mitzutheilen.

 

»Die Staatsjunta darf in ihren Operationen nicht zögern und eben so wenig unbestimmte und allgemeine Berichte erstatten. Wenn die Berichte erstattet sind, so muß sie dieselben binnen vierundzwanzig Stunden verificiren, sich ganz besonders der Rädelsführer bemächtigen und dieselben ohne weitere Umstände aufknüpfen lassen. Man hatte mir Strafvollstreckungen für den Montag versprochen. Ich hoffe, daß man sie nicht auf einen andern Tag verschoben hat. Wenn Sie merken lassen, daß Sie sich fürchten, so sind Sie gebacken.«

»Siete friti« – so steht völlig ausgeschrieben da und es ist unmöglich, diese Worte anders zu übersetzen.

Was meinst Du, lieber Leser, zu diesem Ausdruck? Er klingt nicht sehr königlich, nicht wahr? Dennoch aber ist er bezeichnend.

Nach einer solchen Aufforderung durfte man nicht mehr zögern. Die vorstehenden am 10. August Abends eingegangenen Briefe wurden sofort an die Staatsjunta abgegeben.

Da Hector Caraffa in dem königlichen Briefe ganz besonders genannt war, so beschloß man mit ihm und seinem »Schub«, das heißt mit den Genossen seiner Gefangenschaft, zu beginnen.

Demzufolge ward am nächstfolgenden Tage, am 11. August, bei der von dem Schweizer Duecce geleiteten Mittagsvisitation Befehl gegeben, die Matratzen zusammenzurollen und in einem Winkel aufeinanderzuthürmen.

»Aha!«, sagte Hector Caraffa zu Manthonnet, »wie es scheint, soll es heute Abend losgehen.«

Salvato schlang einen Arm um Luisas Leib und küßte sie auf die Stirn. Luisa ließ, ohne zu antworten, ihren Kopf auf die Schulter ihres Geliebten sinken.

»Arme Frau,« murmelte Eleonora, »der Tod ist für Sie etwas Grausames. Sie liebt!«

Luisa reichte ihr die Hand.

»Nun endlich,« sagte Cirillo, »werden wir das große Geheimniß kennen lernen, über welches seit Socrates bis auf uns so viel gestritten worden, nämlich ob der Mensch eine Seele hat.«

»Warum sollte dies nicht der Fall sein?« fragte Velasco. »Meine Guitarre hat ja auch eine.«

Und er entlockte seinem Instrument einige wehmüthige Accorde.

»Ja, wenn Du sie berührst, dann hat sie eine Seele,« sagte Manthonnet. »Deine Hand ist ihr Leben; nimm deine Hand aber davon hinweg und das Instrument ist todt und die Seele entflohen.«

»Unglücklicher, der nicht darauf glaubt,« rief Eleonora Pimentel, indem sie ihre großen spanischen Augen gegen Himmel richtete.

»Ich glaube daran.«

»Ja, denn Sie sind Dichterin, während ich dagegen Arzt bin,« sagte Cirillo.

Salvato zog Luisa in einen Winkel des Gefängnisses, setzte sich auf einen Stein und ließ sie auf seinem Knie Platz nehmen.

»Höre mich an, Geliebte,« sagte er zu ihr, »zum ersten Male wollen wir ernst und ausführlich über die Gefahr sprechen, in der wir schweben. Heute Abend werden wir vor das Tribunal geführt, heute Nacht werden wir verurtheilt werden, den morgenden Tag werden wir in der Capelle zubringen und übermorgen wird man uns hinrichten.«

Salvato fühlte wie Luisas ganzer Körper in seinen Armen erbebte.

»Wir werden mit einander sterben,« sagte sie seufzend.

»Armes theures Wesen! Deine Liebe ist es, welche spricht; die Natur aber empört sich gegen den Gedanken des Todes.«

»Freund, willst Du, anstatt mich zu ermuthigen, mich schwach und verzagt machen?«

»Ja, denn ich will etwas von Dir erlangen, nämlich daß Du nicht stirbt.«

»Du willst von mir erlangen, daß ich nicht sterbe? Kommt es denn auf mich an, ob ich leben oder sterben will?«

»Du brauchst nur ein Wort zu sprechen, um dem Tode zu entrinnen – wenigstens für den Augenblick.«

»Und Du, würdest Du auch leben?«

»Du weißt, daß ich, als ich Dir jenen in Mönchstracht gekleideten Mann zeigte, zu Dir sagte: Das ist mein Vater! Noch ist nicht Alles verloren!«

»Ja, ganz recht. Und Du hoffst, daß er Dich wird retten können?«

»Um sein Kind zu retten, thut ein Vater Wunder, und mein Vater besitzt einen klugen Kopf, ein muthiges Herz und einen entschlossenen Geist. Mein Vater wird, um mir das Leben zu retten, das seinige nicht ein-, sondern zehnmal aufs Spiel setzen.«

»Wenn er Dich rettet, so wird er mich mit Dir retten.«

»Aber wenn man uns trennt?«

Luisa stieß einen Schrei aus.

»Glaubst Du, daß man so unmenschlich sein wird, uns zu trennen?«, fragte sie.

»Man muß auf Alles gefaßt sein,« sagte Salvato, »selbst auf den Fall, daß mein Vater nur Eins von uns retten könnte.«

»Nun, dann möge er Dich retten.«

Salvato lächelte, indem er leicht die Achseln zuckte.

»Du weißt recht wohl,« sagte er, »daß ich in diesem Falle seine Hilfe nicht annehmen würde, aber —«

»Aber was? Rede aus.«

»Aber wenn Du deinerseits, wenn Du auch gefangen bleibt, doch nicht mehr in Todesgefahr schwebtest, so stünde hundert gegen eins zu wetten, daß wir, mein Vater und ich, Dich ebenfalls retten würden.«

»Mein Freund, ich kann unmöglich errathen, was Du mit diesen Worten eigentlich sagen willst. Theile mir lieber sofort mit, was Du mir zu sagen hast, oder ich verliere den Verstand.«

»Beruhige Dich. Lehne Dich an meine Brust und höre.«

Luisa heftete ihre großen Augen auf ihren Geliebten und sah ihn fragend an.

»Ich höre,« sagte sie.

»Du bist schwanger, Luisa —«

Luisa erbebte zum zweiten Male.

»O mein armes Kind!«, murmelte sie; »was hat es gethan, daß es mit mir zugleich sterben soll?«

»Wohlan, anstatt zu sterben, soll es leben, und dadurch, daß es lebt, seine Mutter retten.«

»Was hätten wir zu diesem Zwecke zu thun? Ich begreife Dich nicht, Salvato.«

»Die schwangere Frau ist geheiligt und das Gesetz kann die Mutter nicht eher mit dem Tode heimsuchen, als bis das Kind nicht zugleich davon betroffen wird.«

»Was sagst Du?«

»Die Wahrheit. Warte das Gericht ab, und wenn Du, wie wir nach dem, was mir der Cardinal Ruffo gesagt hat, nicht anders erwarten können, im voraus verurtheilt bist, so erkläre in dem Augenblick, wo der Richter dein Urtheil verkünden will, deine Schwangerschaft und diese Erklärung an und für sich gibt Dir eine Frist von sieben Monaten.«

Luisa betrachtete Salvato mit traurigem Blick.

»Mein Freund, sagte sie, »gibst Du, der sonst so unerschütterlich an der Ehre festhält, mir den Rath, mich öffentlich zu entehren?«

»Ich gebe Dir den Rath, zu leben, gleichviel durch welches Mittel, dafern Du nur lebst. Begreifst Du?«

Luisa fuhr in demselben Ton und als ob sie nicht verstanden hätte, fort:

»Alle Welt weiß, daß mein Gatte seit länger als sechs Monaten abwesend ist und ich sollte, während man mich ungerecht und wegen eines Verbrechens, welches ich begangen habe, verurtheilt, laut erklären: Ich bin ein treuloses Weib, eine Ehebrecherin! O, ich müßte vor Scham sterben, mein Freund! Du siehst, daß es weit besser ist, auf dem Blutgerüst zu sterben.«

»Aber unser Kind! Hast Du das Recht, es zum Tode zu verurtheilen?«

»Gott ist mein Zeuge, mein Freund, daß, wenn wir am Leben geblieben wären, daß, wenn ich das erste Weinen unseres Kindes gehört, wenn ich einen Athem gefühlt, seine Lippen geküßt hätte – Gott ist mein Zeuge, daß ich dann die Schmach meiner Mutterschaft mit Stolz getragen hätte. Bist Du aber morgen todt und ich in sieben Monaten – denn sterben muß ich doch jedenfalls – so ist das arme Kind nicht blos Waise, sondern auch mit dem ewigen Makel seiner Geburt gebrandmarkt. Ein unbarmherziger Kerkermeister wird es hinter einen Eckstein werfen – es wird erfrieren, es wird verhungern, es wird von den Hufen der Pferde getreten werden. Nein, Salvato, möge es mit uns zugleich verschwinden, und wenn, wie Leonora glaubt und wie auch ich es hoffe, die Seele unsterblich ist, so werden wir mit der Last unserer Verirrungen beladen vor Gott erscheinen, aber auch zugleich in Begleitung des Engels, der uns Gnade erflehen wird.

»Luisa! Luisa!« rief Salvato; »bedenke wohl, besinne Dich!«

»Und er, da drüben! So gut, so edel! Wenn er, während er weiß, daß ich den Muth gehabt, ihn zu betrügen, erführe, daß ich nicht den Muth habe, zu sterben, während alle Welt um ihn herum wissen würde, um welchen Preis ich mein Leben erkauft, unter welcher Last von Scham würde er die Stirn beugen! O, ich brauche blos daran zu denken, fuhr Luisa sich erhebend fort, »um mich stark zu fühlen wie eine Spartanerin, und wenn das Schaffot hier stünde, so würde ich es lächelnd besteigen.«

Salvato sank vor ihr auf die Knie nieder und küßte ihr leidenschaftlich die Hand.

»Ich habe gethan, was ich thun mußte,« sagte er zu ihr. »Ich danke Dir, daß Du thun willst, was Du zu thun hast.«

Fünftes Capitel.
Das Tribunal von Monte Oliveto

Hector Caraffa hatte sich nicht geirrt. Um neun Uhr Abends hörte man die Tritte eines bewaffneten Trupps auf der Treppe, welche nach dem Kerker der Gefangenen führte.

Die Thür öffnete sich und man sah in dem Halbschatten die Musketen der Soldaten glänzen.

Die Schließer traten ein, sie trugen Ketten, welche sie auf das Pflaster des Kerkers warfen und die niederfallend dumpf erklirrten.

Das Blut des edlen Grafen Ruvo empörte sich.

»Ketten! Ketten!« rief er; »dieselben sind doch nicht etwa für uns?«

»Nun, für wen sollen sie denn sonst sein?« fragte einer der Schließer in höhnischem Ton.

Hector machte eine drohende Geberde, sah sich nach einem Gegenstand um, dessen er sich als Waffe bedienen könnte, und wog, da er keinen fand, mit dem Blicke den Felsblock, welcher die Mündung des Brunnens bedeckte, und schickte, wie Ajax, sich an ihn aufzuheben.

Cirillo that ihm Einhalt.

»Freund,« sagte er, »die ehrenvollste Narbe nach der, welche das Eisen des Feindes auf dem Arme eines Helden zurückläßt, ist die, welche die Ketten eines Tyrannen auf dem Arme eines Patrioten zurücklassen. Hier ist mein Arm. Wo sind unsere Ketten?«

Und der edle Greis streckte seine beiden Arme aus.

Als die Thür sich öffnete, spielte Velasco seiner Gewohnheit gemäß Guitarre und sang, indem er sich begleitete, ein lustiges neapolitanisches Liedchen.

Die Schließer traten ein, warfen ihre Ketten auf den Fußboden, aber Velasco ließ sich nicht stören.

Hector sah bald Domenico Cirillo, bald den unerschütterlichen Sänger an.

»Ich schäme mich,« sagte er, »denn ich glaube in der That, daß es hier zwei Männer gibt, welche muthiger sind als ich.«

Und er streckte seinerseits die Arme aus.

Dann kam die Reihe an Manthonnet.

Hierauf näherte sich Salvato. Während man ihn fesselte, stützten Eleonore Pimentel und Michele, welche während der ganzen Zeit, wo sie beiseite mit ihrem Geliebten gesprochen, nicht aus den Augen gelassen hatten, die junge Frau, welche nahe daran war niederzusinken.

Als Salvato gefesselt war, stieß Michele einen Seufzer aus, der seinen Grund mehr in dem Kummer hatte, seine Schwester verlassen zu müssen, als in der Scham über die Behandlung, die er erdulden mußte, und er näherte sich dem Schließer.

Velasco fuhr fort zu singen, ohne daß in seiner Stimme die mindeste Veränderung wahrzunehmen gewesen wäre.

Ein Schließer kam auf ihn zu. Er gab zu verstehen, daß man ihn sein Liedchen aussingen lassen möge, und als er damit fertig war, zerschlug er die Guitarre auf dem Fußboden und streckte die Arme aus.

Die Frauen zu fesseln hielt man nicht für nöthig.

Ein Theil der Soldaten ging wieder die Treppe hinauf, um zwischen sich und ihren Cameraden einen Raum zu schaffen, den dann die Gefangenen einnahmen, denn man konnte die schmale Treppe nur zu Zweien hinter einander hinaufgehen. Dann folgte der übrige Theil der bewaffneten Macht und man gelangte in den Hof.

Hier formierten die Soldaten zwei Reihen, durch welche die Gefangenen eingeschlossen wurden.

Andere dahinter postierte Soldaten, welche Fackeln trugen, leuchteten dem traurigen Zuge.

So durchzog man unter dem Hohngeschrei der Lazzaroni die ganze Strada Medina, vor dem Hause der beiden Backer vorbei, wo die Hohnreden sich verdoppelten, denn man hatte die San Felice erkannt.

Dann bog man in die Strada Monte Oliveto ein, an deren Ende, auf dem Largo desselben Namens, das Thor des in ein Tribunal umgestalteten Klosters sich öffnete.

Die Richter, oder besser gesagt die Henker hielten ihre Sitzungen im zweiten Stockwerke.

Der große Saal, nämlich der des Refectoriums, war zu einem Gerichtshofe umgestaltet.

Schwarz ausgeschlagen, hatte er weiter keine Zierathen, als Fahnentrophäen mit den Wappen der Bourbons von Neapel und von Spanien und ein kolossales Crucifix über dem Kopfe des Präsidenten, das Symbol des Schmerzes, aber nicht der Milde, und welches blos hier zu sein schien, um zu beweisen, daß die menschliche Gerechtigkeit, sei es durch den Haß, sei es durch die Furcht, stets irregeleitet worden ist.

 

Man ließ die Gefangenen einen langen dunklen schmalen Gang längs des Prätoriums passieren. Sie konnten schon das Gebrüll der Menge hören, welche sie erwartete.

»Elendes Volk!«, murmelte Hector Caraffa. »Wie thöricht, sich dafür zu opfern!«

»Wir opfern uns,« antwortete Cirillo, »nicht blos für dieses Volk, sondern für die ganze Menschheit. Das Blut der Märtyrer ist ein furchtbares Auflösungsmittel für die Throne.«

Man öffnete die Thür, welche auf die für die Angeklagten hergerichtete Estrade führte. Eine Flut von Licht, ein warmer Luftzug, ein Sturm von Geschrei drang bis zu ihnen.

Hector Caraffa, welcher voranschritt, blieb stehen, als ob er ersticken müßte.

»Vorwärts wie in Andria!« sagte Cirillo.

Und der unerschrockene Anführer erschien zuerst auf der Estrade.

Jeder seiner Genossen ward ebenso wie er selbst mit Hohngeschrei und Schmähungen empfangen.

Bei dem An- blicke der Frauen verdoppelte sich das Geschrei.

Als Salvato sah, daß Luisa zusammenknickte wie ein schwaches Rohr, faßte er sie um den Leib und hielt sie aufrecht.

Dann ließ er einen Blick in dem ganzen Saale umherschweifen.

Im ersten Range der Zuschauer, auf das Geländer, welches das Publikum von den Richtern trennte, gestützt, saß ein Benedictinermönch.

In dem Augenblick, wo Salvato’s Augen sich auf ihn hefteten, hob er seine Capuze.

»Mein Vater!«, murmelte Salvato leise in Luisa’s Ohr.

Und Luisa richtete sich unter einem Hoffnungsstrahle auf wie eine schöne Lilie unter einem Sonnenstrahle.

Die Augen der anderen Angeklagten, welche Niemanden in dem Saale zu suchen hatten, richteten sich auf das Tribunal.

Dasselbe bestand aus sieben Richtern mit Einschluß des Präsidenten. Sie saßen in einem Halbkreis, wahrscheinlich weil sie den Areopag der Athenienser nachzuahmen wünschten. Die Vertheidiger und der Procurator der Angeklagten – diese letzte Nachäffung eines Scheines von Gerechtigkeit – standen mit dem Rücken an die Estrade gelehnt. Sie waren mit den Angeklagten nicht einmal in Mittheilung gesetzt worden.

Ein einziger von den Räthen fehlte, Don Vicenzo Speciale, der Richter des Königs.

Man wußte sehr wohl, daß er im Namen Seiner sicilischen Majestät sprach, daß er, obschon nur einfacher Nominalrath, doch der eigentliche Präsident des Tribunals war.

Allerdings gab es einen Mann, welcher eifrig mit ihm kämpfte. Es war dies derselbe, welcher die Besoldung des Henkers herabgesetzt, der Fiscalprocurator Guidobaldi.

Die Angeklagten setzten sich.

Obschon die Fenster des im zweiten Stockwerk befindlichen Tribunalsaales offen standen, so machten doch die zahlreichen Zuschauer und die zahlreichen Lichter die Atmosphäre so heiß und dick, daß sie kaum noch zu athmen war.

»So wahr ich lebe,« sagte Hector Caraffa, »man sieht wohl, daß wir uns hier im Vorgemach der Hölle befinden. Man erstickt ja fast.«

Guidobaldi drehte sich rasch nach ihm herum.

»Du wirst bald auf ganz andere Weise ersticken, sagte er, »nämlich wenn Dir der Strick die Gurgel zuschnürt.«

»O Signor,« antwortete Hector Caraffa, »man sieht wohl, daß Sie nicht die Ehre haben mich zu kennen. Einen Mann meines Namens hängt man nicht, sondern man schlägt ihm den Kopf ab und dann hat er, anstatt keine Luft, deren nur zu viel.«

In diesem Augenblick ging eine Bewegung, die einem Schauer der Furcht und des Schreckens glich, durch den Saal. Die Thür des Berathungscabinets hatte sich soeben geöffnet und Speciale trat ein.

Er war ein Mann von fünfundfünfzig bis sechzig Jahren, mit stark markierten Zügen, glattem, an den Schläfen herabhängendem Haar und kleinen, lebhaften, haßerfüllten schwarzen Augen, die mit einer Starrheit blickten, welche für den, auf welchen sie sich hefteten, schmerzhaft und peinlich ward. Eine wie ein Raubvogelschnabel gekrümmte Nase senkte sich auf schmale Lippen und ein Kinn herab, welches beinahe eben so lang hervorragte wie die Nase.

Der Kopf hatte eine sehr gerade Haltung trotz des sehr sichtbaren Höckers, welcher hinten den langen schwarzen Talar emporhob. Der Mann hätte grotesk ausgesehen, wenn er sich nicht furchtbar gemacht hätte.

»Ich habe, sagte Cirillo zu Hector Caraffa mit gedämpfter Stimme, obschon laut genug, um gehört zu wer- den, »ich habe stets bemerkt, daß die häßlichen Menschen boshaft und die verwachsenen noch schlimmer sind.

Hier, fuhr er fort, indem er mit dem Finger auf Speciale zeigte, »steht.

Einer, der meine Behauptung abermals bestätigt.«

Speciale hörte diese Worte, drehte den Kopf wie auf einem Zapfen herum und suchte mit den Augen den, welcher sie gesprochen.

»Drehen Sie sich noch besser herum, Herr Richter,« sagte Michele zu ihm.

»Ihr Höcker benimmt uns die Aussicht.«

Und er schlug ein lautes Gelächter auf, nicht wenig erfreut darüber, daß er auch sein Wort mit zur Conversation geliefert.

Dieses Gelächter fand in dem Saale ein wahrhaft homerisches Echo.

Wenn dies so fortging, so versprach die Sitzung für die Zuhörer eine sehr amüsante zu werden.

Speciale ward schwarzblau vor Wuth, fast sofort aber stieg ihm die Röthe ins Gesicht, als ob ihn der Schlag rühren sollte.

Mit einem einzigen weiten Schritt legte er die Entfernung zurück, die ihn von seinem Sessel trennte, und sank vor Wuth mit den Zähnen knirschend hinein.

»Beginnen wir sofort die Verhandlungen,« sagte er.

»Graf von Ruvo, Ihr Name, Ihre Vornamen, Ihr Alter und Ihr Stand?«

»Meine Namen?« antwortete der Gefragte.

»Ettore Caraffa, Graf von Ruvo, aus der Familie der Fürsten von Andria. Mein Alter? Zweiunddreißig Jahre. Mein Stand? Patriot.«

»Was haben Sie während der sogenannten Republik gemacht?«

»Sie können noch weiter zurückgehen und mich fragen, was ich unter der Monarchie gemacht habe.«

»Das ist nicht nöthig.«

»Dieser Meinung bin ich nicht und ich werde es Ihnen daher sagen: Ich habe conspiriert und ward von jenem schändlichen Vanni, welcher, als er sich die Kehle abschnitt, nicht ahnte, daß man einen noch Schlechteren als ihn finden würde, in das Castell San Elmo gesetzt. Ich entsprang, begab mich zu dem wackern berühmten Championnet und half ihm mit meinem Freund Salvato hier bei Civita Castellana den General Mack schlagen.«

»Dann,« unterbrach ihn Speciale, »haben Sie also gegen Ihr eigenes Vaterland gedient?«

»Gegen mein Vaterland nicht, blos gegen den König Ferdinand. Mein Vaterland ist Neapel, und der Beweis, daß Neapel nicht der Meinung war, ich hätte gegen mein Vaterland gedient, liegt darin, daß es mich bat, ihm mit dem Grade eines Generals noch ferner zu dienen.«

»Und dieser Aufforderung sind Sie gefolgt?«

»Ja wohl, vom Herzen gern.«

»Meine Herren,« sagte Speciale, »ich hoffe, daß wir uns gar nicht erst die Mühe nehmen werden, über die Strafe zu berathen, welche diesem Verräther, diesem Abtrünnigen zuzuerkennen ist.«

Ruvo erhob sich oder sprang vielmehr auf seine Füße.

»Ha, Elender,« sagte er, indem er seine Fesseln schüttelte und sich gegen Speciale hinüberbog, »diese Ketten sind es, welche Dir den Muth geben, mich zu beleidigen. Wäre ich frei, so würdest Du anders mit mir sprechen.«

»Ich verurtheile Dich zum Tode,« sagte Speciale, »und da Du in deiner Eigenschaft als Fürst das Recht hat, enthauptet zu werden, so soll dies geschehen, aber durch die Guillotine.«

»Amen!«, sagte Hector, indem er sich mit der größten Unbefangenheit wieder setzte und dem Tribunal den Rücken kehrte.

»Jetzt bist Du an der Reihe, Cirillo,« sagte Speciale.

»Dein Name, dein Alter, dein Stand?«

»Domenico Cirillo,« antwortete der Gefragte mit ruhiger Stimme.

»Ich bin sechzig Jahre alt. Unter der Monarchie war ich Arzt, unter der Republik Volksvertreter.«

»Und was bist Du heute mir gegenüber?«

»Dir, Feigling, gegenüber bin ich ein Held.«

»Zum Tode verurtheilt!« heulte Speciale.

»Zum Tode verurtheilt!« wiederholte das Tribunal wie ein geisterhaftes Echo.

»Weiter, Du da unten, der Du die Generalsuniform der sogenannten Republik trägt.«

»Ich?«, fragten Manthonnet und Salvato gleichzeitig.

»Nein, Du, der Du Kriegsminister gewesen bist. Rasch deinen Namen —«

Manthonnet unterbrach ihn.

»Gabriel Manthonnet; zweiundvierzig Jahre alt.«

»Was hast Du unter der Republik gethan?«

»Große Dinge, obschon dieselben nicht groß genug waren, denn zuletzt haben wir capituliert.«

»Was hast Du zu deiner Vertheidigung zu sagen?«

»Ich habe capituliert.«

»Dies ist nicht genug.«

»Das thut mir leid, ich habe aber denen, welche das heilige Gesetz der Verträge mit Füßen treten, keine andere Antwort zu geben.«

»Zum Tode!«

»Zum Tode!« wiederholte das Tribunal.