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La San Felice

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Sie machten deshalb auf dem Largo Spirito Santo Halt, verbarricadirten die Strada del Studi und die kleine Straße, welche zu dem Thor des Palastes führt, und stellten einen Posten von hundert Mann in die Strada di Santa Maria di Costantinopoli.

Salvato hatte befohlen, daß man sich des Klosters desselben Namens bemächtige, welches, auf der Höhe gelegen, das Museum beherrscht. Er fand aber unter den sechs- oder siebenhundert Mann die er commandirte, nicht fünfzig Freigeister, welche gewagt hätten, eine solche Ruchlosigkeit zu begehen; so tief wurzelten gewisse Vorurteile selbst noch in den Gemüthern der Patrioten.

Die Nacht rückte vor. Republikaner und Sanfedisten waren die einen eben so ermüdet wie die anderen.

Auf beiden Seiten kannte man nicht die wahre Situation der Dinge und die Veränderungen, welche die verschiedenen Kämpfe des Tages in den Positionen der Belagerer und der Belagerten herbeigeführt hatten.

Wir auf gegenseitige Verabredung hörte das Feuer auf und mitten unter den Leichen, auf dem von Blut gerötheten Pflaster, legte jeder mit der Waffe in der Hand sich nieder, um sich auf die Wachsamkeit der Schildwachen bauend, durch den vorübergehenden Schlaf des Lebens auf den ewigen Schlaf des Todes vorzubereiten.

Siebentes Capitel.
Die Nacht vom 14. zum 15. Juni

Salvato schlief nicht. Es war als hatte dieser eiserne, Körper das Mittel gefunden, die Ruhe zu entbehren und als wäre der Schlaf ihm entbehrlich geworden.

Da er es für wichtig hielt, für den nächstfolgenden Tag zu wissen, wie es in jeder Beziehung stand, so ging er während Jeder es sich bequem machte, der Eine auf einem Bündel Stroh, der Andere auf einer aus einem benachbarten Hause geholten Matratze, um die Nacht so gut als möglich hinzubringen – nachdem er zu Michele leise einige Worte gesagt, in welchen der Name Luisa vorkam, die Toledostraße hieraus, als ob er nach dem königlichen Palast, der jetzt der Nationalpalast geworden, gehen wollte, und begann die steile Anhöhe zu ersteigen, welche nach der Karthause San Martino führt.

Ein neapolitanisches Sprichwort sagt, das schönste Panorama der Welt sei das, welches man aus dem Fenster des Abtes von San Martino sieht, dessen Balcon in der That über der Stadt zu schweben scheint und wo der Blick den ungeheuern Ring umfaßt, welcher sich von dem Meerbusen von Baja bis zum Dorfe Maddalena erstreckt.

Nach der Revolution von 1647, das heißt nach der kurzen Dictatur Masaniello’s, flüchteten die Maler, welche an dieser Revolution theilgenommen und die unter dem Namen der Genossen des Todes geschworen hatten, die Spanier überall, wo sie ihnen begegnen würden, zu bekämpfen und zu tödten, ein Salvato Rosa, ein Aniello Falkone, ein Mira Spadazo, um den ihnen angedrohten Repressalien zu entgehen, sich in die Karthause San Martino, welche Asylrecht besaß.

Sobald sie aber einmal da waren, gedachte der Abt auch Nutzen von ihnen zu ziehen. Er trug ihnen auf, seine Kirche und sein Kloster zu malen, und als sie ihn fragten, welchen Lohn sie für ihre Mühe erhalten würden, antwortete er:

»Kost und Wohnung.«

Da die Künstler dieses Honorar ein wenig allzu mäßig fanden, ließ der Abt die Thore öffnen und sagte:

»Dann sucht anderwärts; vielleicht findet Ihr etwas Besseres.«

Anderwärts suchen, hieß in die Hände der Spanier fallen und gehängt werden. Die Herren Maler machten daher gute Miene zum bösen Spiele und bedeckten die Wände mit Meisterwerken.

Aber nicht um diese Meisterwerke zu sehen, erstieg Salvato die Anhöhe von San Martino. Rubens hat uns mit seinem gewaltigen Pinsel gezeigt, wie die Künste vor dem düstern Genius des Feindes fliehen.

Salvato erstieg diese Anhöhe, um zu sehen, wo während des verflossenen Tages das Blut vergessen worden und wo es den nächstfolgenden Tag vergossen werden würde.

Er gab sich den Patrioten zu erkennen, welche, fünf- bis sechshundert Mann an der Zahl, sich nach der Weigerung Mejean’s, der die Thore des Castells San Elmo abermals geschlossen, in das Kloster San Martino geflüchtet hatten.

Diesmal war es nicht der Abt, der ihnen seine Gesetze dictirte, sondern sie waren vielmehr Herren des Klosters und der Mönche.

Diese gehorchten ihnen auch mit der Unterthänigkeit der Furcht.

Man beeilte sich Salvato in das Zimmer des Abts zu führen.

Dieser hatte sich noch nicht schlafen gelegt und machte ihm die Honneurs, indem er ihn an jenes berühmte Fenster führte, welches nach der Erklärung der Neapolitaner, indem es sich auf Neapel öffnet, ganz einfach die Aussicht auf das Paradies gewährt.

Die Aussicht auf das Paradies hatte sich jetzt ein wenig in den Anblick der Hölle verwandelt.

Von hier aus sah man vollkommen die Position der Sanfedisten und die der Republikaner.

Die Sanfedisten standen auf der Strada Nuova, das heißt am Strande bis zur Strada Francesca, wo sie eine Batterie Geschütz von schwerem Caliber hatten, welche den kleinen Hafen und den Handelshafen beherrschte.

Es war dies der äußerste Punkt ihres linken Flügels.

Hier befanden sich Cesare, Lamarra, Durante, das heißt die Lieutenants des Cardinals.

Der andere Flügel, das heißt der rechte, hatte von Fra Diavolo und Mammone commandirt, wie wir bereits gesagt, Vorposten am bourbonischen Museum, das heißt aus der Höhe der Toledostraße.

Das ganze Centrum erstreckte sich über San Giovanni und Carbonara, über den Largo dei Tribunali und über die Straßen San Pietro und Arena bis zum Castello del Carmine.

Der Cardinal war immer noch in seinem Hause an der Magdalenenbrücke. Die Zahl der Sanfedisten, welche Neapel angriffen, war auf fünfunddreißig- bis vierzigtausend Mann anzuschlagen.

Diese fünfunddreißig- bis vierzigtausend äußeren Feinde waren um so gefährlichen als sie auf eine beinahe gleiche Zahl von inneren Feinden rechnen konnten.

Die Republikaner waren, wenn sie alle ihre Streitkräfte zusammenrechneten, kaum fünf- bis sechstausend Mann stark.

Salvato sah, indem er diesen unermeßlichen Horizont mit seinem Blick umfaßte, ein, daß von dem Augenblick an, wo sein Ausfall den Feind nicht aus der Stadt hinausgejagt haben würde, es unklug wäre, die lange Spitze bestehen zu lassen, welche er in der Toledostraße gemacht, eine Spitze, welche dem Feinde in Folge der Verbindungen, die er im Innern hatte, gestattete, ihm den Rückzug in die Castelle abzuschneiden.

Sein Entschluß war daher augenblicklich gefaßt. Er rief Manthonnet zu sich, zeigte ihm die Position, erklärte ihm als Stratege die Gefahren, denen er ausgesetzt war, und gewann ihn für seine Meinung.

Beide-gingen hierauf hinunter und ließen sich bei dem Directorium anmelden.

Das Directorium war in Berathung. Da es wußte, daß es von Mejean nichts zu erwarten hatte, so hatte es einen Boten an den Oberst Giraldon, Commandanten der Stadt Capua, gesendet. Es bat ihn um Beistand an Mannschaft und stützte sich auf das Schutz- und Trutzbündniß, welches zwischen der französischen und der parthenopäischen Republik abgeschlossen worden.

Der Oberst Giraldon ließ antworten, es sei ihm unmöglich, eine Spitze bis nach Neapel zu versuchen, erklärte aber, daß, wenn die Patrioten seinem Rathe folgen, die Greise, die Frauen und die Kinder in die Mitte nehmen, mit dem Bajonnet einen Ausfall machen und sich bis nach Capua zu ihm durchschlagen wollten, er ihnen auf seine Ehre verspräche sie bis nach Frankreich zu geleiten.

Sei es nun, daß dieser Rath gut war, sei es, daß die Befürchtungen für Luisa über den Patriotismus den Sieg davontragen, kurz Salvato, welcher den Bericht des Boten mit angehört, trat der Meinung des Oberst bei und drang darauf, daß dieser Plan, welcher Neapel allerdings preisgab, aber die Patrioten rettete, angenommen würde.

Um diesen Rath zu unterstützen, stellte er die Lage vor, in welcher sich die beiden Armeen befanden, und appellierte an Manthonnet der ebenso wie er die Unmöglichkeit, Neapel noch länger zu vertheidigen, anerkannt hatte.

Manthonnet gab zu, daß Neapel verloren sei, erklärte aber, die Neapolitaner müßten mit Neapel zugleich untergehen, und die Ehre verlange, daß sie sich unter den Trümmern der Stadt begrüben, welche, wie er selbst zugab, sich nicht länger halten ließ.

Salvato nahm wieder das Wort, bekämpfte Manthonnets Ansicht, zeigte, daß Alles, was groß, edel und erhaben sei, für die Republik Partei ergriffen habe und daß die Patrioten enthaupten, zugleich der Revolution den Kopf abschlagen hieße.

Er sagte, das Volk, welches noch zu blind und zu unwissend sei, um seine eigene Sache, das heißt die des Fortschritts und der Freiheit, zu vertheidigen, werde, sobald die Patrioten vernichtet seien, größerem Despotismus als vorher anheimfallen, während im Gegentheile die Patrioten, das heißt das lebendige Princip der Freiheit, wenn es blos von Neapel anderwärts hin verpflanzt würde, sein Werk allerdings mit geringerer Wirksamkeit, aber mit der Beharrlichkeit der Verbannung und der Autorität des Unglücks fortsetzen würde. Er fragte, ob, wenn das Beil der Reaction Köpfe wie die eines Pagano, eines Cirillo, eines Conforti, eines Ruvo abschlüge, diese blutige Ernte den Boden des Vaterlandes nicht aufs fünfzig Jahre, ja vielleicht auf ein Jahrhundert hinaus, unfruchtbar machen würde, und ob einige wenige Menschen in ihrer Ruhmgier und in ihrem Märtyrerehrgeiz das Recht hätten, die Nachwelt so bald ihrer größten Männer zu berauben.

Wir haben gesehen, daß ein falscher Stolz in Neapel schon mehrmals nicht blos die Individuen in dem Opfer, welches sie mit ihrer Person betrachten, sondern auch die constituirten Behörden in dem Opfer, welches sie dem Vaterlande auflegten, irregeleitet hatte.

Auch diesmal war die Meinung der Mehrzahl für die Opfer.

»Nun gut,« begnügte Salvato sich zu sagen, »sterben wir denn.«

»Ja, sterben wir,« wiederholten wie aus einem Munde die Anwesenden gerade wie der römische Senat beim Heranrücken der Gallier oder Hannibal’s.

 

»Und nun,« sagte Salvato, »sterben wir, aber indem wir unseren Feinden so viel Schaden als möglich zufügen. Es geht das Gerücht es habe sich eine französische Flotte, nachdem sie die Meerenge von Gibraltar passiert, in Toulon vereinigt und diesen Hafen kürzlich verlassen, um uns Hilfe zu bringen. Ich glaube nicht daran, aber möglich ist die Sache. Setzen wir daher die Vertheidigung solange als möglich fort, und beschränken wir uns, um dies zu thun, auf die Punkte, welche sich vertheidigen lassen.«

»Was dies betrifft,« sagte Manthonnet, »so pflichte ich der Meinung meines Cameraden Salvato bei, und da ich weiß, daß er ein geschickterer Stratege ist als wir, so stelle ich diese Concentrirung ihm anheim.«

Die Direktoren verneigten sich zum Zeichen der Zustimmung.

»Dann,« hob Salvato wieder an, »schlage ich vor, seine Linie zu ziehen, welche im Süden bei der Immacolatella anfängt, den Handelshafen und die Duane umfaßt, durch die Strada del Molo geht, ihre Vorposten in der Strada Medina hat, über den Largo del Castello, den Nationalpalast, den Riesenhügel, Pizzofalcone einschließend und durch die Strada Chiatomone bis zur Viole geht und sich durch die Strada San Caterina und die Giardini an das Kloster San Martino einschließt. Diese Linie wird sich aus das Castello Nuovo, auf den Nationalpalast, auf das Castello d’Uovo und das Castell San Elmo stützen. Folglich wird sie denen, die sie vertheidigen, für den Fall, daß sie zurückgeworfen würden, ein Asyl bieten. Auf alle Fälle können wir, wenn wir in unseren Reihen keine Verräther zählen, uns acht Tage, ja noch länger halten. Und wer weiß, was in acht Tagen geschieht? Im Grunde genommen ist es recht wohl möglich, daß die französische Flotte kommt, und bei einer energischen Vertheidigung, was sie nur sein kann, wenn sie concentrirt ist, erlangen wir vielleicht gute Bedingungen.«

Der Plan war ein kluger und ward angenommen.

Man überließ Salvato die Sorge, ihn in Ausführung zu bringen, und nachdem er Luisa durch seine Gegenwart wieder beruhigt, verließ er das Castello Nuovo abermals, um die republikanischen Truppen in die von ihm angedeuteten Grenzen zurückzuziehen.

Während dieser Zeit kam ein Bote des Oberst Mejean durch die Via del Cacciottoli« die Strada Monte mileto, die Strada del Infrascata herab, hinter dem bourbonischen Museum vorüber, passierte die Porta Capuana und die Arenaccia, erreichte die Magdalenenbrücke und ließ sich bei dem Cardinal als ein Abgesandter des französischen Commandanten anmelden.

Es war drei Uhr Morgens. Der Cardinal hatte sich seit kaum einer Stunde aufs Bett geworfen, da er aber der einzige mit der Vollmacht des Königs bekleidete Anführer war, so mußte jede wichtige Angelegenheit an ihn verwiesen werden.

Der Bote ward bei dem Cardinal eingeführt.

Er fand ihn völlig angekleidet auf seinem Bette liegend, mit seinen Pistolen auf dem Tische neben ihm, so daß er sie bequem mit der Hand erreichen konnte.

Der Bote streckte die Hand aus und überreichte dem Cardinal ein Papier, welches für ihn das vorstellte, was die Bevollmächtigten ihre Creditiven nennen.

»Nun,« sagte der Cardinal, nachdem er gelesen, »Sie kommen im Auftrage des Commandanten des Castells San Elmo?«

»Ja, Eminenz,« sagte der Bote, »und Sie werden bemerkt haben, daß der Herr Oberst Mejean in den Kämpfen, welche bis heute unter den Mauern von Neapel geliefert worden, die strengste Neutralität beobachtet hat.«

»Ja, mein Herr,« entgegnete der Cardinal, »und ich muß Ihnen sagen, daß bei der feindseligen Stellung, welche die Franzosen gegen den König von Neapel einnehmen, diese Neutralität Gegenstand meiner Verwunderung gewesen ist.«

»Der Commandant des Fortes San Elmo wünscht, ehe er Partei für oder gegen nimmt, sich mit Ihnen in Mittheilung zu setzen, Eminenz.«

»Mit mir, und zu welchem Zwecke?«

»Der Commandant des Fortes San Elmo ist ein Mann ohne Vorurtheile und es steht ihm frei zu handeln, wie es ihm zusagt. Er wird, ehe er handelt, sein Interesse zu Rathe ziehen.«

»Aha!«

»Man sagt, jedem Menschen biete sich in seinem Leben einmal die Gelegenheit dar, sein Glück zu machen. Der Commandant des Fortes San Elmo glaubt, diese Gelegenheit sei für ihn jetzt gekommen.«

»Und er rechnet in dieser Beziehung auf meinen Beistand?«

»Er glaubt, es liege mehr in Ihrem Interesse, Eminenz, ihn zum Freund als zum Feind zu haben, und er bietet Ihnen daher seine Freundschaft.«

»Seine Freundschaft? Ja, aber wie? Gratis ohne Bedingung?«

»Ich habe Ihnen schon gesagt, Eminenz, daß er glaubt, es sei die Gelegenheit für ihn gekommen, sein Glück zu machen. Beruhigen Sie sich indessen, Eminenz. Er ist nicht ehrgeizig und fünfhunderttausend Francs werden ihm genügen.«

»In der That,« sagte der Cardinal, »dies ist ein Beweis von wahrhaft exemplarischer Bescheidenheit. Unglücklicherweise bezweifle ich, daß der Schatz der sanfedistischen Armee auch nur den zehnten Theil dieser Summe besitzt. Uebrigens können wir uns hierüber sofort Gewißheit verschaffen.«

Der Cardinal schlug auf eine Glocke.

Sein Kammerdiener trat ein. Eben so wie der Cardinal selbst schlief auch Alles, was ihn umgab, nur mit einem Auge.

»Frage einmal Sacchinelli, wie viel wir in Casse haben.«

Der Kammerdiener verneigte sich und ging hinaus.

Nach wenigen Minuten trat er wieder ein.

»Zehntausendzweihundertundfünfzig Dukaten,« meldete er.

»Da sehen Sie – einundvierzigtausend Franks im Ganzen. Es ist dies noch weniger, als ich Ihnen vorhin sagte.«

»Und welche Consequenz habe ich aus Ihrer Antwort zu ziehen, Eminenz?«

»Diese, mein Herr,« sagte der Cardinal, indem er sich auf den Ellbogen aufrichtete und einen verächtlichen Blick auf den Boten warf, »diese: da ich ein ehrlicher Mann bin – und dies ist unbestreitbar, denn wenn ich es nicht wäre, so hätte ich das Zwanzigfache dieser Summe zu meiner Verfügung, so kann ich mit einem Elenden, wie der Herr Oberst Mejean ist, nicht unterhandeln. Hätte ich diese Summe aber auch, so würde ich ihm dasselbe antworten, was ich Ihnen in diesem Augenblicke antworte: Ich bin gekommen, um gegen die Franzosen und Neapolitaner Krieg mit Pulver, Blei und Eisen zu führen, aber nicht mit Gold. Bringen Sie diese meine Antwort mit dem Ausdrucke meiner Verachtung dem Commandanten des Fortes San Elmo.«

Er zeigte dem Boten die Thür, ließ sich auf sein Bett zurücksinken und sagte zu dem Kammerdiener:

»Künftig wecke mich blos wegen wichtiger Dinge.«

Der Bote begab sich wieder nach dem Fort San Elmo hinauf und meldete dem Oberst Mejean die Antwort des Cardinals.

»Nicht übel!« murmelte der Oberst, als er die Meldung des Boten gehört. »Wer hätte geglaubt, daß man bei den Sanfedisten eben so gut ehrliche Leute treffen würde wie unter den Republikanern! Es scheint, als sollte ich durchaus kein Glück haben.«

Achtes Capitel.
Der Sturz des heiligen Januarius und der Triumph des heiligen Antonius

Am nächstfolgenden Tage mit Tagesanbruch, das heißt am 15. Juni Morgens, bemerkten die Sanfedisten, daß die republikanischen Vorposten geräumt waren, und schoben Recognoscirungsmannschaften vor, die anfangs ziemlich schüchtern verrückten und nur allmälig kecker wurden, denn sie argwohnten eine Schlinge.

In der That hatte Salvato während der Nacht vier Batterien aufpflanzen lassen.

Die eine befand sich an der Ecke des Palazzo Chiatomone, welche die ganze Straße desselben Namens bestrich und ihrerseits wiederum von dem Castello d’Uovo beherrscht ward.

Die andere befand sich hinter einer in aller Eile aufgeworfenen Verschanzung zwischen der Strada Nardonne und der St. Ferdinandskirche.

Die dritte bestrich die Strada Medina.

Die vierte befand sich zwischen Porto Piccolo, wo gegenwärtig das Zollamt ist, und der Immacolatella.

Kaum waren daher die Sanfedisten auf der Höhe der Strada Concezione angelangt, kaum zeigten sie sich am Ende der Strada Manto Oliveto und berührten die Strada Nuova, als die Kanonade auf diesen drei Punkten zugleich loskrachte, und die Sanfedisten sahen, daß sie sich vollständig – getäuscht, wenn sie geglaubt, daß die Republikaner ihnen das Feld vollständig geräumt hätten.

Sie zogen sich deshalb außerhalb Schußweite zurück und flüchteten sich in die Querstraßen, wo Kugeln und Kartätschen sie nicht treffen konnten.

Dennoch aber waren sie von nun an Herren von wenigstens drei Viertheilen der Stadt.

Sie konnten deshalb ganz nach Belieben plündern, sengen und brennen, die Häuser der Patrioten zerstören und die Besitzer morden, braten und fressen.

Seltsamer- und unerwarteterweise aber war der, gegen welchen sich der ganze Zorn der Lazzaroni vor allen Dingen kehrte, der heilige Januarius.

Auf dem Altmarkte, dem Hause des verwunderten Beccajo gegenüber, versammelte sich eine Art Kriegsrath, an welchem auch der Beccajo selbst theilnahm; ein Kriegsrath zu dem Zwecke, über den heiligen Januarius Gericht zu halten.

Man begann damit, daß man in seine Kirche eindrang, trotz des Widerstandes der Canonici, welche niedergeworfen und mit Füßen getreten wurden.

Dann zerschlug man die Thür der Sakristei, in welcher seine Büste mit denen der anderen seinen Hofstaat bildenden Heiligen aufbewahrt wird.

Ein Mann faßte sie unehrerbietig in die Arme, trug sie unter dem von dem Pöbel ausgestoßenen Geschrei: »Nieder mit dem heiligen Januarius!« fort und setzte sie an die Strada Sant Eligio auf einen Eckstein.

Hier hatte man große Mühe die Lazzaroni abzuhalten, die Büste zu steinigen.

Während man aber diese aus der Kirche herausholte, war ein Mann zur Stelle gekommen, welcher durch seine Autorität über das Volk und durch seine Popularität unter dem gemeinen Volke von Neapel ein großes Uebergewicht über die Lazzaroni gewonnen hatte.

Dieser Mann war Fra Pacifico.

Fra Pacifico hatte während der Zeit, wo er Matrose war, zwei- oder dreimal ein Kriegsgericht an Bord seines Schiffes abhalten gesehen. Er wußte daher, wie es dabei zuging und konnte den Verhandlungen eine gewisse Regelmäßigkeit geben.

Man ging deshalb in die Vicaria, wo man fünf Richtergewänder und zwei Advocatenroben aus der Garderobe holte. Dann begann der Proceß.

Von den beiden Advocaten war der eine der öffentliche Ankläger, der andere der gerichtlich bestellte Vertheidiger.

Der heilige Januarius ward in gesetzlicher Weise verhört. Man fragte ihn nach seinem Namen, seinem Vornamen, seinem Alter, seinen Eigenschaften und verlangte zu wissen, auf welche Verdienste gestützt er zu der hohen Stellung gelangt sei, die er einnehme.

Sein Advocat antwortete für ihn und es darf nicht unerwähnt bleiben, daß dies mit größerer Gewissenhaftigkeit geschah, als die Advocaten sonst zu zeigen pflegen.

Er machte den heldenmüthigen Tod des Heiligen geltend, seine väterliche Liebe zu Neapel, seine Wunder, nicht blos in Bezug auf das Flüssigwerden des Blutes, sondern auch die Heilung Gelähmter, die ihre Krücken weggeworfen, auf fünf Stockwerke hoch heruntergefallene Leute, welche gesund und unversehrt aufgestanden auf die mit dem Sturme kämpfenden Schiffe, welche glücklich in den Hafen gelangt, auf den Vesuv, den er einfach durch seine Nähe ausgelöscht, endlich auf die bei Villetri besiegten Oesterreicher in Folge des Gelübdes, welches Carl der Dritte gethan, während er sich in einem Backofen versteckt hielt.

Zum Unglücke für den heiligen Januarius ward sein bis dahin exemplarisches, klar durchsichtiges Benehmen von dem Augenblicke an, wo die Franzosen in die Stadt einzogen, zweideutig und unklar.

Sein zu der von Championnet im Voraus verkündeten Stunde geschehenes Wunder, so wie alle, die er noch zu Gunsten der Republik bewirkt, waren schwere Anklagen und es kostete ihm Mühe, sich davon rein zu waschen.

Er antwortete, Championnet habe Einschüchterung angewendet, ein Adjutant sei mit fünfundzwanzig Mann Husaren in der Sakristei gewesen und man habe ihm mit dem Tode gedroht, wenn das Wunder nicht geschähe.

Hierauf antwortete man ihm, ein Heiliger, der schon zum Märtyrer geworden, dürfe sich nicht so leicht einschüchtern lassen.

Der heilige Januarius antwortete jedoch mit erhabener Würde, wenn er etwas gefürchtet habe, so habe er es nicht um seiner selbst willen, denn seine Stellung als Glückseliger schützt ihn vor jedem Angriff, wohl aber um seiner lieben Canonici willen gefürchtet, welche weniger geneigt seien als er, zu Märtyrern zu werden. Ihr Schrecken beim Anblick des Pistols des Abgesandten des französischen Generals sei so groß und ihr Gebet so inbrünstig gewesen, daß er demselben nicht zu widerstehen vermocht habe. Hätte er, sie in der Stimmung gesehen, Märtyrer zu werden, so würde ihn nichts bewogen haben, seine Wunder zu verrichten, aufzwingen aber könne er ihnen dieses Märtyrerthum doch nicht.

 

Es versteht sich von selbst, daß alle diese Gründe siegreich von dem Ankläger widerlegt worden, der endlich seinen Gegner zum Schweigen brachte.

Man schritt zur Abstimmung und in Folge einer hitzigen Berathung ward der heilige Januarius nicht blos zur Degradation, sondern auch zum Ersäufen verurtheilt.

Zugleich ernannte man durch Acclamation an seine Stelle den heiligen Antonius – welcher durch Entdeckung der Strickverschwörung dem heiligen Januarius seinen letzten Rest von Popularität geraubt – zum Schutzheiligen von Neapel.

Frankreich hatte im Jahre 1789 den lieben Gott entthront, Neapel konnte deshalb im Jahre 1799 auch wohl den heiligen Januarius entthronen.

Man schlang einen Strick um den Hals seiner Büste, schleppte diese durch alle Straßen des alten Neapel und dann in das Lager des Cardinals, welcher das gegen ihn gefällte Urtheil bestätigte, ihn seines Grades als General-Capitän des Königreiches verlustig erklärte, im Namen des Königs seinen Schatz und seine Güter mit Sequestration belegte und nicht blos den heil. Antonius als seinen Nachfolger anerkannte, sondern auch – und dies bewies, daß er der stattgehabten Revolution nicht fremd war – den Lazzaroni eine ungeheure Fahne überreichte, auf welcher der heilige Januarius gemalt war, wie er vor dem heiligen Antonius floh, der ihn mit einer Ruthe verfolgte.

Was den heiligen Januarius den Fliehenden betraf, so hielt er in der einen Hand ein Paket Stricke und in der andern eine dreifarbige neapolitanische Fahne.

Wenn man die Lazzaroni kennt, so kann man sich einen Begriff von der Freude machen, welche ihnen ein solches Geschenk verursachte, mit welchem Jubelgeschrei es aufgenommen und wie dadurch die Lust zu morden und zu plündern angefacht ward.

Fra Pacifico ward einstimmig zum Fahnenträger ernannt und stellte sich mit der Fahne in der Hand an die Spitze der Procession.

Hinter ihm kam die erste Fahne, auf welcher der Cardinal knieend vor dem heiligen Antonius dargestellt war, der ihm die Strickverschwörung offenbarte.

Diese Fahne ward von dem alten Basso Tomeo getragen, den seine drei Söhne wie eine Leibwache begleiteten.

Dann kam Meister Donato, den heiligen Januarius am Stricke schleppend, denn von dem Augenblick an, wo er verurtheilt war, gehörte er dem Henker gerade so wie ein gewöhnlicher Sterblicher.

Dann folgten Tausende von Männern, bewaffnet mit Allem, was sie auftreiben gekonnt, heulend, brüllend, die Thüren einschlagend, die Hausgeräthschaften durch die Fenster werfend, diese Scheiterhaufen anzündend und eine breite Blutfährte hinter sich lassend.

Uebrigens hatte man aus Aberglauben und aus Spott das Gerücht verbreitet, sämtliche Patrioten hätten sich den Freiheitsbaum auf einen oder den andern Körpertheil tätowieren lassen, und dieses Gerücht diente den seltsamsten Barbareien zum Vorwand. Jeder Patriot, dem die Lazzaroni, sei es nun auf der Straße, sei es in seinem Hause, begegneten, ward entkleidet und mit Peitschenhieben durch die Straßen gejagt, bis der, welcher ihn verfolgte, des Rennens müde, ihm eine Musketen- oder Pistolenkugel in den Leib jagte, um ihm sofort den Garaus zu machen, oder auch blos in den Schenkel, um ihm ein Bein zu zerschmettern, damit das Vergnügen ein wenig länger dauere.

Die Herzoginnen von Pepoli und Cassano, welche das in den Augen der Lazzaroni unverzeihliche Verbrechen begangen, für die armen Patrioten milde Gaben zu sammeln, wurden aus ihren Palästen herausgeschleppt. Man schnitt ihnen ihre Ober- und Unterkleider mit Scheren bis unter den Gürtel ab und führte sie, diese keuschen Matronen, welche durch keine Gewaltthat erniedrigt werden konnten, nackt von Straße zu Straße, von Platz zu Platz und dann nach dem Castell Capuana, wo sie in die Gefängnisse der Vicaria geworfen wurden.

Eine dritte Frau hatte ebenso wie sie den Namen einer Mutter des Vaterlandes verdient. Es war dies die Herzogin Fusco, die Freundin Luisas.

Ihr Name ward plötzlich genannt, man weiß nicht von wem – die Sage behauptet, durch einen von denen, welche von ihr Unterstützung genossen.

Sofort ward beschlossen, sie in ihrer Wohnung aufzusuchen und derselben Züchtigung zu unterwerfen. Nur mußte man, um nach Mergellina zu gelangen, die Linie passieren, welche die Republikaner von,dem Platze der Vittoria bis zum Castell San Elmo gezogen hatten.

Als sie aber an die Giardini kamen, von denen sie nicht wußten, daß dieselben besetzt waren, wurden sie von einem solchen Musketenfeuer empfangen, daß sie sich zurückziehen und ein Dutzend Todte und Verwundete auf dem Kampfplatz zurücklassen mußten.

Diese Schleppe konnte sie aber nicht bewegen, ihre Absicht aufzugeben.

Sie begaben sich deshalb nach der Salita di San Nicolao de Tolentino. An der Strada San Carlo delle Tartelle stießen sie jedoch auf dasselbe Hinderniß und ließen hier abermals eine Anzahl von Todten und Verwundeten zurück.

Endlich sahen sie ein, daß sie bei ihrer Unkenntniß der von den Republikanern eingenommenen Positionen in irgend eine strategische Linie gerathen wären.

Demzufolge beschlossen sie die Höhe von San Martino, auf welcher sie die Fahne der Patrioten flattern sahen, durch die Strada de l’Infrascato zu umgehen, die Strada San Gennaro Antiquano zu gewinnen und über die Salita del Vomero nach Chiaja hinabzusteigen.

Hier waren sie vollständig Herren des Terrains. Einige machten Halt, um vor der Madonna de Pie di Grotta ihr Gebet zu verrichten, und die anderen – dies war die Mehrzahl – setzten ihren Weg bis über die Mergellina bis zum Hause der Herzogin Fusco weiter fort.

Als sie an dem Löwenbrunnen ankamen, schlug der Führer der Bande vor, das Haus der Herzogin ohne Geräusch zu umzingeln, damit man sich ihrer desto sicherer bemächtigen könne.

Ein Anderer rief jedoch, es gäbe eine Frau, welche noch weit strafbarer sei als die Herzogin Fusco. Es wäre dies die, welche den verwundeten Adjutanten des Generals bei sich aufgenommen, welche die beiden Backer Vater und Sohn, denuncirt und dadurch die Ursache ihres Todes geworden sei.

Diese Frau sei die San Felice.

Auf diese Erklärung erfolgte nur ein Ruf: »Nieder mit der San Flice!«

Und ohne die nöthigen Vorkehrungen zu treffen, um sich der Herzogin Fusco zu bemächtigen, stürzten die Lazzaroni nach dem Palmbaumhause, schlugen die Gartenthüren ein und drangen über den Perron in das Haus.

Das Haus war, wie man weiß, vollständig leer.

Die erste Wuth mochte sich an den Fensterscheiben Luft, die man zerschlug, und dann an den Zimmergeräthschaften, die man zu den Fenstern hinauswarf.

Diese Vernichtung von leblosen Gegenständen erschien aber nichtsdestoweniger sehr bald als ungenügend.

Es dauerte nicht lange, so rief man wieder: »Die Herzogin Fusco! Die Herzogin Fusco! Nieder mit der Mutter des Vaterlandes!«

Man schlug die Thür des Corridors ein, welcher die beiden Häuser mit einander verband, und stürzte aus dem der San Felice in das der Herzogin.

Schon ein flüchtiger Umblick indem Hause der San Felice genügte, um zu dem Schluß zu berechtigen, daß dieses Hans schon seit mehreren Tagen vollständig leergestanden habe, während man auf das der Herzogin Fusco ebenfalls nur einen Blick zu werfen brauchte, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß es erst vor wenigen Minuten verlassen worden.

Auf einem mit sehr schönem Silbergeschirr besetzten Tisch standen noch die Ueberreste einer Mahlzeit, in dem Zimmer der Herzogin lagen die von ihr soeben abgeworfenen Ober- und Unterkleider am Boden und verriethen, daß sie unter dem Schutz einer Verkleidung entflohen war.

Hätten die Lazzaroni nicht erst die Zeit damit vergeudet, daß sie das Haus der San Felice plünderten und verwüsteten, so hätten sie die Herzogin, um welcher willen sie einen so weiten Weg gemacht und gegen zwanzig ihrer Leute vergebens geopfert, in ihre Gewalt bekommen.