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Es dauerte nicht lange, so trat Marie herein und meldete die Ankunft des Siegers in Gesellschaft von vielen Andern.

»Sage unserer Leuten, sie sollen nur den Burschen Croix mit zwölf Andern einlassen, « befahl der Graf.

Marie entfernte sich mit ihrem Auftrag.

»Wollen Sie nicht mitkommen, Gilbert?« fragte der Graf zu mir gewendet.

Ich schüttelte den Kopf und sagte, daß ich bleiben wolle, wo ich mich befinde.

Der Graf und die Gräfin verließen darauf das Zimmer, gefolgt von Isabellen, die das blaue Band, das sie gestickt hatte, in der Hand trug. Ich bildete mir ein, daß ihre Schritte, als sie aus der Thüre trat, unsicher gewesen seien.

Ich war ärgerlich und wünschte es nicht mit anzusehen, wie Isabelle das Band diesem hübschen Bauerntölpel überreichte. Ich lehnte noch immer an einem der Fenster, mechanisch hinausblickend. Es standen weder Mond noch Sterne am Himmel, die tiefste Finsterniß herrschte im Garten und der Wind rauschte in den Bäumen.

Den Kopf in die Hand gestützt, stand ich nachdenklich da.

»Sollte ich Isabellen gegen ihren Willen heirathen, oder sollte ich sogleich und für immer die Hoffnung aufgeben, sie zur Meinigen zu machen?« fragte ich mich.

Ich glaubte nicht, konnte nicht daran glauben, dass ich einen Nebenbuhler habe. Sie hatte es mir zu verstehen gegeben, bloß um mich zu beunruhigen und mich noch verliebter zu machen. Sie war eine kalte, stolze Natur, die zu besänftigen Zeit erforderte. Ihr hochfahrendes Benehmen gegen mich hatte mich sehr gekränkt, aber nichtsdestoweniger war ich bereit und gewillt, jedes irdische Opfer für sie zu bringen.

Während ich mit diesen Gedanken beschäftigt war, sah ich eine Gestalt unter dem Fenster nahe an der Marter vorüber schleichen, als ob sie einen Eingang in’s Haus suchte. Ich legte dem Vorgang keine besondere Wichtigkeit bei; indeß beobachtete ich die geheimnißvolle Gestalt, so weit es mir die Dunkelheit gestattete. Aber sie verschwand, ohne daß ich im Stande war, die Richtung, die sie eingeschlagen, zu unterscheiden.

Gleich darauf sprang der kleine Hund der Gräfin von dem Kissen, auf dem er lag, empor und fing an zu murren.

Darauf wendete ich mich um.

Die Thüre des anstoßenden Zimmers stand offen. Ich horchte. Der Fußboden knarrte unter einem vorsichtigen Tritt. Ja, es war Jemand dort – Jemand, der wahrscheinlich dort nichts zu schaffen hatte.

Davon überzeugt, rief ich aus:

»Wer geht dort?«l

Da keine Antwort erfolgte, so nahm ich ein Licht und trat in das nächste Gemach. Der Hund folgte mir, abwechselnd knurrend und bellend. Ich konnte niemand sehen, aber beim Eintritt vernahm ich, dass die gegenüber befindliche Thüre zugeschlagen wurde. Im ersten Augenblicke glaubte ich, es sei durch den Wind geschehen. Ich wollte mich indes; doch näher davon überzeugen und öffnete die Thüre. Sie führte auf einen Gang, durch den man in den Thurm gelangte. Mit emporgehobenen Licht schritt ich weiter, bis ich ist das Zimmer der Mademoiselle de Vere kam. Es war ein kleines nettes Gemach ohne Ecken oder Winkel und ich konnte dasselbe mit einem Blick überschauen. Es hatte keinen weiteren Ausgang. Der Hund blieb wüthend bellend an der Thüre stehen. Das Bett war ohne Vorhänge und mit einer weißen Decke bedeckt. Ueber dem Kamin hing ein Spiegel und unter demselben stand die häßliche Holzfigur, die der Graf in seiner Jagdtasche gefunden hatte. Vor dem Balkonfenster hing ein schwerer Vorhang.

Als ich mich überzeugt hatte, daß das Gemach leer war, ging ich nach dem Salon zurück, während der Hund noch immer fortfuhr zu bellen.

Bald darauf kehrte auch die Gräfin und ihre Tochter zurück, die erstere herzlich lachend.

Ich fragte sie, was sie so ergötzt habe.

Sie gab mir darauf eine Beschreibung des Vorganges, der soeben zwischen dem Sieger im Ringkampf und Mademoiselle de Vere stattgefunden hatte.

»Er ist ein wahrer Riese, « fuhr die Dame fort. »Ich glaube, die Spitzen meiner Federn würden nicht bis an seine Schultern reichen. Er und seine Kameraden waren sehr ehrerbietig, und als Isabelle das Band zum Vorschein brachte, fiel der Sieger in der linkischsten Weise auf seine Kniee nieder, um es in Empfang zu nehmen. Ich hätte fast dem Narren ins Gesicht gelacht. Uebrigens ging Alles vortrefflich von Statten, Wein und Kuchen wurden den guten Leuten reichlich vorgesetzt und sie tranken, ich weiß nicht wie oft, unsere Gesundheit.

In diesem Augenblick trat der Graf herein. Er schien sehr aufgeregt.

»Ich habe soeben die Zugbrücke aufziehen lassen, « sagte er.

»Oh! und weshalb?« fragte seine Frau.

»Eine Menge Pöbel zieht auf der Straße umher. Ich fühle mich unbehaglich, wenn so vieles Gesindel in der Nähe ist.«

»So sind wir also sämtlich Gefangene«, rief die Gräfin lachend, »und Niemand kann ohne unsere Erlaubniß hinaus oder herein.«

Bald darauf setzten wir uns zum Abendessen nieder. Isabelle war gegen ihre Gewohnheit sehr gesprächig Ich war erstaunt, denn ich hatte sie noch nie in so guter Laune gesehen.

Als das Mal vorüber war, klagte sie über Ermüdung und zog sich zurück. Der Graf streckte sich wie gewöhnlich auf einem Sopha aus und die Gräfin und ich setzten uns zu einem Kartenspiel nieder.

Es hatte elf geschlagen, als Marie mit bestürztem Gesicht ins Zimmer trat.

»O Madame, « rief das Mädchen, ihre Gebieterin anredend, »es ist ein großer Tumult jenseits des Grabens. Hier kann man nichts davon hören; aber am südlichen Eingang des Schlosses ist der Lärm wirklich furchtbar.«

Die Gräfin mischte ruhig die Karten und antwortete nicht darauf, aber ihr Gatte war erwacht und aufgesprungen..

»Mögen alle bösen Feinde der Christenheit dieses nichtswürdige Gesindel dahin entführen, wohin es gehört!« sagte er ärgerlich. »Lassen Sie sich nicht stören, « setzte er hinzu, als er sah, daß ich im Begriff war, die Karten niederzulegen. »Fahren Sie in ihrem Spiele fort, Gilbert. Ich will hinunter gehen und sehen, was es gibt.«

Er hatte sich kaum entfernt, als die Glocke der Dorfkirche zu läuten begann.

Ich sprang empor.

»Es wird irgendwo Feuer ausgebrochen sein, « bemerkte die Gräfin. » Solche Unfälle kommen hier häufig vor, denn die Häuser sind aus Holz erbaut und mit Stroh gedeckt. An Festtagen wie der heutige machen sie große Feuer an und es wird viel mit Nußöl gekocht, das sich leicht entzündet.«

ich trat ans Fenster, öffnete es und schaute mich nach allen Richtungen um.

»Ich sehe keine Flammen, « sagte ich. »Am Himmel wie auf der Erde herrscht die tiefste Finsternis. Die Luft ist schwül. Ich vermuthe, daß ein Gewitter im Anzug ist.«

Unterdessen dauerte das schauerliche Geläute der Glocke fort.

Ich konnte in der dichten Finsterniß nichts unterscheiden, als zahllose Lichter, welche unten im Dorfe hin- und hergaukelten. Sie kamen von den Kienfackeln, welche die Bauern trugen.

In diesem Augenblicke trat der Graf ins Zimmer. Er war aufgeregt und hatte eine Flinte in der Hand.

»Was gibt es?« fragte ich.

Es sind etwa fünfhundert von den Elenden auf der andern Seite des Schlossgrabens dem Haupteingang gegenüber versammelt, die Luft mit ihrem Geschrei erfüllend.«

»Was verlangen sie?« fragte die Gräfin beunruhigt.

»Was sie verlangen?« fragte ihr Gatte. »Wer weiß es. Ich habe versucht, mit ihnen zu sprechen, konnte aber nicht herausbringen, was sie wollen. Sie rufen in einem fort: »Paul Croix! Paul Croix!« als ob wir ihn hier als Gefangenen hätten. Einige von ihnen haben Gewehre, andere Äxte und Heugabeln. Ich habe keine Besorgniß, es müßte ihnen denn gelingen, den Schlossgraben auf der Südseite zu überschreiten. Dort könnten sie leicht ins Schloss dringen.«

»Könnten Sie das wirklich?« fragte seine Frau ängstlich.

»Ja, wenn sie sich der Seichtheit des Grabens an dieser Stelle erinnern. Die Pest über sie! Aber ich werde diesen Eingang vertheidigen und den Ersten, der sich herüberwagen wird, wie einen Hund niederschießen und ebenso alle Folgenden.«

»O Himmel, wir werden Blutvergießen unter uns haben, « rief die Gräfin. »Mein Kind, meine Isabelle! sie begann wie wahnsinnig die Hände zu ringen.

»Geh und bringe sie hierher, « antwortete ihr Gatte. »Von dem Balcon ihres Zimmers aus werde ich den Südeingang des Schlosses vertheidigen.«

»Kann ich Ihnen von irgend einem Nutzen sein, Graf?« fragte ich.

»Kommen Sie mit mir, Gilbert, « war seine kurze Antwort.

Mit zitternden Händen ergriff die Gräfin einen der großen silbernen Leuchter und wir folgten ihr in das kleine Zimmer, das wir durchschreiten mußten, um in das Schlafgemach der Tochter zu gelangen.

»Ich glaube nicht, daß das liebe Kind wach ist. Sie war so ermüdet, « bemerkte die Mutter.

Ja diesem Augenblick löschte ein Windstoß beinahe das Licht aus.

»Ha, wer hat diese Panele geöffnet?« rief der Graf in großer Ueberraschung, gleichzeitig auf einen Theil des Getäfels deutend, das zur Seite geschoben war. Dies ist ein geheimer Gang, der schon lange nicht mehr gebraucht worden ist.«

»Führt er in den Garten?« fragte ich, mich der geheimnißvollen Gestalt erinnernd, die ich vor kurzem daselbst gesehen hatte.

Unterdessen waren wir durch den Gang an Isabellens Thüre gelangt. Die Gräfin öffnete dieselbe und als sie eintrat, stieß sie einen durchdringenden Schrei aus.

Der Graf und ich folgten ihr auf dem Fuße und die Ursache ihres Schreckensrufs wurde sofort offenbar.

In Isabellens Zimmer befand sich ein Mann und dieser Mann war Paul Croix.

Mademoiselle de Vere stand in der Mitte des Gemachs, ihre Arme schützend um den Preiskämpfer geschlungen, der keinen Versuch machte, sich zu entfernen.

»Fliehe, fliehe! Rette Dich!« rief Isabelle.

Ich sprang vor, um ihn aufzuhalten, und in demselben Augenblicke feuerte der Graf. Die Kugel ging dem Burschen durch den Hut und fuhr in den Spiegel ober dem Kamin.

 

Alles dies ging in der Zeit von weniger als einer Minute vor sich. Ich weiß nicht, wie der Mensch entkam; ich kann blos sagen, daß er fort war.

Nach seinem Verschwinden herrschte einige Augenblicke Schweigen. Die Gräfin hatte ihren Gatten umschlungen, das Gesicht an seiner Schulter verbergend, und Isabelle lehnte am Kamin. Ihr Gesicht war sehr weiß, aber sie legte keine besondere Unruhe an den Tag.

»Wir ist dieser Bursche in Ihr Zimmer gekommen, Mademoiselle de Vere!« fragte der Graf in strengem Tone. »Wahrscheinlich hat er sich ohne Dein Wissen hier eingeschlichen?«

»Nein«» antwortete Isabelle keck. »Ich will Alles offen bekennen." Dann. die Augen niederschlagend, fuhr sie mit zitternder Stimme fort: »Ich habe meine beste Herzensneigung einem Manne zugewendet, der nach der Sprache der Welt nicht meines gleichen ist.«

»Doch hoffentlich nicht diesem Bauern?« rief ihr Vater, nur mit Schwierigkeit die Worte herausbringend.

»Paul Croix!« erwiederte Isabelle mit gezwungener Ruhe. »Wir gehören einander an und keine irdische Macht kann uns trennen.«

»Es ist falsch – es ist falsch; glaube ihr nicht!« rief die Gräfin, ihren Gatten loslassend und sich zwischen ihn und ihre Tochter werfend. »Sie ist wahnsinnig, sie weiß nicht, was sie sagt. Wie kann das wahr sein, was sie behaupten da ich sie seit ihrer Geburt noch niemals aus den Augen gelassen habe? Bah, sie spricht die Unwahrheit.«

»Ich spreche keine Unwahrheit«, antwortete Isabelle mit Bestimmtheit. »Ich wiederhole es, daß ich Paul Croix liebe und daß ich entschlossen bin, sein niedriges Loos mit ihm zu theilen. Als ich ihn ersuchte, diesen Abend hierher zu kommen, so that ich es, um ihm zu sagen, daß ich mich entschlossen habe, seine Frau zu werden. Um nicht gegen meinen Willen verheirathet zu werden, rief ich ihn zu meinem Beistand herbei und stellte mich unter den Schutz seines starken Armes und nun –«

»O, hört nicht auf sie, « rief die arme Gräfin in verzweifeltem Ton. »Sie ist ganz verwirrt, ganz von Sinnen.«

»Paul Croix soll nicht am Leben bleiben, ich werde ihn tödten, « sagte der Graf mit schrecklicher Ruhe.

»Thun Sie es und Sie ermorden Ihr Kind und bringen Schande auf den Namen de Vere, « erwiederte Isabelle mit Nachdruck.

Ihr Vater erhob darauf seine Hand, als ob er sie ins Gesicht schlagen wollte, er berührte sie aber nicht.

»Von nun an aus meinen Augen!« sagte er zu ihr. »Geh! Folge ihm und heirathe ihn! ich jage Dich fort – ich enterbe Dich! Ich verfluche die Stunde, wo Du geboren wardst! Ich verfluche Dich jetzt und für immer!« Ich —«

»Halten Sie ein, Vater, halten Sie ein!« unterbrach ihn Isabelle. Sie werden mir eines Tages verzeihen.«

Das war das letzte Wort, das ich aus ihrem Munde hörte. Der Graf drehte sich um legte seinen Arm in den meinigen und wir gingen mit einander nach der Thüre. Ehe ich hinaustrat, warf ich noch einen Blick auf Isabelle de Vere zurück. Ich habe sie seitdem reicht mehr gesehen.

O, welche Leidensnacht das für mich war! Ich fühlte mich bald wie vernichtet, bald war ich voll Entrüstung und Zorn gegen Diejenige, die auf diese verächtliche Weise meine Liebe und Ergebenheit von sich gestoßen hatte. Der Graf war mir in mein Zimmer gefolgt. Von Schmerz ganz niedergebeugt, ging er mit raschen Schritten in demselben auf und ab und endlich öffnete er das Fenster, um Luft zu erhalten. Er müsse sonst ersticken, sagte er.

Von Denjenigen die einen solchen Lärm vor dem Schlosse gemacht hatten, ließ sich nichts mehr vernehmen.. Sie waren sämtlich ihres Weges gegangen.

Kurz darauf kam Marie mit traurigem Gesichte an meine Thüre. Sie hatte ihren Gebieter zu benachrichtigen, daß die Gräfin sehr unwohl sei.

Kommen Sie mit mir, de Bruyere, « sagte er zu mir.

Die gänzliche Hilflosigkeit die er an den Tag legte, war kläglich anzusehen. Wir folgten Marie in das Ankleidezimmer der Gräfin.

»Sie ist fort!« rief die Dame, als sie uns erblickte; »aber ich will mein Kind nicht verlassen; nein, ich kann es nicht. Ich will ihr folgen und sie von dem verhaßten Menschen trennen. In kurzer Zeit wird sie über das, was sie gethan hat, zur Erkenntniß kommen. Ich will sie in irgend ein Kloster bringen und mich mit ihr einschließen. Der Himmel lehrt uns zu verzeihen und eine lange und aufrichtige Reue wird ihren Fehler auslöschen und —«

»Ja, aber ihre Entehrung wird vor der Welt bestehen bleiben. Wir gehören einem Geschlecht und Range an, die diese Thatsache nicht vergessen lassen.«

Die unglückliche Mutter bat lange und in rührender Weise, aber ihr Gatte blieb unbeugsam.

»Nichts kann je unsere Schande abwaschen, « sagte er. »Isabelle de Vere muß nothwendiger Weise diesen Bauern heirathen, den sie sich gewählt hat.«

Die Nacht ging endlich vorüber und das Tageslicht fand uns noch Alle beisammen, ganz erschöpft von Kummer und Schmerz. Mich selbst hatten die aufregenden Scenen, an denen ich theilgenommen, so angegriffen, daß ich in ein nervöses Fieber verfiel, welches mich nach wenigen Tagen an den Rand des Grabes brachte. Ich habe nur eine dunkle Erinnerung an diese Krankheit, denn es war hauptsächlich mein Gehirn, das ergriffen war.

Als ich endlich wieder zum Bewußtsein erwachte, sah ich eine Frau an meinem Bette sitzen. Es war die Gräfin, aber ich erkannte sie nicht sogleich, denn sie hatte sich auf eine traurige Weise verändert. Sie trug keine Schminke, keine Schönheitspflästerchen, keinen Puder, keinen Reifrock mehr, und sie war zu einem bloßen Schatten abgemagert.

Ich hatte ihrer Sorgfalt mein Leben zu verdanken, denn sie wachte bei mir und pflegte mich Tag und Nacht mit der Zärtlichkeit einer Mutter.

Der Arzt. der Ursache meiner Krankheit zu kennen schien, empfahl sobald als möglich meine Entfernung von dem Schauplatze meines Kummers; aber es dauerte viele Tage, bis ich kräftig genug war, auf kurze Zeit mein Lager zu verlassen.

Eines schönen Morgens benachrichtigte mich der Arzt, das er alle Anstalten getroffen habe, damit ich noch an demselben Tage das Schloss verlassen konnte. Er hatte für eine Sänfte mit Vorhängen gesorgt und beschlossen, mich auf meinem ganzen Heimweg zu begleiten.

Als ich zur Abreise bereit war, blickte ich mich um, in der Erwartung, meine gütigen Wirthe zu sehen, aber der Arzt sagte mir, daß der Graf und die Gräfin, um mir den Schmerz des Abschieds zu ersparen. das Schlosse verlassen hätten.

Ich war von dieser Mittheilung überrascht.

»Sind sie im Dorfe?«

»Nein, sie haben de Vere verlassen; wahrscheinlich für immer.«

»Und ihre unglückliche Tochter, was ist aus ihr geworden?«

»Vergessen Sie dieselbe, Marquis; sie hat ihr eigenes Schicksal gewählt.«

Mein Vater empfing mich wie einen Sohn, der soeben vom Tode auferstanden; aber lange Zeit machte er keine Anspielung auf meinen Besuch im Schlosse de Vere. Erst während unseres Aufenthaltes in England, wohin wir ausgewandert waren, hörte ich wieder von dem Schicksal meiner unglücklichen Freunde.

Es war an einem unfreundlichen Winterabende. Mein Vater war soeben nach Hause zurückgekehrt und hatte sich ans Feuer gesetzt, auf das er seine traurigen und gedankenvollen Blicke richtete.

»Haben Sie frische Nachrichten aus Frankreich erhalten?« fragte ich.

Er schüttelte den Kopf und erwiederte in düsteren Tone:

»Ich habe soeben den Tod eines alten Freundes erfahren.«

»Des Grafen de Vere?«

»Ja, er starb hier in London und, wie ich vernehme, in großer Armuth.«

»Und die Gräfin?« rief ich.

Mein Vater schüttelte wieder das Haupt.

»Ist sie ebenfalls todt?«

»Ja, der Kummer hat sie zuerst getödtet. Der arme Graf hatte in seinen letzten Augenblicken Niemand um sich, als eine ältliche Dienerin, die früher bei der Gräfin Kammerjungfer war. ich suchte sie aufzufinden; aber sie ist nach Frankreich zurückgekehrt.«

»Und Mademoiselle de Vere – haben Sie nicht gehört, was aus ihr geworden ist?«

Mein Vater zögerte, ehe er mir antwortete:

»Die Familie de Vere ist seht erloschen, « war Alles, was er sagte.

Von diesem Tage an erwähnte ich meinem Vater gegenüber niemals mehr den Namen von Isabelle de Vere. Er glaubte wahrscheinlich ich hätte sie vergessen. Aber das war nicht der Fall; ich dachte in den Tagen meiner Jugend stets an sie und mein Herz blieb gegen alle anderen Frauen verschlossen. Selbst heute noch hat mich der Anblick dieses Portraits tief ergriffen und Gefühle in meiner Brust geweckt, die ich längst für todt gehalten hatte.

Hier schwieg der Erzähler plötzlich, schenkte sich ein Glas Wein ein und trank es in einen Zug aus. Michael Laubarrie seufzte und war im Begriff, seinem Freunde seine Theilnahme auszudrücken, als Nanette hereintrat und die Ankunft des Dorfpfarrers meldete.

»Weise den Herrn Pfarrer herein, lege frisches Holz nach und bringe den Kaffee.«

»Abbé Trebmal ist ein höchst würdiger Mann, « setzte er zum Marquis gewendet hierzu. »Er ist seit fünfzehn Jahren Pfarrer von de Vere.«

Der alte Priester trat herein. Er war ärmlich gekleidet und mit Straßenstaub bedeckt, aber sein Gesicht trug den Ausdruck der Redlichkeit und Güte, während sein Benehmen freundlich, einfach und höflich war.

Der Marquis de Bruyere fühlte eine instinktmäßige Achtung für den Dorfpfarrer (vielleicht weil derselbe de Vere angehörte) und er machte neben sich am Kamin sogleich Platz für ihn, während Michael Laubarrie den neuen Ankömmling vorstellte und mit freundlichen Worten bewillkommte.

»Es muß etwas Wichtiges sein, das Sie in dieser späten Stunde hierher geführt hat, Herr Abbé, « bemerkte der Hausherr.

»Ja, man hat mich holen lassen. Der Fall war ein dringender, « antwortete der Abbé traurig und nicht ohne einige Verlegenheit.

Als der Pfarrer eine Tasse Kaffee getrunken hatte, begann ihm der Marquis allerlei Fragen über de Vere zu stellen, die derselbe ziemlich ausführlich beantwortete.

»Als ich vor vielen Jahren hierher kam, « sagte er, »war die Familie de Vere fast vergessen. Die Leute sprachen nicht mehr von dem unglücklichen Ereigniß, , das die Ehre dieses alten Hauses befleckt hatte.«

»Aber Sie haben doch Näheres darüber gehört? Sie haben gewiß die Leute von Isabelle, der schönen Tochter des letzten Grafen de Vere, sprechen hören.«

»Ja, « erwiederte der Abbé sehr ernst. »Möge ihr der Himmel gnädig sein! Sie hat schwer gelitten; sie hat ihre Sünden schwer gebüßt.«

»Sie waren also mit ihr bekannt? Sie wissen, wo und wie sie gestorben ist?« rief der Marquis mit Lebhaftigkeit.

»Es ist eine schreckliche Geschichte, « entgegnete der Pfarrer.

»Lassen Sie uns lieber von etwas Anderem sprechen.«

»Nein, ich möchte von ihr sprechen. Herr Abbé. ich bitte Sie, erzählen Sie mir Alles, was Sie von diesem unglücklichen Weib wissen.«

»Ja wohl, unglücklich. Arme Sünderin! arme Sünderin!« rief der würdige Priester traurig aus. »Da es Ihr Wunsch ist, die tragische Geschichte zu hören, Herr Marquis, so will ich sie Ihnen erzählen.

»Zur Zeit, wo Mademoiselle de Vere aus dem Schlosse entfloh, war ich in einem zwei Stunden von de Vere entfernten Orte, wo die Familie Croix wohnte, Pfarrer. Diese Croix waren ziemlich wohlhabende Landleute. Pauls Mutter war eine rüstige, fleißige sparsame Frau. Ihr ältester Sahn war bereits verheirathet, und die Mutter und die Schwiegertochter lebten mit einander in besten Einvernehmen unter demselben Dache. Louise, die Frau des Sohns, hatte ihrem Manne ein Heirathsgut an Wiesen und Äckern zugebracht, das mehrere tausend Kronen werth war.

Eines Tages kam Mutter Croix mit einem Briefe zu mir, den sie soeben erhalten hatte. Weder sie noch eines ihrer Angehörigen konnte lesen. Sie bat mich deshalb, ihr den Inhalt des Schreibens mitzutheilen. Der Brief benachrichtigte Frau Croix, daß ihr zweiter Sohn Paul Mademoiselle de Vere geheirathet habe.

»Sie ist alle doch seine Frau geworden?« rief der Marquis aus. »Ich bitte Sie um Entschuldigung Haben Sie die Bitte fortzufahren, Herr Abbé.«

»Ja, sie war seine Frau, sehr zu ihrem Unglück und zu dem von Paul ebenfalls, « antwortete der Priester. »Die Heirath hatte mit Einwilligung des Vaters der Braut stattgefunden. Das neuvermählte Paar wollte am folgenden Tage nach Hause kommen und der Brief war der Vorläufer davon.

Die Wittwe Croix schien nicht im Geringsten über diese unpassende Heirath erfreut zu sein. Die Frau, dir einen gesunden Verstand besaß, begriff sogleich, unter welchen Umständen ihr Sohn die Hand der hochgeborenen Dame erhalten hatte, und fürchtete die wahrscheinlichen Folgen der Verbindung.

Als ich ihr den Brief zum zweiten Male vorgelesen hatte schüttelte sie den Kopf und sagte traurig:

»Ach, Herr Pfarrer, es ist nicht alles Gold, was glänzt. Mein Sohn hat einen Narrenstreich gemacht, das ist klar. Die Eltern seiner Frau haben ihre Einwilligung zu dieser Verbindung nicht gutwillig gegeben und ich bin der Meinung, daß sie ihre Tochter nicht mehr sehen – daß sie ihr keinen Sou geben werden. Jedenfalls ist es eine sehr unangenehme Geschichte, die uns ganz und gar nicht gefällt. Was sollen wir zu Hause mit dieser seinen Dante anfangen? Sie ist sehr im Irrthum, wenn sie glaubt, daß wir sie bedienen werden. Dann ihre vornehmen Kleider! O Himmel! Ich werde nicht einmal das Herz haben, ihr zu heißen an den Brunnen zu gehen. Und der Brief sagt, sie sei sehr schön; ist’s nicht so? Es muß ihn ein Gelehrter geschrieben haben, denn ich verstehe die Stelle nicht.«

 

Paul hatte seinen Brief durch den Schulmeister schreiben lassen, und dieser hatte Mademoiselle de Vere mit Venus verglichen, ein Ausdruck, welcher der Wittwe Croix viel Kopfzerbrechen machte, und ich hatte große Mühe, ihr den Sinn desselben zu erklären.

»Schon gut, « sagte sie endlich, »mein ältester Sohn wird jedenfalls die Heirath seines Bruders nicht billigen. Außerdem hat Paul mir nicht die gebührende Achtung bezeugt, indem er geheirathet, ohne meine Erlaubnis einzuholen.«

»O, Ihr werdet ihm verzeihen, « antwortete ich, »und Ihr werdet die Fremde die er Euch ins Haus bringt, zu lieben suchen.«

»Das weiß ich nicht, ich kann Euch nichts Derartiges versprechen, Herr Pfarrer, « war die unhöfliche Antwort.

Am folgenden Tage wurde ich nach einem Orte gerufen, der ein Dutzend Meilen entfernt war, und meine Abwesenheit dauerte über zwei Monate. Weihnachten stand bevor, als ich in meine Pfarrei zurückkehrte, wo ich bei Einbruch des Abends anlangte. Ich hatte eine weite Entfernung zu Fuß zurückgelegt, und es begann heftig zu regnen. Da mich mein Weg an dem Hause der Croix vorbeiführte, so dachte ich, ich wollte dort eine Weile unterstehen und zugleich sehen, wie sich alle befänden.

Das Haus war ein großes, plumpes Gebäude wie die hiesigen Bauernhöfe gewöhnlich sind. Es hatte nur Läden und keine Glasfenster. Der Haupteingang führte über einen Dunghaufen. Es war kein Garten, kein Baum am Hause. Wenn im Sommer die brennende Sonne dieses südlichen Klimas r auf das schattenlose Dach fiel, so machte sie jedes Gemach unter demselben zu einem glühenden Ofen, während im Winter die eisige Luft ohne Widerstand durch die alten, schadhaften Läden in alle Räumlichkeiten eindrang.

Es war bereits ganz finster, als ich über den Hof ging. In der Nähe des Hauses angelangt, hörte ich Jemand rufen:

»Paul, bist Du es?«

Es war eine weibliche Stimme.

»Nein, ich bin es, der Pfarrer Trebmal, « antwortete ich.

Darauf eilte die Person, die gesprochen, schnell davon und verschwand in der Dunkelheit, ohne ein weiteres Wort geäußert zu haben.

Die Hausthüre öffnete sich in einen Stall, den man passieren mußte, wenn man in das Wohnzimmer der Familie gelangen wollte. Dies war ein geräumiges Gemach, aber, als ich es betrat, so finster und voll Rauch, daß ich Anfangs Niemand zu unterscheiden vermochte.

In einer Ecke unter einem Vorhang von rother Serge stand das Bett der Wittwe. An den Wänden waren Bretter angebracht, welche Küchengeschirr und andere Hausgeräte enthielten, und darüber präsentierten sich auch die zinnernen Schüsseln, die der Preiskämpfer zu verschiedenen Zeilen gewonnen hatte.

Bei meinem Erscheinen sprang die Wittwe mit einem Ausruf der Ueberraschung und der Bewillkommnung von ihrem Sitze auf.

»Aber, Herr Pfarrer, « setzte sie hinzu, »wie habt Ihr denn ohne Licht den Weg durch den Stall gefunden? War die äußere Thür offen?«

»Ja, « erwiederte ich, »es ist eine Person im Hof, Eure neue Schwiegertochter, wie ich vermuthe. Sie wartet wahrscheinlich auf ihren Mann.«

Die alte Frau nahm eine halb ärgerliche, halb verächtliche Miene an, und ihr ältester Sohn lachte und zuckte die Achseln.

»Wartet auf ihren Mann!« rief er barsch, »in diesem Falle setzt sie sich der Gefahr aus, dir ganze Nacht draußen zu bleiben.«

Und wieder lachte er, in der Meinung, etwas Wichtiges gesagt zu haben, das den Beifall der Zuhörer verdiente.