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Kleine Romane und Novellen

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V.
Der letzte Streich

Mit Hilfe der Confituren, des schönen Wetters und auf den ausdrücklichen Willen des Königs Casimir, galoppierte der Advocat Georgeot, von seinen Leiden wieder hergestellt, einen Monat später auf dem Rücken eines Maulthieres neben Seiner Benedictinischen Majestät her, welche Ihre andere Abtei Saint-Martin de Nevers besucht hatte. Je mehr die Annäherung an die Hauptstadt den guten Prinzen guter Laune machte; desto sichtlicher wurde die Verlegenheit Georgeots. Schüchtern zerdrückte er in seinem Handschuh einen empfangenen Brief. Dieser war offenbar der Grund seines ängstlichen Schweigens und seiner verlegenen Haltung. Der Wagen der Frau von L’Hospital folgte den beiden Maulthieren, und Meister Georgeot hatte nur diesen Augenblick für sich, den König um eine Gnade zu bitten.

»Majestas rectissime!« sagte er als Casimir sein Thier in Schritt setzte.

»Majestas rectissime!« – Ei, Meister Georgeot, ich wußte nicht, daß Ihr so erfahren in dem alten Style der Jagelonen wäret? Wollt Ihr mich nicht um etwas bitten?

»Ja, königliche Hoheit, oder wenn Sie es lieber wollen, majestätische Abtlichkeit, Sie haben es gesagt; ich erhalte so eben durch einen expressen Boten die Nachricht, daß meine Frau niedergekommen ist. Würden Sie es mir abschlagen, der Pathe meines Erstgebornen zu sein?«

»Um so weniger, da ich Pathin sein will, « rief die Marschalin, die ihr Wagenfenster geöffnet hatte, und sich ausschütten wollte vor Lachen über die Begrüßungen des Meister Georgeot, die sein Gleichgewicht im Sattel gewaltig gefährdeten.

Aus dem Sattel. Gestiegen, eilte der Advocat sogleich zu seiner würdigen Gattin, der Mademoiselle Georgeot, welche in ihrem Himmelbett lag, Wangen und Stirn rosig angehaucht durch die Schaam. Eine Hebamme, eben so musculös wie ein Soldat der Schweizergarde, schaukelte die Wiege des Neugebornen.

»Bei Gott, ich täusche mich nicht, « rief Meister Georgeot; »Sie sind wieder Kindermutter geworden, Madame Voisin!«

»Das war mein ersten Geschäft, mein Bruder, man muß etwas von Allem treiben; und dann ist der kleine Schelm auch so ein niedliches Püppchen.«

»Ein blondes Kind mit blauen Augen, ein wahrer Amor, Mademoiselle Georgeot. Ha, wenn Frau von L’Hospital den sehen wird!« sagte Meisters Georgeot ganz entzückt. – »Aber, liebe Freundin, was hat er denn da um den Hals?« fuhr er nach einer Pause fort. »Ein Halsband von Emaille mit dem Wappen des Marquis von Gordes! dasselbe Wappen, welches der Verdammte Marquis auf seine Klageschriften drückte. Das sind schöne Dinge! Meiner Treu, das läßt sich nicht ertragen!«

»Was sagst Du mein Bruder? Wenn der König Casimir und die Frau von L’Hospital Dich hörten!«

»Ach, was kümmert mich das!« rief Georgeot, indem er wüthend seine Reitpeitsche zerbrach und mit den Füßen stampfte. »Wollen Sie mir das erklären; Madame Voisin!«

»Müssen Sie denn Alles wissen, Herr Bruder? Nun gut, so will ich Ihnen denn sagen, daß dieses Püppchen nicht aus Ihrer Fabrik ist. Der, den Ihre arme Frau geboren hat, kam in Folge des Schrecks über Ihren Anblick mit Hörnern und einem Schweif auf die Welt. Wir haben das Kind daher in das Hospital des Jesuskindleins gebracht, wo Sie es unter dem Namen des armen Teufels einregestriert finden können. Suchen Sie Ihr Kind dort auf, und lassen uns diesem hier das Maul stopfen.«

Frauenrache

Aus der Verbannung
Gesammelte kleine Romane
Band 6
Grimma und Leipzig,
Druck und Verlag des Verlags-Comtoirs
1852

I

Man sprach zur Zeit König Philipps IV in Spanien in Sevilla von nichts Anderem, als den Eroberungen des Don Fernandez Hermosa. Der schönste der Männer in der Stadt, verführte er alle Frauen, erschreckte alle Ehemänner und setzte alle Häscher in Verzweiflung, so sehr skandalisirten seine Abenteuer die ganze Stadt. Genug, wenn Don Fernandez zu Pferde durch die Straßen eilte, von seinen adelichen Gesellschaftern begleitet, die fest ebenso wie er zu fürchten waren, so schloß man in Eile die Thüren und ließ die Fensterläden nieder, denn sobald eine Sennora diesem kühnen Zuge begegnete, so wurde sie entführt, ohne daß Jemand wagte ihr zu Hilfe zu eilen.

Allein die Triumphe des Don Fernandez hatten ein Ende, wie ja Alles sein Ende findet. Die Justiz beschäftigte sich ernstlich damit, Sevilla von diesem übel zu befreien. Der Gouverneur der alten Stadt nahm sich die Ruhe der Bürger zu Herzen, und der junge Kavalier wurde, sowie sich die Gelegenheit darbot, in seiner Wohnung auf Befehl König Philipps IV. gefangen genommen.

Ein einjähriges Exil genügte nicht, um den Schuldigen zu bessern; die Strafe verschlimmert den Fehlenden öfter, als sie ihn bessert. Dasselbe war mit Fernandez der Fall. Als er frei war, kehrte er nach Sevilla zurück und öffnete die Thüren seines Hauses aller lustigen Gesellschaft und warf seine Schätze in fröhlichen Gelagen zum Fenster hinaus. Aber inmitten dieser berauschenden Feste beherrschte ihn ein Gedanke, ein Gedanke, der eines Edelmanns durchaus unwürdig war. Er suchte ein Mittel, sich an seinem Feinde zu rächen. Der Zufall kam unglücklicherweise seinen Plänen zu Hilfe.

Eines Abends öffnete sich die Thür des Gouverneurs mit großer Vorsicht, und eine verschleierte Dame, gefolgt den einer Kammerfrau trat heraus. Sie durcheilte die lange Straße mit schnellen Schritten und blieb vor einem ärmlichen Häuschen stehen, worauf sie eintrat.

In einem elenden Zimmer lag hier auf einer erbärmlichen Lagerstätte ein Sterbender. Bald hörte man Nichts weiter als den Athem der vor dem Bette knienden beiden Engel und das angstvolle Röcheln des Kranken. In diesem Augenblicke schlug die Uhr der benachbarten Kirche zehn; die Sennora zitterte, erhob sich, ließ ihren Schleier nieder und verließ die traurige Wohnung. Sie ließ hier Gold, diesen Segen des Reichen, zurück und wechselte dafür Dankbarkeit diesen Segen der Armen ein.

Als Donna Silvia (denn es war die Tochter des Gouverneurs) um die Ecke einen Gäßchens bog, begegnete sie einer Truppe junger Kavaliere, die alle in der Hand den weiß verzierten Dolch und auf der Schulter den Mantel trugen.

»Halt, schöne Damen!« riefen sie mit höhnischen Stimmen, »hier beginnt Eure Sklaverei Die Sennoras müssen nächtliche Spaziergange fürchten und dem Asyl in einem Betsaale den Vorzug geben. Ihr seid unsere Gefangenen. Beim Sankt Jakob von Compostella kein Lösegeld der Welt könnte eine so reiche Beute befreien!«

Die Herrin verlor den Gebrauch ihrer Sinne, was die Kammerfrau betrifft, so traten ihre flehentlichen Bitten umsonst. Man schloß ihr den Mund mit einem Taschentuche, und der eine der Kavaliere trug sie auf seinen Armen davon, indes Don Fernandez sich Donna Silvias, die er erkannt hatte, bemächtigte.

Als das edle Mädchen wieder zur Besinnung kam, befand sie sich in einem Saale des Hauses Don Fernandez allein. Eine unsichtbare Hand hatte sie auf ein reiches und weiches Sopha niedergelassen. Sie erhob sich, lief nach der Thür, und als sie gewahrte, daß dieselbe verschlossen war, rief sie die Hilfe des Himmels an und vergoß reichliche Thränen. Die Frömmigkeit und und ihr Gottvertrauen gaben ihr wieder Muth. Sie war überzeugt, daß Gott sie nicht verlassen würde, und beruhigte sich daher. Eine Maske und ein schöner Domino, die auf der Erde und zu ihren Füßen lagen, fielen ihr jetzt in die Augen. Es kam ihr der Gedanke, mittelst dieser Dinge die Wachsamkeit des Don Fernandez und seiner Freunde zu täuschen. Sieh hüllte sich in den Domino, bedeckte ihr Gesicht mit der Maske und empfahl sich von Neuem dem Schutze Gottes.

Der junge Spanier säumte nicht, zu erscheinen. Die Gegenwart einer Dame in rosenfarbenem Domino und mit einer Sammetmaske machte ihn einen Augenblick stutzig; da er sich aber die Verwandlung, die mit der Tochter des Gouverneurs vorgegangen war, nicht erklären konnte, so glaubte er, eine der zu seinem Feste eingeladenen fröhlichen Gesellschafterinnen vor sich zu haben, zumal er sich erinnerte, diesen Anzug am Morgen gesehen zu haben.

Mit etwas bedrängter und verlegener Miene wagte er endlich die Worte:

»Wie! Meine Schöne, so allein hier, während die Menge das Geräusch und Vergnügen sucht?«

»Frenandez, « antwortete die Sennora mit fester Stimme, »ich bin hier allein, weil die Träumerei mich zur Ruhe einlud. Die Träumerei ist zuweilen gut; aber ich gestehe es, mein Charakter eignet sich nicht, sich ihr lange zu überliefern. Das Schweigen dieses großen Saals bedrückt meine Seele. Komm, Fernandez; anderswo werden wir freier athmen.«

Und Silvia beeilte sich, den jungen Kavalier in den erleuchteten Garten zu ziehen.

»Mein Gott, « fuhr sie fort, »wir herrlich duften hier die Blumen! – Ach, Fernandez, welcher-Zaubergarten! – Was ist Dir? Deine Stirn ist von finstern Gedanken belagert!«

»Ich erkenne Dich, « sagte Fernandez, »Du bist Jacintha, die Sylphide Sevillas, die schönste unter den Schönen. – Aber laß mich, – mich beschäftigen ernste Dinge —«

»Wäre es möglich? Ich glaubte nicht, daß Don Fernandez im Stande wäre, sich mit ernsten Dingen zu beschäftigen. Und welches sind diese wichtigen Sachen?«

»Ach! Jacintha, die Rache ist das süßeste aller Gefühle!«

»Geh’, Fernandez, wohin Dein Herz Dich zieht!«

Bei diesen Worten verlor sich die Sennora in die geheimnißvollen Büsche der blühenden Orangenbäume. Da dieser Theil des Gartens sehr wüst war, so gelang es Silvia leicht, eine der Thüren zu erreichen, die man offen gelassen hatte. Sie befand sich bald in einer Straße, aber inmitten der größten Dunkelheit. Sie ging nicht, sie lief. Es schien ihr, als hörte sie die Schritte ihres Entführers hinter sich. Allein sie irrte vergeblich während der ganzen Nacht in der Stadt umher, ohne den Wegs nach ihrem väterlichen Hause zu finden, und der Tag war bereits angebrochen, als sie dasselbe erst nach unsäglichen Mühen und Ängsten erreichte.

 

Am Tage darauf hörte ganz Sevilla das Gerücht von Silvias Entführung, und das edle Mädchen sagte zu ihrem trostlosen Vater:

»Tröste Dich, mein Vater, wenn mein Ruf auch vielleicht gelitten hat, so ist doch mein Gewissen rein, und ich werde mich rächen; Fernandez irrte sich nicht, « fuhr sie fort, »die Rache ist das süßeste aller Gefühle.«

II

»Beeile Dich, Pepita, beeile Dich. Wenn Du nicht schneller bist, so werde ich der Hinrichtung nicht mit beiwohnen können.«

So sprach Donner Silvia zu ihrer Kammerfrau, welche damit beschäftigt war, sie anzukleiden.

»Ich erkenne Ihre Menschlichkeit nicht mehr, Sennorita, erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, wie sehr mich Ihr Betragen in Erstaunen setzt. Wirt die Tochter des besten, des edelsten der Männer, wie! Donna Silvia, die ein Unglücklicher und Armer niemals vergeblich um ein Almosen ersucht hat, glaubt, ein Vergnügen daran zu haben, die Hinrichtung eines Unglücklichen anzusehen, dessen trauriges Ende ihr Mitleid und Erbarmen einflößen sollte!«

»Mitleid? Erbarmen? Für meinen Todfeind? Für einen abscheulichen Mörder?«

»Das Wort ist hart, Sennora. Don Hermosa ist bestimmt kein Mörder. Ein Streit erhob sich zwischen ihm und dem Neffen des Königs. Ein Duell ohne Zeugen findet statt. Der muthige Fernandez tödtet seinen Gegner, und da er durch seinen Triumph die Ehre und Macht des Königs beleidigt und verletzt hat, so nimmt man ihn fest, schließt ihn ein, richtet und verurtheilt ihn zum Tode. Das ist eine befremdende Fatalität; aber kein Verbrechen; das bestreite ich.«

»Woher hast Du denn dies sonderbare Mitleid, Pepita? kommt dies vielleicht daher, weil Don Fernandez Deine Herrin beleidigt hat?«

»Ach, Sennora; Sie treiben Ihren Scherz mit mir. Nehmen Sie eher an, daß dies darin seinen Grund hat, weil ein schöner Kavalier stets verdient, daß man sich für ihn interessiert. Es. betrübt mich, wenn ich daran denke, daß ein Hieb mit dem Beile einen so schönen Kopf vom Rumpfe trennen die Schläge des Herzens endigen soll, wo die chevaleresken Gefühle niemals erloschen waren.«

»Schweig, Pepita, denn Deine Rede verwundet mich. Schürze den letzten Knoten meines Korsetts, befestigt meinen Schleier, und eilen wir auf den Balkon. Fernandez, ich hatte geschworen, mich zu rächen; aber Du rächst mich besser, als ich je hätte thun können! Mein Vater erwartet uns, folge mir, Pepita. Ich wünsche die Menge auf dem Platze zu sehen. – Welche zahllose Menge, um den Kopf eines Menschen fallen zu sehen! Die Knechte des Scharfrichters arbeiten noch an dem Gerüst, sie behängen es mit schwarzem Sammet; ist das nicht bewundernswerth? Man vergißt nicht die »Rücksichten« die man dem Stande des Verurtheilten schuldig ist! – Horch, horch! die Menge wird laut – Alle Köpfe richten sich nach dorthin – Der Schuldige nähert sich! Ah! da sind schon die Kompagnien der Soldaten die den Trauermarsch dieses finstern Zuges eröffnen; sieh, dort kommen schon die schwarzgekleideten Büßermönche, und dort endlich der Verurtheilte! – Er ist von seinen Pagen und dem Priester begleitet, der ihn zur Reue ermahnt und auf den Tod vorbereitet!« —

»Ach, wie schade um ihn!« seufzte Pepita. »Sehen Sie, Sennora, welch’ männliches und sicheres Betragen. Nein, der, welcher dem Tode mit solcher Ruhe ins Gesicht sehen kann, ist kein Schuldiger, ist kein Feigling! Gerechter Himmel, er besteigt das Schaffot, er entkleidet sich und reicht seinen Ueberwurf seinem Pagen; er befiehlt ihm, ihm das Haar zu binden – dies schöne, braune Haar, das mit so vieler Grazie auf seinen Spitzenkragen herniederfiel! Er sagt dem Knaben, daß er ihm die Augen verbinden solle, und schon schickt sich der Knabe an, das goldgestickte Taschentuch weinend zusammenzulegen, das nun für immer diese schönen, sanften Augen verschleiern soll! Ach, Sennora, Sonnora, er wendet seinen Blick hierher, er hat Sie erkannt, sehen Sie, wie erzittert, wie verwirrt er ist! – Nun, ich denke, jetzt sind Sie gerächt!«

»Er hat mich erkannt, Pepita, er verwirrt sich? Du scheinst mich täuschen zu wollen.«

»Sie täuschen zu wollen? Zu welchen Zwecke? Ich bin aufrichtig gewesen, ich versichert Sie. Erbarmen, Erbarmen! der Scharfrichter bereitet sein Beil! Don Fernandez kniest nieder, er ist verloren, der Unglückliche! Nichts kann ihn also mehr retten? Bewundern Sie doch dies grausame Schauspiel, Sennorita! Erfreuen Sie sich doch daran, da Sie den Muth dazu haben! Ich fühle es, daß ich mit dem Verurtheilten meinen Geist aufgeben werde! – Aber weshalb wenden Sie Ihr Antlitz weg! Weshalb ist Ihre Hand so kalt wie Marmor?«

»Frage mich nicht, « murmelte Donna Silvia mit einer fast unhörbaren Stimme.

Sie war so bleich wie eine Wachsbüste, ihre bleichen Lippen zitterten, ihr starrer Blick warf nur noch einen schwachen Schein um sich. Demüthig niedergebeugt erwartete das Opfer den Tod, und das schweigsame Volk drängte sich nach dem Schaffot. Der Scharfrichter erhob sein Beil —

Im sahen Augenblick ließ sich ein schrecklicher Schrei hören, der vom Balkon des Gouverneurs kam.

»Haltet ein, « rief mit Energie ein geängstigtes Weib, »haltet ein! Dieser Mensch ist frei! Ich erkläre, ihn zum Manne nehmen zu wollen.«31

III

Die noch bleiche und ganz aufgeregte Tochter des Gouverneurs lag ermüdet und ohnmächtig auf einem Divan ihres Zimmers. Ihre Blicke richteten sich in jeder Minute nach der gothischen Wanduhr, die ihr gegenüber an der Wand hing, und es war vergeblich, daß eine besorgte Zofe sich bemühte, ihre Aufmerksamkeit durch Worte davon abzulenken; ihr Mund blieb stumm und schien sich nicht mehr öffnen zu wollen. Indeß ein stolzes Lächeln erleuchtete mit einem Male ihr Gesicht, als ihre Augen sich von der Wanduhr ab- und auf einen Spiegel wandten, der ihr poetisches Antlitz wiedergab. Hatte sie an Don Fernandez gedacht? Die Thür des Zimmers öffnete sich endlich. Die Tapeten, die sie bedeckten, wurden langsam bei Seite geschoben, und Pepita erschien. Auch sie beobachtete ein tiefes Stillschweigen, als sie sich ihrer Herrin näherte. Silvia zitterte. Sie lauschte lange nach einem Worte von Pepita, als sie aber sah, daß die Kammerfrau in Schweigen verharrte, rief sie:

»Was ist geschehen? Magst Du es nicht, mir die Antwort zu hinterbringen? Mein Geist bemüht sich umsonst zu errathen, was Du mir zu verbergen suchst.

– Ist mein Vater aus dem Palast des Königs zurück?

– Weißt Du, ob Fernandez gerührt ist von dem ungeheuern Opfer, welches ich ihm bringe? – Sprich, ich befehle Dir, mir die Wahrheit zu sagen.«

»Ich achte Sie zu hoch, Sennora. als daß ich Ihnen ungehorsam sein könnte; indes es ist mir furchtbar peinlich, Ihnen diejenigen Nachrichten zu bringen, die ich gesammelt habe. Sie wollen es aber, so hören Sie also. Der Tumult war ungeheuer, als man Sie vom Balken trug. Allein die Bestürzung der Menge sollte sich noch vergrößern, denn Don Fernandez, den Sie so eben gerettet hatten, der durch Sie auferstanden war, anstatt dem Himmel für die unerwartete und ungehoffte Hilfe zu danken, erhob stolz das Haupt und fügte:

»Möge die Frau, deren rührendes Mitleid mich so eben vom Tode errettet hat, tausendmal gesegnet sein; aber sie möge mir verzeihen, wenn ich es verweigere, länger leben zu wollen.«

»Ist dies möglich, Pepita? Unzweifelhaft wußte er nicht, wer ihn gerettet hatte?«

»Er wußte es damals nicht, Sennorita; Ihre Stimme war ihm wenig bekannt, und Ihr Name war noch nicht bis in sein Ohr gedrungen.«

»Vollende!«

»Als der Scharfrichter nicht mehr das traurige Recht hatte, sein Handwerk auszuüben, wurde bestimmt daß man den Verurtheilten ins Gefängniß zurückführen, und daß er daraus nicht eher befreit werden solle, als bis die Person, die ihn zu heirathen erklärt habe, sich gestellt und im Gefängniß seine Auslieferung erbeten haben würde. Man zweifelte übrigens stark an der Festigkeit seiner Entschlüsse, denn es ist eine sehr befremdliche Sache, einen jungen Mann das Leben verschmähen zu sehen. —

»Die Ungläubigen täuschten sich – Ihr Vater hatte sich in den Palast des Königs begeben, den dieser seit einem Monate in Sevilla bewohnte. Philipp IV. hatte in Betracht des Adels und der Verdienste Ihrer Familie verziehen. Er gab seine Einwilligung zu dieser Ehe und befahl, dem Schuldigen seine konfiszierten Güter wieder herauszugeben. Dieser konnte wahrlich unmöglich auf eine größere Gnade hoffen, da er am Fuße des Schaffots das Leben, sein Vermögen und mit allen diesen kostbarere Gütern eine der vollendetsten Frauen erhielt. – Würden Sie es glauben, Sennora, man ging, um ihm diese neuen Gnaden des Königs zu verkünden und ihm den Namen seiner Befreierin zu nennen. – Dies hieß doch gewiß, ihm sein Glück zu erzählen. Er weigerte sich – Sennora, er weigerte sich, es anzunehmen! —

Eine lebhafte Röthe färbte Silvias Stirn, ein unheimliches Feuer leuchtete in ihren Augen, und mit dem Tone der tiefsten Entrüstung rief sie aus:

»Der Undankbare! Er hat geschworen, mir alle Beleidigungen zuzufügen! Gestern entführte er mich, um sich zu rächen, heute beleidigt er mich durch seine Nichtachtung, er zieht mir den Tod vor!l Ich, die Tochter des Gouverneurs von Sevilla, ich, deren Hand von Herzögen und Prinzen gefordert wird! – Welche Abscheulichkeit! Weshalb habe ich ihn nicht unter dem Beil des Henkers sterben lassen? Die Strafe war wohlverdient; aber ich habe seinen Tod nur hinausgeschoben, um von ihm diesen schrecklichen Hohn zu empfangen!«

»Beruhigen Sie sich, Sennora, Ihr Gewissen darf Ihnen keinen Vorwurf machen. Wenn man bedauert, mitleidig gewesen zu sein, so beleidigt man die Tugend.«

»Pepita, ich bin vernichtet. Was wird mein Vater sagen? Er, den wir nach so unsäglicher Mühe beruhigt hatten. Don Fernandez weist mich zurück, während ich ihm das Leben anbiete, und die Welt, die sich erst über seine Felonie erfreute, wird sich jetzt von neuem über meine Erniedrigung belustigen. Dieser Mensch ist wahnsinnig, Pepita, der Wahnsinn allein kann sein unerklärliches Betragen entschuldigen. Ach, mein Stolz ist auf Irrwegen, er liebt vielleicht eine Andere.«

Nachdem sie diese letzten Worte gesprochen hatte, fiel die Tochter des Gouverneurs in eine tiefe Träumerei; sie heuchelte die Gleichgültige, aber durch den schmerzhaften Ausdruck ihrer Physiognomie, durch die fieberhafte Aufregung ihres Blickes war es leicht zu errathen, daß ein furchtbarer Sturm in ihrem Innern wüthete. Die Duenna und die Zofe standen vor ihr und betrachteten sie, ohne es zu wagen, durch eine Frage ihre tiefen Betrachtungen zu unterbrechen. Dies kam daher, weil es eine Art von Verzweiflung giebt, gegen die alle Bemühungen der Sympathie abprallen!

In diesem Augenblicke hörte man außerhalb ein Geräusch.

»Ich will mit ihr sprechen, « sagte eine jugendliche Stimme, »ich muß mit ihr sprechen. Ich bringe einen Brief von meinem Herrn.«

Und der Page von Don Fernandez stürzte ins Zimmer. Mit einem Sprunge befand er sich vor dem Ruhebett Donna Silvias, und indem er der Tochter des Gouverneurs den Brief hinhielt, mit dem man ihn beauftragt hatte, sagte er:

»Lesen Sie, Sennora, ich flehe Sie darum an; dies wird Ihnen beweisen, wie sehr mein Herr Ihres Mitleids würdig war, und wie würdig er Ihrer Liebe sein wird.«

Silvia empfing den Brief mit zitternder Hand, sie öffnete ihn lebhaft und durchflog die folgenden Zeilen:

»Ihr Gatte zu werde, Sennora, Ihr Schicksal mit dem meinen vereint zu sehen! Habe ich das Recht gehabt, auf soviel Glück zu rechnen? Mein Leben habe ich toll und unnütz verbracht, und ich würde erröthen, wenn ich von der Großmuth Ihrer Seele, einige Tage länger auf dieser Welt zu leben, Gebrauch machen wollte. Es ist schon zufiel, daß ich durch eine ungerechte Rache die reinste der Frauen beleidigt habe. Soll ich mich als ein Egoist Ihrem Schicksal aufdrängen? soll ich der hindernde Schatten Ihrer Zukunft werden? Nein, ich fühle es, ich verdient Donna Silvia nicht. Möge sie mich daher zum Tode zurückkehren lassen, ich erbitte von Ihrer Güte nur eine Gnade: Verzeihung«

Ohne ein einziges Wort hervorzubringen, hatte Silvia ihr schönes Gesicht auf den Brief Don Fernandez gebeugt; aber Thränen rannen reichlich zwischen ihren Fingern, die diesen Brief konvulsivisch hielten.

 

»So jung sterben!« murmelte sie endlich.

»Und zu sterben, während er Sie liebt und dem Tode entgegengeht, weil er Ihre Ehre vertheidigt hat.«

»Er Fernandez!?«

»Ja, Sennora, er hat sich im Duell geschlagen, weil der Neffe des Königs die Frechheit hatte, Ihren Ruf anzutasten, denn seit dem Augenblicke, wo Sie aus seinem Hause entflohen waren, betete er Sie an, und seine Zärtlichkeit war ebenso aufrichtig wie seine Reue. Wenn er nicht schon Tags darauf kam um Ihre Verzeihung anzuflehen, so geschah dies deshalb nicht, weil er sich vor sich selbst schämte, und weil er glaubte, nicht besser die Vergangenheit vergessen machen zu können, als indem er, sich für Sie opferte. Die Gelegenheit, dies zu beweisen, bot sich bald genug dar, und er hat sie mit der Freude eines Renegaten ergriffen, der das Mittel gefunden hat, seinen Gott zu entwaffnen.«

Silvia war noch immer in der reichen Toilette, mit der sie sich hatte schmücken lassen, als sie von der Höhe ihres Balkons der Hinrichtung Don Fernandez hatte beiwohnen wollen. Indeß herrschte Unordnung in ihrem Anzuge. Kaum war der Page fort, als sie sich auch schon beeilte, sich von dem Ruhebett zu erheben.

»Schnell, Pepita, schnell meinen Mantel, und beeile Dich, meine Sänfte holen zu lassen.«

Ohne fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, beeilte sie sich, ihr aufgelöstes Korsett zu schließen, ihr langes Haar, das in goldenen Wellen auf ihren Alabasterhals herabwogte, aufzustechen und weit von sich einen Perlenschmuck zu werfen, der ihr in ihrer Eile nur hinderlich war.

Eine Viertelstunde später durchlief sie mit schnellen Schritten die finstern Bogengänge des Gefängnisses.

»Was befehlen Sie, Sennor?« fragte der Gefangenwärter.

»Melden Sie Don Fernandez, daß seine Gattin ihn erwartet.«

Dies war Silvias Antwort. – Don Fernandez erschien bald darauf.

»Ich komme, « fuhr Silvia fort, »um Sie im Namen unsrer Liebe (sie betonte besonders das Wort u n s r e r) um ein großes Opfer zu bitten! – Das Opfer, am Leben zu bleiben, um Ihr Unrecht wieder gut zu machen.«

»Unsere Liebe!« war, wie sie es herausgesehen hatte, von wunderbarer Wirkung. Don Fernandez, außer sich vor Glück, warf sich ihr zu Füßen.

»Man hat mich getäuscht, Sennora, « rief er, »denn jetzt sehe ich es. Gott ist indes mein Zeuge, daß ich dem Knaben anbefohlen hatte, mein Geheimniß zu bewahren! – »Unsere Liebe!« – Silvia, ein Opfer! O, wie schlecht passen diese Worte zusammen! Sagen Sie eher, indem Sie mich retten, geben Sie mir den Himmel auf Erden!«

31Dieser Gebrauch ist historisch. Ehemals war in Spanien, Italien, Frankreich, England und auch in Deutschland jeder zum Tode Verurtheilte frei, wenn ihn am Fuße des Hochgerichts eine Frau oder ein Mädchen zum Manne begehrte.