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Jakob I. und Jakob II

Historische Bruchstücke

aus dem Französischen

Antonys Erinnerungen

Stuttgart

Druck und Verlag Imle u. Krauß

1835


Erstes Kapitel.

Einleitung, durch welche der Leser mit den hauptsächlichsten Personen dieser Geschichte und dem Verfasser derselben Bekanntschaft machen wird

Ich ging im Jahre eintausend achthundert und dreißig vor der Türe

Chevets

 vorüber, als ich im Magazin einen Engländer sah, der eine Schildkröte nach allen Seiten hin und her drehte, um die er mit der offenbaren Ansicht feilschte, eine turtle soup daraus zu machen, sobald sie sein Eigentum geworden. Die Miene der völligen Ergebenheit, mit welcher das arme Tier sich betrachten ließ, ohne nur einmal zu versuchen, durch Zurückziehen in ihre Schale sich dem grausam gastronomischen Blicke ihres Feindes zu entziehen, rührte mich. Es wandelte mich eins plötzliche Lust an, sie aus dem Fleischtopf zu retten, worein sie mit ihren Hinterfüßen schon getaucht war; ich trat in die Bude ein, wo ich zu dieser Zeit sehr bekannt war, und der Madame Beauvais mit dem Augen ein Zeichen gebend, fragte ich sie, ob sie mir die Schildkröte aufgehoben habe, welche ich den vorigen Abend im Vorbeigehen für mich ausgelesen hatte.



Madame

Beauvais

 verstand mich mit jener Schnelligkeit der Auffassung, welche die handeltreibende Klasse der Pariser auszeichnet, und höflich das Tier aus den Händen des Käufers in die Meinigen legend, sagte sie mit einem sehr markierten englischen Accent zu unserem Insulaner, der sie mit offenem Munde anblickte: – Verzeihung,

Milord

, die kleine Schildkröte ist seit diesem Morgen an diesen Herrn verkauft.



– »Ah!« sagte der improvisierte Milord in sehr gutem Französisch zu mir: »Ihnen, mein Herr, gehört dieses herrliche Tier?«



– »Yes, Yes, Milord, erwiderte Madame Beauvais.«



– »Nun gut, mein Herr, fuhr er fort, Sie haben da ein kleines Tier, das eine ausgesuchte Suppe geben wird; ich bedaure nur eins, dass es das einzige seiner Gattung ist, das die Frau Händlerin in diesem Augenblick besitzt.«



– »Wir haben die Hoffnung, morgen früh andere zu bekommen, sprach Madame

Beauvais

 weiter.«



– »Morgen wird es zu spät sein, versetzte der Engländer kalt, ich habe alle meine Angelegenheiten so in Ordnung gebracht, um mir diese Nacht eine Kugel durch den Kopf zu jagen, und ich wünschte, vorher noch eine Schildkrötensuppe zu essen. Diese Worte sprechend, grüßte er mich und ging weg.«



– »Wahrlich, « sagte ich nach einem Augenblick der Überlegung zu mir selbst, »das darf zuletzt aufgeführt werden, dass ein so wackerer Mann seiner letzten Grille nicht genüge.«



Und ich sprang eilends aus dem Laden und schrie wie Madame

Beauvais

: »Milord! Milord!« Allein da ich nicht wusste, wohin

Milord

 seinen Weg genommen, so war es mir unmöglich, ihn einzuholen.



Ich kam ganz gedankenvoll zu Hause an: meine Menschlichkeit gegen ein Tier war eine Unmenschlichkeit gegen einen Menschen geworden. Diese Welt ist eine sonderbare Maschine, wo man dem Einen nichts Gutes thun kann, ohne dem Andern Böses zuzufügen. Ich erreichte die Universitätsstraße, stieg meine drei Stockwerke hinauf und legte meine Ware auf den Bodenteppich nieder.



Es war, ganz ehrlich gestanden, eine Schildkröte von der gemeinsten Gattung: testudo lutaria, sive aquarum dulcium; was nach

Linne

 bei den alten und nach

Ray

 bei den neueren sagen will, Sumpfschildkröte oder Schildkröte des süßen Wassers.

23

23


  Man weiß, dass die Reptilien in vier Klassen eingeteilt werden: die schildkrötenartigen Tiere, welche den ersten Rang einnehmen; die Krokodil- und Eidechsenartigen, welche den zweiten; die Schlangen, welche den dritten; endlich die kleinfüßigen oder froschartigen, welche den vierten Rang einnehmen.





Die Sumpfschildkröte nur oder die Schildkröte des süßen Wassers hat ungefähr in der gesellschaftlichen Ordnung der ersten Klasse der Reptilien den Rang inne, der demjenigen entspricht, welchen bei uns in der bürgerlichen Ordnung die Stadtaccisunterschreiber und in der militärischen Ordnung die Trainsoldaten einnehmen.



Übrigens war es der allersonderbarste Kerl von einer Schildkröte, der je die vier Füße, den Kopf und den Schwanz durch die Öffnungen einer Schildkrötenschale herausgestreckt hatte. Kaum fühlte sie sich auf dem Fußboden, als sie mir einen Beweis ihrer Originalität gab, indem sie geradewegs und mit einer Geschwindigkeit, die ihr in demselben Augenblick noch den Namen Gazelle eintrug, auf den Kamin zueilte und alle Anstrengungen machte, zwischen den Stäben des Aschenbehälters durchzukommen, um bis zum Feuer zu gelangen, dessen Strahl sie anzog; als sie endlich nach Verlauf einer guten Stunde sah, dass das, was sie wünsche, unmöglich sei, fasste sie den Entschluss, einzuschlafen, nachdem sie vorläufig ihren Kopf und ihre Füße durch eine der dem Brande am nächsten stehenden Öffnungen geschoben hatte. So wählte sie für ihr Privatvergnügen eine Temperatur von ungefähr fünfzig bis fünfundfünfzig Graden, was mich auf den Gedanken brachte, dass sie, sei es Neigung oder Verhängnis dazu bestimmt sei, früher oder später gebraten zu werden, und dass ich die Art, wie sie gekocht werden sollte, nur geändert harte, als ich sie dem Topf meines Engländers entriss, um sie in mein Zimmer zu versetzen. Die Folge dieser Geschichte wird beweisen, dass ich mich nicht betrogen hatte. Doch wollen wir den Begebenheiten der Geschichte nicht vorgreifen.



Da ich genötigt war, auszugehen, und fürchtete, es möchte Gazelle ein Unglück zustoßen, so rief ich meinem Bedienten.



– »Joseph, sagte ich zu ihm, als er erschien, du gibst auf dieses Tier Acht.«



Er trat ihm neugierig näher. – Ah! sieh doch, sagte er, es ist eine Schildkröte. . . das trägt einen Wagen.



– »Ja, ich weiß es, aber ich wünsche, dass dich nie die Lust ankomme, die Probe davon zu machen.«



– »O! es würde ihr Nichts tun, erwiderte

Joseph,

 der etwas darauf hielt, vor mir seine Kenntnisse in der Naturgeschichte zu entfalten; der Postwagen von Laon könnte über ihren Rücken fahren, ohne dass er sie zerdrückte.

Joseph

 führte den Postwagen von Laon an, weil er aus Soissons war.«



»Ja, sagte ich zu ihm, ich glaube, dass die große Meerschildkröte, die freie Schildkröte,

testudo mydas,

 ein solches Gewicht tragen könnte, allein ich Zweifle, dass diese, die von der kleinsten Gattung ist. . . «



– »Das hat nichts zu sagen, fiel Joseph ein, diese kleinen Tiere da sind stark wie ein Türke, ein Fuhrmanns wagen ginge darüber.«



– »Gut, gut; kaufe ihm Salate und Schnecken.«



– »Sieh! Schnecken?. . . Ist sie krank auf der Brust? der Herr, bei dem ich war, ehe ich bei Ihnen, Herr, eintrat, trank Schneckenbrühe, weil er

physisch

 war; – nun gut! das hat ihn aber nicht verhindert. . . «



Ich ging weg, ohne den Rest der Geschichte zu hören; mitten auf der Treppe bemerkte ich, dass ich ein Taschentuch vergessen hatte; ich stieg sogleich wieder hinauf. Ich fand

Joseph,

 der mich nicht hatte eintreten hören, wie er den

Apoll

 von Velvedere machte, einen Fuß auf den Rücken Gazellens und den andern frei in die Luft haltend, so dass kein Gran von den hundert und dreißig Pfunden, die der Schlingel wog, für das arme Tier verloren war. Was machst du da, Dummkopf?



– »Ich habe es Ihnen ja gesagt, Herr, antwortete Joseph ganz stolz, mir teilweise bewiesen zu haben, was er behauptete.«



– »Gib mir ein Sacktuch, und rühre das Tier niemals mehr an.«



– »Herr, Herr, sagte mir

Joseph

, mir das Verlangte bringend. . . aber man darf gar keine Angst mehr für sie haben. . . ein Wagen führe darüber. . . «



Ich machte mich aufs Eiligste davon, allein ich war noch keine zwanzig Stufen herabgestiegen, als ich Joseph, meine Türe schließend, zwischen den Zähnen murmeln hörte: – Potztausend! ich weiß, was ich sage. . . und zu dem sieht man, an der Zusammensetzung der Tiere, dass eine mit Kugeln geladene Kanone!. . . Glücklicherweise hinderte mich ein auf der Straße entstehender Lärm, das Ende des verfluchten Satzes zu hören.



Am Abend kam ich ziemlich spät, nach Hause, wie es meine Gewohnheit ist. Bei den ersten Schritten, die ich in meinem Zimmer machte, fühlte ich, dass etwas unter meinem Stiefel krachte. Ich hob schnell den Fuß in die Höhe, indem ich so das ganze Gewicht meines Körpers auf den andern legte; das nämliche Krachen ließ sich von Neuem hören, ich glaubte, ich ginge aus Eiern. Ich hielt mein Wachslicht auf den Boden. . . Mein Fußteppich war ganz mit Schnecken bedeckt.



Joseph

 hatte mir pünktlich gehorcht, hatte Alles in einem Armkorb mitten in mein Zimmer gestellt; zehn Minuten nachher, sei es, dass die Temperatur des Zimmers sie wieder aus ihrer Erstarrung gerissen, sei es, dass die Furcht, verschlungen zu werden, sie in Aufruhr gebracht, hatte sich die ganze Karawane in Bewegung gesetzt, und schon eine ziemliche Strecke Wegs zurückgelegt, was aus den silbergrauen Spuren, die sie auf dem Teppich und den Möbeln zurückgelassen hatten, leicht zu beurteilen war.



Gazelle war auf dem Boden des Korbs zurückgeblieben, an dessen Wänden sie nicht hatte heraufklettern können. Aber einige leere Schalen bewiesen mir, dass die Flucht der Israeliten nicht so schnell gewesen war, dass sie nicht den Zahn an einige von ihnen gelegt hätte, ohne diese durch das rote Meer gehen zu lassen.



Ich stellte alsbald eine genaue Musterung des Bataillons an, welches in meinem Zimmer manövrierte, und von welchem, während der Nacht angegriffen zu werden, ich wenig Lust hatte. Ich nahm dann alle Spaziergänger behutsam mit der rechten Hand, und ließ einen um den andern in ihre Wachstube eintreten, die ich mit der linken Hand hielt, und mit dem Deckel hinter ihnen zuschloss.

 



Nach Verlauf von fünf Minuten nahm ich wahr, dass ich, wenn ich diese ganze Menagerie in meinem Zimmer lasse, Gefahr laufe, nicht einen Augenblick schlafen zu können; es war ein Geräusch, als wenn man ein Dutzend Mäuse in einem Nusssack eingeschlossen hätte: ich entschloss mich daher, Alles in die Küche zu tragen.



Auf dem Wege dachte ich aber, dass nach dem Anfang, den Gazelle gemacht hatte, ich sie den andern Tag an einer Indigestion gestorben finden würde, wenn ich sie inmitten eines so reichlichen Magazins von Lebensmitteln ließe; im nämlichen Augenblick und wie durch eine Eingebung fiel meinem Gedächtnis eine gewisse, in dem Hof stehende, Wanne bei, in welche der Restaurateur im Erdgeschoss seine Fische zum Abschlämmen legte. Dies schien mir ein so ausgezeichneter Gasthof für eine

testudo aquarum dulcium

 zu sein, dass ich es für unnötig hielt, mir den Kopf zu zerbrechen, für sie einen andern zu suchen, weshalb ich sie aus ihrem Speisezimmer hervorzog, und sie geradewegs, an den Ort ihrer Bestimmung trug.



Ich ging schnell wieder in mein Zimmer und schlief ein mit der Überzeugung, dass ich der sinnreichste Mann in Frankreich in Auffindung von Auswegen sei.



Den andern Tag weckte mich

Joseph

 am frühen Morgen auf.



O! mein Herr, das ist ein närrischer Streich, sagte er, sich vor mein Bett stellend.«



– »Welcher närrische Streich?«



– »Den ihre Schildkröte gemacht hat!«



– »Wie?«



– »Nun! glauben Sie, dass sie, ich weiß nicht wie, aus Ihrem Zimmer gegangen ist dass sie die drei Stockwerke hinabstieg, und sich in dem Fischbehälter des Restaurateurs erfrischt hat.«



– »Dummkopf, hast du nicht erraten, dass ich sie dorthin getragen habe?«



– »Ah! so! dann haben Sie da einen hübschen Streich gemacht.«



– »Warum?«



– »Warum? weil sie eine Schleie gefressen hat, eine prächtige Schleie, welche drei Pfund wog.«



– »Hole mir Gazelle, und bringe mir eine Wage.«



– »Während

Joseph

 diesen Befehl ausführte, ging ich in meine Bibliothek, ich schlug den Artikel Schildkröte in meinem Buffon auf, denn ich wollte mich vergewissern, ob diese Art Schildkröte ein Fischfresser sei, und ich las folgendes:



Die Schildkröte des süßen Wassers (testudo aquarum dulcium, es war die richtige), liebt hauptsächlich Sümpfe und stehende Wasser; wenn sie in einem Fluss oder Teich ist, greift sie alle Fische ohne Unterschied an, selbst die größten; sie beißt dieselben unten in den Bauch, verwundet sie dort stark, und wenn sie durch den Verlust des Blutes erschöpft sind, so verzehrt sie dieselben mit der größten Gierigkeit, und lässt fast Nichts als die Gräten, den Kopf der Fische und die Schwimmblase, welche zuweilen auf die Oberfläche des Wassers heraufsteigt, übrig. . .



– »Alle Teufel, sagte ich; der Restaurateur hat Herrn v. Buffon für sich: was er sagt, könnte wohl wahr sein.«



Gerade wollte ich über die Wahrscheinlichkeit des Vorfalls nachdenken, als

Joseph

 zurückkam, in der einen Hand die Angeklagte und in der andern die Wage haltend.



– »Sehen Sie, sagte

Joseph

, das Tier isst viel, um seine Kräfte zu unterhalten, und besonders Fische, weil diese nahrhaft sind; glauben Sie, ’dass es sonst einen Wagen tragen könnte?. . . Sehen Sie in den Seehafen, wie stark die Matrosen sind. Dies kommt daher, weil sie nur Fische essen.«



Ich unterbrach

Joseph.



– »Wie viel wog die Schleie?«



– »Drei Pfund: dies macht neun Franken, welche der Kellner fordert.«



– »Und Gazelle hat sie völlig aufgefressen?«



– »O! sie hat nur die Gräten, den Kopf und die Schwimmblase übrig gelassen.«



– »Es, ist ganz so: Herr v. Buffon ist ein großer Natur kundiger.

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  Da man jedem geben muss was ihm gebührt, so muss man diese Lobeserhebung dem Fortsetzer von Herrn v. Buffon, Herrn

Daudin

 zu Teil werden lassen.



 Indes fuhr ich halblaut fort, drei Pfund. . . das scheint mir stark.«



Ich legte Gazelle in die Wage:sie wog nur zwei und ein halbes Pfund mit ihrer Schale.



Aus dieser Untersuchung ging zwar nicht hervor, dass Gazelle an der Tatsache, die ihr zur Last gelegt wurde, unschuldig war, aber doch, dass sie das Verbrechen an einer Cetacee von viel geringerem Umfange begangen haben musste.



Das Abenteuer mit den Schnecken und der Vorfall mit der Schleie machten mich etwas weniger enthusiastisch für meine neue Erwerbung; und da der Zufall wollte, dass ich denselben Tag einen meiner Freunde traf, einen originellen Mann und genialen Maler, der zu dieser Zeit aus seiner Werkstatt eine Menagerie machte, so zeigte ich ihm an, dass ich den andern Tag seine Sammlung mit meinem neuen Untertanen vermehren werde, der zu der achtenswerten Klasse der Schildkröten gehöre, was ihn sehr zu erfreuen schien.



Gazelle schlief diese Nacht in meinem Zimmer, wo Alles ganz ruhig ablief, in Betracht der Abwesenheit der Schnecken.



Den andern Tag trat

Joseph

 wie gewöhnlich in mein Zimmer, rollte den Fußteppich an meinem Bette auf, öffnete das Fenster und fing an, ihn auszuschütteln, «m ihn von dem Staub zu befreien, aber plötzlich stieß er einen starken Schrei aus, und beugte sich über das Fenster hinaus, als wenn er sich hinabstürzen wollte.



– »Was gibt es denn,

Joseph

? sagte ich halb aufgeweckt.«



– »O! mein Herr, Ihre Schildkröte lag auf dem Teppich, ich habe sie nicht gesehen . . .«



– »Und. . .«



– »Und, meiner Treu! ohne es absichtlich zu tun, habe ich sie aus dem Fenster geworfen.«



– »Dummkopf!. . . Ich sprang aus meinem Bette.«



– »Schau, sagte

Joseph

, dessen Gesicht und Stimme einen Ausdruck völlig beruhigender Heiterkeit annahm, schau, sie frisst ein Stück Kohl!«



In der Tat hatte das Tier aus Instinkt seinen, ganzen Körper in seinen Schild zurückgezogen, und war völlig auf einen Haufen Austernschalen gefallen, deren Beweglichkeit den Fall gebrochen hatte, und da sie in ihrem Bereich ein ihr anständiges Gemüse fand, hatte sie ganz langsam den Kopf aus ihrer Schale heraus gestreckt, und beschäftigte sich ebenso ruhig mit ihrem Frühstück, als wenn sie nicht gerade erst aus einem dritten Stock gefallen wäre.



– »Ich sagte es Ihnen wohl, mein Herr, wiederholte

Joseph

 in der Freude seines Herzens, ich sagte es Ihnen wohl, dass Nichts diesen Tieren was anhaben kann. —Nun denn, während sie frisst, sehen Sie, es könnte ein Wagen darüber fahren . . .«



– »Gleichviel, gehe geschwind hinunter, und hole mir sie.«



Joseph

 gehorchte.



Unterdessen kleidete ich mich an; ein Geschäft, das ich beendigt hatte, ehe

Joseph

 wieder erschien; ich ging ihm daher entgegen, und fand ihn mitten unter einem Kreis Neugieriger, denen er mit großem Pathos die vorgefallene Begebenheit erklärte.



Ich nahm Gazelle in die Hand, sprang in ein Kabriolett, das mich in der Vorstadt Saint-Denis, Numero 109 absetzte; ich stieg in den fünften Stock, und trat in die Werkstätte meines Freundes, der im Begriff war, zu malen.



Er hatte um sich einen auf dem Rücken liegenden und mit einem Scheit Holz spielenden Bären; einen Affen, der auf einem Stuhl saß, und ein Haar nach dem andern aus einem Pinsel heraus riss, und in einem Deckelglas einen Laubfrosch, welcher auf der dritten Stufe einer kleinen Leiter hing, mit Hilfe deren er bis auf die Oberfläche des Wassers heraufsteigen konnte.



Mein Freund hieß

Decamps

, der Bär

Tom

, der Affe

Jakob I.

;

25

25


  So genannt, um ihn von Jakob II. einem Individuum der männlichen Gattung, das Herrn

Tony Johannot

 zugehörte, zu unterscheiden.



 der Laubfrosch

26

26


  Im Französischen ist Laubfrosch (la grenouille) weiblichen Geschlechts.



 Jungfer

Camargo

, und ich . . .




Zweites Kapitel.

Wie Jakob I. Jakob II. einen wütenden Hass schwor und dies aus Veranlassung einer gelben Rübe

Mein Eintritt brachte eine Revolution hervor.



Decamps

 erhob die Augen von jenem wundervollen kleinen Gemälde gelehrter Hunde, welches Sie alle kennen und welches er damals vollendete.



Tom

 ließ sich das Scheit Holz, mit dem er spielte, auf die Nase fallen, und entfloh brummend in seine zwischen den beiden Fenstern erbaute Nische.



Jakob I.

 warf eilfertig seinen Pinsel hinter sich und raffte einen Strohhalm auf, den er unverweilt mit der rechten Hand zum Maule brachte, während er sich mit der Linken am Schenkel kratzte und die Augen fromm gen Himmel erhob.



Jungfer

Camargo

 endlich stieg matt eine Stuft ihrer Leiter hinan, was unter allen andern Umständen als ein Vorzeichen des Regens hätte betrachtet werden können.



Und ich legte

Gazelle

 an der Türe des Zimmers nieder, auf deren Stelle ich stille gehalten hatte, indem ich sagte: »Teurer Freund, hier ist das Tier.Sie sehen, dass ich Wort halte.«



Gazelle

 war in keiner glücklichen Stimmung: die Bewegung des Kabrioletts hatte sie so sehr aus der Fassung gebracht, dass sie während der Fahrt, wahrscheinlich um alle ihre Ideen zu sammeln und über ihre Lage nachzudenken, ihre ganze Person unter ihren Schild zurückgezogen hatte: was ich auf den Boden legte, trug daher gerade das Aussehen einer leeren Schale.



Nichtsdestoweniger wagte

Gazelle

, als ihr Schwerpunkt sich wieder regelte, und sie fühlte, dass sie auf einem festen Boden ruhe, ihre Nase an der oberen Öffnung ihres Gehäuses zu zeigen; indes war zu größerer Sicherheit dieser Teil ihrer Person klugerweise zu gleicher Zeit von ihren beiden Vorderfüßen begleitet, und wie wenn alle Glieder übereinstimmend der Elastizität einer inneren Spannkraft gehorcht hätten, erschienen die beiden Hinterfüße und der Schwanz am hinteren Ende der Schale. – Fünf Minuten darauf hatte

Gazelle

 alle Segel ausgespannt.



Sie blieb indes noch einen Augenblick unbeweglich stehen, drehte ihren Kopf links und rechts, wie um sich zu recht zu finden; dann wurden plötzlich ihre Augen starr: – und sie ging ebenso eilends vorwärts, als wenn sie dem Hasen

Lafontaine’s

 den Preis im Rennen streitig zu machen hätte, auf eine gelbe Rübe zu, die zu den Füßen des Sessels lag, welcher

Jakob I.

 zum Fußgestell diente.



, Dieser sah zuerst die Neu angekommene mit ziemlicher Gleichgültigkeit auf sich zu rücken; aber sobald er das Ziel gewahrte, auf das sie loszusteuern schien, gab er Zeichen einer wirklichen Unruhe, welche sich durch ein dumpfes Brummen Kund gab, das aber, je mehr sie von ihrer Bahn zurückgelegt hatte, immer mehr in grillendes Schreien, durch Zähne fletschen unterbrochen, ausartete. Als sie endlich nur noch einen Fuß von dem kostbaren Gemüse entfernt war, nahm die Bewegung

Jakobs

 den Charakter einer wirklichen Verzweiflung an; er ergriff die Rücklehne seines Sessels mit einer Hand, das mit Stroh überflochtene Querbrett mit der andern, und schwang es, wahrscheinlich in der Hoffnung, das schmarotzerische Tier, das ihm sein Mittagessen zu schmälern kam, dadurch zu erschrecken, mit aller Kraft seiner Fäuste, warf seine beiden Füße zurück, wie ein Pferd das ausschlägt, und begleitete diese Bewegungen mit allen Gebärden und Grimassen, denen er die Fähigkeit zutraute, die automatische Unempfindlichkeit seines Feindes zu Schanden zu machen. – Allein Alles war vergeblich,

Gazelle

 machte deshalb keinen Schritt schneller oder langsamer, als den andern.

Jakob I.

 wußte nicht mehr, welchen Heiligen er anrufen solle.



Glücklicherweise für

Jakob

 erhielt er in diesem Augenblick einen unerwarteten Beistand.

Tom

, der sich bei meiner Ankunft in seine Loge zurückgezogen hatte, war endlich mit meiner Gegenwart vertraut geworden, und schenkte, wie wir Alle, der vorgehenden Szene eine gewisse Aufmerksamkeit; erstaunt zuerst, dieses unbekannte Tier, das durch meine Freigebigkeit sein Zimmergenosse geworden war, sich bewegen zu sehen, war er ihm mit zunehmender Neugierde in seinem Laufe gegen die Rübe gefolgt. Da nun

Tom

 die gelben Rüben gleichfalls nicht verachtete, so machte er, als er

Gazelle

 nahe daran sah, das köstliche Gemüse zu erreichen, trottelnd drei Schritte, und seine dicke Pfote in die Höhe hebend, ließ er sie schwerfällig auf den Rücken des armen Tiers fallen, welches mit der Bauchschale den Boden berührend unverzüglich in seine natürliche Burg sich zurückzog und in einer Entfernung von zwei Zoll von dem Leckerbissen, der in diesem Augenblick drei Bewerber fand, unbeweglich blieb.

Tom

 schien höchst verwundert, wie durch Zauber, Kopf, Füße und Schwanz verschwinden zu sehen. Er brachte seine Nase ans Gehäuse, blies laut in die Öffnungen; endlich und wie um sich vollkommener über die sonderbare Organisation des vor seinen Augen befindlichen Gegenstandes zu belehren, ergriff er sie, drehte sie zwischen seinen beiden Pfoten hin und her; ließ sie hierauf, wie überzeugt, dass er sich getäuscht habe, als er auf den ungeräumten Einfall kam, ein solches Ding könne gehen, nachlässig wieder fallen, nahm die Rübe zwischen seine Zähne, und schickte sich an, nach seiner Nische zurückzukehren.

 



So war es aber von

Jakob

 nicht gemeint; er hatte nicht darauf gerechnet, dass der Dienst, den ihm sein Freund

Tom

 leistete, durch einen solchen Zug von Egoismus beschmutzt würde; da er aber für seinen Kameraden nicht die nämliche Achtung wie für die Fremde hatte, sprang er von dem Sessel herab, auf dem er klüglich während des Auftritts, den wir beschrieben haben, geblieben war und, mit der einen Hand die Rübe, die

Tom

 an der Wurzel hielt, an ihrem grünen Kraut ergreifend, stemmte er sich mit allen Kräften an, machte Grimassen, schrie und klapperte mit den Zähnen, während die andere ihm frei gebliebene Pfote fortwährend Ohrfeigen auf der Nase seines friedlichen Gegners anbrachte, der, ohne wieder zu schlagen, aber auch ohne den im Streit befangenen Gegenstand loszulassen, sich damit begnügte, seine Ohren auf seinen Hals zu legen und seine kleinen schwarzen Augen zu schließen, so oft die bewegliche Hand

Jakobs

 mit seinem dicken Gesicht in Berührung kam: endlich blieb der Sieg, wie das gewöhnlich so vorkommt, nicht dem Stärksten, sondern dem Unverschämtesten.

Tom

 riss die Zähne aus einander und Jakob, im Besitz der ersehnten Rübe, schwang sich auf eine Leiter, den Preis des Kampfes mitnehmend, den er hinter einem Gypsabguss

Malagutti’s

 verbarg, welcher auf einem, Fache sechs Fuß vom Boden befestigt war; nachdem er dieses Werk vollbracht, stieg er ruhiger herab, sicher, dass weder Bär noch Schildkröte im Stande seien, sie von da herabzuholen.



Auf der letzten Stufe angekommen, und als es sich darum handelte, den Fuß auf den Boden zu setzen, hielt er vorsichtigerweise an, und die Augen auf

Gazelle

 werfend, die er in der Hitze seines Streits mit

Tom

 vergessen hatte, ersah er, dass sie sich in einer nichts weniger als offensiven Stellung befand. – In der Tat hatte

Tom

, statt sie sorgfältig in der nämlichen Lage, in der er sie genommen hatte, wieder auf den Boden zu setzen, sie, wie wir schon gesagt, nachlässig auf gut Glück hinfallen lassen, so dass das unglückliche Tier, als sie ihrer Sinne wieder mächtig wurde, statt sich in ihrer gehörigen Lage, das heißt, auf dem Bauch, zu befinden, auf dem Rücken lag, was, wie jeder weiß, jedem Individuum, das einen Teil der Race der Schildkröten ausmacht, im höchsten Grade zuwider ist.



Aus dem Ausdruck von Sicherheit, mit welchem

Jacob

 sich

Gazelle

 näherte, war leicht zu ersehen, dass er vom ersten Augenblick an geschlossen hatte, ihre Lage setze sie außer Stand, sich auf irgend eine Art zu verteidigen. Doch hielt er, einen halben Fuß von dem

monstrum horrendum

 angekommen, eine Weile an, blickte auf die nach seiner Seite hin liegende Öffnung und fing mit einer Miene anscheinender Nachlässigkeit an, vorsichtig um sie herum zu gehen, indem er sie untersuchte, ungefähr wie ein General eine Stadt, die er belagern will. Wie diese Recognoscirung vollendet war, streckte er seine Hand sachte aus, berührte mit der Fingerspitze das äußerste Ende der Schale; sich dann sogleich mit Leichtigkeit zurückwerfend, fing er, ohne