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La San Felice

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Zweites Capitel.
Die Capitulation

Am19. Juni waren, wie wir bereits gesagt, die Präliminarien der Capitulation zu Papier gebracht worden.

Während des 20. hatte man mitten unter einer Emeute, welche die Stadt mit Blut überschwemmte und zuweilen, einen zufriedenstellenden Ausgang der Unterhandlungen als geradezu unmöglich erscheinen ließ, darüber verhandelt.

Am 2l. Mittags war die Emeute beschwichtigt und um vier Uhr Nachmittags hatte das freie Gastmahl stattgefunden.

Endlich am 22. Morgens kam der Oberst Mejean, von der royalistischen Cavallerie escortirt, von dem Castell San Elmo herab, um sich mit dem Directorium zu besprechen.

Salvato sah alle diese Vorbereitungen zum Frieden mit großer Freude.

Die Plünderung von Luisas Hause, das allgemein verbreitete Gerücht, daß sie die Backer denunziert und dass diese Denunciation die Ursache des Todes derselben gewesen, flößten ihm für die Sicherheit der Geliebten die lebhaftesten Besorgnisse ein. Für seine Person jeder Furcht unzugängig, war er doch, wenn es sich um Luisa handelte, furchtsamer und schüchterner als ein Kind.

Auch eine zweite Hoffnung begann in seinem Herzen zu erwachen. Seine Liebe zu Luisa war immer höher gestiegen und selbst der Besitz hatte sie noch gesteigert.

Da das Verhältniß zwischen Beiden mittlerweile zur allgemeinen Kenntniß gekommen, so war es unmöglich, daß Luisa in Neapel bliebe, und hier die Rückkehr ihres Gemahls abwarte.

Nun aber war es, wahrscheinlich, daß sie die den Patrioten gestellte Alternative, in Neapel zu bleiben oder zu, fliehen, benutzen würde, um nicht blos Neapel, sondern auch Italien zu verlassen. Dann gehörte sie wirklich ihm, dann ward sie die Seine auf immer und nichts konnte sie von ihm trennen.

In Bezug auf die Capitulation, welche unter seinen Befehlen diskutiert worden, hatte er Luisa mehrmals absichtlich den Artikel 5 dieser Capitulation erklärt, welcher dahin lautete; daß allen darin inbegriffenen Personen die Wahl zustände, entweder in Neapel zu bleiben, oder sich nach Toulon einzuschiffen.

Luisa hatte bei dieser Erklärung jedesmal geseufzt, ihren Geliebten an ihr Herz gedrückt, aber nichts geantwortet.

Luisa hatte nämlich trotz ihrer innigen Liebe zu Salvato sich noch zu nichts entschlossen, und wich, indem sie die die Augen schloß, um die Zukunft nicht zu sehen, vor dem unermeßlichen Schmerze zurück, welchen diese Zukunft, wenn der Augenblick kam, entweder ihrem Gatten oder ihrem Geliebten verursachen mußte.

Allerdings, wäre Luisa frei gewesen, so wäre es für sie wie für Salvato das höchste Glück gewesen, dem Freunde ihres Herzens bis ans Ende der Welt zu folgen. Dann hätte sie ohne Schmerz ihre Freunde, Neapel und selbst dieses kleine Haus verlassen, in welchem ihre so ruhige und so reine Kindheit von Jugend an verflossen war.

Neben diesem höchsten Glück aber richtete sich ein Schatten empor, den sie nicht verscheuchen konnte.

Wenn sie fortging, so gab sie das Alter des Mannes, der an ihr Vaterstelle vertreten, dem Schmerz und der Vereinsamung preis.

Ach, leider hat jene berauschende Leidenschaft welche man die Liebe nennt, jene Seele des Weltalls, welche den Menschen seine schönsten Thaten und seine größten Verbrechen begehen läßt, und die, so lange der Fehltritt noch nicht geschehen, an Entschuldigungen so sinnreich ist, der Reue und den Gewissensbissen nichts weiter entgegenzusetzen als Theorien und Seufzer.

Auf Salvatos Bitten wollte Luisa nicht ja antworten, und nein zu antworten wagte sie nicht.

Sie hegte im innersten Herzen jene unbestimmte Hoffnung der Unglücklichen, welche nur noch auf ein Wunder der Vorsehung hoffen, um einer verzweifelten Lage entrissen zu werden, in welche sie durch einen Irrthum oder seinen Fehltritt versetzt worden.

Mittlerweile verging die Zeit, und wie wir schon gesagt, kam am 22. Juni Morgens der Oberst Mejean von dem Castell San Elmo herab, um, von der royalistischen Cavallerie escortirt, mit dem Directorium zu conferiren.

Der Zweck seines Besuches war, sich zum Vermittler zwischen den Patrioten und dem Cardinal anzubieten, weil das Directorium die Bedingungen, die es stellte, nicht zu erlangen hoffte.

Man erinnert sich der Antwort Manthonnet’s: »Wir werden nicht eher unterhandeln, als bis der letzte Sanfedist die Stadt verlassen hat.«

Da der gesetzgebende Körper wissen wollte, ob die Castelle im Stande wären, die stolzen Worte Manthonnets aufrecht zu erhalten, so ließ er den Commandanten des Castells Nuovo rufen.

Die Sitzungen des legislativen Körpers fanden gegenwärtig im Nationalpalast statt.

Oronzo Massa, dessen Namen wir schon mehrmals genannt, ohne übrigens bei seiner Person zu verweilen, hat in einem Buche wie das, welches wir uns die Aufgabe gestellt zu schreiben, Anspruch auf etwas mehr als bloße Eintragung seines Namens in die Martyrologie des Vaterlandes.

Er war von edler Familie geboren. Schon in jungen Jahren Artillerie-Officier, hatte er, als vor vier Jahren die Regierung die blutige, despotische Bahn betreten, welche durch die Hinrichtung Emmanueles di Dio, Vitaglianos und Gaglianis eröffnet worden, seinen Abschied genommen. Als die Republik proclamirt ward, verlangte er als gemeiner Soldat zu dienen. Die Republik machte ihn zum General.

Er war ein Mann von Beredsamkeit, Unerschrockenheit und erfüllt von erhabenen Gesinnungen.

Cirillo war es, der im Namen der legislativen Versammlung das Wort an Massa richtete.

»Oronzo Massa,« sagte er zu ihm, »wir haben Sie rufen lassen, um von Ihnen zu hören, welche Hoffnung uns noch für Vertheidigung des Castells und die Rettung der Stadt bleibt. Antworten Sie uns offen, ohne weder im Guten noch im Schlimmen etwas zu übertreiben.«

»Sie verlangen, daß ich Ihnen mit voller Offenheit antworte,« entgegnete Oronzo Massa. »Ich werde es thun. Die Stadt ist verloren. Keine Anstrengung selbst wenn jeder Mensch ein Curtius wäre, kann sie retten. Was das Castello Nuovo betrifft, so sind wir noch Herren desselben, aber blos aus dem Grunde, weil wir Soldaten ohne Erfahrung und ungeübte, durch einen Priester commandirte Banden gegen uns haben. Das Meer, der Binnenhafen und der äußere Hafen sind in der Gewalt des Feindes. Der Palast kann sich gegen Artillerie nicht mehr halten. Die Courtiue ist zerstört, und wäre ich Belagerer, anstatt Belagerter zu sein, so wäre das Castell binnen zwei Stunden in meiner Gewalt.

»Dann nehmen Sie also den Frieden an?«

»Ja, vorausgesetzt daß, wie ich freilich bezweifle, wir denselben unter Bedingungen abschließen, die mit unserer Ehre als Soldaten und Bürger vereinbar sind.«

»Und warum-zweifeln Sie, daß wir den Frieden unter ehrenvollen Bedingungen abschließen? Kennen Sie nicht die welche das Directorium vorschlägt?«

»O ja, ich kenne sie und eben deshalb zweifle ich, daß der Cardinal sie annimmt. Der durch den siegreichen Marsch, der ihn bis unter unsere Mauern geführt hat, übermüthig gemachte, durch den König und die Königin angestachelte Feind wird den Anführern der Republik nicht Leben und Freiheit lassen wollen. Nach meiner Ansicht werden sich daher wenigstens zwanzig Bürger zur Rettung der übrigen opfern müssen. Da dies meine Ueberzeugung ist, so verlange ich zuerst auf diese Liste gesetzt zu werden, oder vielmehr mich selbst darauf zu setzen.«

Und während die Anwesenden von einem Schauer der Bewunderung durchrieselt wurden, schrieb er, an das Bureau des Präsidenten tretend, auf den oberen Rand eines Bogens weißen Papieres mit fester Hand die Worte:

»Oronzo Massa. – Für den Tod.«

Lauter Beifall erscholl und wie mit einer einzigen Stimme riefen die Gesetzgeber:

»Alle! Alle! Alle!«

Der Commandant des Castell d’Uovo war in Bezug auf die Unmöglichkeit, sich zu halten, derselben Meinung wie sein Camerad Massa.

Es blieb nun nach Manthonnet, den man zu der Ansicht der noch übrigen Anführer bekehren mußte. Durch seinen wunderbaren Muth verblendet, war es stets der Letzte, welcher sich klugen Rathschlägen fügte.

Man bestimmte, daß der General Massa nach San Martino hinaufgehen und sich mit den am Fuße des Castells San Elmo postierten Truppen besprechen und, wenn er eine Verständigung mit diesen erzielte, den Oberst Mejean benachrichtigen sollte, daß seine Gegenwart dem Directorium nothwendig sei.

Der Commandant des Castello d’Uovo erhielt vom Cardinal freies Geleit.

Der Commandant Massa überzeugte Manthonnet, das Beste, was man thun könne, sei, auf die von dem Directorium vorgeschlagenen, ja sogar auf noch schlimmere Bedingungen hin zu unterhandeln, und setzte verabredetermaßen den Oberst Mejean in Kenntniß, daß man ihn erwartete, um diese Bedingungen dem Cardinal zu überbringen.

So kam es, daß am 22. Juni der Cammandant des Castells San Elmo seine Festung verließ und in die Stadt herabkam.

Er begab sich direct nach dem Hause, welches der Cardinal an der Magdalenenbrücke bewohnte, aber ohne dem Directorium zu verschweigen, daß er kaum hoffe, die gestellten Bedingungen von dem Cardinal angenommen zu sehen.

Er ward sofort bei dem Cardinal vorgelassen und überreichte diesem die schon von dem General Massa und dem Cammandanten Aurora unterzeichneten Artikel der Capitulation.

Der Cardinal, der ihn erwartete, hatte den Chevalier Micheroux, den englischen Cammandanten Foote, den Commandanten der russischen Truppen, Bailly, und den Cammandanten der ottomanischen Truppen, Achmet, bei sich.

Der Cardinal nahm die Capitulation, las sie und ging mit dem Chevalier Micheroux und den Anführern der englischen, russischen und türkischen Hilfstruppen in ein Nebenzimmer.

Zehn Minuten später trat er wieder ein, ergriff die Feder und schrieb ohne weitere Diskussion seinen Namen unter den Aurora’s.

Dann reichte er die Feder dem Commandanten Foote, dieser gab sie seinerseits weiter an den Commandanten Bailly und dieser an den Commandanten Achmet.

 

Die einzige Forderung, welche der Cardinal stellte, war, daß der Tractat, obschon am 22. unterzeichnet, auf den 18. zurückdatirt werde.

Diese Forderung, auf welche der Oberst Mejean ohne Zögern einging und die für alle Welt ein Geheimniß war, ist Dank der genauen Kenntniß, die wir von jener Epoche haben, und der Correspondenz des Königs und der Königin, welche wir im Jahre 1860 so glücklich waren in unsere Hände zu bekommen, für uns kein Geheimniß.

Der Cardinal wollte, daß das Datum des Tractats ein früheres wäre als das des Briefes, welchen er von der Königin erhalten und der ihm untersagte, unter irgend einem Vormund mit den Rebellen zu unterhandeln.

So konnte er den Vorwand geltend machen, er habe den Brief erst erhalten, als die Capitulation bereits unterzeichnet gewesen sei.

Da wir es hier mit einem rein historischen Punkt zutun haben, so ist es von der größten Wichtigkeit, unseren Lesern genau den Text der zehn Artikel vorzulegen, welche nie anders als unvollständig oder gefälscht in die Oeffentlichkeit gelangt sind.

Es handelt sich um einen furchtbaren Prozeß, in welchem der Cardinal Ruffo, durch die Geschichte oder vielmehr einen Geschichtschreiber, einen parteiischen und schlecht unterrichteten Richter, in erster Instanz verurtheilt, gegen Ferdinand, Caroline und Nelson an die Nachwelt appelliert.

Die Capitulation lautete folgendermaßen:

»Art. l. – Das Castello Nuovo und das Castello d’Uovo werden dem Commandanten der Truppen Seiner Majestät des Königs beider Sicilien und der seiner Bundesgenossen, des Königs von England, des Kaisers aller Reussen und des Sultans der ottomanischen Pforte mit allen Vorräten an Munition und Proviant, Artillerie und in den Magazinen vorhandenen Effecten aller Art übergeben, welche nach Unterschrift der gegenwärtigen Capitulation durch die Inventur der betreffenden Commissäre zu specificiren sind.

»Art. 2. – Die die Garnison bildenden Truppen werden ihre Forts behalten, bis die Schiffe, von welchen sogleich die Rede sein wird und welche bestimmt sind, Alle, die es wünschen, nach Toulon zu gehen, dahin zu bringen, segelfertig sein werden.

»Art. 3. – Die Besatzungen ziehen mit militärischen Ehren ab, das heißt mit Waffen und Gepäck, unter Trommelschlag, mit brennenden Lunten und fliegenden Fahnen, jede mit zwei Stücken Geschütz. An dem Meeresstrande werden, sie die Waffen ablegen.

»Art. 4. – Die Personen und das bewegliche Eigenthum sämtlicher die beiden Garnisonen bildenden Individuen werden respektiert und dafür gebürgt.

»Art. 5. – Allen obenerwähnten Individuen steht die Wahl frei sich entweder auf Parlamentärschiffen, welche man dazu verwenden wird, um sie nach Toulon zu bringen, einzuschiffen, oder unbelästigt mit ihren Familien in Neapel zu bleiben.

»Art. 6. – Die in der gegenwärtigen Capitulation festgesetzten Bedingungen erstrecken sich auf alle in den Forts befindlichen Personen beiderlei Geschlechtes.

»Art. 7. – In gleicher Weise der Wohlthaten dieser Bedingungen theilhaftig sind alle von den Truppen Seiner Majestät des Königs beider Sicilien oder von denen seiner Bundesgenossen in den Gefechten, welche vor der Blockade der Castelle stattgefunden, gemachten Gefangenen insoweit sie den regulären Truppen angehören.

»Art. 8. – Der Erzbischof von Salerno, Micheroux, Dillon und der Bischof von Avellino bleiben als Geißeln in den Händen des Commandanten des Fortes San Elmo bis zur Ankunft der ausgewanderten Patrioten in Toulon.

»Art. 9. – Mit Ausnahme der soeben genannten Personen werden sämtliche in den Forts sitzende Geißeln und Staatsgefangenen sofort nach Unterzeichnung der vorliegenden Capitulation in Freiheit gesetzt werden.

»Art. 10. – Die Artikel der vorstehenden Capitulation können nicht eher zur Ausführung gelangen, als bis sie von dem Commandanten des Castells San Elmo gutgeheißen worden sind.

»Gegeben auf dem Castello Nuovo am 18. Juni 1799.

(Unterz.)Massa, Commandant des Castello Nuovo; Aurora, Commandant des Castello d’Uovo; Cardinal Ruffo, Generalvicar des Königreiches Neapel; Antonio, Chevalier Micheroux, Bevollmächtigter Seiner Majestät des Königs beider Sicilien bei den russischen Truppen; E. T. Foote, Commandant der Schiffe Sr. Majestät des Königs von Britannien; Bailly, Commandant der Truppen Sr. Majestät des Kaisers von Rußland; Achmet, Commandant der ottomanischen Truppen.

Unter den Unterschriften der verschiedenen bei der Capitulation betheiligten Anführer las man folgende Zeilen:

»Kraft des von dem Kriegsrath in dem Castell San Elmo am 3. Messidor über den vom 1. Messidor datierten Brief des Generals Massa, Commnudanten des Castello d’Uovo, gefaßten Beschlusses billigt der Commandant des Castells San Elmo die vorstehende Capitulation.«

»Fort San Elmo am 3. Messidor im Jahre VII der französischen Republik (21. Juni 1799).

»Mejean.«

An demselben Tage, wo die Capitulation wirklich unterzeichnet ward, das heißt am 22. Juni; schrieb der Cardinal, hoch erfreut, zu einem so glücklichen Resultat gelangt zu sein, an den König einen umständlichen Bericht über die ausgeführten Operationen, und beauftragte den Capitän Foote, einen der Unterzeichner der Capitulation, diesen Brief dem Könige in eigener Person zu überbringen.

Der Capitän Foote machte sich mit dem »Seahorse« sofort auf den Weg nach Palermo.

Er war seit einigen Tagen im Commando dieses Schiffes auf den Capitän Ball gefolgt, welchen Nelson zu sich zurückberufen hatte.

Am nächstfolgenden Tage ertheilte der Cardinal alle erforderlichen Befehle zur möglichst schnellen Bereitmachung der Schiffe, mittelst deren die patriotische Garnison nach Toulon transportiert werden sollte.

Denselben Tag schrieb er an Ettore Caraffa, um ihn aufzufordern, die Forts von Civitella und Pescara unter denselben Bedingungen an Pronio zu übergeben, unter welchen das Castello Nuovo und das Castello d’Uovo übergeben worden waren.

Da er fürchtete, der Graf von Ruvo werde seinem Worte nicht trauen oder in seinem Briefe eine Hinterlist wittern, so ließ er fragen, ob es nicht in einem oder dem andern der Castelle einen Freund von Ettore Caraffa gäbe, zu welchem dieser volles Vertrauen hätte, um diesen Brief an ihn zu befördern und ihm einen genauen Begriff von dem Stande der Dinge zu geben.

Nicolino Caracciolo erbot sich Ueberbringer des Briefes zu sein, empfing denselben aus den Händen des Cardinals und brach auf.

Noch denselben Tag ward ein von dem Generalvicar unterzeichnetes Edict gedruckt, veröffentlicht und angeschlagen.

Dieses Edict erklärte, der Krieg sei beendete es gebe in dem Königreiche weder Parteien nach Factionen, weder Freunde nach Feinde, weder Republikaner nach Sanfedisten mehr, sondern blos nach ein Volk von Brüdern und Bürger unter einem und demselben Könige, der Alle mit gleicher Liebe umfassen wolle.

Die Gewißheit des Todes war bei den Patrioten so groß gewesen, daß selbst die, welche, weil sie den Versprechungen Ruffo’s doch nicht vollständig trauten, beschlossen hatten, in die Verbannung zu gehen, diese im Vergleiche zu dem Loose, welchem sie sich aufgespart glaubten, als ein Glück betrachteten.

Drittes Capitel.
Die Auserwählten der Rache

Mitten unter dem Chor von Freude und Traurigkeit, welches von dieser Masse Verbannter, jenachdem sie mehr am Leben oder am Vaterlande hingen, aufstieg, hielten zwei junge Wesen schweigend und wehmüthig in einem der Zimmer des Castello Nuovo sich umschlungen.

Diese beiden jugendlichen Wesen waren Salvato und Luisa.

Luisa hatte noch keinen Entschluß gefaßt, und erst am nächstfolgenden Tage, am 24. Juni, sollte sie wählen zwischen ihrem Gatten und ihrem Geliebten, ihrem Verweilen in Neapel oder der Abreise nach Frankreich.

Luisa weinte, hatte aber den ganzen Abend nicht die Kraft gehabt, ein Wort zu sprechen.

Salvato hatte lange ebenfalls stumm vor ihren den Knien gelegen. Dann endlich hatte er sie in seine Arme geschlossen und an sein Herz gedrückt.

Die Mitternachtsstunde schlug.

Luisa richtete ihre in Thränen gebadeten und fieberhaft glänzenden Augen empor und zählte nach einander die zwölf Schläge des Hammers auf die Glocke. Dann ließ sie ihren Arm um den Hals des jungen Mannes fallen und sagte:

»O nein, ich werde es niemals können!«

»Was wirst Du niemals können , meine geliebte Luisa?«

»Dich verlassen, mein Salvato! Niemals, niemals!«

»Ha!« rief der junge Mann, freudig aufathmend.

»Gott wird mit mir thun, was er will, und wir werden mit einander entweder leben oder sterben.«

Und sie brach in lautes Schluchzen aus.

»Höre,« hob Salvato wieder an, »wir sind ja nicht gezwungen, in Frankreich zu bleiben. Wo Du hingeben willst, da gehe ich auch hin.«

»Aber deine Stellung als Officier? Deine Zukunft?«

»Opfer um Opfer,« geliebte Luisa. Ich sage Dir nochmals, wenn Du vor den Erinnerungen, die Du hier zurücklässest, bis an’s Ende der Welt fliehen willst, so werde ich mit Dir dahin gehen. Da ich Dich so kenne, wie ich Dich kenne, mein Engel, so weiß ich auch, daß es meiner steten Gegenwart und meiner ewigen Liebe bedürfen wird, um Dich deine Leiden vergessen zu machen.«

»Aber ich werde nicht so von hier fortgehen wie eine Undankbare, wie eine Fliehende, wie eine Ehebrecherin. Ich werde ihm schreiben, ich werde ihm Alles sagen; Sein schönes großes, sein erhabenes Herz wird mir dereinst verzeihen, es wird mir Absolution für meinen ertheilen, und erst von diesem Tage an werde ich mir selbst verzeihen.«

Salvato ließ die Geliebte los , näherte sich einem Tische, legte ihr Papier, Feder und Tinte zurecht, kam dann zu Luisa zurück, küßte sie auf die Stirn und sagte:

»Ich lasse Dich allein, fromme Sünderin. Beichte Gott und ihm. Die, über welche der Heiland seinen Mantel breitete, war seiner Verzeihung nicht würdiger als Du.«

»Du verlässest mich!« rief die junge Frau beinahe erschrocken, allein bleiben zu sollen.

»Dein Wort muß in seiner ganzen Reinheit aus deiner keuschen Seele, deinem hingebenden Herzen fließen. Meine Gegenwart würde den durchsichtigen Krystall nur trüben. In einer halben Stunde werde ich wieder da sein und dann werden, wir einander nicht wieder verlassen.«

Luisa bot dem Geliebten die Stirn. Er küßte sie und verließ dann das Zimmer.

Luisa erhob sich nun, näherte sich ihrerseits dem Tische und nahm an demselben Platz.

Alle ihre Bewegungen besaßen die Langsamkeit, welche sich des Körpers in feierlichen Augenblicken bemächtigt. Ihr stieres Auge schien durch Entfernung und Dunkel hindurch die Stelle erspähen zu wollen, wo der Streich sie treffen, und die Tiefe, bis zu welcher das Schwert des Schmerzes eindringen würde.

Ein wehmüthiges Lächeln umspielte ihre Lippen und sie murmelte kopfschüttelnd:

»O meine armer Freund, wie wirst-Du leiden!«

Dann setzte sie leiser und mit beinahe unverständlicher Stimme hinzu:

»Aber nicht eher, als bis ich selbst gelitten habe.«

Sie ergriff die Feder, ließ ihre Stirn auf die linke Hand sinken und schrieb:

Mein viel geliebter Vater ! Mein barmherziger Freund !

»Warum verließest Du mich, als ich Dir folgen wollte? Warum kamst Du nicht zurück, als ich von dem Gestade Dir, der Du im Sturme verschwandest, nachrief: Weißt Du nicht, daß ich liebe!

»Damals war es noch Zeit! Ich wäre mit Dir gegangen und gerettet gewesen. Du verließest mich und ich war verloren.

»Es waltet ein Verhängniß über uns.

»Ich will mich nicht entschuldigen. Ich will Dir nicht die Worte wiederholen, welche Du, die Hand nach dem Crucifix ausstreckend, am Sterbebette des Fürsten von Caramanico sprachst, als er und ich selbst darauf bestand, daß ich dein Weib würde. Nein, ich habe keine Entschuldigung, aber ich kenne dein Herz. Das Erbarmen wird stets größer sein als der Fehltritt.

»Durch dasselbe Verhängniß, welches mich verfolgt, politisch compromittirt, verlasse ich Neapel und gehe, das Loos der Unglücklichen, welche sich selbst verbannen und unter welchen ich die Unglücklichste bin, theilend, nach Frankreich.

»Die letzten Augenblicke meiner Verbannung gehören Dir, ebenso wie die letzten Stunden meines Lebens Dir gehören werden. Indem ich das Vaterland verlasse, bist Du es, an den ich denke; wenn ich das Dasein verlasse, wirst Du es sein, an den ich denken werde.

»Erkläre dieses unerklärliche Geheimniß. Mein Herz hat gefehlt, meine Seele aber ist rein geblieben. Den besten Theil meines Ich hast Du genommen und behalten. Höre mich, mein Freund; höre mich, mein Vater!

 

»Ich fliehe noch mehr vor Scham, Dich wiederzusehen, als aus Liebe zu dem Manne, dem ich folge. Für ihn würde ich mein Leben in dieser Welt hingeben, für Dicht aber meine Seligkeit im Jenseits opfern.

»Ueberall, wo ich sein werde, werde ich Dir Kenntniß von meinem Aufenthaltsort geben. Wenn Du meiner bedarfst, so rufe mich und ich werde kommen, um Dir zu Füßen zu sinken.

»Jetzt gestatte mir, Dich für ein unschuldiges Geschöpf zu bitten, welches nicht blos noch nicht weiß, daß es sein Leben einem Fehltritt verdankt, sondern welches noch nicht einmal weiß, daß es lebt. Es ist möglich, daß es sich allein auf Erden sieht. Sein Vater ist Soldat und kann im Kampfe fallen; seine Mutter ist eine Verzweifelte und kann sterben.

»Verspreche mir, daß, so lange Du lebst, mein Kind keine Waise sein wird.

»Ich nehme von dem bei den Backers deponierten Geld keinen einzigen Ducato mit.

»Brauche ich Dir wohl erst zu sagen, daß ich an dem Tode dieser Männer vollkommen unschuldig bin? und daß ich lieber alle Martern erdulden als ein Wort gesagt hätte, durch welches sie compromittirt worden wären?

»Von jenem Gelde wirst Du dem Kinde, welches ich Dir für den Fall meines Todes vermacht, einen Antheil aussetzen, dessen Betrag ich in dein alleiniges Ermessen stelle.

»Nachdem ich Dir dies Alles gesagt, wirst Du vielleicht glauben, mein angebeteter Vater, daß ich Dir Alles gesagt; aber dem ist nicht so. Meine Seele ist voll, mein Herz wallt über.

»Seitdem ich angefangen Dir diesen Brief zu schreiben, sehe ich Dich wieder; ich überschaue in meinem-Herzen die achtzehnjährige Güte, welche Du mir bewiesen, ich strecke Dir die Arme entgegen wie dem Gott, den man anbetet, den man beleidigt hat und vor welchem man sich niederwerfen möchte. O, warum bist Du nicht hier, anstatt zweihundert Meilen von mir entfernt zu sein? Ich fühle, daß ich zu Dir eilen würde und daß, wenn ich mich an dein Herz lehnen könnte, nichts im Stande sein würde, mich davon hinwegzureißen.

»Indessen, was Gott thut, das ist wohlgethan. In den Augen der Weit bin ich jetzt nicht blos ein undankbares Weib, sondern auch eine rebellische Unterthanin, und habe nicht blos von deinem verlorenen Glück, sondern auch von deiner compromittirten Loyalität Rechenschaft zu geben. Meine Abreise schützt Dich, meine Flucht rechtfertigt Dich, und Du brauchst blos zu sagen: »Von einer Ehebrecherin ist es nicht zu verwundern, daß sie auch eine Rebellin geworden ist.«

»Leb wohl, mein Freund; leb’ wohl, mein Vater! Wenn Du Dir von meinen Leiden einen Begriff machen willst, so denke an das, was Du selbst gelitten. Du hast nur den Schmerz; ich aber habe auch die Reue.

»Leb’ wohl, wenn Du mich vergissest und wenn ich Dir unnütz bin.«

»Wenn Du aber jemals meiner bedarfst: Auf Wiedersehen!

»Dein strafbares Kind, welches aber niemals aufhören wird an dein Erbarmen zu glauben.

Luisa.«

Eben als Luisa diese letzten Worte schrieb, trat Salvato wieder ein.

Sie hörte ihn, drehte sich um und reichte ihm den Brief.

Als er aber das Papier ganz von Thränen benetzt sah und begriff, was sie, während er dasselbe läse, zu leiden haben würde, schob er es zurück.

Sie begriff dieses Zartgefühl ihres Geliebten.

»Ich danke Dir, mein Freund,« sagte sie.

Dann brach sie den Brief zusammen, siegelte ihn und schrieb die Adresse darauf.

»Aber,« sagte sie, »wir soll ich diesen Brief an den Chevalier San Felice befördern? Du siehst ein, nicht wahr, daß nur er und kein Anderer ihn empfangen darf.«

»Die Sache ist sehr einfach,« antwortete Salvato. »Der Commandant Massa hat freies Geleit. Ich werde ihn um Ueberlassung desselben bitten und den Brief selbst zu dem Cardinal mit der Bitte tragen, ihn nach Palermo zu befördern, und ihm sagen, wie viel darauf ankommt, daß er richtig in die Hände des Adressanden gelange.«

Luisa bedurfte Salvato’s Nähe im höchsten Grade. So lang er da war, verscheuchte seine Stimme die Phantome, welche sie umlagerten, sobald er sich wieder entfernt hatte.

Indessen, wie sie gesagt hatte, es war nothwendig, daß dieser Brief an den Chevalier gelangte.

Salvato stieg zu Pferde, Massa gab ihm außer seinem Geleitschein einen Mann mit , damit; dieser ihm seine weiße Fahne vorantrüge, so daß er ohne Unfall im Lager des Cardinals anlangte.

Dieser hatte sich noch nicht schlafen gelegt. Kaum ward Salvato angemeldet, so befahl der Cardinal, ihn sofort vorzulassen.

Der Cardinal kannte ihn dem Namen nach. Er wußte was für Wunder der Tapferkeit er während der Belagerung verrichtet. Selbst tapfer, wußte er die Tapferkeit zu würdigen.

Salvato setzte ihm die Ursache seines Besuches auseinander und fügte hinzu, er habe nicht blos deshalb in eigener Person kommen wollen, damit der Brief sicher bestellt werde. sondern auch um den außerordentlichen Mann zu sehen, welcher soeben das Werk der Restauration zu Stande gebracht. Trotz des Unheils, welches nach Salvatos Ansicht durch diese Restauration angerichtet ward, konnte er doch nicht umhin, anzuerkennen, daß der Cardinal in seinem Siege gemäßigt und mild gewesen und daß die Bedingungen, die er zugestanden, die eines edelmüthigen Siegers seien.

Während der Cardinal mit der Miene befriedigten Stolzes Salvato’s Complimente hinnahm warf er die Augen auf den Brief, welchen Salvato ihm empfahl, und las darauf die Adresse des Chevalier San Felice.

Er stutzte.

»Ist dieser Brief,« fragte er, »vielleicht von der Gattin des Chevalier?«

»Ja, von ihr selbst, Eminenz.«

Der Cardinal ging einige mal unruhig im Zimmer auf und ab, dann blieb er plötzlich vor Salvato stehen und fragte, indem er ihn scharf ansah:

»Interessieren Sie sich für diese Dame?«

Salvato konnte einen Ausdruck des Erstaunens nicht zurückhalten.

»O,« sagte der Cardinal, »es ist nicht eine Frage der Neugier, die ich an Sie thue, und Sie werden dies sogleich sehen. Ueberdies bin ich Priester und ein Geheimniß, welches man mir anvertraut, wird von diesem Augenblick an geheiligtes Vermächtniß.«

»Ja, Eminenz ich interessiere mich für diese Dame und zwar im höchsten Grade.«

»Nun dann, Signor Salvato, lassen Sie mich als einen Beweis der Bewunderung, die ich für Ihren Muth hege, Ihnen leise, ganz leise sagen, daß die Person, für welche Sie sich interessieren, grausam compromittirt ist. Wäre sie in der Stadt und befände sie sich nicht in der Capitulation der Castelle inbegriffen, so müßte man sie sofort entweder in das Castello d’Uovo oder in das Castello Nuovo bringen, und es möglich machen, ihren Eintritt um fünf bis sechs Tage zurückzudatiren.«

»Aber hätte sie selbst im entgegengesetzten Falle immer noch zu fürchten, Eminenz?«

»Nein, meine Unterschrift würde sie hoffentlich decken. Nur tragen Sie in dem einen wie in dem andern Falle Sorge, daß sie gleich mit unter den Ersten eingeschifft werde. Eine sehr mächtige Person verfolgt sie und will ihren Tod.«

Salvato ward todtenbleich.

»Die Signora San Felice,« sagte er mit erstickter Stimme, hat das Castell Nuovo seit Beginn der Belagerung nicht verlassen. Sie hat deshalb Anspruch auf die Capitulation, welche der General Massa mit Ihnen Eminenz, unterzeichnet hat. Ich danke Ihnen jedoch, Herr Cardinal, deswegen nicht weniger für die Warnung, die Sie mir ertheilt, und die ich wohl beachten werde.«

Salvato verneigte sieh und wollte sich entfernen; der Cardinal legte ihm aber die Hand auf den Arm.

»Noch ein Wort,« sagte er.

»Ich höre, Eminenz,« antwortete der junge Mann.

Was auch der Cardinal sagen mochte, so war es augenscheinlich, daß er zögerte zu sprechen und daß ein Kampf in ihm vorging.

Endlich behielt die erste Bewegung die Oberhand.

»Sie haben,« sagte der Cardinal, »in Ihren Reihen einen Mann, der nicht mein Freund ist, den ich aber seines Muthes und seines Genies wegen schätze. Diesen Mann möchte ich retten!«

»Ist dieser Mann verurtheilt?« fragte Salvato.

»Ebenso wie die Chevaliere San Felice,« entgegnete der Cardinal.

Salvato fühlte wie der kalte Schweiß ihm an der Wurzel seines Haares perlte.

»Und durch dieselbe Person?« fragte Salvato.

»Ja, durch dieselbe Person,« wiederholte der Cardinal.

»Und Sie sagen, Eminenz, diese Person sei sehr mächtig?«

»Habe ich gesagt sehr mächtig? dann habe ich mich geirrt – ich hätte sagen sollen: allmächtig.«