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La San Felice

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Der Cardinal senkte das Haupt und sagte dann nach einem augenblicklichen Schweigen:

»Ich verstehe. Und Ihr wollt euren unfreiwilligen Theil an dieser Schuld büßen?«

»Ja wohl, und deswegen bitte ich Sie, mir den geradesten Weg nach Jerusalem zu bezeichnen.«

»Der kürzeste Weg würde der fein, wenn Ihr Euch in Tarent einschifftet und in Bairuth landetet, aber da Ihr den Engländern keinen Dank schuldig sein wollt —«

»Nein, durchaus nicht, Eminenz.«

»Nun, hier habt Ihr eure Marschroute – Soll ich sie aufschreiben?«

»Nein, ich kann nicht lesen, aber ich habe ein gutes Gedächtniß, fürchten Sie nichts.«

»Nun gut. Von hier begebt Euch über Avellino, Benevent nach Manfredonia, von Manfredonia schifft Euch dann entweder nach Scutari oder Delvino ein, dann setzt über den Piräus, und geht nach Saloniki, hier werdet Ihr ein Schiff finden, welches Euch entweder nach Smyrna, Cypern oder nach Bairuth bringen wird. Seid Ihr dann einmal in Bairuth, so könnt Ihr Jerusalem in drei Tagen erreichen. Dort begebt Euch in das Franciscanerkloster, verrichtet eure Andachten am heiligen Grabe, und wenn Ihr Gott um Verzeihung eurer Sünden anfleht, so bittet ihn zugleich, daß er auch mir meine Sünde vergeben möchte.«

»Eure Eminenz hat also auch eine Sünde begangen?« fragte Fra Pacifico, indem er den Cardinal erstaunt anblickte.

»Ja, eine große Sünde, die mir Gott, der in unseren Herzen lesen kann, vielleicht vergibt, aber die mir die Nachwelt nimmermehr vergeben wird.«

»Welche Sünde ist denn das?«

»Ich habe einen König, welcher wortbrüchig, dumm und grausam ist, und welchen die Vorsehung vom Throne gestürzt, wieder auf denselben gesetzt. Geht, Bruder, geht, und betet für uns Beide.«

Fünf Minuten später saß Fra Pacifico auf seinem Esel und ritt nach Nola, der ersten Station auf seinem Wege nach Jerusalem.

Zweites Capitel.
Ein Mann, welcher sein Wort hält

Man wird sich erinnern, daß am Tage der Ankunft des Königs im Golf von Neapel eine englische Kugel die Tricolore zerschossen, welche vom Castell San Elmo herabwehte, und daß man ihre Stelle durch die Parlamentärflagge ersetzt hatte.

Die letztere hatte dem König so reiche Hoffnung eingeflößt, daß er, wie man sich erinnern wird, nach Palermo schrieb, er hoffe, die Capitulation werde am folgenden Morgen unterzeichnet werden.

Der König irrte sich; um aber dem Obersten Mejean Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, müssen wir sagen, daß es nicht seine Schuld war, wenn er sich am nächsten Morgen nicht ergab, sondern vielmehr die des Königs.

Der König hatte sich so gefürchtet, als ihm am Abend des 10. der Leichnam Caracciolos erschienen war, daß er den ganzen nächsten Morgen im Bett liegen blieb, von Fieberfrost geschüttelt, und stets weigerte er sich auf das Deck zu kommen. Es half alles Reden nichts, auch nicht, daß man ihm sagte, daß, da er es gestattet habe, die Leiche früh um 10 Uhr in der Kirche von Santa-Lucia beigesetzt worden sei, er machte eine Bewegung mit dem Kopf, welche zu jagen schien: »Einem solchen Burschen traue ich nicht.«

Während der Nacht wechselte man den Ankerplatz, und ankerte zwischen dem Castello d’Uovo und dem Castello Nuovo.

Von dieser Veränderung benachrichtigt, willigte der König ein, sein Zimmer zu verlassen, aber ehe er sich auf das Deck begab, erkundigte er sich sorgfältig, ob man nichts oben auf der Meeresoberfläche schwimmen sähe.

Man sah nichts, und keine Welle trübte die azurfarbene Fläche.

Der König athmete bei dieser Nachricht freier auf.

Der Herzog della Salandra, Generallieutenant der Truppen Seiner sicilischen Majestät, erwartete ihn, um ihm die Bedingungen zu unterbreiten, unter welchen Mejean sich erbot, das Castell zu übergeben.

Es waren folgende:

»Artikel 1. Die französische Besatzung des Castells San Elmo übergibt sich Eurer Majestät und den Verbündeten zu Kriegsgefangenen, und wird nicht gegen die Mächte ziehen, welche im Kampfe mit der französischen Republik stehen, so lange sie nicht regelmäßig ausgewechselt ist.

»Artikel 2. Die englischen Grenadiere werden gleich am Tage der Capitulation das Thor des Castells besetzen.

»Artikel 3. Die französische Besatzung wird das Castell den Morgen nach der Capitulation mit Waffen und Gepäck verlassen. Vor den Thoren der Festung wird sie warten, bis ihre Stelle durch eine Abtheilung portugiesischer, englischer, russischer und neapolitanischer Soldaten ersetzt werden wird, welche, sobald die Garnison ausgerückt ist, sofort Besitz von dem Castell nimmt. Dann wird sie die Waffen strecken.

»Artikel 4. Die Officiere behalten ihre Degen.

»Artikel 5. Die Besatzung soll so lange auf den englischen Schiffen untergebracht werden, bis die Schiffe bereit sind, welche sie nach Frankreich bringen sollen.

»Artikel 6. Sobald die englischen Grenadiere die Thore besetzt haben, werden alle Unterthanen, Seiner sicilischen Majestät den Verbündeten überwiesen.

»Artikel 7. Eine Wachmannschaft französischer Soldaten soll die französische Fahne vor Zerstörung schützen, und so lange dableiben, bis ein englischer Officier und eine englische Wachmannschaft sie ablöst. Erst dann kann das königliche Banner aufgezogen werden.

»Artikel 8, Alles Privateigenthum bleibt dem Eigenthümer, nur alles Staatseigenthum und alle durch Plünderung erlangten Gegenstände werden mit dem Castell übergeben werden.

»Artikel 9. Die Kranken, welche nicht transportiert werden können, bleiben mit französischen Wundärzten in Neapel, wo sie auf Kosten der französischen Regierung erhalten und von wo aus sie nach ihrer Genesung nach Frankreich zurückgeschickt werden.«

Diese am Abend vorher aufgesetzte Capitulation war bereits von Mejean unterzeichnet, und so war nur noch die Einwilligung des Königs nöthig, damit der Herzog della Salandra und die Capitäns Truebridge und Bailly ihre Namen unterzeichnen konnten.

Der König gab auch seine Einwilligung und so wurde diese Capitulation noch an demselben Tage unterzeichnet.

Cardinal Ruffos Unterschrift fehlt jedoch und das beweist eine vollständige Trennung von den Alliierten.

Obgleich die Capitulation das Datum des 11. trug, war sie doch erst, wie wir bereits gesagt haben, den 12. unterzeichnet worden, so daß erst am 13. die Verbündeten vor die Thore des Castells San Elmo rückten, um dieses in Besitz zu nehmen.

Eine Stunde vorher schickte Mejean zu Salvato und ließ diesen bitten, zu ihm auf sein Zimmer zu kommen.

Salvato leistete der Einladung Folge.

Die beiden Männer grüßten sich höflich, aber kalt. Der Oberst bat Salvato, Platz zu nehmen, und dieser setzte sich.

Der Oberst blieb stehen, indem er sich auf die Stuhllehne stützte.

»Herr General,« sagte er zu Salvato, »erinnern Sie sich noch, was hier in diesem Zimmer vorging, als ich das letzte Mal die Ehre hatte, Sie hier zu empfangen?«

»Ja wohl, Oberst, wir schlossen einen Vertrag.«

»Erinnern Sie sich auch noch, wie die Bedingungen dieses Vertrages lauteten?«

»Wir kamen dahin überein, daß Sie uns, die Signora San Felice und mich, für zwanzigtausend Francs die Person, auf französischen Boden bringen sollten.«

»Sind diese Bedingungen nicht erfüllt worden?«

»Nur für eine Person.«

»Ist es Ihnen möglich, diese Bedingungen auch für die andere Person zu erfüllen?«

»Nein.«

»Was ist nun da zu thun?«

»Nun, mir scheint das sehr einfach. Sie wollten mir einen Dienst erweisen, den ich aber nicht von Ihnen annehmen wollte.«

»Nun, das beruhigt mich. Ich sollte vierzigtausend Francs für die Rettung zweier Personen bekommen, da ich aber nur zwanzigtausend Francs bekommen habe, so werde ich nur eine Person retten. Welche von beiden nun ?«

»Die schwächste, welche sich nicht selbst retten könnte.«

»Haben Sie denn Aussicht, daß Sie sich selbst retten können?«

»Ja wohl.«

»Welche denn?«

»Haben Sie nicht das Papier gesehen, welches an Stelle des Geldes in dem Kästchen lag, und welches mir andeutete, daß man mich überwachte?«

»Wollen Sie mir den Schmerz bereiten, Sie ausliefern zu müssen? Der 6. Artikel der Capitulation bedingt, daß alle Unterthanen des Königs den Verbündeten ausgeliefert werden.«

»Beruhigen Sie sich, ich werde mich selbst ausliefern.«

»Ich habe Ihnen nun mitgetheilt, was ich Ihnen mitzutheilen hatte,« sagte Mejean mit einer Bewegung des Kopfes, welche zu sagen schien: »Jetzt können Sie gehen.«

»Ich habe Ihnen aber noch nicht, Alles gesagt,« erwiederte Salvato, ohne daß die geringste Veränderung in seiner Stimme wahrzunehmen gewesen wäre.

»So sprechen Sie.«

»Habe ich das Recht zu fragen, durch welches Mittel Sie die Rettung der Signora San Felice bewirken werden? Denn Sie werden leicht begreifen, wenn ich mich dem Untergange weihe, so geschieht es, damit sie gerettet werde.«

»Das ist nur zu billig, und das Recht steht Ihnen zu, über diesen Punkt die genaueste Auskunft zu verlangen.«

»Nun wohl, ich höre.«

»Der 9. Artikel der Capitulation sagt, daß die Kranken, welche nicht transportiert werden können, in Neapel bleiben werden. Eine unserer Marketenderinnen ist in diesem Falle. Sie wird in Neapel bleiben und die Signora San Felice wird ihre Stelle und Kleidung annehmen, und ich stehe Ihnen dafür, daß ihr kein Haar gekrümmt werden wird.«

»Das ist Alles, was ich wissen wollte, mein Herr,« sagte Salvato, indem er sich erhob. »Es bleibt mir weiter nichts übrig, als Sie zu bitten, so bald als möglich der Signora die Kleider zu schicken, welche sie anlegen soll.«

»Dies soll binnen fünf Minuten geschehen.«

Die beiden Männer grüßten sich, und Salvato ging fort.

Luisa erwartete ihn voll Angst, denn sie wußte wohl, daß Salvato nur die Hälfte der Summe hatte zahlen können, und sie kannte die Habsucht Mejean’s.

 

Lächelnd trat Salvato in das Zimmer.

»Nun, wie ist es denn?«, fragte ihn Luisa lebhaft.

»Es ist Alles in Ordnung.«

»Er hat dein Wort angenommen?«

»Nein, ich habe ihm ein Versprechen abgenommen. Du verläßt San Elmo als Marketenderin verkleidet unter dem Schutz der französischen Uniform.«

»Und Du?«

»Ich habe erst noch eine kleine Förmlichkeit zu erfüllen, so daß ich mich einen Augenblick von Dir trennen muß.«

»Welche Förmlichkeit hast Du denn zu erfüllen?« fragte Luisa voll Unruhe.

»Ich habe zu beweisen, daß, obgleich ich in Molisa geboren bin, ich in französischen Diensten stehe. Du weißt, daß nichts leichter ist, da alle meine Papiere im Palaste von Angri sind.«

»Du verläßt mich aber?«

»Nur auf einige Stunden.«

»Einige Stunden! Du sagtest doch vorhin einen Augenblick?«

»Augenblick oder Stunden. Der Teufel, wie man genau bei Dir sein muß!«

Luisa schlang die Arme um Salvato und küßte ihn zärtlich, indem sie sagte:

»Du bist ein Mann, Du bist stark, Du bist wie eine Eiche, während ich ein schwaches Rohr bin. Sobald Du Dich von mir entfernt, beuge ich mich jedem Lüftchen. Was willst Du! Deine Liebe ist Hingebung, meine Liebe aber nur Egoismus.«

Salvato drückte Luisa an sein Herz, und wie er sich auch zu bezwingen suchte, so zitterten eine eisenfesten Nerven so heftig, daß Luisa ihn erstaunt ansah.

In diesem Augenblick öffnete sich die Thür, und man brachte Luisa den versprochenen Marketenderanzug.

Salvato benutzte das, um den Gedanken Luisas eine andere Richtung zu geben. Er zeigte ihr lachend die verschiedenen Kleidungsstücke, welche sie anlegen sollte, und die Toilette begann.

An dem heiteren Gesichte Luisas konnte man sehen, daß ihr augenblicklicher Verdacht vergessen war. Sie sah reizend aus in dem kurzen Rock mit den rothen Aufschlägen und in dem mit der dreifarbigen Cocarde geschmückten Hute.

Salvato ward nicht müde sie anzusehen und zu sagen: »Ich liebe Dich! ich liebe Dich! ich liebe Dich!«

Sie lächelte, und ihr Lächeln war beredter als alle Worte.

Die Stunde verging wie eine Sekunde.

Die Trommel wirbelte und das war das Zeichen, daß die englischen Grenadiere das Thor des Castells besetzten.

Unwillkürlich schauderte Salvato, und eine leichte Blässe überzog sein Gesicht.

Er warf einen Blick in den Hof, wo die Besatzung unter den Waffen stand.

»Es ist Zeit, daß wir hinabgehen,« sagte er zu Luisa, »und daß wir uns in die Reihen stellen.«

Beide begaben sich hinunter, aber auf der Schwelle blieb Salvato stehen, und überblickte zum letzten Male seufzend das Zimmer, indem er Luisa an sein Herz drückte.

Hier waren sie ja auch glücklich gewesen.

Mit den Worten: »Die Unterthanen Sr. sicilischen Majestät werden den Verbündeten überwiesen,« hatte man die Geißeln gemeint, welche Mejean anvertraut worden waren. Diese Geißeln, fünf an der Zahl, befanden sich bereits auf dem Hofe und bildeten eine Gruppe für sich.

Mejean bedeutete Salvato, sich zu ihnen zu gesellen und Luisa, sich dahinter zu stellen.

Er postierte sich so nahe als möglich, um ihr im Nothfalle sofortigen Schutz leisten zu können.

Man konnte sich nicht beklagen, denn der Oberst Mejean führte das, wozu er sich verpflichtet hatte, mit der gewissenhaftesten Genauigkeit aus.

Die Trommeln wirbelten, der Ruf »Vorwärts ! Marsch!« ertönte.

Die Reihen öffneten sich, die Geißeln nahmen ihre Plätze ein.

Die Tamboure marschierten zum Festungsthor heraus, während die ganze russische, englische und neapolitanische Armee draußen wartete.

An der Spitze derselben standen die drei Oberofficiere, der Herzog della Salandra und die Capitäne Truebridge und Bailly.

Um die Besatzung zu ehren, hielt jeder von ihnen in der einen Hand den Hut und in der andern den gezogenen Degen.

Als man den bezeichneten Ort erreicht, commandierte der Oberst Mejean: »Halt!«

Die Soldaten blieben stehen, und die Geißeln traten vor.

Dann streckten die Soldaten, wie es in der Capitulation gesagt war, die Waffen, während die Officiere ihre Degen behielten, welche sie wieder in die Scheide steckten.

Dann schritt Mejean auf die Officiere der Verbündeten zu und sagte:

»Meine Herren, kraft des 6. Artikels der Capitulation habe ich die Ehre Ihnen die Geißeln zu übergeben, welche im Castell gefangengehalten wurden.«

»Wir bestätigen hiermit, dieselben empfangen zu haben,« sagte der Herzog della Salandra, und fuhr fort, indem er die sich nähernde Gruppe betrachtete, »wir rechneten jedoch nur auf fünf und hier sind sechs.«

»Der Sechste ist keine Geißel,« sagte Salvato, »der Sechste ist ein Feind.«

Dann, als er bemerkte, daß die drei Officiere ihn fest ansahen, während Mejean, nachdem er auch einen Degen wieder in die Scheide gesteckt, sich wieder an die Spitze der Besatzung stellen wollte, sagte er mit stolzer und lauter Stimme:

»Ich bin Salvato Palmieri, neapolitanischer Unterthan, aber General in französischen Diensten.«

Luisa, welche der ganzen Scene mit dem Blick einer Liebenden gefolgt war, stieß einen Schrei aus.

»Er rennt in sein Verderben, sagte Mejean. »Warum hat er denn gesprochen? Es war doch so einfach nichts zu jagen.«

»Wenn er aber in ein Verderben rennt,« rief Luisa, »so muß ich, so will ich mit ihm zu Grunde gehn! Salvato! mein Salvato! erwarte mich.«

Und indem sie aus den Reihen stürzte, den Oberst Mejean, der ihr den Weg versperrte, auf die Seite drängte, warf sie sich dem jungen Manne in die Arme und rief:

»Ich bin Luisa San Felice, und ihm stets treu im Leben und im Tode!«

»Meine Herren, Sie hören es,« sagte Salvato. »Wir haben Sie nur um eine Gnade zu bitten, nämlich uns während der kurzen Frist, die wir noch bis zu unserem Tode haben, nicht zu trennen.«

Der Herzog della Salandra wendete sich zu den beiden anderen Officieren, als ob er sie zu Rathe ziehen wollte.

Diese betrachteten die beiden jungen Leute mit einem gewissen Mitleid.

»Sie wissen,« sagte der Herzog, »daß der König ganz ausdrücklich den Tod der San Felice befohlen hat.«

»Er hat aber nicht verboten, ihren Geliebten mit zum Tode zu verurtheilen,« bemerkte Truebridge.

»Nein.«

»Nun, dann wollen wir für die Beiden thun, was von uns abhängt, wir wollen ihnen diesen letzten Wunsch erfüllen.«

Der Herzog della Salandra gab ein Zeichen, worauf vier neapolitanische Soldaten vortraten.

»Führt diese beiden Gefangenen in das Castello Nuovo,« sagte er. »Ihr haftet mit eurem Kopf für dieselben.«

»Ist es Madame gestattet, diese Verkleidung abzulegen, und ihre Kleider wieder anzuziehen?« fragte Salvato.

»Wo sind denn diese Kleider?« fragte der Herzog.

»In dem Zimmer der Signora im Castello San Elmo.«

»Wollen Sie schwören, daß dies kein Vorwand zu einem Fluchtversuch ist?«

»Ich schwöre Ihnen, daß wir Beide in einer Viertelstunde wieder hier sein werden.«

»Dann gehen Sie, wir verlassen uns auf Ihr Wort.«

Die beiden Männer grüßten sich, und Luisa und Salvato begaben sich wieder in das Castell.

Als Luisa die Thür des Zimmers öffnete, welches sie in der Hoffnung auf Freiheit, Liebe und Glück verlassen, und welches sie wieder als Gefangene und Verurtheilte betrat, sank sie auf einen Sessel und brach in Schluchzen aus.

Salvato kniete vor ihr nieder.

»Luisa,« sagte er, »Gott ist mein Zeuge, daß ich Alles gethan habe, was nur in meiner Macht stand, um Dich zu retten. Stets hast Du Dich geweigert, mich zu verlassen und gesagt: »Wir leben oder sterben zusammen!« Wir haben zusammen gelebt, sind zusammen glücklich gewesen, und haben in wenigen Monaten mehr Freude genossen, als die Hälfte der Menschen in ihrem ganzen Leben genießen. Heute nun, wo die Stunde der Prüfung gekommen ist, fehlt es Dir wohl an Muth? Armes Kind! hast Du deine Kräfte überschätzt? Theuere Seele, hast Du Dich falsch beurtheilt?«

Luisa erhob den Kopf, welchen sie an Salvato’s Brust verborgen, schüttelte ihr langes Haar zurück, welches in ihr ins Gesicht fiel, und sah Salvato durch ihre Thränen hindurch an.

»Verzeihe mir einen Augenblick der Schwäche, Salvato,« sagte sie; »Du siehst wohl, daß ich mich nicht vor dem Tode fürchte, denn ich habe ihn ja gesucht, als ich gesehen, daß Du mich getäuscht hattest, und ohne mich sterben wolltest, geliebter Salvato. Du hast gesehen, ob ich gezögert habe, und ob der Ruf, welcher uns vereinigen sollte, auf sich hat warten lassen.«

»Theure Luisa!«

»Jetzt aber,« fuhr sie fort, »beim Anblick dieses Zimmers, bei der Erinnerung an die schönen Stunden, die wir hier verlebt, bei dem Gedanken, daß sich die Thore seines Kerkers vielleicht für uns öffnen werden, daß wir vielleicht fern und getrennt voneinander dem Tode entgegengehen, wollte mir das Herz brechen. Aber sieh, bei dem Laute deiner Stimme versiegen die Thränen, und Lächeln umspielt wieder meine Lippen. So lange Blut in unseren Adern fließt, so lange werden wir uns lieben, und so lange wir uns lieben, werden wir glücklich sein. Der Tod mag kommen, denn wenn der Tod die Ewigkeit ist, so wird er für uns ewige Liebe sein.«

»Ah, an diesen Worten erkenne ich meine Luisa,« sagte Salvato.

Dann erhob er sich, umschlang Luisa und sagte, während er sie küßte:

»Steh auf, steh auf, Römerin! Steh’ auf, Aria! Wir haben versprochen in einer Viertelstunde zurückzukommen, und wir wollen keine Secunde auf uns warten lassen.«

Luisa hatte ihren Muth wiedergewonnen. Sie legte eilig ihren Marketenderanzug ab und ihre frühere Toilette an, dann stieg sie mit der Majestät einer Königin, mit dem Schritt, welchen Virgil der Mutter des Aeneas zuschreibt, und an welchem man die Göttinnen erkennt, die Treppe hinunter, über den Hof, verließ auf Salvato’s Arm gestützt die Festung, und ging gerade auf die drei Commandanten der alliierten Armee zu.

»Meine Herren,« sagte sie mit erhabener Anmuth und melodischer Stimme, »empfangen Sie hiermit den Dank einer Frau und zugleich den Segen einer Sterbenden, – denn ich habe Ihnen bereits gesagt, daß ich in Voraus verurtheilt bin – weil Sie gestattet haben, daß man uns nicht trennte! Und wenn Sie es möglich machen können, daß man uns zusammen einkerkert, daß wir zusammen die Todesstrafe erleiden und dasselbe Schaffot besteigen dürfen, so werde ich diesen Segen noch unter dem Beil des Henkers erneuern.«

Salvato band seinen Degen los und reichte diesen Bailly und Truebridge, welche davor zurücktraten, dann dem Herzog della Salandra.

»Ich nehme ihn, weil ich dazu gezwungen bin, mein Herr,« sagte dieser; »Gott aber ist mein Zeuge, daß ich Ihnen Ihren Degen viel lieber lassen möchte. Ich will Ihnen noch mehr sagen, mein Herr, ich bin Soldat und nicht Gendarme, und da ich keinen besonderen Befehl in Bezug auf Sie erhalten —«

Dabei sah er die beiden Officiere an, welche ihm zu verstehen gaben, daß sie Alles in seinen Willen stellten.

»Wenn Sie mir die Freiheit geben, sagte Salvato, welcher wohl wußte, was die unterbrochenen Worte und das Zeichen, welches den Gedanken des Herzogs della Salandra ergänzte, bedeuteten, »wenn Sie mir die Freiheit geben, werden Sie dieselbe auch zugleich der Signora schenken?«

»Das ist unmöglich, mein Herr,« sagte der Herzog, »denn die Signora ist mit ihrem Namen vom Könige bezeichnet, sie soll vor Gericht gestellt werden. Ich selbst wünsche aber von ganzem Herzen, daß man sie nicht verurtheilt.«

Salvato verneigte sich und sagte:

»Was sie für mich gethan, das thue ich auch für sie, und unser Schicksal ist im Tode wie im Leben eins.«

Und Salvato küßte die, mit der er sich für die Ewigkeit verlobte, auf die Stirn.

»Signora,« sagte der Herzog della Salandra, »ich habe einen Wagen kommen lassen, so daß Ihnen die Unannehmlichkeit erspart bleibt, durch die Straßen Neapels zwischen vier Soldaten gehen zu müssen.«

Luisa machte eine Geberde des Dankes.

Sie und Salvato begaben sich dann unter dem Geleit von vier Soldaten den Weg des Petrajo hinunter, bis sie den Vico da Santa Maria-Apparente erreichten. Hier erwartete sie ein Wagen, um welchen eine Menge Neugieriger sich versammelt hatte.

Gleich vorn unter der Menge stand ein Mönch des Sanct-Benedictinerordens.

In dem Augenblick, wo Salvato an ihm vorüberging, hob der Mönch seine Capuze.

Salvato zuckte zusammen.

»Was fehlt Dir denn?« fragte Luisa.

»Mein Vater,« murmelte ihr Salvato ins Ohr; »noch ist nichts verloren!«