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Drittes Capitel

Als der ältere Croix aufgehört hatte zu lachen, fragte ich, ob sein Bruder nach de Vere gegangen sei. Ich habe gehört, daß die Bauern das Schloss geplündert und einen Theil desselben verbrannt hätten.

»Nach de Vere gegangen!« wiederholte die alte Frau. »Was sollte Paul dort thun, Herr Pfarrer? Ich denke, wir haben Alle an diesem Namen genug gehabt. Nein, mein Sohn ist auf den benachbarten Jahrmarkt gegangen, am sich dort zu belustigen.«

Ich saß an der Ecke des Kamins. Es brannte ein kleines Feuer auf dem Herd. Die Zeit des Abendessens war vorüber, alter ein großer, eiserner Topf stand noch immer in der Asche.

Der ältere Sohn sprach mit mir über seine Wirtschaft, wie sie durch Mangel an Regen gelitten, und wie schlecht die Ernte in der ganzen Gegend gewesen sei. Während er mir dies mittheilte, trat Paul Croix Frau geräuschlos herein und setzte sich an die andere Seite des Kamins. Der in Strömen fallende Regen hatte ihre Kleider ganz durchnässt und sie zitterte vor Kälte.

»Laßt nie die äußere Thür offen, wenn Ihr des Nachts hinausgeht, « sagte die Wittwe Croix in herbem Tone zu ihrer Schwiegertochter.

»Wie hätte ich wieder hereinkommen sollen, wenn ich sie zugeschlossen hätte?« erwiederte die junge Frau in hochfahrendem Tone.

Niemand entgegnete etwas darauf, und die Männer fuhren fort, über landwirtschaftliche Gegenstände zu sprechen. Während ihrer Unterhaltung betrachtete ich Paul Croix’ Frau mit vieler Neugier und Theilnahme. Sie war wie die alte Frau, in groben, braunen Wollenstoff gekleidet, und ihre farbige, baumwollene Haube, die unter dem Kinn geknüpft war, verhüllte vollständig ihr Haar. Ihre äußerst weiße und durchsichtige Haut, hätte fast auf den Gedanken führen können, daß ihr Gesicht aus Marmor bestände, hätten nicht die rothen Lippen dieser Annahme widersprochen.

Sie störte das Feuer auf, unter ihren nassen Kleidern zitternd, und während der ganzen Zeit hielt sie den Kopf gesenkt, als ob sie fürchtete, daß ich sie anreden möchte. Da ich ihr Benehmen begriff, so sagte ich nichts zu ihr und vermied es sogar, sie weiter anzusehen.Aber ich legte einige Scheite Holz die in meiner Nähe lagen, auf das Feuer und rückte den eisernen Topf auf die Seite, damit sie ihre Füße auf die Asche stellen konnte.

Als sie sich hinlänglich gewärmt hatte, faltete sie die Arme über die Brust, lehnte sich an die Mauer zurück und Schloss die Augen.

Da der Regen zugenommen hatte, so blieb ich noch eine Stunde oder mehr, wo ich war.

Während dieser ganzen Zeit rührte sich Pauls Frau nicht ein einziges Mal, noch öffnete sie die Augen. Gerade als ich mich entschlossen hatte, dem Sturm, der die ganze Nacht über anzuhalten drohte, Trotz zu bieten, pfiff Jemand draußen im Hof und der Haushund sprang winselnd nach der Thüre

»Er ist es endlich!« rief die junge Frau aufspringend und hinaus eilend, um ihren Mann einzulassen.

Von den Anderen rührte sich Niemand. Sie saßen alle um den Tisch und lasen Saatfrucht aus. Die alle Frau blickte blos nach dem Feuer und murmelte halblaut:

»Sie wird doch seine Suppe warmgehalten haben.«

Im nächsten Augenblick trat Paul mit heiterem Gesicht und gefolgt von seiner Frau herein.

»Wie gehts Euch Allen?« fragte er, während er seinen Rock und Hut ablegte. »Ah, Herr Pfarrer, es freut mich, Sie gesund wiederzusehen. «

Dann trat er zu seiner Mutter und sagte, sich über ihre Stuhllehne beugend, er hoffe, daß sie vollkommen wohl sei.

»Vollkommen wohl, mein Sohn, und wie geht es Dir?«

»Ich bin hungrig wie ein Dutzend Jäger, « antwortete er mit schallendem Gelächter.

»Ah, ich habe mirs gedacht, daß Du halbverhungert nach Hause kommen würdest, « erwiederte die Mutter, ihm neben sich am Tische Platz machend. Dann sagte sie zu der jungen Frau gewendet:

»Richtet Eurem Manne an, Schwiegertochter.«

Schweigend setzte die Angeredete eine Schüssel mit Suppe und einen Laib Brod vor den hungrigen Riesen, der einen Löffel ergriff und sogleich zu essen begann.

»Wie, was ist das?« rief er; »die Suppe ist so kalt.«

Darauf fuhr die Wittwe zornig empor.

»Was, im Namen der Heiligen, habt Ihr denn am Feuer getrieben, wenn Ihr nicht einmal auf den Topf Acht geben mochte?« sagte sie zu der jungen Frau. »Es macht mich ganz toll, eine Person Eures Alters sehen zu müssen, die nicht einmal im Stande ist, eine Suppe warm zu halten. Glücklicher Weise sind nicht Alle im Hause wie Ihr seid. Da seht Eure Schwägerin Louise an, die beträgt sich ganz anders. Wenn ihr Mann heim kommt, so findet er sie stets bei der Arbeit und sein Abendessen gewärmt im Kamin, und —«

»So lange Paul selbst sich nicht beklagt, hat Niemand ein Recht, sich in die Sache zu mischen, « war die stolze Antwort der jungen Frau.

Hier legte ich mich ins Mittel.

»Es ist meine Schuld, « sagte ich, »daß die Suppe kalt ist. Ich habe den Topf weggerückt. Ich hoffe, Paul wird die gedankenlose Handlung entschuldigen.«

»Natürlich. Herr Pfarrer«, beeilte sich der junge Mann zu erwiedern. »Es ist nicht der Mühe wert, ein Wort über die Sache zu verlieren. Sie Suppe ist nicht schlecht, « fuhr er zu seiner Mutter gewendet fort, »deshalb wollen wir nicht weiter davon sprechen. Ich bin bis an die Knöchel im Koth gewatet und meine Fuße fühlen sich wie ein paar Eisklumpen an, « setzte er, auf den Boden stampfend, hinzu.

»Schnell, thue etwas heiße Asche in Deine Schuhe, mein Sohn, « bemerkte die Wittwe mit zärtlicher Besorgniß.

»Ah, der Rath ist nicht schlecht, « erwiederte Paul. »Hier, Frau, besorge mir das.«

Damit nahm er seine schweren, nägelbeschlagenen Schuhe ab, deren Leder unter einer dicken Lage gefrorenen Schmutzes ganz verschwunden war.

Sie junge Frau bückte sich, hob die Schuhe auf, wischte den Koth von denselben ab, schüttete eine Schaufel voll heiße Asche hinein und brachte sie, ohne ein Wort zu sprechen, ihrem Manne zurück.

Ich vermochte ein schmerzliches Gefühl nicht zu unterdrücken, als ich sie auf diese Weise erniedrigt und so grausam für ihre Fehler bestraft sah.

»Es giebt keinen andern Trost für sie, als der Himmel, « dachte ich. »Hoffentlich wird sie dessen eingedenk sein und nicht durch Verzweiflung ihr Herz brechen lassen.«

Am den nächstfolgenden Sonntagen sah ich mich in der Kirche nach ihr um, aber sie war nicht anwesend.

»Warum besucht Pauls Frau den Gottesdienst nicht?« fragte ich endlich die Wittwe Croix. »Was thut sie zu Hause?«

»Was sie zu Hause thut, Herr Pfarrer?« wiederholte die alte Frau. »Natürlich nichts, wie immer. Da sitzt sie mit gefalteten Armem ihre Füße in der Asche am Kamin, so träge, daß – die Heiligen mögen mir verzeihen – daß ich zuweilen denke. sie würde, wenn ihr Unterrock Feuer finge, die Hand nicht ausstrecken, um es auszulöschen.«

Ich hatte die Gewohnheit, die zu meiner Pfarrei gehörenden Familien, je nachdem ich Zeit und Gelegenheit fand, ein- oder zweimal im Monat zu besuchen. Es waren indeß mehr als acht Wachen vergangen, ehe ich wieder in der Wohnung der Croix vorsprach. Bei dieser Gelegenheit fand ich die junge Frau allein zu Hause. Sie saß vor der Thüre in der Sonne, ihren Strohhut so tief in die Stirne gedrückt, daß sie mich nicht eher wahrnahm, als bis ich ganz nahe bei ihr war.

Sie sprang plötzlich empor, und nach dem Ausdruck, den ihre Züge annahmen, zog ich den Schluß, daß ihr meine Gegenwart nicht angenehm war. Sie sagte im Dialect des Landes:

Es ist Niemand zu Hause, Herr Pfarrer, sie sind Alle bei der Arbeit auf dem Felde.«

»Wenn Sie es mir erlauben wollen, Madame Croix, so will ich ein wenig hier ausruhen, « sagte ich in französischer Sprache.

Darauf sah sie mich scharf an und ihr Gesicht wurde roth. Sie wußte offenbar nicht, daß ich mit ihrer Geschichte bekannt war, und erstaunte darüber, daß ich sie in einer Sprache anredete die in diesem Theile des Landes so selten gehört wird und deren Verständniß nach ihrem Stande nicht von ihr erwartet werden konnte. Aber ihre Selbstbeherrschung wieder erlangend, antwortete sie mir mit derselben Miene und in derselben Sprache, an die sie in dem Solon von de Vere gewöhnt war.

»Wollen Sie mir die Ehre geben, in das Haus zu treten, Herr Pfarrer?« sagte sie.

»Ich danke Ihnen, Madame, aber ich möchte lieber in der Sonne sitzen bleiben, « antwortete ich.

Die Witterung war für diese Jahreszeit ungewöhnlich mild. Sie Sperlinge hüpften lustig umher, und an geschützten Stellen entfalteten die gelben Schlüsselblumen ihre Blüthen.

»Was für ein lieblicher Tag!« bemerkte ich. »Dieser warme Sonnenschein gleicht einem Lächeln vom Himmel. Lob und Dank sei ihm, der stets über uns wacht.«

Sie antwortete mir nicht, sondern blickte mich mit einem spöttischen Lächeln an. Ich fuhr indeß fort, mich in derselben Weise auszudrücken. Ich sprach mit ihr über Religion, aber meine Worte hatten keinen Erfolg, sie schienen im Gegentheil eine ganze Menge gottloser Gedanken in ihr zu erwecken und sie begann mit Heftigkeit darüber zu streiten und ohne den geringsten Rückhalt ihre Ansicht darzulegen.

Mit Entsetzen hörte ich ihr zu, mit Entsetzen vernahm ich, wie eine so junge Person solche kecke, solche eitle und schlechte Grundsätze so ohne alle Scheu aussprach. Ich konnte nun begreifen, wie es kam, daß sie in ihren gegenwärtigen Zustand der Erniedrigung verfallen war.

»Da sie mich über einen Gegenstand nicht anhören will, so wird sie es vielleicht über einen andern thun, « dachte ich. »Ich will ihr einige nützliche Rathschläge geben, « und demzufolge sagte ich ihr, wie sie sie handeln sollte, um ihre Stellung ihrer neuen Familie gegenüber leichter und angenehmer zu machen. Aber sie unterbrach mich sehr bald.

»Bah, « rief sie mit einem Ausdruck des Widerwillens, »diese Menschen hassen mich und nichts wird jemals ihre Gesinnungen gegen mich ändern. Aber ich beklage mich nicht darüber, denn ich hasse sie ebenfalls. Indeß müssen wir einander ertragen, bis es der Mutter beliebt, Paul das Geld zu geben, das ihm sein Vater hinterlassen hat – eine elende Summe von ein paar hundert Kronen, wie ich glaube, nicht mehr. Aber sie wird uns in den Stand setzen, ein kleines Gut zu pachten. Mein Mann hat bereits etwas ausfindig gemacht, das uns ganz gut paßt. Aber unglücklicher Weise müssen wir noch ein ganzes Jahr warten, bis das Geld bereit ist. Doch, es thut nichts, ich kann mich gedulden.«

 

Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte keinen Glauben an ihre Geduld.

»Sie sind nicht an ein lieben der Arbeit gewöhnt, « antwortete ich. »Wie groß auch Ihr Muth, Ihre guten Absichten sein mögen«, Sie werden niemals im Stande sein, sich an das Leben eines Landwirts zu gewöhnen. Hierzu kommt noch, daß Ihr Mann keine Erfahrung in der Landwirtschaft besitzt, wie seine Brüder, und was noch schlimmer ist, ich glaube nicht, daß er Lust hat, etwas davon zu lernen.«

Allerdings ist Paul, um die Wahrheit zu sagen, sehr träg, « antwortete sie ruhig, »und was nach schlimmer ist als das, er ist ein Trunkenbold und ein Spieler. Seine Mutter trägt die Schuld daran. Seit seiner frühesten Jugend hat man ihm in alten Dingen seinen Willen gelassen, man hat ihm gestattet, sich auf den Märkten herumzutreiben und allerlei zweideutige und schlechte Gesellschaften zu besuchen. Selbst jetzt noch, wo er verheirathet ist, hat sie stets eine Entschuldigung für ihn, wenn er mich verläßt. Wenn wir dagegen ein eigenes Haus haben, so wird er nicht im Stande sein, nach Belieben herumzuschwärmen, er wird aufhören, das Wirthshaus zu besuchen, und ein achtbarer Bürger werden.«s

Ich schwieg. Ich kannte Paul Croix – mußte, daß er niemals durch die Arbeit seiner Hände sein Brod verdienen würde. Er besaß keine der Eigenschaften eines selbstthätigen Landwirthes – er hatte keine Ausdauer, keine Einsicht und vor Allem keine Sparsamkeit. Er war ein schwachköpfiger Mensch, von leichtem, fröhlichem Temperament, und dabei schnell zum Zorn gereizt. Trotz dieser Fehler aber war er der Liebling seiner Mutter. Sie kannte ihn recht gut, und wegen seiner Verschwendungssucht hatte sie bisher das Erbtheil seines Vaters ihm vorzuenthalten gewußt. Paul halte sich jedoch darum keine Sorgen gemacht, denn so lange er zu Hause sein Brod und seine Suppe und eine Krone in der Tasche hatte, war ihm alles Andere gleichgültig.

Ich sah bald ein, daß es nutzlos sei, die junge Frau zu belehren, wie sie ihren Mann behandeln solle; ich konnte ihr blos rathen, sich ihre Schwiegermutter zu befreunden und nichts gegen den Willen derselben zu thun.

Wenige Tage darauf wurde ich zur Aushilfe in eine entfernte Pfarrei geschickt und ein anderer Geistlicher versah meine Stelle. Erst nach Ablauf eines Jahres kehrte ich wieder zurück. Ich langte am ersten Tage des Jährlichen, großen Marktes in meinem Städtchen, an, und die erste bekannte Person, der ich begegnete, war Paul Croix. Er hatte neue Kleider an und ging mit wichtiger Miene einher.«

Ich fragte ihn, wie es seiner Familie ergehe.

»O, sie waren Alle vollkommen wohl, als ich vor einer Stunde das Haus verließ, « antwortete er. »Meine Mutter ist immer dieselbe, gerade wie eine Pappel und thätig wie ein Mädchen von fünfzehn Jahren. Meine Frau befindet sich ebenfalls wohl, aber sie ist sehr mager geworden.«

»Seid Ihr allein auf den Markt gekommen?« fragte ich darauf.

»Ja. Mein ältester Bruder hatte mich begleiten sollen; aber es ist etwas dazwischen gekommen, was ihn abgehalten hat. Ich habe ein Gut von hundert Morgen Land gepachtet, Herr Pfarrer, und ich habe alle Hände voll zu thun. Ich habe bereits mehrere Arbeiter gemiethet und jetzt stehe ich im Begriff Pferde, Ochsen und Wagen zu kaufen.«

»Alles das wird Euch eine bedeutende Summe kosten, mein Sohn, « bemerkte ich.

Paul lachte fröhlich und klopfte auf seinen ledernen Gurt, daß die Goldstücke darin klimperten.

»Herr Pfarrer, « sagte er mit leiser Stimme, »ich habe hier tauend Kronen, welche mir meine gute Mutter diesen Morgen in ihrer Schürze gebracht hat.«

»Ah, dann begreife ich, daß Ihr im Begriff seid, große Geschäfte zu machen. Aber seid vorsichtig, mein Sohn, denn zur Marktzeit wimmelt es an Betrügern.«

Der junge Mann stieß ein kurzes, sorgloses Gelächter aus und ging seines Weges.

Etwa eine Stunde nach dieser kurzen Unterhaltung ging ich über den Platz, wo der Markt abgehalten wurde, und sah, wie Paul Croix in ein Weinhaus trat, wo bei solchen Gelegenheiten, wie die heutige, die reichen Landwirthe, die Pferdehändler und alle Diejenigen, die mit Geld in der Tasche auf den Markt kamen, einkehrten. Ich wußte, daß dort stark gespielt wurde, aber der Gedanke fiel mir nicht ein, daß Paul Croix mit einem von ihnen spielen könnte. Er hielt sich gewöhnlich zu Leuten seiner eigenen Klasse und ich dachte, wenn seine Geschäfte vorüber wären, würde er sich an ihren gewöhnlichen Vergnügungen betheiligen.

Am Abend, als ich von einem Krankenbesuch zurückkehrte, stieß ich wieder auf den jungen Mann. Er schien sehr aufgeregt und ging mit großen Schritten auf und ab, augenscheinlich, was um ihn vorging nicht beachtend. Als er mich bemerkte, eilte er auf mich zu und bat mich, ihm ein Sechsfrankenstück zu leihen.«

»Hier ist eine Krone – Alles was ich bei mir habe, « antwortete ich. »Sie steht Euch zu Diensten. Aber es ist Euch gewiß etwas passiert, « setzte ich hinzu.

Und während ich sprach, nahm ich ihn beim Arm und führte ihn von der Menge hinweg nach einem ruhigen Platze, wo Niemand unser Gespräch hören konnte. Anfangs weigerte er sich, auf meine Fragen zu antworten; dann bekannte er mir unter furchtbaren Verwünschungen und traurigen Ausbrüchen von Jammer, daß er soeben all das Geld, das er besessen, im Spiel verloren habe.

Ich war wie vom Donner gerührt. Es war indeß keine passende Zeit, ihm über das, was er gethan, Vorwürfe zu machen. Ich that mein Bestes, ihn in seiner Verzweiflung zu beruhigen; aber er besaß eine heftige Natur, und für einige Zeit war er ganz außer Stand, auf meine Gründe zu hören, sondern wiederholte nur in einem fort:

»Meine Mutter! meine Mutter! – was wird sie sagen? O, ich wollte lieber sterben, als ihr wieder unter die Augen treten! Ich fürchte mich nicht vor dem Tode. Es ist eine leichte Sache, sich kopfüber in einen Fluß oder Teich zu stürzen.«

Ich schauderte, als ich ihn so sprechen hörte. Ich hielt ihn wirklich für fähig, Selbstmord zu begehen.

Ich beschloss deshalb, in seiner Nähe zu bleiben und ihn keinen Augenblick aus den Augen zu lassen. Mitten in seinem Toben verbarg er zuweilen sein Gesicht in seinen Händen und schluchzte und weinte wie ein Weib. Während er in einer dieser milden Stimmungen war, redete ich ihn mit einem gewissen Nachdruck an.

»Hört mich an, mein lieber Croix, « sagte ich. »Es bleibt Euch nur eins zu thun übrig und das ist, sogleich nach Hause zurückzufahren, Euch Eurer Mutter zu Füßen zu werfen und ihr Alles aufrichtig zu bekennen.«

»Nein, nein!« rief er, halb außer sich. »Ich werde niemals mehr nach Hause zurückkehren. Ich werde fortgehen und Niemand soll je mehr von mir hören.«

»Es ist schlimmer als Narrheit, so zu sprechen, « entgegnete ich. »Ihr müßt heimgehen« und ich werde Euch begleiten.«

Seine Weigerung, meinen Wünschen gemäß zu handeln, wurde nach und nach weniger hartnäckig und endlich gab er nach und wir traten den Heimweg an. Während desselben sprach ich zu ihm und hielt ihm seine vielen Fehler vor. Er hörte mir geduldig zu, gab mir aber kein Versprechen, sich zu bessern. Er wurde indeß ruhiger und seine gewohnte Sorglosigkeit kehrte wieder zurück.

Wir waren noch nicht weit gegangen, als er seine Fassung so weit gewonnen hatte, um mir Alles zu erzählen, was ihm soeben widerfahren war.

»Ich will Euch die ganze Geschichte von Anfang bis zum Ende erzählen, « seufzte er. »Ich hatte die Absicht für meine Frau eine goldene Kette zu kaufen und das war es, was das ganze Unglück herbeiführte. Eine goldene Kette kostet wenigstens zwanzig Kronen. Mein Bruder gab, als er heirathete, eine solche seiner Frau, und es hat mich immer geärgert, daß ich der meinigen nicht ein ähnliches Geschenk machen konnte. Um die Wahrheit einzugestehen, war es meine Mutter, welche sich weigerte, mir das Geld zum Ankauf des Gegenstandes zu geben. Nicht daß sie ihren ältesten Sohn begünstigt – der Himmel verhüte, daß ich dies denke – aber sie hat ihre Schrullen. Drei Weiber unter einem Dach sind wie drei Ratten in einem Sack. Die Frau meines Bruders ist eifersüchtig auf die meinige, weil sie die Leute in der Umgegend die schöne Bäuerin nennen, und meine Frau ärgert sich darüber, daß ihre Schwägerin sich mit Schmucksachen herausputzen kann.«

»Ich denke, Eure Frau ist über so kleinliche Empfindeleien, wie Ihr sie derselben zuschreibt, hinaus.«

»Kann sein, « erwiederte er; »ich wollte ihr in dem Wirtshaus, wo sich der Händler befand, eine goldene Klette kaufen und das ist genug. Ich hatte noch immer das Geld zum Ankauf des Viehes bei mir und ich dachte, ich wollte ein Sechsfrankenstück auf die Karten setzen, nur, um zu sehen, ob ich Glück habe. Nun, ich ging mit meinem Silber in der Hand hin, fest entschlossen, keinen Sau weiter zu wagen, wenn ich den ersten Satz verlieren sollte. Es war Philipp Todelot der die Karte für mich zog. Er hatte vor sich einen ganzen Haufen Gold. Unglücklicher Weise gewann ich. Dadurch ermuthigt, setzte ich zwanzig Kronen und verlor sie. Ich zog dann zwölf Kronen hervor und verlor sie ebenfalls. Das Blut stieg mir in den Klopf und ich war einfältig genug, zu glauben, daß das Glück wechseln müßte, und demgemäß setzte ich fünfzig Kronen und verlor. Dann setzte ich vier Kronen auf ein anderes Spiel, das Rangenelle, und gewann. Das machte mir Muth und ich spielte weiter und verlor wieder. Ich hätte dann aufhören sollen, aber ich besaß noch immer hundert Kronen und ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. So spielte ich weiter und verlor Alles, bis zu meinem letzten Pfennig. Aber ich hätte wissen können, wie es gehen würde; ich hätte wissen können, daß mir an diesem Tage nichts als Unglück zustoßen würde, da ich diesen Morgen einem schwarzen Hund begegnete, der einer Henne nachlief.«

Ich versuchte, ihm diese abergläubischen Ideen auszureden; aber es war nutzlos, mit ihm darüber zu sprechen, da er sich nicht von seinem Aberglauben abbringen ließ.

»Es war ganz derselbe Fall, als ich vor zwei Jahren zum ersten Mal nach de Vere ging. Als ich das Haus verließ. sah ich einen Raben kaum sechs Schritte vor mir auffliegen. Ich hätte sogleich wieder zurückkehren sollen. Wenn es meine Mutter gesehen hätte, so würde sie mich nicht fortgelassen haben. Nicht daß mich meine Heirath reut; aber ich hätte doch eine viel bessere Partie machen können.«

»»Pfui, pfui!« rief ich, »wir könnt Ihr so sprechen, nachdem Ihr die junge Dame zu Grunde gerichtet habt?«

»Nein, Herr Pfarrer, das ist nicht so, « antwortete Paul in ernstem Tone. »So wahr ich eines Tages sterben muß, nicht ich war es, der den ersten Schritt gethan. Als ich vor zwei Jahren zur Festzeit nach de Vere ging, war sie beim Ringen zugegen. Nach den Spielen fand ein Ball statt und ich war ihr Tänzer. Es war ohne Zweifel eine große Ehre, mit der Tochter des Schlossherrn zu tanzen, aber ich versichere Euch, Herr Pfarrer, daß ich lieber bei meinen Kameraden gewesen wäre und gekochte Kaninchen mit ihnen gegessen hätte. Sie sprach sehr freundlich mit mir und ich antwortete so gut ich konnte, und als wir uns trennten, sagte sie gewisse Dinge, die mich in Verwunderung setzten. Von nun an ging ich öfters nach de Vere, weil sie mich darum bat. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft sie mich bestellte, aber diese Zusammenkünfte waren ganz unschuldiger Art, denn sie befand sich auf der Terrasse des Schlosses und ich auf der andern Seite des Gartens unter einem Baum. Wir blickten einander an und machten einander Zeichen. Zuweilen ging ich des Nachts auch unter ihr Fenster, wo sie mir Stücke Band zuwarf. Sie sehen, Herr Pfarrer, es war lauter kindischer Unsinn. Wer hätte gedacht, daß dies mit einer Heirath endigen würde? Aber das war es, was sie wollte, und sie war es, die die Geschichte eingefädelt hat – der Querkopf! Aber Geduld! Ihre Eltern werden uns vielleicht eines Tages verzeihen.«

Wir befanden uns jetzt in der Nähe des Gehöfts. Der junge Mann begann zu zögern und zitterte, als ob er es bedauere, gekommen zu sein.«

»Ich werde es nie wagen meiner Mutter unter die Augen zu treten und einzugestehen, was ich gethan habe.«

»Muth!« antwortete ich. »Ich will vorausgehen und Eure Familie auf Euer Mißgeschick vorbereiten.«

»Ich danke Euch Herr Pfarrer, « sagte Paul erleichtert. »Ihr werdet zuerst meiner Mutter die Sache auf eine gute Weise vortragen, dann bittet sie, mir zu verzeihen, und ich will mich selbst einstellen.«

 

Wir waren nun an der Thüre des Hauses angelangt. Paul Croix blieb außen, während ich hineinging.

Ich fand die ganze Familie am Tische beim Abendessen sitzen. Ich glaube, daß mein Gesicht in diesem Augenblick die Bangigkeit meines Innern verrieth, denn dir alte Frau sprang, sobald sie mich sah, mit Ausrufe von ihrem Sitze auf:

»Um aller Heiligen willen, was hat sich zugetragen? Was habt Ihr uns zu melden, Herr Pfarrer?«

»Seid ruhig, Madame, bat ich, »seid ruhig und unterwerft Euch dem Willen der Vorsehung, denn ich bringe Euch wirklich schlimme Nachrichten.«

»Ihr sprecht von meinem Sohn Paul. Alle Anderen sind hier, « sprach sie mit zitternder Stimme. »Mein Sohn, mein armer Sohn.«

Die junge Frau hatte sich erhoben und sich mir genähert. Ihre Blicke waren voll Unruhe, aller sie legte reicht die geringste Neigung zum Weinen an den Tag.

»Mein Sohn – sagt mir, was aus meinem Sohn geworden ist, « rief die Mutter in flehendem Tone.

»Beruhigt Euch, Madame. Ihr werdet es sogleich sehen. Er lebt und befindet sich wohl, er ist aber von Reue so niedergeschlagen, daß er sich scheut, vor Euch zu erscheinen.«

Ich erzählte ihr dann Alles.