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La San Felice

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Sechzehntes Capitel.
Die Erscheinung

Während man in den Straßen Neapels mordete, feierte man im Hafen ein großes Fest.

Erstens wollte man, wie es die weiße Fahne, welche man anstatt der Tricolore auf dem Castell San Elmo aufgezogen, angezeigt, da capituliren, und augenblicklich unterhandelte der Oberst Mejean mit dem Capitän Truebridge. Ueber die Hauptsachen war man einig, und so kam es, daß der König, welcher wenigstens that, als ob er sich um den Cardinal kümmere, diesem gegen drei Uhr Nachmittags folgendes Billet schreiben konnte.

»Am Bord des »Donnerers« den 10. Juli l799.

»Eminentissime!

»Ich benachrichtige Sie hierdurch, daß vielleicht heute Abends San Elmo unser sein wird, und ich glaube Sie zu erfreuen, daß ich Ihren Bruder Ciocio mit dieser glücklichen Nachricht sende. Ich werde ihn zugleich belohnen, wie es seine und Ihre guten Dienste verdienen. Richten Sie es so ein, daß er noch vor dem Ave Maria zur Abreise bereit ist. Bleiben Sie bei steter Gesundheit, und seien Sie versichert, daß ich stets bin

»Ihr wohlgeneigter
Ferdinand B.«

Francesco Ruffo hatte sich nicht lange in Neapel aufgehalten« denn am 9. Früh war er angekommen, und am 10. Abends reiste er wieder ab, aber der König, welcher auf Nelson’s und Hamiltons Berichte hin dem Cardinal mißtraute, sah es lieber, wenn Don Ciocio, wie er ihn nannte, sich in Palermo anstatt bei seinem Bruder aufhielt.

Don Ciocio, welcher nicht conspirirte, und niemals die leiseste Absicht, dies zu thun, gehabt hatte, war zur bestimmten Stunde bereit, und reiste nach Palermo ab, ohne Beobachtungen anzustellen.

Als er bei seiner Abreise um sieben Uhr Abends das Admiralschiff verließ, bereitete sich dort eine große Festlichkeit vor. Der König hatte den Bericht seines vertrauten Richters Speciale bei Seite gelegt, und unter den Personen, welche ihn auf dem Schiffe besucht und beglückwünscht hatten, eine Auswahl getroffen und Einladungen für den Abend vertheilt.

Es sollte nämlich ein Ball mit Souper am Bord des »Donnerers« stattfinden.

Wie man eine Hand umwendet, und gerade so, wie wenn das Signal zum Gefechte sich hören läßt, wurden die Scheidewände des Zwischendecks beseitigt.

Jede Kanone ward zu einer Blumenlaube oder einem Erfrischungsbuffet umgestaltet und um neun Uhr Abends war das Schiff, welches von dem größten bis zu dem kleinsten Raaen illuminiert war, bereit, die Gäste zu empfangen.

Darauf sah man beim Scheine der Fackeln, gleich einer sich bewegenden Illumination, Hunderte von Booten vom Lande abstoßen, in welchen entweder die Auserwählten saßen, welche auf das Schiff geladen waren, oder Schmeichler, welche mit Musikanten kamen, um Serenaden zu bringen, während in den anderen Booten blos Neugierige saßen, welche kamen, um zu sehen, oder hauptsächlich, um gesehen zu werden.

Diese Boote waren mit eleganten Frauen überladen, welche von Blumen und Diamanten ganz bedeckt wurden, wie auch die Männer mit Orden besternt, und bunten Schüren behangen waren. Alles dies hatte sich unter der Republik verborgen gehalten, und schien unter der Sonne des Königthums aus der Erde zu erstehen.

Doch war dies eine bleiche und traurige Sonne, welche am Morgen des 10. Juli aufgegangen, und über dampfendem Blute unterging.

Der Ball begann. Er fand auf dem Deck statt.

Diese sich bewegende Festung, welche vom Grund bis zur höchsten Spitze illuminiert war, im Winde Tausende von Flaggen entfaltete, und deren Tauwerk unter Lorbeerzweigen verschwand, bot einen zauberischen Anblick dar.

Am 10. Juli 1799 feierte Nelson dem Königthum dasselbe Fest, welches das Königthum ihm am 22. September 1798 gegeben hatte.

Wie jenes sollte auch dieses eine Erscheinung haben, welche aber noch schrecklicher, verhängnißvoller und düsterer als die erste sein sollte.

Um dieses Schiff, wo die Furcht mehr als die Liebe einen Hofstaat versammelt hatte, dem nur die wenigen Personen fehlten, welche dem Königthume nach Palermo gefolgt waren, einen Hofstaat, dessen schöne Herrin die Königin war, drängten sich, wie wir bereits erzählt haben, mehr als hundert Boote, in welchen Musikanten saßen, welche dieselben Melodien bliesen, wie das Orchester des Schiffes, und welche, um so zu sagen, ein Tuch von Harmonien über den Golf ausbreiteten, über welchem der Mond im schönsten Lichte strahlte.

Neapel war wirklich an diesem Abende die Parthenope des Alterthums, die Tochter der verweichlichten Euböa, und ihr Golf war wirklich der der Sirenen.

Bei den schwelgerischesten Festen, welche Cleopatra dem Antonius zu Ehren gegeben, hatte der gestirnte Himmel keinen schöneren Baldachin, das Meer keinen durchsichtigeren Spiegel und die Atmosphäre keinen duftigeren Hauch gewährt.

Zwar verhallte von Zeit zu Zeit ein Schmerzensschrei derjenigen in der Luft, welche man erwürgte, inmitten der Harfen, Geigen- und Guitarrenklänge, welche eine Klage der Wassergeister zu sein schienen; aber hatte man nicht auch in Alexandria inmitten der Festtage das Seufzen der Sklaven gehört, an welchen man Gifte probiert hatte? Um Mitternacht gab eine Rakete, welche hoch am tiefblauen Himmel von Neapel emporstieg, und ihre goldenen Funken rings verstreute, das Zeichen zur Tafel. Der Ball hörte auf, wenn auch die Musik nicht verstummte, und die gesellig gewordenen Tänzer stiegen in das Zwischendeck hinab, zu dem bis jetzt Schildwachen den Eintritt verwehrt hatten.

Wenn wir heute noch so sprächen, wie man es zu jener Zeit zu thun pflegte, so würden wir sagen, daß Komus, Bacchus, Flora und Pomona ihre köstlichsten Schätze auf dem »Donnerer« zusammengehäuft hätten. Französische, ungarische, portugiesische, Madaira, Cap- und Comtureiweine funkelten in Flaschen von reinem englischen Krystall und hätten nicht nur die Skala aller Farben, sondern auch die aller Edelsteine geben können, von der Klarheit des Diamantes an bis zum Roth des Rubins. Ganz gebratene Rehe und Eber, Pfauhähne mit ihren Smaragd- und Saphirschweifen, Goldfasanen, welche ihre goldigen und purpurnen Köpfe von der Schüssel emporrichteten Schwertfische, welche die Gäste mit ihrer Klinge bedrohten, riesenhafte Krebse, welche in gerader Linie von denen abstammten, die Apicius von Stromboli kommen ließ, Früchten von allen Sorten, Blumen aller Jahreszeiten füllten dicht gedrängt eine Tafel, welche sich vom Bug bis zum Spiegel des ungeheuren Schiffes erstreckte, dessen Länge unermeßlich war, da man sie durch die ungeheuren Spiegel verhundertfacht, welche an den äußersten Enden aufgestellt waren. Auf der Backbord- und Steuerbordseite des Schiffes, das heißt rechts und links, waren alle Luken geöffnet, und an der Schanze des Schiffes, zu beiden Seiten des Spiegels, öffneten sich zwei große Thüren auf die elegante Gallerie, welche dem Admiral zum Balcon diente.

Zwischen jeder Luke funkelten malerische und zugleich kriegerische Ornamente, nämlich Trophäen von Musketen, Säbeln, Pistolen, Picken und Enterbeilen, deren Eisen, so oft von französischem Blute geröthet, den blendenden Glanz von Tausenden von Kerzen wiederstrahlten, so daß es Sonnen von Stahl zu bilden schien.

Wie auch Ferdinand an die verschwenderischen Gastmähler des königlichen Palastes der Favorita und von Caserta gewöhnt war, so konnte er sich doch nicht eines Ausrufes der Bewunderung enthalten, als er den Fuß auf den Boden dieses neuen Speisesaales setzte.

Die durch Tasso’s Poesie besungenen Paläste der Armida boten nichts Feenhafteres, nichts Wunderbareres dar.

Der König setzte sich an die Tafel, ließ Emma Lyonna zu seiner Rechten, Nelson zu seiner Linken und Sir William ihm gegenüber Platz nehmen. Die Anderen wählten ihre Plätze, je nachdem die Etiquette sie berechtigte, näher bei dem Könige oder entfernter von ihm zu sitzen.

Als Alle Platz genommen, ließ Ferdinand den Blick unsicher über diese doppelte Reihe von Gästen schweifen. Vielleicht dachte er daran, daß der, welcher das erste Recht hatte, bei diesem Feste zu sein, nicht nur abwesend, sondern sogar verbannt sei, und ganz leise sprach er den Namen des Cardinals Ruffo vor sich hin.

Ferdinand aber war nicht der Mann, welcher einem guten Gedanken in seiner Seele lange Raum gegeben hätte, besonders wenn mit diesem guten Gedanken der Vorwurf der Undankbarkeit verbunden war.

Er schüttelte das Haupt, das gewohnte schlaue Lächeln umspielte seinen Mund, und ebenso wie er nach seiner Flucht von Rom bei seinem Einzug in Caserta gesagt: »Hier befindet man sich wohler als auf der Straße von Albano!« ebenso rieb er sich jetzt die Hände und sagte, indem er auf den Sturm anspielte, den er von seiner Flucht nach Sicilien an ausgehalten:

»Hier befindet man sich wohler als auf der Straße von Palermo!«

Röthe überzog bei diesen Worten Nelsons fahle, kränkliche Stirn. Er dachte an Caracciolo, an den Triumph des neapolitanischen Admirals während dieser Ueberfahrt, an die Beleidigung, die er ihm zugefügt, als er, als Lootse verkleidet, an Bord zu ihm gekommen war, und den »Vanguard« mitten durch die Klippen geführt, welche den Eingang zum Hafen von Palermo umstarren Klippen, in welche Nelson sich nicht hineingewagt hatte, weil er in diesen schwierigen Regionen weniger bewandert war.

In Nelsons einem Auge flammte es zornig auf, dann kräuselte ein Lächeln seine Lippen, wahrscheinlich ein Lächeln befriedigten Rachegefühls.

Der Lootse war dem Ocean verfallen, wo kein Hafen zu finden ist!

Zu Ende des Mahles spielten die Musikbanden das »God save the king«, und Nelson erhob sich mit jenem unversöhnlichen englischen Stolz, welcher keine Etiquette beobachtet, und ohne daran zu denken, oder vielmehr ohne sich darum zu kümmern, ob ein anderer Souverän an seiner Tafel saß oder nicht, brachte er einen Toast auf den König Georg aus.

 

Wahnsinnige Hurrahrufe der englischen Officiere, welche an Nelsons Tafel saßen, wie auch die der Matrosen, welche auf den Raan postiert waren, antworteten auf diesen Toast, und die Kanonen der zweiten Batterie krachten.

Der König, welcher unter einem gewöhnlichen Aeußeren eine genaue Kenntniß und besonders große Beobachtung der Etiquette barg, biß sich auf die Lippen daß diese beinahe bluteten.

Fünf Minuten später brachte Sir William seinerseits einen Toast auf den König Ferdinand aus. Man brach wieder in Hurrahrufe aus, und auch ihm zu Ehren wurden Kanonen gelöst.

Der König Ferdinand wußte aber recht wohl, daß man die Ordnung der Toaste umgekehrt, und daß der erste eigentlich ihm gebührt hätte.

Dann dachte der König auch, daß er, da man auf den Booten, welche das Schiff umgaben, und welche sich besonders nach hinten drängten, wahnsinnige Beifallsrufe vernommen, seinen Dank zwischen den gegenwärtigen Gästen und denen theilen müßte, welche weniger glücklich, aber ihm deswegen nicht minder ergeben den »Donnerer« umschwärmten.

Er nickte daher zum Zeichen seines Dankes Sir William flüchtig zu, leerte sein halbgefülltes Glas, und ging dann auf die Gallerie hinaus, um die zu begrüßen, welche ihm aus Furcht, Ergebenheit oder Niedrigkeit dieses Zeichen des Mitgefühls geschenkt.

Sobald man den König erblickte, brach Alles in Beifallsrufe und Freudengeschrei aus; der tausendstimmige Ruf: »Es lebe der König!« schien aus der Tiefe des Abgrundes bis zum Himmel emporzusteigen.

Der König verneigte sich, und begann die Hand zum Munde zu führen, als er plötzlich innehielt, sein Blick erstarrte, seine Augen aus den Höhlen zu treten schienen, das Haar ihm zu Berge stieg, und ein heiserer Laut, welcher Erstaunen und Schrecken zugleich ausdrückte, sich seiner Brust entrang.

Zu gleicher Zeit entstand große Bewegung auf den Barken, welche sich rechts und links entfernten, so daß ein großer leerer Zwischenraum entstand.

Inmitten dieses Zwischenraumes erhob sich aus dem Wasser bis zum Gürtel der schreckliche Leichnam eines Mannes, in welchem man, trotz des mit Seegras bedeckten, an den Schläfen klebenden Haupthaares, trotz des struppigen Bartes, trotz des schwarzblauen Gesichts den Admiral Caracciolo erkannte

Die Rufe: »Es lebe der König!« schienen ihn vom Meeresgrunde, wo er seit dreizehn Tagen schlief, emporgelockt zu haben, damit er sein Rachegeschrei mit den Rufen der Schmeichelei und Feigheit vereinigen könnte.

Der König hatte ihn sogleich erkannt, wie dies auch von allen Anderen geschehen war. Deswegen war Ferdinand mit gehobenem Arm, starrem, verstörtem Blick und röchelndem Schreckensruf stehen geblieben, deswegen hatten sich alle Boote zugleich und hastig entfernt.

Ferdinand wollte einen Augenblick die Wirklichkeit dieser Erscheinung in Zweifel ziehen, aber vergebens; der Leichnam, welcher der Wellenbewegung des Meeres folgte, neigte sich vorwärts und richtete sich wieder auf, als ob er den hätte grüßen wollen, welcher ihn vor Entsetzen stumm und unbeweglich anblickte.

Nach und nach aber gewannen die erstarrten Nerven des Königs wieder Leben, seine Hand zitterte so, daß er das Glas fallen ließ, welches zerbrach, und bleich, bestürzt, keuchend kehrte er zurück, indem er das Gesicht in den Händen verbarg und ausrief:

»Was will er? Was verlangt er von mir!«

Bei dem Rufe des Königs, bei dem Schrecken, welcher sich in seinen Zügen malte, erhoben sich alle Gäste, und da Alle vermutheten, daß der König von der Gallerie herab etwas Grausiges gesehen haben müßte, so liefen sie hinaus.

In demselben Augenblick entschlüpfte Allen wie mit einen elektrischen Schlag ein Ausruf, welcher alle Herzen mit Entsetzen erfüllte:

»Der Admiral Caracciolo!«

Und bei diesen Worten sank der König in euren Sessel indem er wiederholte:

»Was will er? Was verlangt er von mir?«

»Daß Sie ihm Verzeihung seines Verrathes gewähren, Sire,« erwiederte Sir William, der sogar einem bestürzten König und einem drohenden Leichnam gegenüber Höfling blieb.

»Nein,« rief der König, »nein, er will etwas Anderes! er verlangt etwas Anderes!«

»Ein christliches Begräbniß, Sire,« murmelte der Caplan des »Donnerers« dem Könige in’s Ohr.

»Er soll es erhalten!« erwiederte der König, »er soll es erhalten!«

Dann taumelte er die Treppe hinunter, stieß sich in der Eile an den Wänden des Schiffes, und als er sein Zimmer erreicht hatte, schloß er die Thür hinter sich zu.

Harry nehmen Sie ein Boot, und fischen Sie dieses Aas wieder heraus,« sagte Nelson mit derselben Stimme, mit welcher er befohlen haben würde: »Das große Marssegel aufgezogen!« oder: »Das Besansegel gebraßt!«

Vierzehnter Theil

Erstes Capitel.
Die Gewissensbisse Fra Pacifico’s

Wie der Traum Athalia’s hatte auch Nelsons Fest mit einem Donnerschlag geendet.

Emma Lyonna hatte erst vor der schrecklichen Erscheinung fest bleiben wollen, aber die Bewegung der See, welche aus Südosten kam, trieb den Leichnam, wie man deutlich sehen konnte, dem Schiffe zu, und Emma eilte rückwärts davon und fiel halb ohnmächtig in einen Sessel.

Da war es, wo Nelson, welcher ebenso unerschütterlich in seinem Muthe, wie unversöhnlich in seinem Haß war, Harry den Befehl ertheilte, welchen wir gehört haben.

Harry gehorchte augenblicklich, ein Boot ward ausgesetzt, sechs Männer und ein Bootsmann stiegen hinein, während der Capitän Harry ihnen folgte.

Wie ein Schwarm Vögel auseinanderfliegt, wenn ein Geier unter sie fährt, so entfernten sich auch die Boote, wie wir bereits erzählt haben, von dem Leichnam, und glitten ohne Musik, mit ausgelöschten Fackeln auf dem Meere dahin, während bei jedem Ruderschlage eine Funkengarbe aufsprühte.

Die, welche durch den Leichnam vom festen Lande getrennt wurden, machten einen weiten Bogen, um ihn zu umgehen, und bewegten ihre Ruder desto mehr, je größer der Kreis war, den sie zu umfahren hatten.

Auf dem Schiffe hatten sich alle Gäste von der Tafel erhoben und drängten sich nach der hinteren, dem Leichnam gegenüberliegenden Seite, während ein Jeder nach seinen Ruderern rief. Nur die englischen Officiere standen auf der Gallerie, und redeten den Leichnam mit mehr oder minder groben Spottreden an, dem sich der Capitän Harry und seine Leute mit kräftigen Ruderschlägen näherten.

Als man bis zu dem Leichnam gekommen, und als Harry sah, daß seine Leute ihn anzugreifen zögerten, ergriff er ihn bei den Haaren und versuchte ihn aus dem Wasser zu ziehen, aber der Körper war so schwer, daß es war, als würde er durch eine unsichtbare Kraft im Meere zurückgehalten, und der Capitän behielt nur die Haare in der Hand.

Er stieß einen Fluch aus, in dem sich vorherrschend Ekel ausdrückte, wusch die Hand im Meere, und befahl Zweien seiner Leute die Leiche an dem Strick zu fassen, welcher noch um ihren Hals befestigt war, und sie in das Boot zu ziehen.

Aber nur der vom Körper getrennte Kopf, welcher nicht die ganze Last desselben zu tragen vermochte, gehorchte den Anstrengungen der Männer und rollte in das Boot.

Harry stampfte mit dem Fuße.

»Ah, Du Dämon!«, murmelte er, »wehre Dich nur, Du wirst doch hier herein müssen, und sollte ich Dir ein Glied nach dem andern abreißen!«

Der König betete in seiner Cajüte, während er den Caplan am Kragen seines Gewandes gefaßt hielt und in nervösem Zittern schüttelte; Nelson ließ der schönen Emma Lyonna Salze einathmen; Sir William versuchte die Erscheinung auf wissenschaftlichem Wege zu erklären; die Officiere spotteten immer ärger, und die Boote fuhren fort sich zu entfernen.

Die Matrosen hatten auf Harrys Befehl den Strick, welcher Caracciolo den Hals zusammenschnürte, unter seinen Armen durchgezogen, und zogen ihn an sich; aber obgleich die Körper im Wasser beinahe ein Drittel ihrer natürlichen Schwere verlieren, so gelang es doch kaum den vereinten Anstrengungen von vier Männern den Rumpf über den Rand des Bootes zu bringen.

Die englischen Officiere klatschten mit lautem Gelächter in die Hände und schrieen:

»Hurrah, es lebe Harry!«

Das Boot erreichte wieder das Schiff und ward unter dem Bugspriet mit einem Tau festgebunden.

Die Officiere, welche gern die Ursache dieses Wunders erfahren wollten, gingen von dem Spiegel nach dem Bug, während die Gäste das Schiff verstohlen auf den Treppen rechts und links verließen, da sie schnell einem Schauspiel entfliehen wollten, welches für die Mehrzahl von ihnen etwas Diabolisches oder doch wenigstens etwas Uebernatürliches hatte.

Sir William hatte mit der Erklärung das Richtige getroffen, daß nach einer gewissen Zeit die Körper der Ertränkten sich mit Wasser und Luft füllten und natürlich auf die Oberfläche des Meeres zurückkämen; was aber erstaunenerregend, außergewöhnlich und wunderbar wäre, sei, daß der Admiral emporgestiegen wäre, und den König so erschreckt hätte, trotz der zwei Kugeln, welche man an seinen Füßen befestigt.

Der Capitän Harry, dessen Bericht wir diese Einzelheiten entnehmen, wog die beiden Kugeln und versichert, daß sie zweihundertundfünfzig Pfund wogen.

Der Caplan der »Minerva«, derselbe, welcher Caracciolo auf den Tod vorbereitet hatte, ward gerufen und zu Rathe gezogen, was man wohl mit dem Leichnam machen sollte.

»Hat man den König über den Vorfall unterrichtet?« fragte er.

»Der König ist Einer der Ersten gewesen, welche die Erscheinung gesehen haben,« gab man zur Antwort.

»Und was hat er gesagt?«

»Er hat in seinem Schrecken erlaubt, daß die Leiche ein christliches Begräbniß erhalte.«

»Nun, dann müssen wir thun, was uns der König befohlen hat,« sagte der Caplan.

So gab man sich denn weiter nicht mit der Angelegenheit ab, und überließ dem Caplan die Sorgen des Begräbnisses.

Doch sollte diesem bald ein Helfer erscheinen, den er gar nicht erwartet hatte.

Die Leiche des Admirals war im vollständigen Bauernanzug, nur ohne Jacke, da man ihm diese wegen der Hinrichtung ausgezogen, in dem Boote liegen geblieben, in welches man ihn aufgenommen.

Der Caplan hatte sich im Hintertheil des Bootes niedergesetzt, und las beim Scheine einer Laterne Gebete für den Todten, welche er in dieser schönen Juninacht eben so gut beim bloßen Licht des Mondes hätte lesen können.

Bei Tagesanbruch sah er ein Boot auf das einige zukommen, welches von zwei Schiffern gerudert ward, und in dem ein einziger Mönch sich befand. Dieser Mönch, welcher sehr groß war, stand vorn im Boote, und zwar so sicher auf der schmalen Spitze desselben, als ob er selbst Seemann wäre.

Da der wachhabende Officier sofort bemerkte, daß die Ankömmlinge mit dem Boote, in welchem die Leiche lag, zu thun hätten, aber nicht mit dem Schiff, und da Nelson befohlen hatte, wenn man selbst nichts thun wollte, es doch wenigstens Anderen thun zu lassen, so bekümmerte man sich nicht um das Boot, welches übrigens nur einen Mönch mit zwei Schiffern trug.

Wirklich ruderten die zwei Schiffer das Boot gerade auf die Barke zu, neben welcher es anlegte.

Der Mönch wechselte einige Worte mit dem Caplan, sprang in die Barke und betrachtete einen Augenblick schweigend den Leichnam, während dicke Thränen seinen Augen entquollen.

Unterdessen stieg der Caplan in das Boot, in welchem der Mönch gekommen, und begab sich an Bord des »Donnerers«.

Er wollte hier die letzten Befehle Nelsons in Empfang nehmen.

Diese lauteten dahin, daß man mit der Leiche machen könnte, was man wollte, da der König seine Erlaubniß zu einem christlichen Begräbniß gegeben hätte.

Dieser Bescheid ward dem Mönch von dem Caplan überbracht. Der Mönch nahm die Leiche in seine starken Arme und trug sie aus der Barke in das Boot, in welchem er gekommen war.

Der Caplan folgte ihm.

Dann ruderten die beiden Matrosen, welche vom Quai del Piliere gekommen waren, auf den Befehl des Mönches gerade nach Santa-Lucia, dem Kirchspiel, welchem Caracciolo angehörte.

Obgleich in Santa-Lucia fast nur Royalisten wohnten, ward Caracciulo doch dort wegen seiner Wohlthätigkeit angebetet. Ueberdies wohnten in Santa Lucia die besten Matrosen der neapolitanischen Marine, und alle, welche unter dem Admiral gedient hatten, erinnerten sich lebhaft der drei Eigenschaften eines Mannes, welcher Anderen befehlen will, nämlich des Muthes, der Güte und der Gerechtigkeit.

Caracciolo vereinigte diese drei Eigenschaften in hohem Maße.

Kaum hatte der Mönch mit einigen ihm begegnenden, Fischern einige Worte gewechselt, und kaum verbreitete sich das Gerücht, daß der Leichnam des Admirals eine Ruhestätte unter seinen alten Freunden suche, als das ganze Kirchspiel in Bewegung gerieth, und der Mönch brauchte, nur das Haus zu wählen, in welchem die Leiche bis zum Begräbniß liegen sollte.

 

Man gab einem Hause den Vorzug, welches dem Boote am nächsten stand.

Zwanzig Arme erboten sich, die Leiche zu tragen, aber der Mönch nahm dieselbe, wie er es bereits gethan, in seine Arme, schritt mit der theuern Last über den Quai, legte sie auf ein Lager, kam wieder, und holte den Kopf, um ihn ebenso wie den Rumpf zur Ruhe zu bringen.

Er verlangte ein Tuch, in welches er die Leiche hüllen konnte, und nach fünf Minuten kamen zwanzig Frauen gelaufen, von denen jede rief:

»Er war ein Märtyrer, nehmt mein Tuch, er wird meinem Hause Glück bringen.«

Der Mönch wählte das schönste, neueste, feinste, und während der Caplan fortfuhr Gebete zu lesen, die Frauen im Kreise um das Bett knieten, auf welchem der Admiral lag, während die Männer, welche hinter den Frauen fanden, die Thür versperrten und die übrige Menschenmasse bis auf die Straße hinaus reichte, zog der Mönch mit frommer Hand die Leiche aus, legte das Haupt zum Rumpf und hüllte den Körper in ein doppeltes Tuch.

Aus dem benachbarten Hause, welches einem Tischler gehörte, vernahm man Hammerschläge; man nagelte nämlich in Eile einen Sarg für den Admiral zusammen.

Um 9 Uhr brachte man den Sarg, der Mönch legte die Leiche hinein, dann brachten alle Frauen des Kirchspiels entweder Lorbeerzweige, da ja Lorbeer in allen Gärten Neapels wächst, oder Blumen, wie man sie an allen Fenstern sieht, und so ward die Leiche ganz damit überdeckt.

Jetzt begannen die Glocken der kleinen Kirche von Santa-Lucia traurig zu läuten, und die Geistlichkeit erschien an der Thür.

Man schloß den Sarg, sechs Matrosen nahmen ihn auf die Schultern, der Mönch folgte gleich hinter demselben, und ihm folgten wieder alle Bewohner von Santa-Lucia.

Links vom Altar auf dem Chor hatte man eine Steinplatte aufgehoben und die Grabgesänge begannen.

Die Neapolitaner, welche Alles übertreiben, und welche vielleicht in die Hände geklatscht, als sie Caracciolo hängen sahen, zerflossen jetzt in Thränen und Schluchzen, als die Priester an dem Sarge beteten und sangen.

Die Männer schlugen mit der Faust an die Brust, und die Frauen zerkratzten sich mit den Nägeln das Gesicht.

Es war als ob ein allgemeines Unglück, eine unheilvolle Calamität das Königreich heimsuchte.

Diese Betrübniß erstreckte sich jedoch nur von dem Riesenhügel bis zum Castello d’Uovo, denn hundert Schritte davon erwürgte und verbrannte man die Patrioten.

Die Leiche Caracciolos ward in der schnell für ihn bereiteten Gruft und nicht in der, welche seiner Familie gehörte, beigesetzt. Der Stein ward wieder auf die Oeffnung gelegt, und kein Zeichen deutete an, daß hier das Opfer Nelsons und der Vertheidiger der neapolitanischen Freiheit ruhte.

Die San-Luciaten, Männer wie Frauen, beteten bis zum Abend an dem Grabe und der Mönch mit ihnen.

Als der Abend gekommen, erhob sich der Mönch, nahm seinen Stab aus Lorbeerholz, welchen er hinter der Thür des Hauses hatte stehen lassen, in welchem man Caracciolo in den Sarg gelegt, dann stieg er den Riesenhügel hinan, ging durch die Toledostraße, während ihm von der niedrigen Bevölkerung Zeichen der Verehrung gespendet wurden, trat in ein Kloster, kam nach einer Viertelstunde wieder heraus und trieb vor sich einen Esel her, mit welchem er den Weg nach der Magdalenenbrücke einschlug.

Als er die Vorposten der Armee des Cardinals erreichte, empfing er noch zahlreichere und besonders geräuschvollere Beifallsbezeigungen als in der Stadt, und so gelangte er denn unter großer Bewegung, welche seine Erscheinung verursachte, bis zu dem kleinen Hause des Cardinals, wo er wie ein alter Bekannter Einlaß fand.

Er band seinen Esel an einen der Thürringe und stieg die Treppe hinauf, welche nach dem ersten Stockwerk führte. Der Cardinal befand sich auf der Terrasse, welche an der Meereseite lag, um sich in der Kühle des Abends zu laben.

Beim Geräusch der Schritte des Mönches drehte er sich um.

»Ah, Ihr seid es, Fra Pacifico,« sagte er.

»Ja, ich bin es, Eminenz,« sagte der Mönch und seufzte.

»Ah, ah! ich freue mich, Euch zu sehen. Ihr seid ein guter, braver Diener des Königs während des ganzen Feldzuges gewesen. Wollt Ihr etwas von mir? Wenn das, was Ihr erbitten wollt, zu erfüllen in meiner Macht steht, so will ich es thun. Ich sage Euch aber im Voraus,« fügte der Cardinal mit einem bitteren Lächeln hinzu, »daß meine Macht nicht groß ist.«

Der Mönch schüttelte den Kopf.

»Ich hoffe, daß das, was ich von Ihnen erbitten will,« sagte er, »nicht über die Grenzen Ihrer Macht geht.«

»Dann sprecht.«

»Ich möchte Sie um zwei Dinge bitten, Monsignore; erstens um meinen Abschied, da der Feldzug vorüber ist, und dann um die Bezeichnung des Weges, den ich einzuschlagen habe, um nach Jerusalem zu kommen.«

Der Cardinal sah Fra Pacifico erstaunt an.

»Euren Abschied?«, sagte er. »Es scheint mir, als ob Ihr den genommen hättet, ohne mich darum zu fragen.«

»Monsignore, ich war allerdings wieder in mein Kloster zurückgekehrt, aber ich hielt mich daselbst den Befehlen Eurer Eminenz zur Verfügung.«

Der Cardinal machte eine beistimmende Geberde.

»Was den Weg nach Jerusalem betrifft,« sagte er, so ist nichts leichter, als Euch denselben zu bezeichnen. Aber darf ich Euch noch vorher fragen, lieber Fra Pacifico, ohne unbescheiden zu sein, was Ihr im gelobten Lande zu thun beabsichtigt?«

»Eine Wallfahrt nach dem Grabe Jesu zu unternehmen, Eminenz.«

»Werdet Ihr von eurem Kloster dahin gesandt, oder ist es eine Buße, die Ihr Euch selbst auferlegt?«

»Es ist eine Buße, welche ich mir selbst auferlege.«

Der Cardinal blieb einen Augenblick nachdenklich, dann fragte er:

»Ihr habt wohl irgend eine grobe Sünde begangen?«

»Ja, ich fürchte,« erwiederte der Mönch.

»Ihr wißt wohl,« sagte der Cardinal, »daß ich auch große kirchliche Gewalt besitze?«

Der Mönch schüttelte mit dem Kopfe und sagte:

»Eminenz, ich glaube, daß die Buße, welche man sich selbst auferlegt, Gott wohlgefälliger ist als die, welche man sich auferlegen läßt.«

»Und auf welche Weise beabsichtigt Ihr denn zu reisen?«

»Zu Fuß und bettelnd.«

»Die Reise ist aber lang und beschwerlich.«

»Ich bin kräftig.«

»Sie ist auch gefährlich.«

»Um so besser. Ich werde nicht böse sein, wenn ich während derselben auch einmal auf etwas Anderes als den armen Giacobini schlagen kann.«

»Ihr werdet Euch auch, um nicht zu lange Zeit zu eurer Reise zu brauchen, an Schiffscapitäne mit der Bitte um Ueberfahrt wenden müssen.«

»Ich werde mich an Christen wenden, und sobald ich Ihnen sage, daß ich Christum anbeten will, werden Sie mir Ueberfahrt gewähren.«

»Würdet Ihr es aber nicht wenigstens auf alle Fälle vorziehen, wenn ich Euch irgend einem englischen Schiffe empfähle, welches nach Bairuth oder Saint-Jean-d’Acre segelt?«

»Ich will nichts von den Engländern, das sind Ketzer!«, sagte Fra Pacifico mit einem Gesichte, in dem sich Haß sehr deutlich ausprägte.

»Habt Ihr ihnen weiter nichts vorzuwerfen?« fragte Ruffo, indem er den Mönch mit einem durchbohrenden Blick ansah.

»Und dann,« fügte Fra Pacifico hinzu, indem er mit der geballten Faust nach der britannischen Flotte zeigte, »und dann haben sie auch meinen Admiral gehängt!«

»Und dies ist das Verbrechen, für welches Ihr für sie am Grabe Christi Verzeihung erbitten wollt, nicht wahr?«

»Für mich! – nicht für die Engländer.«

»Für Euch?« fragte Ruffo erstaunt.

»Habe ich denn nicht dazu beigetragen?« sagte der Mönch.

»Inwiefern denn?«

»Indem ich einer schlechten Sache diente.«

Der Cardinal lächelte und sagte:

»So haltet Ihr also des Königs Sache für eine schlechte?«

»Ich glaube, daß die Sache, welche meinen Admiral zum Tode brachte, der doch die verkörperte Gerechtigkeit, Ehre und Rechtschaffenheit war, keine gute sein kann.«

Die Stirn des Cardinals umwölkte sich und er seufzte.

»Dann,« fuhr der Mönch mit dumpfer Stimme fort, »hat der Himmel auch ein Wunder geschehen lassen.«

»Was für eins denn?«, fragte der Cardinal, welchen man bereits von der sonderbaren Erscheinung berichtet, die das Fest gestört, welches man am vorhergehenden Abende auf dem »Donnerer« gegeben.

»Der Leichnam des Märtyrers ist aus dem Meeresgrunde, wo er seit dreizehn Tagen gelegen, aufgestiegen, um dem Könige und dem Admiral Nelson Vorwürfe über seinen Tod zu machen, und gewiß hätte Gott das nicht geschehen lassen, wenn der Tod ein gerechter gewesen wäre.«